Gentherapie bei Netzhautleiden aktiviert Signalwege im Gehirn Philadelphia (dpa/fwt) - Eine Gentherapie kann bei manchen Augenleiden das Sehvermögen bessern und Nervenbahnen im Gehirn aktivieren. Das zeigt eine Studie an Patienten mit der seltenen Erbkrankheit Lebersche Kongenitale Amaurose (LCA). “Diese Signalwege zur visuellen Reizverarbeitung können sogar lange nach jenem Zeitpunkt wiederhergestellt werden, von dem man bisher dachte, die Formbarkeit gehe verloren”, sagt Studienleiterin Jean Bennett von der University of Pennsylvania in Philadelphia. Die Forscher stellen ihre Ergebnisse im Fachmagazin “Science Translational Medicine” vor. Gentherapien können bei der Leberschen Kongenitalen Amaurose und möglicherweise auch bei anderen degenerativen Erkrankungen der Netzhaut das Sehvermögen bessern. Unklar war bislang, wie die zuvor lange ungenutzten Signalwege im Gehirn darauf reagieren. Dies untersuchten die Forscher um Bennett nun per Magnetresonanztomografie (MRT) an zehn Patienten mit LCA vom Typ 2 (LCA2). Diese tragen in beiden Kopien des Gens RPE65 Mutationen, die die Netzhaut zunehmend schädigen – bis zur vollständigen Erblindung. Bei den Teilnehmern hatten die Forscher zunächst jeweils nur ein Auge – das schlechtere – per Gentherapie behandelt. Dabei hatten sie mithilfe von Viren intakte Kopien des mutierten Gens in Zellen der Netzhaut geschleust, woraufhin sich die Sehkraft deutlich besserte. Nun – mindestens zwei Jahre später – verglichen die Forscher die Nervenbahnen des behandelten und des unbehandelten Auges, zusätzlich untersuchten sie die Signalwege bei vergleichbaren normalsichtigen Menschen. “Die Patienten hatten die Gentherapie an lediglich einem Auge erhalten, und obwohl wir ihr Gehirn nur durchschnittlich zwei Jahre später untersuchten, sahen wir große Unterschiede zwischen jener Hirnseite, die mit dem behandelten Auge verbunden ist, und der anderen Seite”, wird Erstautor Manzar Ashtari in einer Mitteilung seiner Universität zitiert. “Je besser das behandelte Auge die Welt sieht und mit der Umgebung interagiert, desto mehr regt es den Signalweg an, und desto stärker wird die Verbindung zwischen Netzhaut und Gehirn.” Die vom behandelten Auge ausgehenden Nervenfasern besserten sich zunehmend, je mehr Zeit seit der Therapie verstrichen war. Die Signalwege des unbehandelten Auges verschlechterten sich dagegen. Inzwischen wurden die Teilnehmer auch an diesem Auge behandelt. Eine Phase-3-Studie, die zu einem weiteren Einsatz der Gentherapie führen könnte, wird nach Angaben der Universität derzeit abgeschlossen. Prof. Birgit Lorenz, Leiterin der Augenklinik des Universitätsklinikums Gießen, spricht von einem interessanten Ansatz, den man jedoch vorsichtig interpretieren müsse. “Die Gentherapie ist schon auf dem Vormarsch”, sagt die Sprecherin der Arbeitsgruppe Genetik der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG). “Aber das ist ein langer, steiniger und auch sehr teurer Weg.” Einige Fragen seien noch ungeklärt, etwa wie lange die Besserung nach der Therapie andauere. So habe sich bei einigen LCA-Teilnehmern britischer Studien das Sehvermögen nach drei Jahren wieder verschlechtert. Die Forscher um Bennett, die ein etwas anderes Verfahren nutzen, haben noch keine Anhaltspunkte für eine begrenzte Wirkdauer. Als ermutigend wertet Expertin Lorenz, dass die Gentherapien bislang – anders als vielfach befürchtet – keine negativen Auswirkungen hatten. (veröffentlicht im Hamburger Abendblatt, 16.7.2015)