Kinetik Leseprobe

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Leseprobe
Günther / Fischer
Kinetik
TECHNISCHE MECHANIK
Studienbrief 2-050-0911
3. Auflage 2007
HDL
HOCHSCHULVERBUND DISTANCE LEARNING
Verfasser:
Prof. Dr.-Ing. habil. Wilfried Günther
Professor für Technische Mechanik / Maschinendynamik
im Fachbereich Maschinenbau und Kraftfahrzeugtechnik
an der Westsächsischen Hochschule Zwickau
unter Mitarbeit von:
Prof. Dr.-Ing. habil. Karl-Friedrich Fischer
Professor für Technische Mechanik / Festkörpermechanik
im Fachbereich Maschinenbau und Kraftfahrzeugtechnik
Rektor der Westsächsischen Hochschule Zwickau
Der Studienbrief wurde auf der Grundlage des Curriculums für das Studienfach „Technische
Mechanik“ verfasst. Die Bestätigung des Curriculums erfolgte durch den
Fachausschuss „Grundständiges Fernstudium Wirtschaftsingenieurwesen“,
dem Professoren der folgenden Fachhochschulen angehörten:
HS Anhalt, FHTW Berlin, TFH Berlin, HTWK Leipzig, HS Magdeburg-Stendal, HS Merseburg,
HTW Mittweida, FH Schmalkalden, FH Stralsund, TFH Wildau und WH Zwickau.
Redaktionsschluss: Oktober 2007
3., aktualisierte Auflage 2007
„ 2007 by Service-Agentur des Hochschulverbundes Distance Learning mit Sitz an der FH Brandenburg.
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere das Recht der
Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung und des Nachdrucks, bleiben, auch bei nur
auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche
Genehmigung der Service-Agentur des HDL reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme
verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Service-Agentur des HDL
(Hochschulverbund Distance Learning)
Leiter: Dr. Reinhard Wulfert
in der Agentur für wissenschaftliche Weiterbildung und Wissenstransfer e. V.
Magdeburger Straße 50, 14770 Brandenburg
Tel.: 03381 - 355 740
E-Mail: [email protected]
Fax: 03381 - 355 749
Internet: http://www.aww-brandenburg.de
Technische Mechanik
Kinetik
Inhaltsverzeichnis
Randsymbole .............................................................................................................................. 4
Einleitung ................................................................................................................................... 5
Literaturempfehlung.................................................................................................................. 5
1
Kinetik des Massenpunktes ......................................................................................... 6
1.1
1.2
1.3
1.4
1.5
1.6
Kinetisches Grundgesetz................................................................................................ 6
Kinetostatische Methode ................................................................................................ 7
Arbeits- und Energiesatz .............................................................................................. 11
Impuls- und Drehimpulssatz ........................................................................................ 16
Zusammenfassung ....................................................................................................... 18
Aufgaben zur Übung.................................................................................................... 19
2
Rotation eines starren Körpers um eine feste Achse ................................................ 21
2.1
2.2
2.3
2.4
2.5
2.6
2.7
Kinetisches Grundgesetz.............................................................................................. 21
Massenträgheitsmomente ............................................................................................. 23
Arbeitssatz................................................................................................................... 27
Gegenüberstellung wichtiger Größen bei Translation und Rotation .............................. 28
Beispiel ....................................................................................................................... 29
Zusammenfassung ....................................................................................................... 32
Aufgaben zur Übung.................................................................................................... 33
3
Ebene Bewegung starrer Körper............................................................................... 34
3.1
3.2
3.3
3.4
Kinetostatische Methode .............................................................................................. 34
Arbeits- und Energiesatz .............................................................................................. 38
Impuls- und Drehimpulssatz ........................................................................................ 41
Aufgaben zur Übung.................................................................................................... 42
4
Mechanische Schwingungen ...................................................................................... 43
4.1
4.2
4.2.1
4.2.2
4.2.3
4.2.4
4.3
4.3.1
4.3.2
4.3.3
4.4
4.4.1
4.4.2
4.5
4.6
Grundbegriffe .............................................................................................................. 44
Freie ungedämpfte Schwingungen................................................................................ 46
Schwingungsmodelle ................................................................................................... 46
Bewegungsgleichung ................................................................................................... 46
Lösung der Bewegungsgleichung ................................................................................. 48
Schwingungssysteme mit mehreren Federn .................................................................. 50
Freie gedämpfte Schwingungen ................................................................................... 55
Dämpfungsarten........................................................................................................... 55
Bewegungsgleichung ................................................................................................... 55
Lösungen der Bewegungsgleichung ............................................................................. 57
Erzwungene gedämpfte Schwingungen ........................................................................ 59
Bewegungsgleichung ................................................................................................... 59
Lösung der Bewegungsgleichung ................................................................................. 61
Zusammenfassung ....................................................................................................... 66
Aufgaben zur Übung.................................................................................................... 67
Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben............................................................................... 71
Literaturverzeichnis................................................................................................................. 80
Kinetik
Technische Mechanik
Randsymbole
B
D
K
M
S
Ü
Z
4
Beispiel
Definition
Kontrollfragen
Merksatz
Studienziele
Übungsaufgaben
Zusammenfassung
Technische Mechanik
Kinetik
Einleitung
Die Kinetik untersucht die Bewegungen bzw. Bewegungsänderungen von
Körpern infolge der verursachenden Kräfte (Kraftsysteme). Sie widmet
sich folglich den Abhängigkeiten zwischen den kinematischen Größen
(Weg, Geschwindigkeit und Beschleunigung) und den wirkenden Belastungen. Begriffe und Idealisierungen der Statik, wie Einzelkraft, Moment, Massenpunkt, starrer Körper usw., werden weiter verwendet.
Ziel des Studienbriefes ist es,
• ausgehend von den Newtonschen Axiomen die Lösungsprinzipien „kinetostatische Methode“, „Arbeits- und Energiesatz“ sowie „Impulsund Drehimpulssatz“ an Beispielen darzustellen und Sie damit zu befähigen, einfache Aufgaben zur Massenpunkt- und Starrkörperkinetik
zu lösen.
S
• Einen wichtigen Bestandteil der Betrachtungen bilden dabei die mechanischen Schwingungen. Sie werden mit der Behandlung typischer
Schwingungsmodelle für einfache maschinendynamische Untersuchungen vertraut gemacht.
Der Studienbrief knüpft an die vermittelten Grundkenntnisse in den Studienbriefen „Kinematik“ (GÜNTHER / FISCHER, 2007) und „Schwingungen und Wellen“ (SCHMIDT, 2007) an.
Literaturempfehlung
– FISCHER, K.-F. / GÜNTHER, W. (1994): „Technische Mechanik“:
Lehrbuch zur Vertiefung.
– GÜNTHER, W. / FISCHER, K.-F. (2007): Studienbrief Technische Mechanik „Kinematik“:
Studienbrief zur Wiederholung der Kinematikgrundkenntnisse.
– HAUGER, W. / SCHNELL, W. / GROSS, D. (2002): „Technische Mechanik, Bd. 3: Kinetik“:
Lehrbuch in Taschenbuchform mit durchgerechneten Beispielen
– MAYR, M (2006).: „Technische Mechanik. Statik, Kinematik, Kinetik,
Schwingungen, Festigkeitslehre:
Lehrbuch mit vielen Fragen, Beispielen und Übungsaufgaben.
– SCHMIDT, J. (2007): Studienbrief „Schwingungen und Wellen“:
Studienbrief zur Wiederholung der Grundkenntnisse zu den Schwingungen.
5
Kinetik
Technische Mechanik
R
R
B
B
ϕ
ϕ
A
A
oo
9090
Bild 2.9
Ü 2.4
gg
Ausgangs- und Endlage der Kreisscheibe
Von einer Papierrolle (Masse m, MTM J) soll mit Hilfe der
Kraft F Papier abgerollt werden (vgl. Bild 2.10).
der Rolle? Welcher
Wie groß ist die Winkelbeschleunigung ϕ
Beschränkung muss die Reibungszahl µ zwischen Wand und
Rolle genügen, damit dies möglich ist?
geg.:
h, r, J, F, m, µ, g
, µmax
ges.: ϕ
g
ϕ
h
r
m, J
F
µ
Bild 2.10
Geometrie der Papierrolle
3
Ebene Bewegung starrer Körper
3.1
Kinetostatische Methode
Wir betrachten einen starren Körper, dessen Punkte sich in parallelen Ebenen bewegen. Es wird ein raumfestes kartesisches Koordinatensystem so
gewählt, dass die Bahnkurve des Schwerpunktes S in der x-y-Ebene verläuft. Weiterhin setzen wir voraus, dass die Wirkungslinie der resultierenden äußeren Kraft in der x-y-Ebene liegt und durch den Schwerpunkt S
geht. Es wirkt nur ein resultierendes äußeres Moment um die z-Achse.
34
Technische Mechanik
Kinetik
Wie in der Kinematik beschreiben wir die Bewegung als Überlagerung
von Translation (Bewegung des Schwerpunktes S) und Rotation um die
Schwereachse, die parallel zur z-Achse verläuft (Rotation um S).
Freie ebene Bewegung des starren Körpers
Um die Bewegungsgleichungen zu finden, wenden wir die kinetostatische
Methode auf den frei beweglichen Körper an (vgl. Bild 3.1):
y
FRes y
s
mx
ys
S
FRes x
MRes z
Jsϕ
s
my
x
xs
Bild 3.1
Belastungen am frei beweglichen Körper
geg.: JS
Massenträgheitsmoment um die Schwereachse,
m
Körpermasse,
FRes x , FRes y Komponenten der resultierenden äußeren Kraft,
MRes z
resultierendes äußeres Moment um die Schwereachse
(Moment um S).
ges.: Bewegungsgleichungen
Lösungsschritte:
Bewegungskoordinaten:
Zur Beschreibung der Schwerpunktbewegung werden die Wegkoordinaten xS , yS und zur Beschreibung der Rotation um S wird die Winkelkoordinate ϕ eingeführt.
Antragen der Belastungen:
An dem frei beweglichen Körper wirken neben den äußeren Belastungen
die in Bild 3.1 eingetragenen d’Alembertschen Trägheitsgrößen
entgegen den positiven Koordinatenrichtungen.
m xs , m ys und J s ϕ
GGB:
→ : FRes x − m xs = 0 ,
↑: FRes y − m ys = 0 ,
(3.1)
{
= 0 .
S: M Res z − J s ϕ
35
Kinetik
Technische Mechanik
Diese Gleichungen beschreiben die ebene Bewegung des starren Körpers
(Bewegungsgleichungen). Sie sind gegenüber den statischen Gleichgewichtsbedingungen um die Trägheitsgrößen erweitert (kinetische bzw.
dynamische Gleichgewichtsbedingungen)!
Bewegungsgleichungen (und Lösungen):
Aus den Bewegungsgleichungen (3.1) erhalten wir die Beschleunigung
G
um
des Schwerpunktes a S (xS , yS ) und die Winkelbeschleunigung ω = ϕ
den Schwerpunkt.
G
Schwerpunktgeschwindigkeit vS und Winkelgeschwindigkeit ω sowie
G
Schwerpunktbahn rS und Winkel ϕ ergeben sich durch Zeitintegration
und Berücksichtigung der entsprechenden Anfangsbedingungen (vgl.
Studienbrief GÜNTHER / FISCHER, 2007).
Die Bedingungen (3.1) werden umgeformt:
FRes x = m xs ,
FRes y = m ys ,
(3.2)
.
M Res z = J s ϕ
Die beiden ersten Gleichungen beschreiben die Bewegung des Schwerpunktes (Schwerpunktsatz) und die letzte Gleichung die Rotation um
die Schwereachse durch S.
Sonderfälle der freien ebenen Bewegung
Wir wollen auf drei wichtige Sonderfälle eingehen:
1. Gleichförmige Bewegung oder Ruhe des Körperschwerpunktes
x s = 0 , ys = 0 :
Die äußeren Kräfte sind im Gleichgewicht. Der Schwerpunkt bewegt
G
G
sich gleichförmig (vs = konst.) oder ist in Ruhe (vs = 0) .
Es tritt jedoch im Allgemeinen zusätzlich eine Rotation um den bewegten oder ruhenden Schwerpunkt auf.
2. Translation des Körpers (keine Rotation)
= 0 :
ϕ = ω = 0 bzw. ϕ
Die äußeren Kräfte erzeugen kein Moment um den Schwerpunkt S
(MRes z = 0).
Der Körper führt eine reine Translationsbewegung aus.
3. Gleichförmige Bewegung oder Ruhe des Körpers
= 0 :
x s = 0, ys = 0, ϕ
Die resultierenden äußeren Kräfte und Momente verschwinden. Aus
den Gln. (3.2) folgen die statischen Gleichgewichtsbedingungen für
den gleichförmig bewegten oder ruhenden Körper.
36
Technische Mechanik
Kinetik
Abrollendes Rad auf waagerechter Ebene (1)
Als Anwendungsbeispiel betrachten wir ein abrollendes Rad auf einer
waagerechten Ebene, das durch eine konstante Kraft F im Schwerpunkt
angetrieben wird (vgl. linke Skizze in Bild 3.2):
xs
φ
Jsϕ
R
m, Js
s
mx
S
S
F
mg
F
µ0
FR
Bild 3.2
FN
Angetriebenes Rad
geg.: F = konst., R, m, JS, µ0
ges.: Schwerpunktbeschleunigung xS
Lösung:
Bewegungskoordinaten:
Die geradlinige Bewegung des Schwerpunktes S wird durch xS und die
Drehung um S durch ϕ beschrieben.
Freischneiden:
Die rechte Skizze in Bild 3.2 zeigt die gewählten Koordinaten sowie die
auf das Rad einwirkenden Kräfte und Momente.
GGB:
→:
{
↑:
S:
F − FR − m xS = 0 ,
FN − mg = 0 ,
− FR R = 0 .
JS ϕ
Zwangsbedingung (ZB):
Wenn das Rad ohne Rutschen abrollt, dann ist die abgerollte Bogenlänge
R ϕ gleich der zurückgelegten Schwerpunktstrecke xS:
xS = Rφ.
Durch zweimaliges Differenzieren der ZB nach der Zeit folgt für die Beschleunigungen:
bzw . ϕ
=
x S = Rϕ
xS
.
R
37
Kinetik
Technische Mechanik
Lösung des Gleichungssystems:
Für die Haftreibungskraft ergibt sich aus der 3. GGB mit der ZB:
FR =
J s J s ϕ = 2 xS .
R
R
Durch Einsetzen in die 1. GGB erhalten wir:
F−
J s s = 0.
x − mx
2 s
R
Die Lösung folgt damit zu:
xS =
F
m + J s2
R
=
F


m 1 + J s 2 
 mR 
= konst.
Diskussion:
– Das abrollende Rad wird durch die konstante Kraft F gleichmäßig beschleunigt. Ein Abrollen ohne Rutschen tritt nur dann auf, wenn das
Haftreibungsgesetz, FR ≤ µ0 FN, erfüllt ist.
Mit der Haftreibungskraft FR nach der 3. GGB und der Normalkraft
FN = mg folgt daraus schließlich die Haftbedingung:
F ≤ (1 −
mR 2
) µ0 mg .
JS
– Wir wollen noch die Beschleunigungen einer abrollenden Walze und
einer dünnwandigen Trommel bei gleicher Kraftwirkung miteinander
vergleichen:
Unter der Annahme gleicher Masse m und gleichem Radius R sind die
MTM bezüglich der Schwereachse für die Walze JSW = m R 2 und für
2
2
die Trommel JST = mR (vgl. Tab. 2.1, Hohlzylinder mit Ri = Ra). Die
Walze erfährt eine größere Beschleunigung als die Trommel:
x SW =
3.2
2F
F
.
, x ST =
2m
3m
Arbeits- und Energiesatz
Aus der Betrachtung der ebenen Bewegung des starren Körpers als
Überlagerung von Translation (Bewegung des Schwerpunktes S) und Rotation um S folgt, dass sich die kinetische Energie und die Arbeit aus einem Translations- und einem Rotationsanteil zusammensetzen.
Für die kinetische Energie ergibt sich mit der Translationsenergie des
Schwerpunktes S und der Rotationsenergie um S der Ausdruck:
T=
38
1
1
mv S2 + J S ω 2 .
2
2
(3.3)
Technische Mechanik
Kinetik
Wirkt an einem frei beweglichen Körper im Schwerpunkt die resultierenG
de äußere Kraft FRes und um S das Moment MRes z, dann verrichten diese
Kraft und das Moment jeweils die Arbeit
G
rS2
W=
∫
G
rS1
ϕ
G
G 2
FRes dr +
M Res z d ϕ ,
∫
(3.4)
ϕ1
G
wenn der Körper von der Ausgangslage 1 (rS1 , ϕ1 ) in die Endlage 2
G
( rS2 , ϕ 2 ) bewegt wird (vgl. dazu Bild 3.3):
G
FRes
MRes z
φ
G
rs
S
m, J S
0
Bild 3.3
Äußere Belastungen am frei beweglichen Körper
Sinngemäß zum Arbeitssatz für den Massenpunkt bzw. für den starren
Körper bei Rotation um eine feste Achse (vgl. Gln. (1.7), (2.12)) gilt der
Arbeitssatz (1. Fassung):
W = T2 − T1.
Besitzen einzelne Kräfte und Momente ein Potenzial U (konservative
Kräfte und Momente), dann folgt der Arbeitssatz in einer 2. Fassung (vgl.
Gl. (1.10)):
WOP = ( T2 + U 2 ) − ( T1 + U1 ) .
(3.5)
Treten am Körper nur konservative Kräfte und Momente auf (WOP = 0;
vgl. Abschn. 1.3), dann erhalten wir den Energiesatz:
(T2 + U 2 ) = (T1 + U1 ) = T + U = konst .
(3.6)
Die Anwendung des Arbeitssatzes wollen wir an dem Beispiel zeigen,
das wir bereits mit der kinetostatischen Methode gelöst haben.
Abrollendes Rad auf waagerechter Ebene (2)
Das abrollende Rad mit einer Anfangsschwerpunktgeschwindigkeit vS0
wird durch die Kraft F beschleunigt (vgl. Bild 3.2).
geg.:
F = konst., R, JS, m, vS0 ,
ges.:
vs = vs (x), xs
39
Kinetik
Technische Mechanik
Lösung:
Koordinaten:
Die Translation des Schwerpunktes S wird wieder durch xS und die Rotation um S durch ϕ beschrieben.
Zwangsbedingung (ZB):
Die Abrollbedingung xS = Rϕ führt auf ϕ = x S / R bzw. ω = vS/R und
ϕ 0 = ω 0 = v S0 / R.
Arbeitssatz:
Die einzelnen Anteile des Arbeitssatzes nach Gl. (3.5) listen wir in einer
Tabelle auf. Als Nullniveau für die potenzielle Energie der Schwerkraft
wählen wir hier zweckmäßig die Schwerpunktlage.
Tabelle 3.1 Anteile des Arbeitssatzes nach Gl. (3.3)
Lage
WOP
U
1: xS = 0
T
0
1
1
2
m vS0
+ JS ω02
2
2
0
1
1
mx S2 + JSϕ 2
2
2
xS
∫
F dx
0
2: xS > 0
Nach Auswertung des Integrals folgt:
Fx S =
1
2
( mx
2
S
) (
)
2
+ J S ϕ 2 − 12 mvS0
+ J S ω02 .
Geschwindigkeit und Beschleunigung:
Nach Einsetzen der ZB erhalten wir eine Beziehung zwischen der
Schwerpunktgeschwindigkeit xS und dem zurückgelegten Weg xS:

J 
Fx S = 12  m + S2 
R 

v S = x S =
(v
2
S
2
− vS0
)
bzw.
2F x S
+ v S20 .
JS
m+ 2
R
Da hier jedoch die Beschleunigung gesucht ist, differenzieren wir die
obige erste Gleichung (beide Gleichungsseiten) nach der Zeit t. Bei der
Differentiation der rechten Seite muss die Kettenregel angewendet werden:

J 
Fx S = 12  m + S2  2x S xS .
R 

40
Technische Mechanik
Kinetik
Damit erhalten wir die Schwerpunktbeschleunigung als konstante Größe:
xs =
F
J
m + S2
R
.
Diskussion:
Mit dem Arbeitssatz erhalten wir die Geschwindigkeit in Abhängigkeit
vom zurückgelegten Weg.
Erst die Differentiation nach der Zeit liefert die gesuchte Beschleunigung! Die kinetostatische Methode führt sofort auf die Beschleunigung.
3.3
Impuls- und Drehimpulssatz
Zur Beschreibung der ebenen Bewegung eines starren Körpers kann auch
der Impulssatz für die Translation des Schwerpunktes S und den Drehimpulssatz für die Rotation um die Schwereachse durch S verwendet werden.
Wir erhalten den Impuls- und Drehimpulssatz, wenn wir das kinetische
Grundgesetz für die Bewegung eines starren Körpers, Gl. (3.2), nach der
Zeit integrieren. Für ein Zeitintervall t2 − t1 und mit den neuen Bezeichnungen Fx = FRes x, Fy = FRes y , Mz = MRes z, x S1 = x S (t1 ) , x S2 = x S (t 2 )
usw. ergibt sich aus den Gln. (3.2):
t2
∫ F (t) dt = m x
x
S2
− m x S1 ,
S2
− m y S1 ,
t1
t2
∫ F (t) dt = m y
y
t1
t2
∫ M (t) dt = J ϕ
z
S
2
− JS ϕ 1 .
t1
Die Zeitintegrale der Kraftkomponenten bzw. des Momentes kennzeichnen die Kraftstöße bzw. den Momentenstoß.
Die Kraftstöße in x- und y-Richtung führen zur Änderung der Impulse in diesen Richtungen und der Momentenstoß zur Änderung des
Drehimpulses um die Schwereachse.
M
Diese Sätze werden bei der Lösung von Stoßproblemen benötigt, wo ihre
Anwendung demonstriert wird. Dazu sei auf die weiterführende Literatur
verwiesen.
41
Kinetik
Technische Mechanik
3.4
Aufgaben zur Übung
Zur Übung sollten Sie jetzt die folgenden Aufgaben lösen:
Ü
Ü 3.1
Um den Zapfen (Radius r) eines Rades (Radius R, Masse m,
MTM JS) ist ein Faden geschlungen, der gegen die Horizontale um α geneigt ist und an dessen Ende die Zugkraft F wirkt
(vgl. Bild 3.4).
g
m, Js
R
F
r
S
α
µ0
Bild 3.4
geg.:
Radgeometrie und Belastung
r = 0,25 m, R = 0,5 m, m = 40 kg, JS = 3 kg m²,
α = 40°, µ0 = 0,35, F = 100 N, g
ges.:
1. Beschleunigung und Winkelbeschleunigung des abrollenden Rades (allgemein und für die gegebenen Zahlenwerte)?
2. Bei welchem Winkel α0 kommt es zur Richtungsumkehr
der Rollbewegung?
3. Bei welcher Fadenkraft Fkr tritt Schlupf zwischen Rad und
Bahn auf?
Ü 3.2
Eine Rolle mit der Masse m und dem Massenträgheitsmoment
J rollt eine raue, schiefe Ebene hinab (vgl. Bild 3.5).
Welche Drehzahl nDh erreicht die Rolle, wenn sie aus der Ruhe
ohne Anstoß losgelassen wird und einen Höhenunterschied
von h schlupffrei zurückgelegt hat?
42
geg.:
J = 2,5 kg m²,
ges.:
nDh
h = 1 m,
m = 16 kg,
R = 0,4 m
Technische Mechanik
Kinetik
xS
m, J
ϕ
S
g
R
α
Bild 3.5
Ü 3.3
Rolle auf schiefer Ebene
Eine dünne Halbzylinderschale (Masse m, Radius R) rollt ohne
zu gleiten aus der skizzierten Ruhelage (vgl. Bild 3.6) auf einer Ebene ab.
m
g
,S
S
M
ϕ
R
Bild 3.6
4
Ausgangslage der Halbzylinderschale
geg.:
R, m, ,S = 2 R/π, g
ges.:
Winkelgeschwindigkeit ω in Abhängigkeit vom Drehwinkel ϕ
Mechanische Schwingungen
Vielfach unterliegen in der Technik die mechanischen Zustandsgrößen,
wie Lageänderungen, Geschwindigkeiten, Kräfte usw., zeitlichen
Schwankungen. Solche Vorgänge nennt man Schwingungen. So führt
z. B. der Kolbenmotor oder der Fahrzeugaufbau eine Schwingbewegung
aus.
Dieses Kapitel widmet sich der Schwingungslehre, die als Grundlage zur
Lösung maschinendynamischer Aufgaben dient. Es baut auf den Grundzügen der Schwingungen auf, die im Studienbrief SCHMIDT (2007),
„Schwingungen und Wellen“, behandelt werden.
43
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