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WDR – AKTUELLE SENDUNG
Mittwoch, 08.06.2005
Musik als Schutz für das Gehirn
von Thomas Liesen
Markus Grüschow ist Schlagzeuger. Seit mehr als zehn Jahren übt er fast
täglich mindestens eine, manchmal mehrere Stunden. Das erfordert
Disziplin und Ausdauer - und nicht immer sind die Übungen der reinste
Spaß. Aber wenn Markus Grüschow dann mit seiner Band auf der Bühne
steht und sein sicheres und virtuoses Spiel die Zuschauer begeistert, dann
findet er: Der Aufwand lohnt sich.
Aber er hat noch mehr davon. Das fanden Gehirnforscher an der Uni
Magdeburg heraus, denen sich Markus Grüschow als Testperson zur
Verfügung stellte. Die Forscher wollten herausfinden, wie sich das
Gehirn von Musikern und Nicht-Musikern unterscheidet. Dazu wurden
mit insgesamt zehn Schlagzeugern und zehn Nichtmusikern zunächst
Hörexperimente durchgeführt. Die Probanden sollten einem
Schlagzeugrhythmus zuhören, der absichtlich nicht ganz exakt gespielt
war. Dabei zeichneten die Forscher über ein Elektroenzephalogramm
(EEG) die Hirnströme auf. Es stellte sich heraus, dass das Gehirn der
Musiker im Vergleich zu Nicht-Musikern besonders aktiv waren. Es
waren ausgedehnte Hirnbereiche mit der Verarbeitung der Höreindrücke
beschäftigt, auch Bereiche, die bei Nichtmusikern gar nicht für die
Verarbeitung von Musik zuständig waren.
Mehr graue Masse dank Musik
Doch hat das auch Folgen für den Aufbau des Gehirns? Forscher an der
Uni Zürich untersuchten dies mit einer besonderen Methode, der
sogenannten Magnetresonanz-Tomographie. Damit sind sie in der Lage,
das Gehirn der Probanden schichtweise abzubilden. Und es zeigte sich
Erstaunliches: Das Gehirn der Musiker besitzt an verschiedenen Stellen
mehr graue Massen, also eine größere Dichte von Nervenzellen. Eines
dieser durch Musik zum Wachstum angeregten Areale ist zum Beispiel
der frontale Kortex. Und genau dieser Hirnteil baut beim
Alterungsprozess am ehesten ab.
Heißt das: Musik schützt das Gehirn vor dem Abbau? Tatsächlich
konnten die Forscher schon zeigen, dass der Verlust an grauer Substanz
bei älteren Menschen geringer ausfällt, wenn sie regelmäßig musizieren das gilt auch für Hobbymusiker. Und Musik hilft, Ausgleich für bereits
verloren gegangene Hirnbereiche zu schaffen. So gesunden SchlaganfallPatienten, die anfänglich unter Lähmungen oder Sprachverlusten zu
leiden hatten, mit Hilfe der Musiktherapie besonders schnell. Der Grund:
Offenbar können durch die umfassende Anregung, die das Gehirn beim
Musizieren erfährt, verloren gegangene Funktionen durch andere
Hirnbereiche übernommen werden. Und das schneller, als durch die
bisher üblichen Standardtherapien, wie eine Studie kürzlich erstmals
belegte.
Literaturtipps:
• Wolfgang Bossinger
Die heilende Kraft des Singens
Verlag: Book on Demand GmbH Norderstedt, 296 Seiten, Preis 23,80
Euro, ISBN 3-8334-1547-9
• Werner Kraus
Die Heilkraft der Musik
Verlag C.H. Beck München, 245 Seiten, 12,60 Euro, ISBN 3-40647636-8
• Hans-Helmut Decker-Voigt
Aus der Seele gespielt
Goldmann Verlag München, 368 Seiten, 12,00 Euro, ISBN 3-44213561-3
• Robert Jourdain
Das wohltemperierte Gehirn
Wie Musik im Kopf entsteht und wirkt
Spektrum Verlag Heidelberg-Berlin, 440 Seiten, 25,50 Euro, ISBN 38274-1122-X
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