Teilchen- und Kernphysik II

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Teilchen- und Kernphysik II
http://iktp.tu-dresden.de/Lehre/SS2009/tp/
Übung 1 (14.04.2009)
Prof. Dr. M. Kobel
Dr. X. Prudent
1
Anwesenheitsübung
1.1
Charakteristische Muster von Teilchen in Detektoren
Typische Detektoren an Kollidern sind zwiebelschalenförmig um den Wechselwirkungspunkt aufgebaut. Ihr Gesamtradius beträgt dabei typischerweise zwischen 5 m und 10 m. Von innen nach
außen sind die Bestandteile (Abb. 1 links)
ˆ Der Spurdetektor aus sehr leichtem Material, wie gasgefüllten Driftkammern oder dünnen
Halbleiterebenen mit einem Radius von typischerweise 0,5 m bis 2 m.
ˆ Das Elektromagnetische Kalorimeter aus Material mit möglichst großer Kernladung Z,
wie aus CsI oder PbW Kristallen oder flüssigem Argon.
ˆ Das Hadronische Kalorimeter aus Schichten möglichst dichten Materials wie Kupfer oder
Eisen abwechselnd mit sensitiven Schichten wie Szintillatoren in ”Sandwich”-Bauweise.
ˆ Die Myon Kammern aus Driftkammern oder Szintillatoren
Figure 1: a) Typischer Detektoraufbau und b) typische Energieverlustmuster von Teilchen
Ordnen sie die folgenden Teilchen für einen Teilchenimpuls von 10 GeV den typischen Energieverlustmustern (einem der 6 Pfeile) im rechten Teil der Abb. 1 zu:
ˆ p, n, e, µ, γ, ν, π ± , π 0 , K±
Benutzen Sie dazu auch die Information der Particle Data Group (PDG) aus Tabelle 2. Für welche
Teilchen spielt in der Zuordnung der Impuls eine Rolle?
1
Figure 2: Auszug von Teilcheneigenschaften aus den PDG Summary Tables.
1.2
Messung der Verzweigungsverhältnisse von Z-Bosonen
Echte Datenereignisse, welche am Large Elektron Positron Kollider (LEP) mit dem OPAL Detektor
√
bei Schwerpunktsenergien von s = ECM ∼ 91 GeV aufgezeichnet wurden, sind im Internet unter
http://www.physicsmasterclasses.org/exercises/manchester/de/home.html
für die visuelle Identifikation aufbereitet. Sie enthalten Bilder von Zerfällen des Z0 -Bosons, dem
elektrisch neutralen Partner der W+ und W− -Bosonen der schwachen Wechselwirkung.
ˆ Die Z0 -Bosonen haben eine Masse von 91,2 GeV und koppeln an die schwache Ladung. In
welche Teilchenpaare können sie zerfallen?
ˆ Welche Verzweigungsverhältnisse erwarten sie für die verschiedenen Zerfallskanäle, wenn Sie
annnehmen, dass die Z0 -Bosonen genauso an die schwache Ladung koppeln wie die WBosonen? Welchen Wert erwartet man in diesem Fall insbesondere für das R-Verhältnis
R = (Z →Hadronen) / (Z → µ+ µ− )?
ˆ Machen Sie sich mit der Teilchenidentifikation bei OPAL und der Identifikation von TeilchenAntiteilchenpaaren mit Hilfe der ‘Ersten Übung ’und der ‘Zweiten Übung ’im Kasten ‘Inhalt’vertraut.
Messen Sie nun die Verzweigungsverhältnisse von Z-Bosonen indem Sie dem Link ‘Die Messung
von Z0 -Zerfällen’ folgen.
ˆ Fertigen Sie eine Strichliste von 50-100 Ereignissen an, in welcher Sie die Ereignisse anhand
ihrer Signatur im Detektor klassifizieren, und bestimmen Sie ihren jeweiligen Anteil an allen
Zerfällen. (Korrektur für Elektronen beachten!)
ˆ Vergleichen Sie die Ergebnisse für Elektron-Paare, Myon-Paare und Tauon-Paare. Sind sie
miteinander verträglich? Berechnen Sie das R-Verhältnis R = (Z→Hadronen) / (Z→ ℓ+ ℓ− ),
wobei Z→ ℓ+ ℓ− für den MIttelwert aller elektrisch geladener Lepton-Antileptonpaare steht.
Vergleichen Sie Ihre Ergebnisse für R mit ihrer Erwartung, und den Ergebnissen von LEP.
Was schliessen Sie daraus?
2
1.3
Zerfälle von W -Bosonen
Im letzten Semester haben Sie die W -Bosonen, die elektrisch geladenen Austauschteilchen der
schwachen Wechselwirkung, und ihre Zerfallskanäle kennengelernt.
ˆ Rekapitulieren Sie, welche Endzustände beim Zerfall von W -Bosonen mit einer Masse von
80,4 GeV auftreten können.
ˆ In welchen Häufigkeitsverhältnissen treten die einzelnen Zerfallskanäle auf? Begründen Sie
ihre Antwort.
ˆ Betrachten Sie nun folgende möglichen Kombinationen für die Zerfälle von W+ W− -Paaren:
eν+2 Jets, µν+2 Jets, τ ν+2 Jets, 4 Jets, ℓ+ νℓ− ν. Welche Häufigkeiten erwarten Sie? Was
kann man aus dem Verhältnis (WW→4 Jets) / (WW→ ℓν+2 Jets) schließen, wobei (WW→
ℓν+2 Jets) für den Mittelwert aller Paare aus geladenen Leptonen und Neutrinos plus 2 Jets
steht. Begründen Sie Ihre Antwort.
Im folgenden sollen Sie die Verzweigungsverhältnisse von W -Bosonen anhand von Datenereignissen messen, welche am Large Elektron Positron Kollider (LEP) mit dem OPAL Detektor bei
√
Schwerpunktsenergien von s = ECM ∼ 160 GeV aufgezeichnet wurden. Machen Sie sich dazu
anhand der ‘Dritten Übung ’ und ‘Vierten Übung ’ mit der Signatur von W -Paar Ereignissen bei
OPAL vertraut. Messen Sie nun die Verzweigungsverhältnisse von W -Bosonen indem Sie dem Link
‘Messung von W Zerfällen’ folgen.
ˆ Fertigen Sie eine Strichliste an, in welcher Sie 25-50 Ereignisse anhand ihrer Signatur im
Detektor klassifizieren.
ˆ Berechnen Sie die relativen Verzweigungsverhältnisse der W -Bosonen in die einzelnen Zerfallskanäle. Entsprechen die von Ihnen gefundenen Ergebnisse Ihren Erwartungen? Welche
statistische Unsicherheit hat Ihre Messung?
2
Hausaufgaben
2.1
Die Entdeckung des Positrons
Inhalt der letzten Vorlesung war u.a. die Entdeckung des Positrons in kosmischer Höhenstrahlung
durch C.D.Anderson im Jahre 1932. Anderson war in der Lage durch eine Abfolge von Argumenten
die Existenz eines positiv geladenen Teilchens mit einer Masse deutlich kleiner als derjenige des
Protons zu motivieren. Dieser letzte Schritt soll nun in dieser Übung nachvollzogen werden.
In der Abbildung unten ist noch einmal dieses Ereignis dargestellt. Sie erkennen eine Spur die
im unteren Teil, d.h. unterhalb der Bleiplatte deutlich geringer gekrümmt ist als oberhalb. Die
ganze Anordnung befand sich in einem Magnetfeld der Stärke 1.5 T.
ˆ Die gemessene Krümmung betrug im unteren Teil Runten = 14 ± 1 cm und im oberen Teil
Roben = 5±0.5 cm. Berechnen Sie den Impuls (inklusive seines Fehlers) dem die Krümmungen
unterhalb und oberhalb jeweils entsprechen? Geben Sie ihr Ergebnis in natürlichen Einheiten
an.
Im folgenden soll untersucht werden, ob dieser Energieverlust konsistent ist mit der Annahme, dass
es sich dabei um ein Proton handelt. Der Energieverlust von Teilchen durch Ionisation in Materie
ist gegeben durch die Bethe-Bloch Formel:
!
dE
MeVcm2 2 Z 1
−
= 0.3
Q ρ
dx
g
A β2
2me c2 β 2 γ 2
ln
− β 2 − δ(βγ) .
I
3
(1)
Hierbei sind
ˆ Q die Ladung des einfallenden Teilchens,
ˆ Z die Kernladungszahl des Materials,
ˆ A dessen Massenzahl,
ˆ ρ = 11, 34 gcm −3 die Dichte des Bleis und
ˆ I das mittlere Ionisationspotential, welches in guter Näherung zu I = (10 eV·Z) angenommen
werden kann,
und β und γ sind die aus der relativistischen Kinematik bekannten Größen. Die Polarisationskorrektur δ(βγ) soll im Folgenden vernachlässigt werden.
ˆ Berechnen Sie β, γ und βγ des einfallenden Teilchens unter der Hypothese, dass es sich dabei
um ein Positron bzw. um ein Proton gehandelt hat.
ˆ Berechnen Sie, welchen Betrag kinetischer Energie das Teilchen beim Durchgang durch die
Bleiplatte verloren hat unter der Annahme, dass es sich dabei um ein Proton, bzw. um ein
Elektron handelte.
ˆ Berechnen Sie mit Hilfe von Gleichung (1) den Energieverlust den Sie für ein Proton des
oben berechneten Impulses in 6 mm erwarten würden. Ist dieses Ergebnis konsistent mit dem
beobachteten Energieverlust.
ˆ Die gleiche Rechnung können Sie in der Form für Elektronen mit obiger Formel nicht
durchführen. Warum? Überlegen Sie sich dazu, welchen physikalischen Effekt obige Formel
beschreibt. Ist dieser auch der dominante beim Durchgang von Elektronen durch Materie?
ˆ Stellen Sie den erwarteten Energieverlust in 6 mm Blei gegen βγ graphisch dar. Welches
minimale βγ wäre (im Rahmen des oben berechneten Fehlers) gerade noch mit der Messung
kompatibel? Berechnen Sie daraus die Masse, welche dieses Teilchen hätte.
4
2.2
Reichweite in Materie und Teilchenidentifikation
Geladene Teilchen, die ein Material durchqueren, ionisieren die Atome. Die erzeugte Ladungsmenge
ist ein Maß dafür, wie groß der Energieverlust pro Wegstrecke (Spezifischer Energieverlust dE/dx)
ist.
1. Diskutieren Sie Abbildung 3a). Welche Materialkonstanten tragen prinzipiell zur Materialabhängigkeit des spezifischen Energieverlustes dE/dx bei? Welche sind in der gewählten
Auftragung noch sichtbar und wie groß ist die relative Änderung zwischen C und Pb?
2. Wie kann man durch gleichzeitige Messung des Impulses und des spezifischen Energieverlustes
verschiedene Teilchensorten unterscheiden?
3. Wie sieht während der Durchquerung des Materials der jeweils momentane spezifische Energieverlust als Funktion der Eindringtiefe im Material qualitativ aus:
(a) für ein Teilchen der Masse M bei zwei unterschiedlichen Impulsbeträgen |p~1 | und |p~2 |?
(b) für zwei Teilchen mit Massen M1 > M2 , die den gleichen Impulsbetrag |~
p| besitzen?
4. Diskutieren Sie nun die aus dem spezifischen Energieverlust vorhergesagte mittlere Reichweite
R von geladenen Teilchen in Materie (Abb. 3b)
(a) Erklären Sie auf Basis der obigen Überlegungen ihren Verlauf (Ursprung des Knicks?).
(b) Wie könnte man die Reichweite zur Teilchenidentifikation benutzen, dh. welche zu βγ unabhängige Teilcheneigenschaft erhält man über die Reichweite und warum? Wie spiegelt
sich diese Tatsache in der gewählten Achsenauftragung wider?
Figure 3: a) Spezifischer Energieverlust dE/dx und b) Reichweite R in verschiedenen Materialien
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