Moderne Telekommunikation bei kognitiv eingeschränkten

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Nachwuchsakademie
Moderne Telekommunikation bei
kognitiv eingeschränkten
Patienten in der
gerontopsychiatrischen
Regelversorgung
Dr. Florian Metzger,
Geriatrisches Zentrum und
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der
Universität Tübingen
Nachwuchsakademie
Ältere Menschen im Krankenhaus
• fast 50 % der Patienten, die in eine Krankenhaus aufgenommen
werden: > 60 Jahre
(Zahlen des statistischen Bundesamtes: „Demografischer Wandel in Deutschland. Auswirkungen auf Krankenhausbehandlungen und
Pflegebedürftige im Bund und in den Ländern.“)
• Menschen mit Demenz im Krankenhaus:
Pinkert C, Holle B.: People with dementia in acute hospitals: Literature review of prevalence and reasons for hospital admission.
Z Gerontol Geriatr. 2012 Apr 28.
2 | 01.10.2012 | Dr. F. Metzger
Nachwuchsakademie
Komplikation von Krankenhausaufnahmen Älterer:
Delir / akuter Verwirrtheitszustand
h
c
• Definition (nach ICD 10):
–
–
–
–
–
–
lr i
h
ä
Störung des Bewusstseins und der Aufmerksamkeit
Störung der Wahrnehmung (Gedächtnis, Orientierung)
Psychomotorische Störungen
Schlafstörungen
Akuter Beginn und fluktuierender Verlauf
Nachweis einer organischen Grundlage
?
f
r
e
a
r
G
b
e
d
i
• Inzidenz eines Delirsuwährend eines
Krankenhausaufenthaltes bei
e
e
älteren Patienten:
56
%
T
m 1-2 %, steiler Anstieg mit Alter
• Prävalenz des Delirs allgemein:
r
• hohe Mortalitätsrate von e
deliranten Patienten durch Komorbidität von
V und Delir (≈ Mortalitätsrate Herzinfarkt!)
somatischer Grunderkrankung
Sharon K. Inouye: Delirium in Older Persons. N Engl J Med 2006;354:1157-65.
3 | 01.10.2012 | Dr. F. Metzger
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Vermeidbar?
• Kontakt zu Angehörigen wirkt nachweislich Delir-präventiv bei
Krankenhauseinweisung Älterer
(Rosenbloom-Brunton et al., 2010, Feasibility of family participation in a delirium prevention program for hospitalized older adults.
Journal of Gerontological Nursery 36: 22-33)
• Können uns moderne Telekommunikationsmedien helfen bei
- Strategien zur Vermeidung von Delirien
bedingt durch Krankenhausaufnahmen?
- der Verbesserung der (unangenehmen)
Krankenhausaufenthalten?
4 | 01.10.2012 | Dr. F. Metzger
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Telekommunikation in der Gerontopsychiatrie
• in Deutschland aufgrund der geringen Entfernungen und guten
Zugang zur gerontopsychiatrischen Versorgung bislang keine
Notwendigkeit der Telegerontopsychiatrie
• Versorgungsstudie in einem fachgerontopsychiatrischen
Pflegeheim in USA: Kommunikation von Bewohnern und Ärzten
der nächsten Universitätsklinik (unter der Vermittlung von
Pflegepersonals)
(N=67)
Lyketsos CG, Roques D Hovanec L, Jones BN. Telemedicine Use and the Reduction of Psychiatric Admissions from a Longterm
Care Facility. Journal of Geriatric Psychiatry and Neurology 2001; 14:76-79
5 | 01.10.2012 | Dr. F. Metzger
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Ziel
Übergeordnete Zielsetzung:
Risikoreduktion für delirante Symptome bei kognitiv eingeschränkten
Patienten erhöht, gerade bei Umgebungswechsel wie
Krankhauseinweisung
Ist auch die
Telekommunikation
Angehörige – Patient
mittels Bildtelefonie
hilfreich?
Machbarkeitsprüfung notwendig!
6 | 01.10.2012 | Dr. F. Metzger
Nachwuchsakademie
Projekt an der Psychiatrischen Klinik Tübingen
7 | 01.10.2012 | Dr. F. Metzger
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Projekt an der Psychiatrischen Klinik Tübingen
• Kommunikationspartner:
Patienten und Angehörigen
• Telekommunikation mittels Bildtelefonie in tablet-Computern,
d.h. Kombination aus optischer und akustischer Ebene
• Patientenkollektiv: stationäre Patienten mit kognitiven
Einschränkungen
• Angehörigenkollektiv: Partner, Kinder, Enkel, vertraute
Nachbarn oder Freunde
8 | 01.10.2012 | Dr. F. Metzger
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Studiendesign
•
•
30 vollstationäre Patienten der gerontopsychiatrischen Station
Diagnose:
Demenz (ICD 10: F00-F03)
leichten kognitiven Einschränkung (MCI, ICD 10: F06.7)
aktuell: kein Delir (F05)
•
Vorerst 2x täglich: 5- bis 30-min. Kontakt per Bild-Ton-Telekommunikation zwischen
Angehörigen und Patienten mittels Tablet-Computer.
Klinik
Zu Hause
Patient
Angehöriger
Technische Unterstützung durch therapeutisches Team
9 | 01.10.2012 | Dr. F. Metzger
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Methoden
Befragungen der Patienten
Befragungen der Angehörigen
qualitativen Inhaltsanalysen
soweit möglich Überführung in quantitative Auswertungen
10 | 01.10.2012 | Dr. F. Metzger
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Basis-Fragen zur Machbarkeit
Patienten & Angehörige
• Wird das Telekommunikationsangebot angenommen?
• Bei Ablehnung des Angebots: Gründe der Ablehnung
• Welcher Zeitraum, welche Frequenz, welche Tageszeit sind
sinnvoll?
• Welche Angehörigengruppe ist am Angebot interessiert?
• Ist der Gebrauch von Handy, Computer, Internet, Nutzung von
sozialen Netzwerken bei Patienten und Angehörigen prädiktiv für die
Nutzung des Angebots?
• Sind der kognitive Status und die Depressivität prädiktiv für die
Annahme des Angebots?
• Erwartungen und Zufriedenheit mit Kommunikation
11 | 01.10.2012 | Dr. F. Metzger
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Methoden
Befragungen der Patienten
Befragungen der Angehörigen
Gruppeninterviews
des therapeutischen Teams
qualitativen Inhaltsanalysen
soweit möglich Überführung in quantitative Auswertungen
12 | 01.10.2012 | Dr. F. Metzger
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Basis-Fragen zur Machbarkeit
Therapeutisches Team
• Evaluation der Prozessstruktur
• Beurteilung der Nützlichkeit und Akzeptanz des Verfahrens seitens
therapeutisches Team, aber Patienten und Angehörige
• Integrierbarkeit der Kontakte in den Stationsablauf
• benötigte Personalressourcen
13 | 01.10.2012 | Dr. F. Metzger
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Methoden: Quantitativ
Quantitative Assessments der Patienten
Wöchentlich:
1. deliranten Symptomatik/Verwirrtheit
Confusion Assessment Method, CAM
2. kognitive Funktionen und Orientierung Mini-Mental-Status-Examination, MMSE
3. weitere psychiatrische Symptome
Neuropsychiatric Inventory, NPI-10
4. Depressivität
Geriatric Depression Scale, GDS
5. Lebensqualität und –umstände
Berliner Lebensqualitätsprofil, BELP
Auswertung am Ende der Rekrutierungsphase geplant
14 | 01.10.2012 | Dr. F. Metzger
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Erste Ergebnisse – Zwischenstand
Technische Prozessevaluation
• Initiierung eines Internetzuganges auf Station
• Anwendende professionelle Helfer müssen geschult werde
• v. a. Teilzeitkräfte haben mit der „Technik“ Schwierigkeiten
• WLAN für die Angehörigen erforderlich
• Zeitliche Ressource seitens des betreuenden Personals
erforderlich
• bislang wurden 36 Teilnehmer gescreent
• 6 stimmten einer Teilnahme an dem Projekt zu
•kein Einfluss des Alters:
15 | 01.10.2012 | Dr. F. Metzger
Teilnehmer
Ablehner
78,5 Jahre
76,2 Jahre
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Erste Ergebnisse – Zwischenstand
Ablehnungsgrund
Konflikt mit Stationspersonal
Sorge um Belastung der Angehörigen
Anstehende Entlassung
sinnlos, da regelmäßige Besuche
Angehörige nicht interessiert
Kein Wlan verfübar
Sieht keinen Vorteil zum normalen Telefon
keine Technikerfahrung
keine Lust/Interesse
Angst/Überforderung
Ablehnung von moderner Technik
technische Schwierigkeiten
Mangelndes Verständnis
Wünscht keinen Kontakt zu Angehörigen
Zu starke wahnhafte Symptomatik
Angehörige vermutlich ungeeignet
Angehörige wünschen wegen Konflikt keinen Kontakt
Angehörige lehnen wg. Angst vor Technik ab
Angehörige verweigert sich wg. gesundheitliche Sorge um Patient
Patient möchte nicht in schlechtem Zustand von Kindern gesehen werden
Sorge vor eigener Belastung
16 | 01.10.2012 | Dr. F. Metzger
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Entwicklungsprozess (I) – Subjektive Faktoren
• Ein- und Ausschlusskriterien für Angehörige lassen sich nur
schwer operationalisieren
• Guter Kontakt (Patient – Angehöriger, Patient – therap. Team)
bereits vor Aufnahme der Telekommunikation essentiell
17 | 01.10.2012 | Dr. F. Metzger
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Erste Ergebnisse – Zwischenstand
Ablehnungsgrund
Konflikt mit Stationspersonal
Sorge um Belastung der Angehörigen
Anstehende Entlassung
sinnlos, da regelmäßige Besuche
Angehörige nicht interessiert
Kein Wlan verfübar
Sieht keinen Vorteil zum normalen Telefon
keine Technikerfahrung
keine Lust/Interesse
Angst/Überforderung
Ablehnung von moderner Technik
technische Schwierigkeiten
Mangelndes Verständnis
Wünscht keinen Kontakt zu Angehörigen
Zu starke wahnhafte Symptomatik
Angehörige vermutlich ungeeignet
Angehörige wünschen wegen Konflikt keinen Kontakt
Angehörige lehnen wg. Angst vor Technik ab
Angehörige verweigert sich wg. gesundheitliche Sorge um Patient
Patient möchte nicht in schlechtem Zustand von Kindern gesehen werden
Sorge vor eigener Belastung
18 | 01.10.2012 | Dr. F. Metzger
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Entwicklungsprozess (II)
• Adaption unseres Rekrutierungsvorgehens:
- Kontaktgespräch über das Thema Telefonieren
- Zeigen des tablets
- spielerischer Umgang: Zeigen von Spielen
- ausführliches In-die-Hand-nehmen, auf den (einzigen)
Knopf drücken
• Anwesenheit von Personal während des Telefongesprächs
trotz Einschränkung der Privatsphäre des Patienten!
19 | 01.10.2012 | Dr. F. Metzger
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Ausblick
• aufgrund der für uns zunächst überraschend hohen
Ablehnungsquote wegen technischer Gründe:
Durchführung von einer Fokusgruppeninterview
Stimulusmaterial: Videoclip
- für das Team der gerontopsychiatrischen Tagesklinik
- für Patienten der gerontopsychiatrischen Tagesklinik
20 | 01.10.2012 | Dr. F. Metzger
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Erste Ergebnisse – Zwischenstand
Ablehnungsgrund
Konflikt mit Stationspersonal
Sorge um Belastung der Angehörigen
Anstehende Entlassung
sinnlos, da regelmäßige Besuche
Angehörige nicht interessiert
Kein Wlan verfübar
Sieht keinen Vorteil zum normalen Telefon
keine Technikerfahrung
keine Lust/Interesse
Angst/Überforderung
Ablehnung von moderner Technik
technische Schwierigkeiten
Mangelndes Verständnis
Wünscht keinen Kontakt zu Angehörigen
Zu starke wahnhafte Symptomatik
Angehörige vermutlich ungeeignet
Angehörige wünschen wegen Konflikt keinen Kontakt
Angehörige lehnen wg. Angst vor Technik ab
Angehörige verweigert sich wg. gesundheitliche Sorge um Patient
Patient möchte nicht in schlechtem Zustand von Kindern gesehen werden
Sorge vor eigener Belastung
21 | 01.10.2012 | Dr. F. Metzger
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Entwicklungsprozess (III)
Einzelne Patientin mit rascher dementieller Entwicklung
(MMST 19 von 30 Punkten)
Verkennung der online-Situation als Realität
Sprecher weiblich: … sie sagte: Da spricht jemand aus der Wand. Denn sie hat das überhaupt
nicht hingekriegt, dass das ihr Sohn ist. Das war ihr wohl gar nicht bewusst. …. Und, was ich
halt auch merke, jetzt auch in der Kommunikation mit unserer oder mit meiner
Schwiegermutter, ist, dass der persönliche Kontakt definitiv wesentlich wertvoller ist. Das ist
also durch nichts zu ersetzen, aus meiner Perspektive. Definitiv nicht. Der letzte Kontakt, den
wir noch haben, vielleicht für ein paar Wochen, Monate. Wir wissen es ja nicht.
Studienabbruch
22 | 01.10.2012 | Dr. F. Metzger
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Erste Ergebnisse – Zwischenstand
Ablehnungsgrund
Konflikt mit Stationspersonal
Sorge um Belastung der Angehörigen
Anstehende Entlassung
sinnlos, da regelmäßige Besuche
Angehörige nicht interessiert
Kein Wlan verfübar
Sieht keinen Vorteil zum normalen Telefon
keine Technikerfahrung
keine Lust/Interesse
Angst/Überforderung
Ablehnung von moderner Technik
technische Schwierigkeiten
Mangelndes Verständnis
Wünscht keinen Kontakt zu Angehörigen
Zu starke wahnhafte Symptomatik
Angehörige vermutlich ungeeignet
Angehörige wünschen wegen Konflikt keinen Kontakt
Angehörige lehnen wg. Angst vor Technik ab
Angehörige verweigert sich wg. gesundheitliche Sorge um Patient
Patient möchte nicht in schlechtem Zustand von Kindern gesehen werden
Sorge vor eigener Belastung
23 | 01.10.2012 | Dr. F. Metzger
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Entwicklungsprozess (IV)
• Zeitliches Problem:
bei Beginn der Therapie häufig von der Situation auf Station sehr
gefordert, Therapiebereitschaft erst im späteren Verlauf.
• Wünschenswerter längerer Umgang mit der Telekommunikation
individuelle Verlängerung der 3-Wochen-Spanne
deshalb in Planung: Übertragung auf den Pflegeheimbereich
- kein zeitliches Problem mehr
- weniger regelmäßige Besuche
- Krankheitsverlauf oftmals stabiler
- regelmäßigerer Tagesablauf
- weniger externe Stimulation als im Krankenhaus
24 | 01.10.2012 | Dr. F. Metzger
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Fazit
• Notwendigkeit der Verbesserung der stationären Strukturen für
ältere Menschen und v. a. für Menschen mit kognitiven Einbußen
• Medizinisch
• Ethisch
• Volkswirtschaftlich
• Moderne Technologie dazu gut geeignet
• Potential der bisherigen Technik noch nicht voll genutzt
• Anleitung und Begleitung von kranken, hilfsbedürftigen und erst
recht kognitiv eingeschränkten Menschen in der Handhabung von
neuen Technologien essentiell!
• danach: Lebensqualitätsverbesserung möglich
25 | 01.10.2012 | Dr. F. Metzger
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Vielen Dank
Nachwuchsakademie
Psychiatrische Klinik
der Universität Tübingen
• Raphael Niebler
• Elisa Semler
• Prof. G. W. Eschweiler
• AG Psychophysiologie
& Optische Bildgebung
Koordinierungsstelle Versorgungsforschung
Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin
und Versorgungsforschung
• Prof. Monika Rieger
• Christine Emrich
26 | 01.10.2012 | Dr. F. Metzger
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Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit
27 | 01.10.2012 | Dr. F. Metzger
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