Generatorschutz Erdschlusserfassung Theoretische Grundlagen

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- Erdschlusserfassung: Theoretische Grundlagen
Version 1.2 vom 03.11.2008 -
Generatorschutz
Erdschlusserfassung
Theoretische Grundlagen
Autor:
Dipl.-Ing. Ingo Kühnen
___________________________
Woodward Power Solutions GmbH
Krefelder Weg 47
47906 Kempen, Germany
Kempen, 03.11.2008
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- Erdschlusserfassung: Theoretische Grundlagen
1.1
Version 1.2 vom 03.11.2008 -
Sternpunktbehandlung von Generatoren
Die Größe der Erdfehlerströme des Mittelspannungssystems (10.5kV) ist abhängig
von der Sternpunktbehandlung der Generatoren, da die Netztransformatoren auf der
Mittelspannungsseite in Dreieck geschaltet, also von der Station getrennt sind.
Die folgenden Sternpunktbehandlungen von Generatoren sind denkbar:
1. isolierter, d.h. nicht geerdeter Sternpunkt
2. kompensierter, d.h. über Peterson-Löschspule geerdeter Sternpunkt
3. mittelbar, d.h.
a.)
über Drosseln oder Transformatoren geerdeter Sternpunkt oder
b.)
über Widerstand geerdeter Sternpunkt
4. unmittelbar, d.h. starr geerdeter Sternpunkt
Die unterschiedlichen Sternpunktbehandlungen der Generatoren werden im
Folgenden bezüglich der Anforderungen und Gegebenheiten der meisten
Kraftstationen miteinander verglichen.
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- Erdschlusserfassung: Theoretische Grundlagen
zu 1.
Version 1.2 vom 03.11.2008 -
Der isolierte Generatorsternpunkt
Die Größe der Erdfehlerströme ist hierbei in erster Linie abhängig von den
Kabelkapazitäten des Netzes, da der Erdfehlerstromkreis nur über die
Kabelkapazitäten und die Erdfehlerstelle geschlossen ist. Diese Methode ist also nur
dann einsetzbar, wenn die Kabelkapazitäten im Netz relativ groß sind und konstant
bleiben, also insbesondere bei stark vermaschten relativ ausgedehnten Kabelnetzen.
Diese Verhältnisse liegen bei den meisten Kraftstationen nicht vor. Allein die
unterschiedlichen Betriebsarten und Schaltzustände liefern sehr unterschiedliche
Netzkabelkapazitäten. Bei sattem Erdschluss eines Leiters erhöht sich hierbei die
Spannung der beiden gesunden Leiter gegen Erde im gesamten, galvanisch
verbundenen Netz um den Faktor √3 auf die Außenleiterspannung.
Es gilt:
IE = 3 ⋅ I0 ≈ 3 ⋅ U Δ ⋅ ω ⋅ CE
U
Ž,gesunder Leiter
mit IE:
CE:
ω:
zu 2.
≈ 3 ⋅ UŽ= UΔ
Erdschlussstrom an der Fehlerstelle
Erdkapazitäten = Nullkapazitäten des Netzes
2πf = Kreisfrequenz
Der kompensierte betriebene Generatorsternpunkt
In diesem Fall werden die Kabelkapazitäten des gesamten Netzes durch die
Induktivität einer Peterson-Erdschlussspule weitgehend kompensiert. Die dann im
Erdfehlerfall verbleibenden Wattrestströme sind sehr gering. Sie werden häufig mit
einem wattmetrischen Messverfahren erfasst. Diese Methode der
Sternpunktbehandlung ist im noch größeren Maße von den Kabelkapazitäten des
Netzes abhängig, da zusätzlich die Größe der Kabelkapazitäten die Auslegung der
Peterson-Erdschlussspule bedingt. Somit kommt diese Methode der
Sternpunkthandlung ebenfalls nicht in Frage.
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zu 3a.) Über Drossel bzw. Transformator geerdeter Generatorsternpunkt
Durch die Erdung des Generatorsternpunktes über eine Drossel kann der
Erdschlussstrom auf einen bestimmten Wert festgelegt werden. Der Erdschlussstrom
hängt hierbei wie folgt von den Kabelkapazitäten des Netzes ab:
IE ≈
⇒
⎛
3 ⋅ UΔ j ⋅ ⎜ ωC E −
⎝
⎛
1 ⎞
IE ≈ 3 ⋅ U Δ ⋅ ⎜ ωCE −
⎟
3ωL D ⎠
⎝
U
Ž,gesunder Leiter
mit IE:
LD
CE:
ω:
1 ⎞
⎟
3ωL D ⎠
≤ 14
. ⋅ UŽ
Erdschlussstrom an der Fehlerstelle
Induktivität der Drossel bzw. des Transformators
Erdkapazitäten des Netzes
2πf = Kreisfrequenz
Bei sattem Erdschluss eines Leiters steigt die Spannung der beiden gesunden Leiter
gegen Erde im gesamten, galvanisch verbundenen Netz näherungsweise maximal um
den Faktor 1.4 an, gegeben durch den Erdfehlerfaktor fE.
Es ist auch möglich eine Drossel bzw. einen Transformator mit der
Generatorsammelschiene zu verbinden und die Generatorsternpunkte isoliert zu
betreiben. Die Drossel (bzw. Transformator) arbeitet dann als so genannter
Sternpunktbildner. In diesem Fall ist eine definierte Belastungseinrichtung für die
Drossel bzw. für den Transformator erforderlich.
(Bemerkung:
Ein spezieller Transformator (z.B.: Ynyn0 mit Ausgleichswicklung)
kann sowohl als Sternpunktbildner zur Erdschlusserfassung als auch
als Stationstransformator eingesetzt werden.)
Die Methode der Sternpunktbehandlung über Drosseln bzw. Transformatoren kommt
für das betrachtete Netz in Frage.
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zu 3b.) Über Widerstand RE geerdeter Generatorsternpunkt
Durch die Erdung des Generatorsternpunktes über einen Widerstand kann das
Verhalten des Schutzsystems im Erdfehlerfall gegenüber der isolierten
Sternpunktbehandlung kontrolliert werden. Durch den Widerstand als
Sternpunktbildner erhält man einen definierten Erdfehlerstrom, der nur noch im
geringen Maße von den Kabelkapazitäten des Netzes abhängig ist. Die meist kleinen
Längsresistanzen RN eines unvermaschten Netzes geringer Ausdehnung können
dabei in der Regel vernachlässigt werden. Es gilt:
IE ≈
⎛ 1
⎞
+ jω ⋅ C E ⎟
⎝ 3R E
⎠
3 ⋅ UΔ ⎜
2
⎛ 1 ⎞
2
IE ≈ 3 ⋅ U Δ ⋅ ⎜
⎟ + (ω ⋅ C E )
⎝ 3R E ⎠
⇒
U
Ž,gesunder Leiter
mit IE:
RE
CE:
ω:
≤ 14
. ⋅ UŽ
Erdschlussstrom an der Fehlerstelle
Erdungswiderstand
Erdkapazitäten des Netzes
2πf = Kreisfrequenz
Auch in diesem Fall steigt die Spannung der beiden gesunden Leiter gegen Erde im
gesamten, galvanisch verbundenen Netz bei sattem Erdschluss eines Leiters
näherungsweise maximal um den Faktor 1.4 an, gegeben durch den Erdfehlerfaktor fE.
Entsprechend steigt die Beanspruchung der Isolation dieser Leiter und gegebenenfalls
angeschlossener Spannungswandler etc. Diese Methode der Sternpunktbehandlung
kommt für die betrachteten Generatoren ebenfalls in Frage.
zu 4.
Starr geerdeter Generatorsternpunkt
In diesem Fall kommt es bei außen liegenden Erdfehlern zu einpoligen
Kurzschlussströmen, die um ein Vielfaches über dem Generatornennstrom liegen
können. Diese Ströme sind zu hoch für die Wicklungen der Generatoren. Es gilt:
IK" ,1P ≈ IK" ,3P ⋅
mit Verhältnis
3
X
2+ 0
X1
X0
≤ 5.2 beim wirksam geerdeten Netz.
X1
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Fazit:
Von den Sternpunktbehandlungen der Generatoren im vorliegenden Netz kommen
somit nur die mittelbaren Sternpunktbehandlungen in Frage:
− Erdung des Generatorsternpunktes über einen Erdungswiderstand RE
− Erdung der Sammelschiene der Generatoren über eine Drossel bzw. einen
Transformator als Sternpunktbildner mit Belastungseinrichtung
− Erdung der Generatorsternpunkte über eine Drossel bzw. einen Transformator mit
Belastungseinrichtung
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1.2
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Sternpunktbehandlung über einen Erdungswiderstand RE
Von den Möglichkeiten der Generatorsternpunktbehandlung aus Kapitel 1.1 erscheint
die Sternpunkterdung über einen Erdungswiderstand RE für die meisten Kraftstationen
am zweckmäßigsten zu sein, da diese Möglichkeit im Vergleich zu den anderen
Sternpunktbehandlungen ökonomische Vorteile bietet und in der Regel mit weniger
Aufwand nachträglich zu installieren ist und unabhängiger gegenüber Erweiterungen
und Systemveränderungen ist.
Im anschließenden Bild 1.2-1 wird die Sternpunktbehandlung des Generators mit Hilfe
eines Erdungswiderstandes RE schematisch dargestellt.
T2
G
3∼
T2
G
3∼
G1
Sternpunkt
G2
Sternpunkt
T1
T1
QE
QE
ϑ>
RE
TE
Bild 1.2-1
Schematische Darstellung der Generatorsternpunktbehandlung
über einen Erdungswiderstand RE
mit:
RE:
Erdungswiderstand mit Temperaturüberwachung ϑ>
RE ≈ 254 Ω, IRE ≈ 25A für 10s dimensioniert und 10A dauernd,
URE = 11 kV/√3
QE:
einpoliges Vakuumschütz der Reihe 12, 400A,
mit sehr kurzen Schaltzeiten
TE:
Kabelumbauwandler zur Erdschlusserfassung
am Erdungswiderstand RE
25/1A mit 2.5VA, maximal 120min. bei 110% IN
T1,T2: Kabelumbauwandler zur Erfassung von Erdschlüssen
innerhalb der Generatoren,
(Restricted Earth Fault: 64REF bzw. 64N), Daten siehe TE
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Der Generatorsternpunkt des ersten zugeschalteten Generators wird mit Hilfe des
zugehörigen einpoligen Leistungsschützes QE auf den Erdungswiderstand RE
geschaltet. Dabei wird nur der Sternpunkt desjenigen Generators über den
Erdungswiderstand RE geerdet, der zuerst zugeschaltet wird. Sollte der
Generatorschalter desjenigen Generators ausgeschaltet werden, dessen Sternpunkt
mit dem Erdungswiderstand verbunden war, muss die Erdungseinrichtung auf den
nächsten Generator umgeschaltet werden.
Schaltungstechnisch muss gewährleistet werden, dass nie mehr als ein
Generatorsternpunkt sondern immer nur einer über den Erdungswiderstand geerdet
wird, da sonst Ausgleichsströme der 3. Harmonischen zwischen den
Generatorsternpunkten fließen können.
Schutz des Erdungswiderstandes RE
Der Kabelumbauwandler TE dient zur Fehlerstromerfassung im Stromzweig des
Widerstandes. Sollten die vorausgegangenen Erdschlussrelais der Station bei einem
außen liegenden Fehler nicht ansprechen (Schutzgeräteversager), so muss ein
Erdschlussrelais an dieser Stelle dafür sorgen, dass der Erdungswiderstand nicht
überlastet wird. Das Erdschlussrelais wird so eingestellt, dass es spätestens nach 10s
zu einer Auslösung führt entsprechend der Dimensionierung des
Erdungswiderstandes.
Der Erdungswiderstand ist weiterhin mit einer Übertemperaturerfassung ausgerüstet,
um den Widerstand vor Überhitzung zu schützen. Bei diesem Schutz handelt es sich
um einen Backup Schutz, der nur dann zu einer Auslösung führen darf, wenn keines
der Erdschlussrelais ansprechen sollte.
Sowohl bei der Auslösung des Erdschlussschutzes für den Widerstand als auch bei
der Auslösung des Übertemperaturschutzes müssen die Generatoren vom Netz
getrennt werden, da ein Erdschlussschutz nicht mehr gewährleistet werden kann.
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Schutz bei äußeren Fehlern
Bei einem Erdschluss in der Station außerhalb des Generatorschutzbereiches fließt an
der Fehlerquelle der Erdschlussstrom IE, der in erster Linie durch die Größe des
Erdungswiderstandes festgelegt ist (und erst in zweiter Linie durch die
Kabelkapazitäten des Netzes). Das fehlerhafte Netzsegment kann bei entsprechender
Selektivität mit Hilfe von Staffelzeiten und richtungsabhängigen Erdschlussrelais vom
Netz herausgetrennt werden.
Schutz bei inneren Fehlern
Die Stromwandler T1 und T2 dienen zur Erkennung eines Erdschlusses innerhalb des
Generatorschutzbereiches, insbesondere zur Erkennung des Stator - Erdschlusses
(ANSI - Code: 64N bzw. 64REF).
Die Wandler müssen das gleiche Übersetzungsverhältnis haben und antiparallel
geschaltet werden, gemäß Bild 1.2-2.
MRI
Bild 1.2-2
S1
T2 S2
S2
T1 S1
B2
B1
Schematische Darstellung der Schutzgerätebeschaltung für den
Stator Erdschlussschutz
Im fehlerfreien Zustand und bei einem Fehler außerhalb der Stromwandler T1 und T2
ist der Strom durch die Wandler annähernd gleich. Durch die antiparallele Schaltung
der Wandler heben sich die Ströme auf.
Bei einem Fehler innerhalb des Schutzbereiches der beiden Kabelumbauwandler T1
und T2 kommt es zu einem Summenstrom infolge der antiparallelen Schaltung. Das
Erdschlussrelais wird beispielsweise so eingestellt, dass ein Erdschlussstrom von 4A
nach maximal 1s durch die Erd-Überstromstufe und von 16A möglichst schnell durch
die Erdkurzschlussschnellauslösung zur Abschaltung des Generators führt.
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Voraussetzungen für den Einsatz der Sternpunktbehandlung über einen
Erdungswiderstand RE bei Kraftstationen
− Die Generatorsternpunkte müssen herausgeführt und zugänglich sein.
− Nur der Sternpunkt desjenigen Generators darf über den Erdungswiderstand RE
geerdet werden, der als erster zur Station hinzugeschaltet wird. Es dürfen nie
mehrere Generatorsternpunkte über den Erdungswiderstand RE geerdet werden,
da es sonst zwischen diesen Verbindungen der Generatorsternpunkte zu
unerwünschten Ausgleichsströmen kommen kann. Die Erdungsleistungsschütze
müssen deshalb schaltungstechnisch gegeneinander verriegelt sein.
− Durch die beim Erdschluss auftretenden Spannungserhöhungen zwischen den
gesunden Phasen und Erde, werden die Isolationen der Leiter und
Spannungswandler etc. in stärkerem Maße beansprucht. Dieser steigenden
Beanspruchung müssen die in Frage kommenden Netzelemente widerstehen
können.
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1.3
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Dimensionierung des Erdungswiderstandes RE
Der durch den Erdungswiderstand RE definierte Erdschlussstrom wird durch die
folgenden Gegebenheiten begrenzt:
− Auf der einen Seite muss der Erdschlussstrom im gesamten, galvanisch
verbundenen Netz mindestens so groß sein, dass er eine sichere Anregung des
selektiven Erdschlussrelais und des nach geschalteten Reserveschutzrelais
(Backup Schutzrelais) bewirkt.
− Auf der anderen Seite sollte der durch den Erdungswiderstand definierte
Erdschlussstrom so klein gehalten werden, dass das Ausmaß der Schäden infolge
des Erdschlussstromes nicht weiter ansteigt.
Die Auslegung des Erdungswiderstandes ergibt sich also aus den
Stromansprechwerten der Erdschlussrelais unter Berücksichtigung der Tatsache, dass
der Erdschlussstrom nicht zu groß werden darf, um auftretende Schäden möglichst
gering zu halten.
Die grundsätzlichen Überlegungen zur Einstellung dieser Stromansprechwerte liefern
einen minimalen Erdschlussstrom von 25A. Für diesen Erdschlussstrom muss der
Erdungswiderstand ausgelegt werden. Es gilt:
RE ≤
UΔ
3 ⋅ IEmin
⇒
RE = 254Ω ausgelegt für IE ≈ 25A und 10s (10A dauernd)
mit RE:
IE, min:
UΔ:
Größe des Erdungswiderstandes
Bemessungserdschlussstrom
11 kV
Wählt man für das Schalten des Erdungswiderstandes Leistungsschütze, die eine
geringe Schaltzeiten unter 1s haben, so kann der Widerstand für eine Lastzeit von
standardmäßig 10s ausgelegt werden (unter Berücksichtigung maximaler Staffelzeiten
von ca. 3s).
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