Department für Hygiene, Mikrobiologie und Sozialmedizin Sektion für Virologie Univ.Prof. Dr. Dorothee Holm-von Laer [email protected] Tel. +43 512 9003 – 71700, -72711 Fax +43 512 9003 - 73702 11.4.2016 Newsletter zu epidemiologischen Trends Sehr geehrte Einsenderin, sehr geehrter Einsender, anbei die aktuellen epidemiologischen Trends. Mit freundlichen Grüßen Univ.Prof.Dr. Dorothee Holm-von Laer (Direktorin der Sektion für Virologie) Epidemiologische Trends 3/2016: Gastrointestinale Erkrankungen: Rotavirus- und Norovirusinfektionen rückläufig im Vergleich zum Vormonat, dafür deutliche Zunahme der Adenovirus- und Sapovirus-Infektionen Respiratorische Infekte: Im März 2016 noch gehäuft Influenza Fälle, darunter oft auch Influenza B und H1N1; im pädiatrischen Kollektiv RSV und Humane Metapneumoviren, jedoch auffällig vermehrtes Auftreten von Bocavirus-Infektionen, die bei Kleinkindern vor dem vollendeten 3. Lebensjahr mit Pneumonien einhergehen. Boca Viren: Die Isolierung von Humanen Bocaviren (HBoV), die der Familie der Parvoviridae zugeordnet werden, erfolgte im Jahr 2005 aus respiratorischen Proben von Säuglingen und Kleinkindern im Karolinska-Institut in Stockholm (1) . Es handelt sich hierbei um sehr kleine, einzelsträngige, unbehüllte DNA-Viren, die weltweit vorkommen. Der Name Boca wurde gewählt, da diese Parvoviren phylogenetisch mit Bovinen und caninen Parvoviren näher verwandt sind, als mit dem humanen Parvovirus B19, das dem Genus Erythrovirus zugerechnet wird. Die Infektion mit HBoV1, die als pathogene respiratorische Viren von Atemwegsinfektionen einzustufen sind, erfolgt meist in der frühen Kindheit über Tröpfcheninfektion. Im Jahr 2009 wurden 1/2 Peter-Mayr-Straße 4b, 6020 Innsbruck, Austria, www3.i-med.ac.at/virologie weitere humane Bocaviren (HBoV2-4) beschrieben, die bei Gastroenteritiden gefunden werden (2). Im Gegensatz zu Infektionen mit Parvovirus B19 Erkrankungen, die in der Schwangerschaft zu intrauterinen fetalen Infektionen und Hydrops fetalis führen können, wurde bislang keine Schwangerschaftskomplikation durch Bocaviren beschrieben.(3) Die klinischen Symptome reichen von milden Verläufen mit Husten, Rhinitis, Otitis media Pharyngitis bis hin zu schweren, oft hoch fieberhaften Atemwegsinfektionen speziell im unteren Respirationstrakt, obstruktiver Bronchitis, Bronchiolitis und auch intensivpflichtigen Pneumonien, insbesondere bei sehr kleinen Kindern (4,5). Bocaviren werden oft als einzige Erreger bei klinisch schwer verlaufenden Atemwegserkrankungen des unteren Respirationstrakts bei Kleinkindern vor dem 3. Lebensjahr gefunden. Man vermutet, dass sie die Epithelzellen im Atemtrakt direkt schädigen, über einen längeren Zeitraum in der Mukosa persistieren und durch die Schleimhautvorschädigung sekundäre Infektionen mit anderen pathogen Erregern des Respirationstrakts begünstigen. In unserem Patientengut waren Koinfektionen mit RSV, humanen Metapneumoviren und Rhinoviren vertreten. Das Virus löst eine Immunantwort mit Antikörperbildung aus und hinterlässt vermutlich lebenslängliche Immunität (wobei ELISA-Tests kommerziell nicht verfügbar sind) mit Seroprävalenzraten von 94-100% nach dem 6. Lebensjahr. Untersuchungsmaterial: respiratorisches Sekret zum Virusnukleinsäurenachweis mittels MultiplexPCR auf respiratorische Viren Ein positives PCR Ergebnis für Bocavirus sollte stets in Zusammenhang mit dem Lebensalter, der klinischen Symptomatik, sowie dem Vorliegen anderer relevanter Erreger im Respirationstrakt beurteilt werden. 1 Allander T , Human Bocavirus. J Clin Virol. 2008 Jan;41(1):29-33. Epub 2007 Dec 11. Review. 2 ChowBD, Newly recognized bocaviruses (HBoV, HboV2) in children and adults with gastrointestinal illness in the United States. Clin Virol. 2010 Feb;47(2):143-7. 3 Enders M, Lindner J, Enders G, Modrow S. No detection of human bocavirus in amniotic fluid samples in fetuses with hydrops or isolated effusions. J Clin Virol 2009; 45:300-303 4 Schildgen O, Human Bocavirus: Increasing Evidence for Virulence. Ped Pulmon 2010; 45: 118-119 5 Broccolo F, Falcone V, Esposito S, Toniolo A. Human bocaviruses: Possible etiologic role in respiratory infection. J Clin Virol 2015; 72: 75-81 2/2