Kapitel 7 - antriebstechnik.fh

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Drehstromsteller
Drehstromsteller werden zur verlustlosen Steuerung von Dreiphasensystemen eingesetzt. Die Frequenz wird nicht verändert. Sie werden im unteren Leistungsbereich zum Spannungsanlauf und zur Drehzahlregelung von Asynchronmotoren mit
Widerstandsläufern verwendet. Der Sternpunkt der Wicklungen ist dort meistens
nicht zugänglich. Im oberen Leistungsbereich werden Kompensationsanlagen mit
Drehstromstellern betrieben.
Übungsziele:
• Untersuchung verschiedener W3-Schaltungen: mit zugänglichem Sternpunkt;
mit unzugänglichem Sternpunkt
• Vergleich von Leiter- und Strangspannungen als Funktion des Steuerwinkels
• Vergleich von Leiter- und Strangströmen als Funktion des Steuerwinkels
• Vergleich der Sperrspannungsverläufe
• Verlauf der Wirk- und Blindleistungen als Funktion des Steuerwinkels
• Verlauf der Oberschwingungen im Strom als Funktion des Steuerwinkels
Übungsdateien: MATHCAD:
SIMPLORER:
7.1
w3l.mcd; w3r.mcd
w3rl_y.ssh; w3rl_y_m.ssh;
Verbraucher mit zugänglichem Sternpunkt
Beim Anschluss dreier Wechselstromsteller an ein Dreiphasennetz entsteht ein
Drehstromsteller W3. Wenn der Verbraucher in Sternschaltung einen zugänglichen
Sternpunkt besitzt (Bild 7.1), beeinflussen sich die Phasen untereinander nicht. Die
Spannungen und Ströme am Verbraucher haben die gleiche Kurvenform wie beim
Anschluss an eine W1-Schaltung. Mit dieser Schaltungsvariante werden dynamische Kompensatoren gebaut.
7.2 Verbraucher mit unzugänglichem Sternpunkt
95
Bild 7.1: Drehstromsteller mit verbundenem Sternpunkt
7.2
Verbraucher mit unzugänglichem Ster npunkt
Häufig ist der Sternpunkt der Last nicht zugänglich. Das ist z.B. bei Asynchronmotoren der Fall, die durch Drehstromsteller gesteuert werden. Dann sind die Spannungs- und Stromverläufe einer Phase nicht mehr voneinander unabhängig. Die
Leiter- und Strangspannungen an der Last beeinflussen sich untereinander je nach
Schaltzustand der Ventile (Bild 7.2).
Bild 7.2: Drehstromsteller ohne Sternpunktanschluss
7 Drehstromsteller
96
7.2.1
Konstruktion der Lastspannungen
Aus den sinusförmig angenommenen Strangspannungen u S des Netzes wird durch
den Steller die variable Lastspannung u L durch Anschnittsteuerung erzeugt. Der
entsprechende Effektivwert ULα wird gegenüber der speisenden Netzspannung US
über α verringert. Index S kennzeichnet die speisende Spannung und Index L die
Lastspannung.
Im Folgenden sollen die Lastspannung u L1 im Strang 1 und die Leiterspannung
u L12 zwischen Strang 1 und Strang 2 aus der speisenden Spannung u S in Abhängigkeit von den Schaltstellungen konstruiert werden. Ein Schalter pro Phase symbolisiert in Bild 7.3 eine Gruppe antiparallel geschalteter Ventile. Die Spannungsric htungen sind durch die Zahlenfolge der Indizes am Pfeil vorgegeben. Technisch
sinnvolle Schaltzustände sind in Bild 7.3 gezeichnet. Es gibt vier sinnvolle Schaltzustände, die sich in Zeitintervallen von 30° ändern.
Bild 7.3: Schaltzustände
7.2 Verbraucher mit unzugänglichem Sternpunkt
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Im Folgenden werden aus den Schaltzuständen die Leiterspannung und die Strangspannung einer Phase an der Last hergeleitet. Dieses Verfahren wird in
MATHCAD zur Berechnung der Laste xtremfälle verwendet, um die Spannungen
und Ströme als Funktion des Steuerwinkels zu berechnen. Es werden vier Fälle
unterschieden:
a) S 1 und S2 sind geschlossen:
u L12 = u S12 = u S1 - u S2
u L1 = u S12 = (uS1 - u S2)/2
Leiterspannung
Strangspannung
b) S 1 und S3 sind geschlossen:
u L12 = u L1 = (uS1 - u S3 )/2 - u 13 / = u S13 /2
Leiter- und Strangspannung
c) S 2 und S3 sind geschlossen:
u L12 = (uS3 - u S2 )/2 = -u S23 /2
u L1 = 0
Leiterspannung
Strangspannung
d) S1 und S2 und S3 sind geschlossen:
u L12 = u S12 = u S1 - u S2
Leiterspannung
Die rein ohmsche und die rein induktive Last unterscheiden sich durch die verschiedene Stromführungsdauer τd , die für diese beiden besonderen Lastfälle ohne
iterative Verfahren ermittelt wird. In der Datei w3r.mcd für den rein ohmschen
Lastfall und der Datei w3l.mcd für den rein induktiven Lastfall erfolgt die Berechnung durch MATHCAD. Der Steuerwinkel α wird vom Nulldurchgang der speisenden Strangspannung gemessen.
Für die ohmsche Last wird der Steuerbereich in vier Abschnitte unterteilt:
• Im Bereich 0 ≤ α ≤ 60° gilt abwechselnd Fall a), b) oder d)
Jedes leitende Ventil übernimmt während des Stromführungswinkels τd = π - α
den Laststrom.
• Im Bereich 60° ≤ α ≤ 90° gilt abwechselnd Fall a), b)
Jedes leitende Ventil übernimmt während des Stromführungswinkels τd = 2π/3
den Laststrom.
• Im Bereich 90° ≤ α ≤ 150° gilt abwechselnd Fall a), b)
Der Strangstrom besteht aus zwei Teilstücken der Stromführungsdauer
τd = 5π/6 unterbrochen durch Lücken der Dauer α - π/2.
• Im Bereich 150° ≤ α 180° ist nur ein Schalter geschlossen. Es kann deswegen
kein Strom fließen.
7 Drehstromsteller
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Im rein induktiven Lastfall kann der Steller nur mit Steuerwinkeln 90° ≤ α ≤ 150°
arbeiten, da für kleinere α bereits Vollsteuerung erreicht wird:
• Im Bereich 90° ≤ α ≤ 120° gilt abwechselnd Fall a), b) oder d)
Jedes leitende Ventil übernimmt während des Stromführungswinkels
τd = 2 (π – α) den Laststrom.
• Im Bereich 120° ≤ α ≤ 150° gilt abwechselnd Fall a), b)
Der Strangstrom lückt. Er besteht aus zwei Teilstücken
7.2.2
Konstruktion der Sperrspannungen
Ideale Ventile besitzen im geschalteten Zustand keinen Innenwiderstand. Am Ventilsatz im Strang 1 liegt z.B. nur Sperrspannung u v1 an, wenn der Schalter S 1 offen
ist. Das Ventil führt nach den Voraussetzungen keinen Strom.
Es sind folgende drei Schalterstellungen möglich:
• S 2 ist geschlossen und S 3 ist offen:
u v1 = u S1 – u S2 = u S12
• S 2 ist offen und S 3 ist geschlossen:
u v1 = u S1 – u S3 = u S13 = -u S31
• S 2 und S3 sind geschlossen:
u v1 = u S1 – (uS2 + u S3 )/2 = 3/2 u S
Die Leiter- und Strangspannungen u L12 und u L1 folgen je nach Schalterstellung den
Kurvenverläufen der speisenden Spannung u S. Bei ideal ohmscher und rein induktiver Last kann man die Effektivwerte als Funktion des Steuerwinkels α für die
verschiedenen Bereiche abschnittsweise geschlossen berechnen. Die Steuerkennlinien in Bild 7.4 setzen sich deshalb aus mehreren Teilstücken zusammen. Sie
sind Grenzkennlinien für gemischt ohmsch-induktive Lasten. Der Steuerwinkel α
muss immer die Bedingung nach Gleichung (7.1) erfüllen, da sonst keine Aussteuerung erfolgt. Der Stromrichter ist dann wirkungslos.
Steuerbedingung für ohmsch-induktive Lasten:
 ωL 
αmin > arctan
 =ϕ
 R 
(7.1)
7.2 Verbraucher mit unzugänglichem Sternpunkt
99
Tabelle 7.1: Steuerkennlinien
Steuerbereich 0° ≤ α ≤ 60°
U Lá
3α 3
= 1−
+
sin 2α
UL
2ð 4ð
Z=R
Steuerbereich 60° ≤ α≤ 90°
Z=R
U Lá
=
UL
1 3 3
3
−
+
sin (2α + 30 ° )
2
4ð
4ð
Steuerbereich 90° ≤ α≤ 150°
Z=R
U Lá
=
UL
5 3α 3
−
+
sin (2α + 60 ° )
4 2ð 4ð
Steuerbereich 90° ≤ α≤ 120°
Z = ωL
U Lá
=
UL
5 3α 3
−
+
sin 2α
2
ð
2ð
Steuerbereich 120° ≤ α ≤ 150°
Z = ωL
U Lá
=
UL
5 3α 3
−
+
sin (2α + 60 ° )
2
ð
2ð
Nach den Gleichungen in Tabelle 7.1 wurden die Steuerkennlinien in Bild 7.4 für
rein ohmsche und für reine induktive Last bestimmt. Sie grenzen den steuerbaren
Spannungsbereich ab. Zwischen den Kennlinien liegen die Zustände, die nur mit
dem SIMPLORER zu simulieren sind.
1
ϕ = 0°
ϕ = 90°
0,8
0,6
0,4
0,2
0
0°
30°
60°
90°
120°
Bild 7.4: Steuerkennlinien der W3-Schaltung
α
150°
100
7 Drehstromsteller
Beim gewählten Steuerwinkel α = 110° liegen Kennlinien für die beiden besonderen Lastzustände im steuerbaren Bereich. Deswegen können beide Programme mit
gleichem Steuerwinkel arbeiten. Die Spannungsverläufe über der Zeit lassen sich
mit MATHCAD berechnen. Die Bilder 7.5 und 7.6 aus den Dateien w3l.mcd;
w3r.mcd zeigen die Strangspannungen an der Last bei α = 110°. Diese Betriebszustände liegen direkt auf den Steuerkennlinien und nicht im Bereich zwischen ihnen. Die jeweilige Grundschwingung der stark verzerrten Spannung ist eingezeichnet. Die Spannungen können mit MATHCAD leicht in ihre sinusförmigen
Bestandteile zerlegt werden. Ebenso wie bei der Wechselwegschaltung wird auch
hier die Minderung der Wirkleistung durch einen starken Anstieg der Blindleistung erkauft.
Bild 7.5: Strangspannung bei rein ohmscher Last bei α = 110°
Bild 7.6: Strangspannung bei rein induktiver Last bei α = 110°
7.2 Verbraucher mit unzugänglichem Sternpunkt
101
Bild 7.7: W3-Schaltung aus SIMPLORER-Datei
Wird die SIMPLORER-Datei w3rly.ssh geladen, liegt auf der Schematic-Oberfläche die Schaltung nach Bild 7.7. Damit können im Gegensatz zur Simulation in
MATHCAD alle Zwischenzustände bei ohmsch-induktiver Last untersucht werden.
Durch Doppelklick auf die Bauelemente werden die entsprechenden Daten geändert. Die Übergangswiderstände des Netzes können durch Eingabe entsprechender
Werte der Leitungswiderstände simuliert werden. Das Beispiel in Bild 7.8 ist im
ViewTool des SIMPLORER mit einer Last aus R = 10 Ω und L = 5 mH beim Steuerwinkel von α = 110° ausgegeben. Es handelt sich also um eine ohmsche Last
mit induktivem Anteil. Mit diesen Lastwerten wird ϕ = 8,9°. Der Strom lückt. Die
Spannungen liegen nicht mehr symmetrisch zu ihrem Nulldurchgang. Ohne induktive Glättung verschwinden die Nulldurchgänge der Spannung, siehe Bild 7.5. Der
Betriebspunkt liegt zwischen den Steuerkennlinien (Bild 7.4). Bei dieser Last
muss der kleinste Steuerwinkel α min >8,9° sein, um eine wirksame Verkleinerung
der Ausgangsspannung zu erreichen.
Bild 7.9 zeigt nochmals die Lastströme mit den Sperrspannungen. Sie liegen an
den Ventilen, wenn sie nicht durchgeschaltet sind. Über den Scheitelwert der
Sperrspannungen kann die maximale Spannungs belastung der Ventile bestimmt
werden.
102
7 Drehstromsteller
Bild 7.8: Spannung und Strom bei ohmsch-induktiver Last bei α = 110°
Bild 7.9: Sperrspannung und Strom bei ohmsch-induktiver Last bei α = 110°
7.3 Oberschwingungen
7.3
103
Oberschwingungen
Mit den MATHCAD-Dateien w3r.mcd oder w3l.mcd kann der Drehstromsteller mit
den Grenzlasten des idealisierten ohmschen Widerstandes oder der idealisierten
Induktivität hinsichtlich des Oberschwingungsverhaltens experimentell untersucht
werden. Oberschwingungsbehaftete Leiterströme können über Zuleitungsinduktivitäten des Netzes auch die Eingangsspannung verzerren. Da sich die Grundschwin gung des Leiterstromes gegenüber der Netzspannung durch die Ansteuerung mit dem Steuerwinkel α verschiebt, wird das Netz mit Steuerblindleistung
belastet, auch wenn nur ein ohmscher Widerstand angeschlossen ist.
Die Amplitudenspektren der Spannungsverläufe aus Bild 7.5 und Bild 7.6 sind in
Bild 7.10 und Bild 7.11 gezeigt. Die Spektren sind auf den Scheitelwert der je weiligen Grundschwingung bezogen. Wie in allen Drehstromsystemen entfallen sämtliche durch drei teilbaren Oberschwingungen.
Es wird vorgeschlagen die Leistungsanalysen selbst durchzuführen, wie es bei der
W1-Schaltung gezeigt wurde.
Bild 7.10: Amplitudenspektrum des Beispiels für rein ohmsche Last
Bild 7.11: Amplitudenspektrum des Beispiels für rein induktive Last
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