Leseprobe Günther / Fischer Kinetik TECHNISCHE MECHANIK Studienbrief 2-050-0911 3. Auflage 2007 HDL HOCHSCHULVERBUND DISTANCE LEARNING Verfasser: Prof. Dr.-Ing. habil. Wilfried Günther Professor für Technische Mechanik / Maschinendynamik im Fachbereich Maschinenbau und Kraftfahrzeugtechnik an der Westsächsischen Hochschule Zwickau unter Mitarbeit von: Prof. Dr.-Ing. habil. Karl-Friedrich Fischer Professor für Technische Mechanik / Festkörpermechanik im Fachbereich Maschinenbau und Kraftfahrzeugtechnik Rektor der Westsächsischen Hochschule Zwickau Der Studienbrief wurde auf der Grundlage des Curriculums für das Studienfach „Technische Mechanik“ verfasst. Die Bestätigung des Curriculums erfolgte durch den Fachausschuss „Grundständiges Fernstudium Wirtschaftsingenieurwesen“, dem Professoren der folgenden Fachhochschulen angehörten: HS Anhalt, FHTW Berlin, TFH Berlin, HTWK Leipzig, HS Magdeburg-Stendal, HS Merseburg, HTW Mittweida, FH Schmalkalden, FH Stralsund, TFH Wildau und WH Zwickau. Redaktionsschluss: Oktober 2007 3., aktualisierte Auflage 2007 „ 2007 by Service-Agentur des Hochschulverbundes Distance Learning mit Sitz an der FH Brandenburg. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung und des Nachdrucks, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung der Service-Agentur des HDL reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Service-Agentur des HDL (Hochschulverbund Distance Learning) Leiter: Dr. Reinhard Wulfert in der Agentur für wissenschaftliche Weiterbildung und Wissenstransfer e. V. Magdeburger Straße 50, 14770 Brandenburg Tel.: 03381 - 355 740 E-Mail: [email protected] Fax: 03381 - 355 749 Internet: http://www.aww-brandenburg.de Technische Mechanik Kinetik Inhaltsverzeichnis Randsymbole .............................................................................................................................. 4 Einleitung ................................................................................................................................... 5 Literaturempfehlung.................................................................................................................. 5 1 Kinetik des Massenpunktes ......................................................................................... 6 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 Kinetisches Grundgesetz................................................................................................ 6 Kinetostatische Methode ................................................................................................ 7 Arbeits- und Energiesatz .............................................................................................. 11 Impuls- und Drehimpulssatz ........................................................................................ 16 Zusammenfassung ....................................................................................................... 18 Aufgaben zur Übung.................................................................................................... 19 2 Rotation eines starren Körpers um eine feste Achse ................................................ 21 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 Kinetisches Grundgesetz.............................................................................................. 21 Massenträgheitsmomente ............................................................................................. 23 Arbeitssatz................................................................................................................... 27 Gegenüberstellung wichtiger Größen bei Translation und Rotation .............................. 28 Beispiel ....................................................................................................................... 29 Zusammenfassung ....................................................................................................... 32 Aufgaben zur Übung.................................................................................................... 33 3 Ebene Bewegung starrer Körper............................................................................... 34 3.1 3.2 3.3 3.4 Kinetostatische Methode .............................................................................................. 34 Arbeits- und Energiesatz .............................................................................................. 38 Impuls- und Drehimpulssatz ........................................................................................ 41 Aufgaben zur Übung.................................................................................................... 42 4 Mechanische Schwingungen ...................................................................................... 43 4.1 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.4 4.4.1 4.4.2 4.5 4.6 Grundbegriffe .............................................................................................................. 44 Freie ungedämpfte Schwingungen................................................................................ 46 Schwingungsmodelle ................................................................................................... 46 Bewegungsgleichung ................................................................................................... 46 Lösung der Bewegungsgleichung ................................................................................. 48 Schwingungssysteme mit mehreren Federn .................................................................. 50 Freie gedämpfte Schwingungen ................................................................................... 55 Dämpfungsarten........................................................................................................... 55 Bewegungsgleichung ................................................................................................... 55 Lösungen der Bewegungsgleichung ............................................................................. 57 Erzwungene gedämpfte Schwingungen ........................................................................ 59 Bewegungsgleichung ................................................................................................... 59 Lösung der Bewegungsgleichung ................................................................................. 61 Zusammenfassung ....................................................................................................... 66 Aufgaben zur Übung.................................................................................................... 67 Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben............................................................................... 71 Literaturverzeichnis................................................................................................................. 80 Kinetik Technische Mechanik Randsymbole B D K M S Ü Z 4 Beispiel Definition Kontrollfragen Merksatz Studienziele Übungsaufgaben Zusammenfassung Technische Mechanik Kinetik Einleitung Die Kinetik untersucht die Bewegungen bzw. Bewegungsänderungen von Körpern infolge der verursachenden Kräfte (Kraftsysteme). Sie widmet sich folglich den Abhängigkeiten zwischen den kinematischen Größen (Weg, Geschwindigkeit und Beschleunigung) und den wirkenden Belastungen. Begriffe und Idealisierungen der Statik, wie Einzelkraft, Moment, Massenpunkt, starrer Körper usw., werden weiter verwendet. Ziel des Studienbriefes ist es, • ausgehend von den Newtonschen Axiomen die Lösungsprinzipien „kinetostatische Methode“, „Arbeits- und Energiesatz“ sowie „Impulsund Drehimpulssatz“ an Beispielen darzustellen und Sie damit zu befähigen, einfache Aufgaben zur Massenpunkt- und Starrkörperkinetik zu lösen. S • Einen wichtigen Bestandteil der Betrachtungen bilden dabei die mechanischen Schwingungen. Sie werden mit der Behandlung typischer Schwingungsmodelle für einfache maschinendynamische Untersuchungen vertraut gemacht. Der Studienbrief knüpft an die vermittelten Grundkenntnisse in den Studienbriefen „Kinematik“ (GÜNTHER / FISCHER, 2007) und „Schwingungen und Wellen“ (SCHMIDT, 2007) an. Literaturempfehlung – FISCHER, K.-F. / GÜNTHER, W. (1994): „Technische Mechanik“: Lehrbuch zur Vertiefung. – GÜNTHER, W. / FISCHER, K.-F. (2007): Studienbrief Technische Mechanik „Kinematik“: Studienbrief zur Wiederholung der Kinematikgrundkenntnisse. – HAUGER, W. / SCHNELL, W. / GROSS, D. (2002): „Technische Mechanik, Bd. 3: Kinetik“: Lehrbuch in Taschenbuchform mit durchgerechneten Beispielen – MAYR, M (2006).: „Technische Mechanik. Statik, Kinematik, Kinetik, Schwingungen, Festigkeitslehre: Lehrbuch mit vielen Fragen, Beispielen und Übungsaufgaben. – SCHMIDT, J. (2007): Studienbrief „Schwingungen und Wellen“: Studienbrief zur Wiederholung der Grundkenntnisse zu den Schwingungen. 5 Kinetik Technische Mechanik R R B B ϕ ϕ A A oo 9090 Bild 2.9 Ü 2.4 gg Ausgangs- und Endlage der Kreisscheibe Von einer Papierrolle (Masse m, MTM J) soll mit Hilfe der Kraft F Papier abgerollt werden (vgl. Bild 2.10). der Rolle? Welcher Wie groß ist die Winkelbeschleunigung ϕ Beschränkung muss die Reibungszahl µ zwischen Wand und Rolle genügen, damit dies möglich ist? geg.: h, r, J, F, m, µ, g , µmax ges.: ϕ g ϕ h r m, J F µ Bild 2.10 Geometrie der Papierrolle 3 Ebene Bewegung starrer Körper 3.1 Kinetostatische Methode Wir betrachten einen starren Körper, dessen Punkte sich in parallelen Ebenen bewegen. Es wird ein raumfestes kartesisches Koordinatensystem so gewählt, dass die Bahnkurve des Schwerpunktes S in der x-y-Ebene verläuft. Weiterhin setzen wir voraus, dass die Wirkungslinie der resultierenden äußeren Kraft in der x-y-Ebene liegt und durch den Schwerpunkt S geht. Es wirkt nur ein resultierendes äußeres Moment um die z-Achse. 34 Technische Mechanik Kinetik Wie in der Kinematik beschreiben wir die Bewegung als Überlagerung von Translation (Bewegung des Schwerpunktes S) und Rotation um die Schwereachse, die parallel zur z-Achse verläuft (Rotation um S). Freie ebene Bewegung des starren Körpers Um die Bewegungsgleichungen zu finden, wenden wir die kinetostatische Methode auf den frei beweglichen Körper an (vgl. Bild 3.1): y FRes y s mx ys S FRes x MRes z Jsϕ s my x xs Bild 3.1 Belastungen am frei beweglichen Körper geg.: JS Massenträgheitsmoment um die Schwereachse, m Körpermasse, FRes x , FRes y Komponenten der resultierenden äußeren Kraft, MRes z resultierendes äußeres Moment um die Schwereachse (Moment um S). ges.: Bewegungsgleichungen Lösungsschritte: Bewegungskoordinaten: Zur Beschreibung der Schwerpunktbewegung werden die Wegkoordinaten xS , yS und zur Beschreibung der Rotation um S wird die Winkelkoordinate ϕ eingeführt. Antragen der Belastungen: An dem frei beweglichen Körper wirken neben den äußeren Belastungen die in Bild 3.1 eingetragenen d’Alembertschen Trägheitsgrößen entgegen den positiven Koordinatenrichtungen. m xs , m ys und J s ϕ GGB: → : FRes x − m xs = 0 , ↑: FRes y − m ys = 0 , (3.1) { = 0 . S: M Res z − J s ϕ 35 Kinetik Technische Mechanik Diese Gleichungen beschreiben die ebene Bewegung des starren Körpers (Bewegungsgleichungen). Sie sind gegenüber den statischen Gleichgewichtsbedingungen um die Trägheitsgrößen erweitert (kinetische bzw. dynamische Gleichgewichtsbedingungen)! Bewegungsgleichungen (und Lösungen): Aus den Bewegungsgleichungen (3.1) erhalten wir die Beschleunigung G um des Schwerpunktes a S (xS , yS ) und die Winkelbeschleunigung ω = ϕ den Schwerpunkt. G Schwerpunktgeschwindigkeit vS und Winkelgeschwindigkeit ω sowie G Schwerpunktbahn rS und Winkel ϕ ergeben sich durch Zeitintegration und Berücksichtigung der entsprechenden Anfangsbedingungen (vgl. Studienbrief GÜNTHER / FISCHER, 2007). Die Bedingungen (3.1) werden umgeformt: FRes x = m xs , FRes y = m ys , (3.2) . M Res z = J s ϕ Die beiden ersten Gleichungen beschreiben die Bewegung des Schwerpunktes (Schwerpunktsatz) und die letzte Gleichung die Rotation um die Schwereachse durch S. Sonderfälle der freien ebenen Bewegung Wir wollen auf drei wichtige Sonderfälle eingehen: 1. Gleichförmige Bewegung oder Ruhe des Körperschwerpunktes x s = 0 , ys = 0 : Die äußeren Kräfte sind im Gleichgewicht. Der Schwerpunkt bewegt G G sich gleichförmig (vs = konst.) oder ist in Ruhe (vs = 0) . Es tritt jedoch im Allgemeinen zusätzlich eine Rotation um den bewegten oder ruhenden Schwerpunkt auf. 2. Translation des Körpers (keine Rotation) = 0 : ϕ = ω = 0 bzw. ϕ Die äußeren Kräfte erzeugen kein Moment um den Schwerpunkt S (MRes z = 0). Der Körper führt eine reine Translationsbewegung aus. 3. Gleichförmige Bewegung oder Ruhe des Körpers = 0 : x s = 0, ys = 0, ϕ Die resultierenden äußeren Kräfte und Momente verschwinden. Aus den Gln. (3.2) folgen die statischen Gleichgewichtsbedingungen für den gleichförmig bewegten oder ruhenden Körper. 36 Technische Mechanik Kinetik Abrollendes Rad auf waagerechter Ebene (1) Als Anwendungsbeispiel betrachten wir ein abrollendes Rad auf einer waagerechten Ebene, das durch eine konstante Kraft F im Schwerpunkt angetrieben wird (vgl. linke Skizze in Bild 3.2): xs φ Jsϕ R m, Js s mx S S F mg F µ0 FR Bild 3.2 FN Angetriebenes Rad geg.: F = konst., R, m, JS, µ0 ges.: Schwerpunktbeschleunigung xS Lösung: Bewegungskoordinaten: Die geradlinige Bewegung des Schwerpunktes S wird durch xS und die Drehung um S durch ϕ beschrieben. Freischneiden: Die rechte Skizze in Bild 3.2 zeigt die gewählten Koordinaten sowie die auf das Rad einwirkenden Kräfte und Momente. GGB: →: { ↑: S: F − FR − m xS = 0 , FN − mg = 0 , − FR R = 0 . JS ϕ Zwangsbedingung (ZB): Wenn das Rad ohne Rutschen abrollt, dann ist die abgerollte Bogenlänge R ϕ gleich der zurückgelegten Schwerpunktstrecke xS: xS = Rφ. Durch zweimaliges Differenzieren der ZB nach der Zeit folgt für die Beschleunigungen: bzw . ϕ = x S = Rϕ xS . R 37 Kinetik Technische Mechanik Lösung des Gleichungssystems: Für die Haftreibungskraft ergibt sich aus der 3. GGB mit der ZB: FR = J s J s ϕ = 2 xS . R R Durch Einsetzen in die 1. GGB erhalten wir: F− J s s = 0. x − mx 2 s R Die Lösung folgt damit zu: xS = F m + J s2 R = F m 1 + J s 2 mR = konst. Diskussion: – Das abrollende Rad wird durch die konstante Kraft F gleichmäßig beschleunigt. Ein Abrollen ohne Rutschen tritt nur dann auf, wenn das Haftreibungsgesetz, FR ≤ µ0 FN, erfüllt ist. Mit der Haftreibungskraft FR nach der 3. GGB und der Normalkraft FN = mg folgt daraus schließlich die Haftbedingung: F ≤ (1 − mR 2 ) µ0 mg . JS – Wir wollen noch die Beschleunigungen einer abrollenden Walze und einer dünnwandigen Trommel bei gleicher Kraftwirkung miteinander vergleichen: Unter der Annahme gleicher Masse m und gleichem Radius R sind die MTM bezüglich der Schwereachse für die Walze JSW = m R 2 und für 2 2 die Trommel JST = mR (vgl. Tab. 2.1, Hohlzylinder mit Ri = Ra). Die Walze erfährt eine größere Beschleunigung als die Trommel: x SW = 3.2 2F F . , x ST = 2m 3m Arbeits- und Energiesatz Aus der Betrachtung der ebenen Bewegung des starren Körpers als Überlagerung von Translation (Bewegung des Schwerpunktes S) und Rotation um S folgt, dass sich die kinetische Energie und die Arbeit aus einem Translations- und einem Rotationsanteil zusammensetzen. Für die kinetische Energie ergibt sich mit der Translationsenergie des Schwerpunktes S und der Rotationsenergie um S der Ausdruck: T= 38 1 1 mv S2 + J S ω 2 . 2 2 (3.3) Technische Mechanik Kinetik Wirkt an einem frei beweglichen Körper im Schwerpunkt die resultierenG de äußere Kraft FRes und um S das Moment MRes z, dann verrichten diese Kraft und das Moment jeweils die Arbeit G rS2 W= ∫ G rS1 ϕ G G 2 FRes dr + M Res z d ϕ , ∫ (3.4) ϕ1 G wenn der Körper von der Ausgangslage 1 (rS1 , ϕ1 ) in die Endlage 2 G ( rS2 , ϕ 2 ) bewegt wird (vgl. dazu Bild 3.3): G FRes MRes z φ G rs S m, J S 0 Bild 3.3 Äußere Belastungen am frei beweglichen Körper Sinngemäß zum Arbeitssatz für den Massenpunkt bzw. für den starren Körper bei Rotation um eine feste Achse (vgl. Gln. (1.7), (2.12)) gilt der Arbeitssatz (1. Fassung): W = T2 − T1. Besitzen einzelne Kräfte und Momente ein Potenzial U (konservative Kräfte und Momente), dann folgt der Arbeitssatz in einer 2. Fassung (vgl. Gl. (1.10)): WOP = ( T2 + U 2 ) − ( T1 + U1 ) . (3.5) Treten am Körper nur konservative Kräfte und Momente auf (WOP = 0; vgl. Abschn. 1.3), dann erhalten wir den Energiesatz: (T2 + U 2 ) = (T1 + U1 ) = T + U = konst . (3.6) Die Anwendung des Arbeitssatzes wollen wir an dem Beispiel zeigen, das wir bereits mit der kinetostatischen Methode gelöst haben. Abrollendes Rad auf waagerechter Ebene (2) Das abrollende Rad mit einer Anfangsschwerpunktgeschwindigkeit vS0 wird durch die Kraft F beschleunigt (vgl. Bild 3.2). geg.: F = konst., R, JS, m, vS0 , ges.: vs = vs (x), xs 39 Kinetik Technische Mechanik Lösung: Koordinaten: Die Translation des Schwerpunktes S wird wieder durch xS und die Rotation um S durch ϕ beschrieben. Zwangsbedingung (ZB): Die Abrollbedingung xS = Rϕ führt auf ϕ = x S / R bzw. ω = vS/R und ϕ 0 = ω 0 = v S0 / R. Arbeitssatz: Die einzelnen Anteile des Arbeitssatzes nach Gl. (3.5) listen wir in einer Tabelle auf. Als Nullniveau für die potenzielle Energie der Schwerkraft wählen wir hier zweckmäßig die Schwerpunktlage. Tabelle 3.1 Anteile des Arbeitssatzes nach Gl. (3.3) Lage WOP U 1: xS = 0 T 0 1 1 2 m vS0 + JS ω02 2 2 0 1 1 mx S2 + JSϕ 2 2 2 xS ∫ F dx 0 2: xS > 0 Nach Auswertung des Integrals folgt: Fx S = 1 2 ( mx 2 S ) ( ) 2 + J S ϕ 2 − 12 mvS0 + J S ω02 . Geschwindigkeit und Beschleunigung: Nach Einsetzen der ZB erhalten wir eine Beziehung zwischen der Schwerpunktgeschwindigkeit xS und dem zurückgelegten Weg xS: J Fx S = 12 m + S2 R v S = x S = (v 2 S 2 − vS0 ) bzw. 2F x S + v S20 . JS m+ 2 R Da hier jedoch die Beschleunigung gesucht ist, differenzieren wir die obige erste Gleichung (beide Gleichungsseiten) nach der Zeit t. Bei der Differentiation der rechten Seite muss die Kettenregel angewendet werden: J Fx S = 12 m + S2 2x S xS . R 40 Technische Mechanik Kinetik Damit erhalten wir die Schwerpunktbeschleunigung als konstante Größe: xs = F J m + S2 R . Diskussion: Mit dem Arbeitssatz erhalten wir die Geschwindigkeit in Abhängigkeit vom zurückgelegten Weg. Erst die Differentiation nach der Zeit liefert die gesuchte Beschleunigung! Die kinetostatische Methode führt sofort auf die Beschleunigung. 3.3 Impuls- und Drehimpulssatz Zur Beschreibung der ebenen Bewegung eines starren Körpers kann auch der Impulssatz für die Translation des Schwerpunktes S und den Drehimpulssatz für die Rotation um die Schwereachse durch S verwendet werden. Wir erhalten den Impuls- und Drehimpulssatz, wenn wir das kinetische Grundgesetz für die Bewegung eines starren Körpers, Gl. (3.2), nach der Zeit integrieren. Für ein Zeitintervall t2 − t1 und mit den neuen Bezeichnungen Fx = FRes x, Fy = FRes y , Mz = MRes z, x S1 = x S (t1 ) , x S2 = x S (t 2 ) usw. ergibt sich aus den Gln. (3.2): t2 ∫ F (t) dt = m x x S2 − m x S1 , S2 − m y S1 , t1 t2 ∫ F (t) dt = m y y t1 t2 ∫ M (t) dt = J ϕ z S 2 − JS ϕ 1 . t1 Die Zeitintegrale der Kraftkomponenten bzw. des Momentes kennzeichnen die Kraftstöße bzw. den Momentenstoß. Die Kraftstöße in x- und y-Richtung führen zur Änderung der Impulse in diesen Richtungen und der Momentenstoß zur Änderung des Drehimpulses um die Schwereachse. M Diese Sätze werden bei der Lösung von Stoßproblemen benötigt, wo ihre Anwendung demonstriert wird. Dazu sei auf die weiterführende Literatur verwiesen. 41 Kinetik Technische Mechanik 3.4 Aufgaben zur Übung Zur Übung sollten Sie jetzt die folgenden Aufgaben lösen: Ü Ü 3.1 Um den Zapfen (Radius r) eines Rades (Radius R, Masse m, MTM JS) ist ein Faden geschlungen, der gegen die Horizontale um α geneigt ist und an dessen Ende die Zugkraft F wirkt (vgl. Bild 3.4). g m, Js R F r S α µ0 Bild 3.4 geg.: Radgeometrie und Belastung r = 0,25 m, R = 0,5 m, m = 40 kg, JS = 3 kg m², α = 40°, µ0 = 0,35, F = 100 N, g ges.: 1. Beschleunigung und Winkelbeschleunigung des abrollenden Rades (allgemein und für die gegebenen Zahlenwerte)? 2. Bei welchem Winkel α0 kommt es zur Richtungsumkehr der Rollbewegung? 3. Bei welcher Fadenkraft Fkr tritt Schlupf zwischen Rad und Bahn auf? Ü 3.2 Eine Rolle mit der Masse m und dem Massenträgheitsmoment J rollt eine raue, schiefe Ebene hinab (vgl. Bild 3.5). Welche Drehzahl nDh erreicht die Rolle, wenn sie aus der Ruhe ohne Anstoß losgelassen wird und einen Höhenunterschied von h schlupffrei zurückgelegt hat? 42 geg.: J = 2,5 kg m², ges.: nDh h = 1 m, m = 16 kg, R = 0,4 m Technische Mechanik Kinetik xS m, J ϕ S g R α Bild 3.5 Ü 3.3 Rolle auf schiefer Ebene Eine dünne Halbzylinderschale (Masse m, Radius R) rollt ohne zu gleiten aus der skizzierten Ruhelage (vgl. Bild 3.6) auf einer Ebene ab. m g ,S S M ϕ R Bild 3.6 4 Ausgangslage der Halbzylinderschale geg.: R, m, ,S = 2 R/π, g ges.: Winkelgeschwindigkeit ω in Abhängigkeit vom Drehwinkel ϕ Mechanische Schwingungen Vielfach unterliegen in der Technik die mechanischen Zustandsgrößen, wie Lageänderungen, Geschwindigkeiten, Kräfte usw., zeitlichen Schwankungen. Solche Vorgänge nennt man Schwingungen. So führt z. B. der Kolbenmotor oder der Fahrzeugaufbau eine Schwingbewegung aus. Dieses Kapitel widmet sich der Schwingungslehre, die als Grundlage zur Lösung maschinendynamischer Aufgaben dient. Es baut auf den Grundzügen der Schwingungen auf, die im Studienbrief SCHMIDT (2007), „Schwingungen und Wellen“, behandelt werden. 43