Märkte & Trends Der Unterschied macht den Unterschied Viele Manager glauben an mehr Produktivität durch Verschiedenheit in den Teams. Diese Heterogenität kann weit über unterschiedliche fachliche Qualitäten hinausgehen. Es hört sich so solide an: In einem Team arbeiten zwölf junge, aufstrebende Arbeitskräfte, alle männlich. Jeder von ihnen hat Betriebswirtschaftslehre studiert und einen exzellenten Abschluss in der Tasche. Und sie alle haben eine Familie gegründet, also eine stabile Basis mit viel Rückhalt zu Hause. Wie es der Zufall so will, haben die überwiegend deutschen Mitarbeiter dieses Teams auch die gleiche Haarfarbe, die gleiche Größe, die gleiche Intelligenz und durch das gleiche Hobby, das Golfspiel, ergänzen sich die Kollegen auch auf persönlicher Ebene ideal. Es versteht sich von selbst, dass die meisten von ihnen Bayern-München-Fans sind. Was könnte der überdurchschnittlichen Leistung dieses fiktiven Teams noch im Wege stehen? Das Unternehmen hätte in diesem übertriebenen Fall ganze Arbeit geleistet. Allerdings nur oberflächlich betrachtet. Verfechter eines gegenteiligen Ansatzes vertreten eine andere ­Philosophie. Ihrer Meinung nach ist es weniger die Vereinigung gleicher, wenn auch vielversprechender Qua- 38 Connect 01/09 litäten, die einem Team in der Summe zum besonderen Erfolg verhilft. Sie glauben, dass bei allen Gemeinsamkeiten auch und gerade die Verschiedenheit das gewisse Etwas ausmacht. In unternehmerischen Worten gesprochen: mehr Leistung ­verspricht. Sich ergänzende Eigenschaften steigern die Produktivität zusätzlich, mögen geschäftliche Anforderungen eines Unternehmens noch so einheitlich sein. Ein ideales Team So sei das Gedankenspiel einmal ins andere Extrem gedreht: Ein ideales Team würde in ihrem Sinne zunächst einmal mehr Frauen berücksichtigen. Doch der Ansatz geht weit darüber hinaus. Junge und Alte, Deutsche und – sagen wir – Schweden, Nichtbehinderte und Behinderte, Vollzeit- und Teilzeitarbeitskräfte, Weiße wie Farbige, BWL-Absolventen wie promovierte Philosophen, geradlinige Karrierestrategen und Quereinsteiger, Ja-Sager und Querdenker, Hetero- und Märkte & Trends Unternehmenskultur fördert die Zufriedenheit in der Belegschaft und den wirtschaftlichen Erfolg.“ Auf dem ersten Blick mag eine solche Strategie sozial­politische Trends befriedigen. Bei aller ethischen Motivation ist ein Unternehmen aber vor allem bestrebt, seinen betriebswirtschaftlichen Erfolg im Auge zu behalten, also Gewinn zu erzielen. Doch genau das schaffe Diversity Management, sei laut Michael Stuber durch eine aktuelle empirische Studie seines Beratungsunternehmens belegt. Sie dokumentiere, dass der Ansatz den Unternehmenserfolg bei Kriterien wie Produktivität, Aktienkurs und Arbeitgeberattraktivität steigere. Homosexuelle; aus dem Mix der Verschiedenheit ergibt sich im Zusammenspiel der Mehrwert. Das Team der Vielfältigkeit dient der Profitabilität eher als eine „genormte“ Mitarbeiterschaft: Wer hat schon eine erfolgreiche Fußballmannschaft allein aus Stürmern erlebt? „Durch die positive Beachtung und aktive Einbeziehung kann Vielfalt systematisch zum Vorteil aller Beteiligten genutzt werden“, beschreibt Unternehmensberater Michael Stuber, einer der führenden Diversity-Management-Experten, das Prinzip wissenschaftlich. Konkret: „Studien belegen, dass heterogene Teams innovativer und kreativer sind. Es ist nämlich die Vielfalt der Perspektiven, die zu besseren Lösungen und zu cleveren Produkten führt.“ Daher sei die Vielfalt als Prinzip kein Selbstzweck, so Stuber. „Unternehmen sind darauf angewiesen, die unterschiedlichen Potenziale ihrer Beschäftigten – gerade in schwierigen Zeiten – zu erkennen, zu entwickeln und zu nutzen. Eine einbeziehende Neue Märkte erschließen So kann der unternehmerische Zweck einer „bunten Belegschaft“ beispielsweise darin liegen, mit der Außendarstellung seiner Internationalität zum Imagegewinn beizutragen. Ein guter Ruf führt so zu mehr Kunden und – durch größere Auswahl an Interessenten – zu besseren Mitarbeitern. Zusätzlich glauben die Verfechter dessen an weitaus direktere Erfolgsfaktoren. „Diversity Management wird zunehmend als Faktor für den Gesamterfolg einer Organisation anerkannt – beispielsweise, weil sich durch vielfältige Mitarbeiterstrukturen neue Märkte und Kundengruppen erschließen lassen und die Innovationsfähigkeit steigt“, heißt es bei der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Maria Böhmer. Um mit dem ersten Beispiel zu sprechen: Das Team aus ähnlichen Individuen mag seine Qualitäten besitzen. Wer von ihnen wäre aber optimal in der Lage, ­individuelle Kundenbedürfnisse, die an ihrer eigenen Lebenserfahrung vorbeigehen, bedienen zu können, wenn sie sie allerhöchstens aus der Theorie kennen? Es ist der wertvollen Identifikation mit dem Arbeitgeber dienlich, dass jeder bildlich gesprochen seinen SEB-Pin am Jackett trägt. Das gemeinsame Äußere prägt schließlich das Individuelle der gesamten Organisation und grenzt diese positiv zur Konkurrenz ab. Wenn derjenige – oder diejenige – im Anzug aber durch seinen persönlichen Migrationshintergrund etwa, also dank seiner Connect 01/09 39 Märkte & Trends Fremdsprachenkenntnis, auf einen türkischen Kunden besonders empathisch zugehen kann und auf diese Art zusätzliche Umsatzchancen aufspürt, macht er zusätzlich den Mehrwert aus, den der Vielfältigkeits­ansatz verspricht. Ob ihn ein Unternehmen lebt, ist nicht unbedingt das Ergebnis strategischer Planung. Zuallerst können der gegebene geschäftliche Hintergrund, das Streben Einzelner oder ganz einfach der Zufall mitentscheidend sein. Gerade in international agierenden Einheiten wie Merchant Banking ergibt sich häufig eine buntere Teambesetzung: durch die länder- und damit kul­ turübergreifende Zusammenarbeit auf geschäftlicher Ebene, wie es das Firmenkundengeschäft häufig kennt. „Ich habe seit Beginn gute Erfahrungen mit ‚Diversity’ gemacht“, bestätigt Thomas L. Roser, Leiter CRM Large Corporates & Financial Institutions. „Wie im richtigen Leben ist es gerade in einem Bereich, der mit Kunden zu tun hat, besonders wichtig, unterschiedliche Menschen zusammenzuführen. Bei uns sind nicht nur beide Geschlechter relativ ausgewogen vertreten. Wir haben auch viele verschiedene Nationalitäten – Deutsche, Schweden, Malier, Kroaten, Russen – in unserem Bereich. Die Qualifikation der Mitarbeiter reicht von Bankkaufleuten über Betriebswirte bis hin zu Wirtschaftsingenieuren und MBA-Juristen.“ Auf eine Mixtur beim Alter achtet Roser ebenfalls, seine Mitarbeiter sind zwischen Ende zwanzig und Ende fünfzig: „Alles in allem kann ich über Diversifizierung im Team nur Positives berichten. Es bereichert nicht nur das Geschäft, sondern auch das Mitein­ander.“ Dass neben Internationalität auch die Geschlechtermischung voranschreitet, ist der zunehmenden gesellschaftlichen Gleichstellung von Mann und Frau in den vergangenen Jahrzehnten zuzuschreiben. Die SEB in Deutschland mit ihren Frauen in der Vorstandsriege – Renate Bloß-Barkowski, Liselotte Hjorth und Barbara Knoflach – kann sich stolz als Unikat in der Männer­domäne Bankenmanagement behaupten. Nicht zu vergessen, dass der Konzern mit Annika Falkengren eine Frau an der Spitze hat, selbst in Schweden keine Selbstverständlichkeit. Zusätzlich sind es die bewussten ­personalpolitischen Maßnahmen „von oben“, die die Berücksichtigung komplexerer Gesellschafts- und Lebensverhältnisse beeinflussen. So wie es die SEB Deutschland beispielsweise mit ihren Eltern-Kind-Büros tut, 40 Connect 01/09 um Vätern und Müttern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern (s. auch S. 44 – 45). Neben den zentralen Maßnahmen geben aber vor allem die dezentralen Taten in den Abteilungen den Ausschlag. Etwa die Personalentscheidungen bei Einstellungen durch Vorgesetzte. Janine Corterier bestätigt: „Vor allem unsere Manager tragen hier eine große Verantwortung“, sagt die Leiterin HR Learning. „Wie so oft liegt es vor allem am selbstverantwortlichen Verhalten und den Entscheidungen Einzelner, ob die Quali­täten eines solchen Ansatzes genutzt werden. Wir tun zentralseitig zusätzlich eine Menge, damit Mitarbeiter verschiedene Lebensumstände mit den Ansprüchen im Job vereinbaren können und damit wir Mitarbeiter ­binden und vor allem ihre verschiedenen Qualitäten pflegen können.“ Der Joballtag entscheidet Ob in einem Team statt eines diskriminierenden ­Klimas ein offenes herrscht, entscheiden bei allen zentralen Maßnahmen vor allem Mitarbeiter und durch das Vorleben die Vorgesetzten selbst. Und ob eine „Teilzeit­ mutter“ ideal ins Team integriert ist, beeinflussen ihre Kollegen und die Führungskraft im Joballtag. „Vielfalt führt erst dann zum Erfolg, wenn sie im Unternehmen von Führungskräften und der Belegschaft gelebt wird. Als Potenzial-Prinzip schafft sie ein Umfeld, in dem Unterschiede systematisch als Erfolgsfaktor genutzt werden“, fasst der Experte Stuber zusammen. „Neben einer aufgeschlossenen Grundhaltung sind flexible Arbeits­formen und Karrieren sowie das positive Gestalten von Vielfalt durch das Management Merkmale einer zukunfts- und leistungsorientierten Unternehmens­ kultur.“ Kurzum: Wie immer sind es förderliche Rahmenbedingungen und das Verhalten der Mitarbeiter zugleich, die den erfolgreichen Unterschied ausmachen. Es kommt dabei nicht nur auf das Individuum an – ganz nach dem Motto „It’s all about people“, wie es die Retailer durch ihre Vorwärtsstrategie kennen. Den Erfolg macht vor allem das Individuelle aus. Der Unterschied macht den Unterschied. Sebastian Nitz, Marketing und Kommunikation