w w t zc . w -b er e .d n li ZEITSCHRIFT FÜR ISSN 0722/5067 Informationen für Ärzte und Apotheker zur rationalen Infektionstherapie November/Dezember 2006 - 27. Jahrg. Übersicht Akute unkomplizierte Zystitis und Pyelonephritis Harnwegsinfektionen werden als „unkompliziert“ bezeichnet, wenn bei den Patienten keine Faktoren erkennbar sind, die eine Disposition für Infektionen darstellen. Zu den unkomplizierten Harnwegsinfektionen wird neben der Zystitis auch die akute Pyelonephritis gezählt. Bei den akuten unkomplizierten Infektionen der unteren und oberen Harnwege ist E. coli mit Abstand der häufigste Erreger (ca. 80 %). Bei der Zystitis folgen nach der Häufigkeit S. saprophyticus (ca. 5 - 10 %), sowie P. mirabilis und K. pneumoniae. Ein ähnliches Erregerspektrum findet man bei der Infektion der oberen Harnwege, S. saprophyticus kommt aber bei der Pyelonephritis praktisch nicht vor. Nicht alle Stämme von E. coli sind gleichermaßen in der Lage, eine Infektion zu verursachen. Uropathogene E. coli- Stämme zeichnen sich durch spezielle Pathogenitätsfaktoren aus ( z. B.: Typ-I-PFimbrien, Hämolysine etc.), die es den Bakterien ermöglichen, besonders gut am Uroepithel zu haften. Symptomatik, Diagnostik Dysurie, Schmerzen bei der Miktion, Pollakisurie, Pyurie und Bakteriurie und oft auch Hämaturie kennzeichnen die Symptomatik einer akuten Zystitis. Der Gebrauch von Spermiziden oder eines Diaphragmas zur Antikonzeption sind als Risikofaktoren bekannt, oft besteht ein zeitlicher Zusammenhang zum Geschlechtsverkehr oder zu einer Änderung des Hormonstatus, z. B. durch Schwangerschaft. Die akute Pyelonephritis ist gekennzeichnet durch ein- oder beidseitige Spontanund Klopfschmerzhaftigkeit der Nierenlager, Fieber mit oder ohne Schüttelfrost, Übelkeit, Erbrechen und allgemeines Krankheitsgefühl. Dysurische Beschwerden (Algurie, Pollakisurie, imperativer Harndrang) sind meistens vorhanden, aber nicht zwingend notwendig. Neben der körperlichen Untersuchung wird diagnostisch zunächst eine Urinuntersuchung mit Hilfe von Teststäbchen auf pHWert, Leukozyten, Erythrozyten und Nitrit durchgeführt. Eine klinisch relevante Bak- 6/2006 Inhalt Übersicht — Akute unkomplizierte Zystitis und Pyelonephritis Seite 51-53 Neueinführung — Tetravalenter Impfstoff gegen Virusinfektionen Seite 54 Wichtige Erreger in Klinik und Praxis (18) — Salmonella typhi Seite 53 Prophylaxe — Antibiotikaprophylaxe der Endokarditis — Fluorchinolone bei Anthrax-Exposition Seite 54 Seite 54 -56 Resistenz — Multiresistente Tuberkulose — Antibiotika in der Tierzucht gefährlich? — Informationen im Internet Seite 56 Seite 56 Seite 56 -57 Optimale Antibiotika-Therapie — Septischer Schock — Vancomycin bei MRSA-Infektionen Seite 57 Seite 57 Kongressbericht — ICAAC 2006 Seite 57-58 Mittel der Wahl — Tigecyclin bei multiresistenten Erregern — Daptomycin bei MRSA — Moxif loxacin zur Tbc-Therapie? Seite 58 Seite 58 Seite 58 -59 Pharmapolitik — FDA: Problematische Entscheidungen Seite 59 Infektionsepidemiologie — Sepsiserreger bei Tumorpatienten — HIV/AIDS in Deutschland Seite 59 Seite 59 Pharmakokinetik — Ertapenem bei Niereninsuffizienz Seite 59- 60 Nebenwirkungen — Delirium durch Clarithromycin teriurie besteht beim Nachweis von > 10 4 Erregern /ml. Fiebert der Patient, sollten eine oder mehrere Blutkulturen angelegt werden, denn Harnwegsinfektionen sind für etwa Seite 60 jede fünfte der ambulant erworbenen Bakteriämien verantwortlich. Beim Vorliegen von Obstruktionen der Harnwege handelt es sich um eine komplizierte Harnwegsinfektion, bei 51 Zeitschrift für Chemotherapie November/Dezember 2006 - 27. Jahrg. Behandlungsstrategie bei akuter Pyelonephritis Symptome einer Pyelonephritis (Fieber, Flankenschmerz, Pyurie, Leukozytose) NEIN Übelkeit, Erbrechen oder Sepsissyndrom Urinanalyse, Urinkultur Ultraschall Ambulante orale Behandlung für 7 bis 14 Tage mit: • Fluorchinolon • Aminopenicillin + ß-Laktamaseinhibitor • Cephalosporin (Gruppe 3) • Cotrimoxazol (nur wenn die Empfindlichkeit des Erregers nachgewiesen wurde) Besserung innerhalb von 72 Stunden • Orale Behandlung • Urinkultur nach 4 Tagen und 10 Tage nach Ende der Therapie • Urologische Untersuchung, falls indiziert der andere Behandlungsstrategien notwendig sind. Um eine Urolithiasis oder mögliche andere Obstruktionen zu erkennen, ist daher eine Ultraschalluntersuchung sinnvoll. Weitergehende Diagnostik ist angezeigt, wenn innerhalb von drei Tagen nach Beginn der antibiotischen Behandlung keine Besserung eintritt. Therapie Von der „European Association of Urology, EAU“ wurden 2006 aktualisierte Leitlinien zur Behandlung von Harnwegsinfektionen veröffentlicht. Das ausführliche Dokument „The Management of Urinary and Male Genital Tract Infections“ ist auf der Internetseite der EAU verfügbar. 1 Eine Verknüpfung zu diesen und anderen Therapieleitlinien findet sich bei den „Internet-Empfehlungen der Zeitschrift für Chemotherapie“ (www.zct-berlin.de). Es sollten nur solche antibakteriellen Wirkstoffe zur Therapie angewandt werden, die neben ausreichenden Gewebespiegeln auch in wirksamen Konzentrationen im Urin nachgewiesen werden können. Bei der akuten Zystitis ist eine Kurzzeittherapie, d. h. Einmaldosierung bzw. eine Therapie von bis zu drei Tagen, die Therapie der Wahl. Trimethoprim allein (diverse Handelsnamen) oder in Kombination mit Sulfonamiden [z. B. Cotrimoxazol (diverse Handelsnamen)] hat nach wie vor Bedeutung bei der Therapie der unkomplizierten Zystitis. Die klassischen Cephalosporine und Penicilline, wie zum Beispiel Cefalexin (diverse Handelsnamen) und Amoxicillin (diverse Handelsnamen) sind wegen zu hoher 52 JA Urinanalyse, Urinkultur, Blutkultur Ultraschall Stationäre parenterale Behandlung für 1 bis 3 Tage mit: • Fluorchinolon • Aminopenicillin + ß-Laktamaseinhibitor • Cephalosporin (Gruppe 3) • Aminoglykosid Gesamttherapiedauer: 14 bis 21 Tage keine Besserung oder Verschlechterung • Patient stationär behandeln • Ergebnisse der mikrobiologischen Diagnostik überprüfen • Urologische Untersuchung auf komplizierende Faktoren • Obstruktion oder Abszess beseitigen Resistenzquoten ungeeignet. Die in der Abbildung (oben) wiedergegebenen Empfehlungen zur Behandlungsstrategie für die unkomplizierte Pyelonephritis bei Frauen wurden den Leitlinien der EAU entnommen. Sie beziehen sich nur auf nicht-schwangere Frauen vor der Menopause. Obwohl Cotrimoxazol nach wie vor eine adäquate Therapieoption für die Mehrzahl der erkrankten Frauen darstellt, müssen heute angesichts der zunehmenden Resistenzentwicklung der häufigsten Erreger (E. coli) andere Antiinfektiva als Mittel der Wahl bevorzugt werden. Dies gilt generell für Regionen, in denen die Resistenz gegen Trimethoprim höher ist als 10 %. 2 Eine Möglichkeit zur Einmaltherapie der Zystitis besteht in der Gabe von Fosfomycin-Trometamol (MONURIL). Es wird als Einzeldosis von 3,0 g oral genommen und erwies sich in einer Vergleichsstudie als gleichwertig zu einer fünftägigen Behandlung mit Trimethoprim. Die Substanz wird in einigen europäischen Ländern bereits seit etwa 20 Jahren zur Einmalbehandlung der Zystitis angewandt. Es ist bemerkenswert, dass die Resistenzraten von E. coli gegenüber Fosfomycin dennoch unverändert niedrig geblieben sind. Im direkten Vergleich erwies sich bereits vor einigen Jahren eine Behandlung mit Ciprofloxacin (CIPROBAY u.a.) bei Frauen mit unkomplizierter Pyelonephritis als besser wirksam und besser verträglich als die Therapie mit Cotrimoxazol. 3 Dabei wurde das Chinolon in einer Dosierung von zweimal täglich 500 mg für eine Woche gegeben, die Therapie mit Cotrimoxazol erfolgte für zwei Wochen in einer Dosierung von zweimal täglich 960 mg. Die höhere Wirksamkeit von Ciprofloxacin in dieser umfangreichen Doppelblindstudie beruhte im Wesentlichen auf den häufigen Cotrimoxazol-resistenten E. coli-Stämmen (18 %). Als Alternative zu Ciprofloxacin kommt Levofloxacin (TAVANIC u.a.) in einer Dosierung von zweimal täglich 250 mg in Frage. Falls die Resistenzrate bei E. coli gegen Chinolone höher als 10 % ist, oder falls ein Chinolon kontraindiziert ist, etwa in der Schwangerschaft und Stillzeit, kann ein Aminopenicillin plus ß-Laktamaseinhibitor verordnet werden. Zur Verfügung stehen Amoxicillin plus Clavulansäure (AUGMENTAN u.a.) oder Sultamicillin, die Esterverbindung aus Ampicillin und Sulbactam (UNACID u.a.). Cephalosporine mit Stabilität gegen ß-Laktamasen aus gramnegativen Erregern, wie zum Beispiel Cefpodoxim-Proxetil (PODOMEXEF u.a.) oder Cefuroxim-Axetil (diverse Handelsnamen) sind eine weitere Alternative. Behandlung während der Schwangerschaft Während der Schwangerschaft besteht eine Prädisposition für Harnwegsinfektionen; bei einer notwendigen antibiotischen Behandlung existiert nach wie vor eine erhebliche Unsicherheit. Zwar ist allgemein akzeptiert, dass Aminoglykoside, Tetrazykline, Cotrimoxazol und Chinolone während der Schwangerschaft nicht verordnet werden sollen, die Risiko-Abschätzung ist für alle Zeitschrift für Chemotherapie November/Dezember 2006 - 27. Jahrg. Wichtige Erreger in Klinik und Praxis (18) Typhöse Salmonellen Morphologie und Kultur: Bei den Salmonellosen unterscheidet man typhöse und enteritische Erkrankungen. Verursacher der typhösen Salmonellosen (Typhus abdominalis, Paratyphus A, B und C) sind Salmonella enterica Serotyp typhi bzw. paratyphi A, B und C. Salmonellen zählen zur Familie der Enterobacteriaceae. Morphologisch handelt es sich um nicht Sporen-bildende, fakultativ anaerobe, peritrich begeißelte und somit bewegliche gramnegative Stäbchen. Sie lassen sich gut aus menschlichem Untersuchungsmaterial auf speziellen Nährböden anzüchten. Zur Differenzierung der Serovare sind verschiedene Lysotypiesysteme verfügbar. Darüber hinaus kommen molekularbiologische Methoden (z. B. Pulsfeld-Gelelektrophorese) zur Anwendung. Die Serovare verfügen über O-, K- und H-Antigene (Kauffmann-WhiteSchema). Hinzu kommt das Kapselantigen Vi (ursprünglich von Virulenz). Epidemiologie: S. typhi kommt nur beim Menschen vor. Bei Dauerausscheidern und subklinisch Infizierten finden sich die Erreger zumeist in der Gallenblase oder den Gallengängen. Nach Angaben des Robert Koch-Institutes konnte in Deutschland die Zahl der Erkrankungen seit den 1950er Jahren durch Verbesserung der hygienischen Bedingungen stark vermindert werden. Entsprechend der Meldepflicht nach IfSG wurden im Jahr 2004 an das RKI 82 Fälle von Typhus abdominalis übermittelt. Die bundesweite Inzidenz lag bei 0,1 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner. Etwa 86 % der Erkrankungen wurden aus Ländern wie Indien, Pakistan, Türkei oder Marokko importiert. Auch die Inzidenz von Paratyphus ging in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zurück. Pathogenese und Krankheitsbilder: Typhöse Salmonellen gelangen durch fäkal kontaminierte Nahrungsmittel oder Trinkwasser in den Gastrointestinaltrakt. Ihre Ausscheidung erfolgt fäkal oder über den Urin. Die minimale Infektionsdosis ist kleiner als bei enteritischen Salmonellen. Typhus abdominalis und Paratyphus A, B und C sind septikämische Erkrankungen. Nach Durchdringen der Darmwand erfolgt die Streuung lymphogen und hämatogen mit sekundärer Ansiedelung in Milz, Leber, Knochenmark, Gallenwege, Haut und PeyerPlaques. Die Erkrankung läuft in bestimmten Stadien ab. Beim Typhus abdominalis verläuft die Inkubationszeit (Stadium I) ohne besondere Anzeichen. Im Stadium II treten erstmals Krankheitserscheinungen auf. Der Patient leidet an uncharakteristischen Beschwerden wie Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, evtl. auch subfebrilen Temperaturen. Bei unbehandelten Fällen kommt es innerhalb von 2–3 Tagen zu einem staffelförmig ansteigenden hohen Fieber, mit TemperatuSubstanzen aber kaum fundiert, da eindeutige Daten fehlen. Dies wird dadurch deutlich, dass in den meisten Fällen, bei einer kurzfristigen Anwendung dieser Substanzen in der Frühschwangerschaft, etwa in Unkenntnis der Schwangerschaft, ein Abbruch nicht als notwendig angesehen wird. Zur Therapie von Schwangeren werden überwiegend ß-Laktamantibiotika empfohlen. Die Möglichkeiten der Kurzzeittherapie sind bei Schwangeren nicht so umfassend untersucht, wie bei nichtschwangeren Frauen. Die Einmalbehandlung mit Fosfomycin-Trometamol wird von einigen Autoren empfohlen. Tierexperimentelle Untersuchungen ergaben keine Hinweise auf eine pränatale Toxizität der Substanz, jedoch liegen bei Schwangeren nur wenig klinische ren zwischen 39°C und 41°C, beginnender Bewusstseinstrübung (typhos, griech. Nebel) und uncharakteristischen Abdominalbeschwerden (Milzschwellung). Die hohen Temperaturen können bis zu drei Wochen andauern. Es kommt zunächst zur Obstipation, dann häufig zu breiigen Durchfällen und hellroten Hauteffloreszenzen (Roseolen), zumeist an der Bauchhaut. Auffällig ist eine relative Bradykardie. Es kann zu Komplikationen wie Darmblutungen und -perforationen mit Peritonitis, nekrotisierender Cholezystitis, Thrombosen, Embolien, Osteomyelitis, Endokarditis oder Meningitis kommen. Bei Patienten ohne Behandlung nimmt das Fieber ab der vierten Woche ab, wobei die Gefahr von Darmblutungen oder einer Perforationsperitonitis weiter besteht. Trotz erfolgreicher Antibiose kommt es nicht selten zu Rezidiven. Der klinische Verlauf bei Paratyphus ist ähnlich wie bei Typhus. Die Symptomatik verläuft jedoch weniger schwer. S. typhi und paratyphi A, B und C können im Inneren von Makrophagen überleben. Bis zu 5 % der Infizierten scheiden nach überstandener Erkrankung dauerhaft Erreger aus. Diagnostik: Dem Verlauf der Erkrankung entsprechend erfolgt der kulturelle Nachweis des Erregers in der ersten Krankheitswoche aus dem Blut. Ab der 2. Woche sind die Erreger auch im Stuhl und Urin nachweisbar. Die Identifizierung erfolgt anhand des Musters der biochemischen Stoffwechseleigenschaften (“Bunte Reihe“). Die Serovarietät wird mittels Nachweis der Antigenstruktur (Gruber-Widal-Reaktion) der O- und H-Antigene im Patientenserum bestimmt. Ein mindestens vierfacher Titeranstieg während der Erkrankung oder ein Titer von mehr als 160 werden als Hinweis auf eine bestehende Infektion angesehen. Therapie: Als Mittel der Wahl gelten Ciprofloxacin (CIPROBAY u.a., 1 g pro Tag oral über 2 Wochen) oder Ceftriaxon (ROCEPHIN u.a., 2 g pro Tag über 1-2 Wochen). Auch andere Fluorchinolone wie Levofloxacin (TAVANIC u.a.) sind wirksam. Als geeignet gelten auch Trimethoprim-Sulfamethoxazol (COTRIMHEXAL u.a.) und Amoxicillin (AMOXYPEN u.a.). Für Kinder kommt zudem Azithromycin (ZITHROMAX u.a.) in Frage. Da zunehmend mehrfach resistente S. typhi-Stämme isoliert werden, ist die Anfertigung eines Antibiogramms zu empfehlen. Eine adäquate antibakterielle Therapie ist vor allem im frühen Stadium der Erkrankung erfolgreich. Die Letalität liegt dann im Allgemeinen unter 1 %. Meldepflicht: Gemäß § 6 IfSG sind Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod an Typhus abdominalis und Paratyphus meldepflichtig. Nach § 7 besteht eine Meldepflicht für alle direkten Nachweise von Salmonella typhi und Salmonella paratyphi. Erfahrungen vor. Daher wird empfohlen, dass das Präparat während Schwangerschaft und Stillzeit nur „bei dringender Notwendigkeit“ eingenommen werden sollte. FOLGERUNG DER AUTOREN: Die seit einigen Jahren zunehmende Resistenz von E. coli gegen Cotrimoxazol (diverse Handelsnamen) und auch gegen Chinolone [z. B. Ciprofloxacin (CIPROBAY u.a.) oder Levofloxacin (TAVANIC u.a.)] ist Besorgnis erregend. Zur empirischen Therapie einer akuten unkomplizierten Zystitis oder Pyelonephritis werden diese Substanzen jedoch weiterhin empfohlen. Aufgrund der hohen Resistenzquoten muss vermehrt mit Therapieversagen gerechnet werden. Als mögliche Alternativen kommen Oralcephalosporine, wie Cefpodoxim (PODOMEXEF u.a.) bzw. Cefuroxim-Axetil (diverse Handelsnamen) in Frage. Bei der Zystitis stellt auch die Einmaltherapie mit Fosfomycin-Trometamol (MONURIL) eine mögliche Alternative dar. 1. NABER, K. et al. Guidelines on the Management of Urinary and Male Genital Tract Infections, EAU, März 2006. (http://www.Uroweb.org; publications; guidelines; online guidelines) 2. PERTEL, P.E., HAVERSTOCK, D. BJU Int 2006; 98: 141 - 147 3. TALAN, D.A. et al. JAMA 2000; 283: 1583 - 1590 53 Zeitschrift für Chemotherapie Neueinführung Tetravalenter Impfstoff gegen Virusinfektionen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen sind hoch ansteckende jedoch impfpräventable Infektionskrankheiten, die weltweit nicht nur große Krankheitskosten, sondern auch viele Todesfälle verursachen. Seit August 2006 steht in Deutschland der Kombinationsimpfstoff PRIORIX TETRA zur Verfügung. 1 Damit wird die simultane Impfung gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen möglich und die aktuellen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO), Kinder im Alter von 11-14 Monaten gegen die vier Erkrankungen zu impfen, lässt sich einfacher umsetzen. Die Impfung ist für Kinder ab einem Alter von neun Monaten zugelassen. Sechs Wochen später (Mindestabstand vier Wochen) soll die zweite Dosis folgen, um den Impfschutz zu vervollständigen. Der neue Impfstoff wurde in klinischen Studien mit mehr als 8800 Probanden untersucht. Unter anderem wurde die Gleichwertigkeit des neuen MMRV-Impfstoffes mit dem bewährten Dreifachimpfstoff PRIORIX (gegen MMR) plus einer Impfung mit VARILRIX (gegen Varizellen) an 970 gesunden Kindern im Alter von 11 bis 22 Monaten gezeigt. Die Ergebnisse konnten belegen, dass die Kombination der vier Komponenten im neuen Impfstoff hinsichtlich der Wirksamkeit und Verträglichkeit den beiden Einzelimpfstoffen gegenüber mindestens gleichwertig war. Nach zwei Dosen des neuen Impfstoffes wurden gegen alle vier Impfstoffkomponenten Serokonversionsraten > 98 % erreicht. 2 Es ist mehrfach gezeigt worden, dass Kombinationsimpfstoffe, die die Zahl der Injektionen verringern, sowohl die Durchimpfungsraten als auch das Einhalten der Zeitfenster entsprechend den Empfehlungen signifikant verbessern. Die STIKO-Empfehlung für eine generelle Varizellen-Impfung besteht seit zwei Jahren. Anders als bisher mit den Monoimpfstoffen wird in diesem Fall die Varizellen-Impfung auf zwei Dosen ausgeweitet. Dies unterstützt Bemühungen, Durchbruchserkrankungen von Varizellen - d.h. Erkrankungen trotz Impfung - die gelegentlich beobachtet werden, weiter einzudämmen. In den USA wird seit Juli 2006 bei der Varizellen-Impfung generell eine zweite Dosis empfohlen. 3 ZUSAMMENFASSUNG: Mit PRIORIX TETRA steht ein neuer, tetravalenter Impfstoff zur simultanen Impfung gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen zur Verfügung. Damit lässt sich eine Vereinfachung des Impfprogramms erzielen, die zu einer höheren Durchimpfungsrate führen könnte. 1. FACHINFO PRIORIX TETR A, GSK, Juli 2006 54 November/Dezember 2006 - 27. Jahrg. 2. SCHUSTER, V. et al., Intl Congr Inf Dis 2006, Lissabon, Portugal 3. Mitteilung der CDC http://www.cdc.gov/od/oc/media/pressrel/ r060629-b.htm Prophylaxe Antibiotikaprophylaxe der bakteriellen Endokarditis Patienten mit erhöhtem Risiko für eine bakterielle Endokarditis erhalten im Zusammenhang mit zahnärztlichen Eingriffen eine Antibiotikaprophylaxe. Amoxicillin (CLAMOXYL u.a.) ist in diesen Fällen das Mittel der Wahl, als Alternative wird bei Patienten mit Penicillinallergie Clindamycin (SOBELIN u.a.) empfohlen. Angesichts der zunehmenden Resistenzhäufigkeit bei Streptokokken und der insgesamt nicht überzeugenden Datenlage, wurde in Spanien eine Doppelblindstudie zu dieser Thematik durchgeführt. Moxifloxacin (AVALOX u.a.) wurde als drittes Medikament eingesetzt, um die Datenlage für dieses Chinolon zu verbessern. Mehr als 200 Patienten wurden in die Studie eingeschlossen. Insgesamt vier Gruppen wurden wie folgt ein bis zwei Stunden vor der Zahnextraktion behandelt: entweder (1.) 2 g Amoxicillin oder (2.) 600 mg Clindamycin oder (3.) 400 mg Moxifloxacin oder (4.) sie erhielten keine Prophylaxe. Blutproben zur mikrobiologischen Diagnostik wurden 30 Sekunden, 15 Minuten und eine Stunde nach der Operation entnommen. Streptococcus spp. wurden in allen Gruppen am häufigsten nachgewiesen (44 bis 68%). Zu allen Zeitpunkten war die Prävalenz der Bakteriämie in der Amoxicillin-Gruppe am niedrigsten, nach 15 Minuten wurden nur bei 11% der Patienten Bakterien nachgewiesen, gegenüber 64% der unbehandelten Patienten. Clindamycin erwies sich in dieser Untersuchung als nicht wirksam, Moxifloxacin hatte dagegen einen deutlichen Effekt (s. Abbildung). FOLGERUNG DER AUTOREN: In dieser Doppelblindstudie erwies sich Amoxicillin (CLAMOXYL u. a.) als wirksam zur Unterdrückung einer Bakteriämie nach Zahnextraktionen. Moxifloxacin (AVALOX u. a.) könnte bei Patienten mit Endokarditisrisiko als Alternative bei Patienten mit Penicillinallergie in Frage kommen, Clindamycin (SOBELIN u. a.) war dagegen unwirksam. DIZ DIOS, P. et al. Antimicrob Agents Chemother 2006; 50: 2996 - 3002 Fluorchinolone zur Postexpositionsprophylaxe bei Anthrax-Kontakt Die inhalative Exposition des Menschen gegenüber Sporen von Bacillus anthracis hat vor allem im Zusammenhang mit terroristischen Anschlägen Bedeutung. Die Wirksamkeit möglicher Therapeutika kann wegen des tödlichen Verlaufs der Erkrankung nicht beim Menschen untersucht werden, ersatzweise werden Experimente mit Affen durchgeführt. Die Wirksamkeit von Ciprofloxacin (CIPROBAY u.a.) wurde bereits vor Jahren in einem entsprechenden Versuch gezeigt. Da Levofloxacin (TAVANIC) in vitro eine ähnlich gute Aktivität gegen den Erreger besitzt (MHK: 0,12 mg / l) wie Ciprofloxacin, wurde die Wirksamkeit in vivo an Rhesusaffen getestet. Dabei musste berücksichtigt werden, dass die Tiere den Wirkstoff deutlich rascher eliminieren als der Mensch. Die Halbwertzeit beträgt beim Rhesusaffen nur etwa zwei Stunden. Um den pharmakokinetischen Verlauf des Chinolons beim Menschen bei einer einmal täglichen oralen Gabe von 500 mg zu simulieren, wurden die Tiere an jedem Tag zunächst mit 15 mg / kg und 12 Stunden später mit 4 mg / kg Levofloxacin behandelt. Zum Vergleich wurde Ciprofloxacin in einer Dosierung von 16 mg / kg verabreicht. Mit Levofloxacin wurden Spitzenkonzentrationen von etwa 5 mg / l und AUC-Werte von ca. 34 mg / l x h erzielt. Dies entspricht weitgehend % der Patienten mit Bakteriämie 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Kontrolle Clindamycin Moxifloxacin Amoxicillin Effekt einer Antibiotikaprophylaxe auf die Prävalenz der Bakteriämie 15 Minuten nach einer Zahnextraktion Diz Dios et al., AAC, 2006 Zeitschrift für Chemotherapie September/Oktober 2006 - 27. Jahrg. 45 Zeitschrift für Chemotherapie den beim Menschen gemessenen Werten. Die Infektion mit dem Vielfachen einer potenziell tödlichen Dosis an Milzbrandsporen überlebten alle 10 Affen während der 30-tägigen Therapie mit den Chinolonen, während sie sich für neun von 10 unbehandelten Kontrolltieren als tödlich erwies. In den beiden Gruppen mit Chinolontherapie kam es erst nach Absetzen des Medikamentes zu einem bzw. zwei tödlichen Verläufen. FOLGERUNG DER AUTOREN: Die Chinolone Ciprofloxacin (CIPROBAY u.a.) und Levofloxacin (TAVANIC) eignen sich offenbar zur Postexpositionsprophylaxe nach terroristischen Attacken mit Milzbrandsporen. In Experimenten mit RhesusAffen war der protektive Effekt mit beiden Substanzen gleich hoch. K AO, L.M. et al. Antimicrob Agents Chemother 2006; 50: 3535 - 3542 Resistenz Inzidenz der multiresistenten Tuberkulose weltweit Isoniazid (ISOZID u.a.) und Rifampicin (RIFA u.a.) sind unverändert die primären Antiinfektiva zur Behandlung der Tuberkulose. Wenn die Erreger gegen beide Wirkstoffe in vitro Resistenz aufweisen, unabhängig davon, ob Resistenz gegen weitere Antituberkulotika besteht, liegt eine Tuberkulose mit Mehrfachresistenz vor (multi-drug resistant tuberculosis, MDR-TB). Angesichts der begrenzten Auswahl von möglichen Therapeutika stellen diese Fälle den behandelnden Arzt vor besondere Probleme. Dies gilt insbesondere für Länder mit niedrigem Einkommen. Umfangreiche Leitlinien zur Behandlung der multiresistenten Tuberkulose wurden von der WHO im Jahr 2006 publiziert und sind als umfangreiches PDF-Dokument im Internet verfügbar (siehe auch www.zct-berlin.de → Internetempfehlungen → Leitlinien.) 1 Als Voraussetzung für gezielte, globale Behandlungsstrategien ist eine möglichst genaue Kenntnis der Häufigkeit dieser Erkrankungen notwendig. Trotz der von der WHO bereits 1994 initiierten Ermittlung entsprechender Zahlen, liegen solche Informationen nur aus 90 Ländern vor; Resistenzdaten aus den meisten Ländern der Welt sind nicht verfügbar. Von der WHO wurden nun neue Zahlen zur Inzidenz der mehrfachresistenten Tuberkulose veröffentlicht, die auf einer Auswertung der vorhandenen Daten beruhen und auf einer fundierten Schätzung der übrigen Länder. Insgesamt wurden 184 Länder erfasst, die 99,9 % der Weltbevölkerung repräsentieren. Dabei wurde eine Zahl von 424.205 Erkrankten ermittelt, dies entspricht 4,3 % aller Tuberkulose-Patienten. In den drei bevölkerungsreichen Ländern China, Indien und Russland sind 62 % der weltweiten Fälle lokalisiert. Erwar- 56 November/Dezember 2006 - 27. Jahrg. tungsgemäß waren die Mehrfachresistenzen in Osteuropa mit 15,4 % und in der Westpazifik-Region mit 7 % der gesamten Tuberkulosefälle am höchsten. Die Inzidenz lag dagegen in einigen zentraleuropäischen Ländern, wie Ungarn oder der Türkei, mit 2,8 % niedriger als in früheren Schätzungen. 2 FOLGERUNG DER AUTOREN: Die WHO legt neue, fundierte Schätzungen zur weltweiten Inzidenz der mehrfachresistenten Tuberkulose vor. Demnach sind mehr als 400.000 Patienten an dieser schwierig zu behandelnden Infektion erkrankt. Dies entspricht 4,3 % der Tuberkulosefälle. Die Quote ist in Osteuropa mit 15,4 % weltweit am höchsten. Es besteht ein dringender Bedarf an koordinierten Aktionen, um die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten bei dieser Erkrankung insbesondere in Ländern mit niedrigem Einkommen zu verbessern. 1. WHO, Geneva, 2006; Guidelines for the programmatic management of drug-resistant tuberculosis (WHO/HTM/TB/2006.361, PDF-Datei, 186 Seiten) 2. ZIGNOL, M. et al. J Inf Dis 2006; 194: 479 - 485 Antibiotika in der Tierzucht: Auswirkungen auf den Menschen Der Einsatz von Antibiotika in der Tierzucht kann zu Infektionen beim Menschen mit Antibiotika-resistenten Keimen beitragen. In den Vereinigten Staaten hat die bessere Kontrolle von Fleisch und Geflügel im Schlachtprozess sowie auch eine verbesserte Erziehung der Verbraucher bezüglich der Nahrungssicherheit zu einer Verminderung der jährlichen Campylobacter-Infektionen geführt. Allerdings wurden im Jahre 1999 immer noch 1,6 Millionen Menschen mit einer symptomatischen Nahrungs-bedingten Campylobacter-Infektion beobachtet. Ungefähr 2 % dieser Infektionen verliefen mit Makrolid-resistenten Erregern, was immerhin 32.000 erkrankte Personen betraf. 90 % der Campylobacter-Infektionen treten nach dem Genuss von Geflügel auf, woraus eine Zahl von 13.000 erkrankten Personen berechnet werden kann, die eine Makrolid-resistente Campylobacter-Infektion als Auswirkung des Einsatzes von Makroliden in der Geflügelzucht haben. Seriöse Schätzungen deuten darauf hin, dass etwa 634 Millionen Hühner mit Makroliden (Tylosin und Tilmicosen) jährlich gefüttert werden. Mathematisch kann von 1300 Personen mit einer Infektion durch Makrolid-resistente Campylobacter-Stämme ausgegangen werden, was letztlich zu einer Berechnung von zwei Personen mit problematischem Infektionsverlauf pro 1 Million Hühnern führt, die mit Makroliden gefüttert werden. Der vorwiegende Makrolideinsatz bei Geflügel ist eine Routinebeimengung zur Nahrung, um eine Wachstumsförderung oder eine Infektionsprävention zu erreichen. Größere Studien in der letzten Zeit haben allerdings darauf hingewiesen, dass derartige Antibiotikazusätze praktisch keinen Nutzen ergeben. In den letzten beiden Jahren hat sich dementsprechend ein Wandel in der Ernährungspolitik ergeben, so dass inzwischen 38 % der Geflügelzucht in den Vereinigten Staaten ohne den routinemäßigen Einsatz von Antibiotika auskommt. FOLGERUNG DER AUTOREN: Die Zahl der Personen mit intestinalen Infektionen durch Makrolid-resistente Erreger ist zwar insgesamt gesehen gering; bei einem Stopp des Antibiotika-Zusatzes in der Geflügelzucht könnten allerdings problematische Infektionsverläufe drastisch gesenkt werden. COLLIGNON, P. Microbe 2006; 1: 303 - 304 Informationen zur Resistenz von Erregern im Internet Die Resistenzentwicklung von viralen, bakteriellen, parasitären und sonstigen Infektionserregern ist ein globales Problem. Die zunehmende Resistenzhäufigkeit bedingt eine Zunahme der betreffenden Erkrankungen und der Mortalität und hat erhebliche ökonomische Auswirkungen, zum Beispiel durch Verlängerung der Krankenhausaufenthalte. Um auf diese Entwicklung adäquat zu reagieren, ist eine möglichst detaillierte Kenntnis der Resistenzlage erforderlich. Dies gilt für den örtlich begrenzten Bereich ebenso wie im globalen Maßstab. Angesichts steigender Zahlen im internationalen Tourismus kann es auch für den praktisch tätigen Arzt gelegentlich sinnvoll sein, Zugang zu Resistenzdaten in anderen Ländern zu haben. Zahlreiche Programme wurden in den vergangenen Jahren initiiert, die sich zur Aufgabe gestellt haben, Resistenzdaten zu erheben, zu interpretieren und zu veröffentlichen. Die Überwachungsprojekte werden mit Abkürzungen wie MYSTIC, PROTEKT oder SENTRY bezeichnet, ihre Veröffentlichung erfolgt zunehmend auch im Internet. Um den Zugriff zu diesen und anderen Internetquellen zu erleichtern, wurde unlängst eine Zusammenstellung von insgesamt 23 Internetseiten veröffentlicht. Auch die Publikation selbst ist im Internet verfügbar und gestattet durch die direkten Verknüpfungen einen raschen Zugang zu den entsprechenden Internetadressen. Ergänzt wird diese Liste durch eine Zusammenstellung von 11 wesentlichen weiteren Internetadressen, die im Zusammenhang mit der Resistenzproblematik den Internetnutzer wiederum an sorgfältig ausgewählte Internetadressen der CDC, WHO oder anderer Organisationen verweisen. FOLGERUNG DER AUTOREN: Eine Zusammenstellung von Internetadressen zur Resistenzsituation wurde veröffent- Zeitschrift für Chemotherapie licht. Sie ist kostenlos zugänglich und gestattet den direkten Zugang zu den Quellen durch die direkten Verknüpfungen. FALAGAS, M.E., K ARVELI, E.A. Clin Inf Dis 2006; 43: 630 - 633 (http://www.journals.uchicago.edu/CID/ journal) Hinweis: Zugang zu dieser Publikation erhalten Sie auch über die Internetseite der ZCT unter www.zct-berlin.de → Internetempfehlungen → Infektiologie und Mikrobiologie → Resistenzdaten im Internet. Optimale Antibiotika-Therapie November/Dezember 2006 - 27. Jahrg. bis zum Beginn einer wirksamen antibiotischen Therapie betrug sechs Stunden. In einer Multivarianzanalyse unter Einschluss zusätzlicher Faktoren wie Volumenersatz, Therapie mit Katecholaminen sowie APACHE II-Score erwies sich der Beginn der antibiotischen Therapie als bedeutsamster prädiktiver Parameter bezüglich eines letalen Verlaufes. FOLGERUNG DER AUTOREN: Eine sofortige wirksame antimikrobielle Therapie möglichst innerhalb der ersten Stunde nach Beginn der Schocksymptomatik bei Patienten mit schwerer Sepsis ist eine wichtige Maßnahme, um die Prognose dieses schweren Krankheitsbildes zu verbessern. Jede Verzögerung der Antibiotikabehandlung führt zu einer signifikanten Verschlechterung der Prognose. KUMAR, A. et al. Crit Care Med 2006; 34: 1589 - 1596 hohen Talspiegeln auf und war vermehrt korreliert zu einer gleichzeitigen Verabreichung von anderen nephrotoxischen Pharmaka. FOLGERUNG DER AUTOREN: Zumindest in Kalifornien ist eine deutliche Zunahme von MRSA-Stämmen mit erhöhten Vancomycin- (VANCOMYCIN u.a.) MHK-Werten zu beobachten. Eine aggressive empirische Vancomycin-Dosierung mit Talspiegeln >15 mg/l wird deshalb empfohlen. Darüber hinaus sollte auch geprüft werden, wie weit bei derartigen invasiven Infektionen durch MRSA eine Kombinationstherapie zu verbesserten Therapieergebnissen beitragen könnte. MIDAYAT, L.K. et al. Arch Intern Med 2006; 166: 2138 - 2144 Kongressbericht Septischer Schock – sofortige Antibiotika-Therapie verbessert Prognose Vancomycin bei MRSA-Infektionen: Höhere Dosis notwendig? 46. ICAAC, San Francisco, 27. bis 30. 09. 2006 Der Beginn der antibiotischen Therapie bei kritisch kranken Patienten im septischen Schock wird häufig durch diagnostische Maßnahmen, initiale Stabilisierung und Wiederbelebungsaktivitäten erheblich verzögert. In einer retrospektiven Kohortenstudie zwischen Juli 1989 und Juni 2004 wurden 2731 Akten von erwachsenen Patienten aus 14 nordamerikanischen und kanadischen Intensivstationen bezüglich des Einflusses einer zeitlichen Verzögerung der Antibiotika-Therapie analysiert. Das mittlere Lebensalter dieser Patienten betrug 63 Jahre und 54, 3 % waren Männer. Der mittlere APACHE II-Schweregrad lag bei 26 ± 8,6. Eine niedrig dosierte Kortikosteroid-Therapie wurde bei 657 Patienten eingesetzt. 58,1 % der Infektionen waren ambulant erworben, die häufigsten Ausgangsorgane für die schwere Sepsis waren bei 37,2 % der Patienten die Lunge, bei 29,3 % der Abdominalbereich, bei 10,7 % der Urogenitaltrakt und bei 7,2 % Haut- und Weichgewebe. Gramnegative Erreger waren mit 47,9 % führend, gefolgt von grampositiven Erregern mit 38,3 % sowie Pilzen mit 8,2 %. Die Gesamtletalität betrug 56,2 %. 2254 Patienten erhielten eine antibiotische Therapie erst nach Beginn der Hypotension und wurden bezüglich der Assoziation des zeitlichen Therapiebeginns mit einem tödlichen Verlauf getrennt analysiert. Die Überlebensrate betrug 82,7 % bei den Patienten, die innerhalb von 30 Minuten nach Beginn der hypotensiven Phase antibiotisch behandelt wurden, sie reduzierte sich auf 77,2 % wenn die Therapie erst in den zweiten 30 Minuten initiiert wurde. Begann die Therapie erst nach sechs Stunden, betrug die Überlebensrate nur noch 42 %. Es konnte berechnet werden, dass jede Stunde einer verspäteten Antibiotikagabe mit einem Abfall der Überlebensrate von im Mittel 7,6 % verbunden war. Die mediane Zeit in dieser Studie Vancomycin (VANCOMYCIN u.a.) ist bei manchen Infektionen durch Methicillinresistente Staphylococcus aureus-Stämme (MRSA) in der üblichen Standarddosis von zweimal 1 g i.v. täglich trotz In-vitro-Sensibilität nicht optimal wirksam. In den letzten Jahren ist daher in einigen Richtlinien empfohlen worden, die Vancomycin-Dosierung zu erhöhen, um einen Talspiegel zwischen 15 bis 20 mg / l zu gewährleisten. In einer prospektiven Kohorten-Studie in drei großen Krankenhäusern in Kalifornien wurde analysiert, ob günstigere Therapieergebnisse mit einer Talkonzentration von Vancomycin mindestens vierfach oberhalb des jeweiligen MHK-Wertes zu erreichen sind. Die Studie wurde zwischen August 2004 und Juni 2005 durchgeführt. Die primären Endpunkte waren der klinische Erfolg, Letalität und Nephrotoxizität. Analysiert wurden die Ergebnisse in Relation zu den MHK-Werten von Vancomycin < 2 mg / l bzw. ≥ 2 mg / l; bezüglich der Nephrotoxizität wurden Talspiegel über bzw. unter 15 mg / l bewertet. 95 Patienten wurden in die Studie eingeschlossen, von diesen hatten 51 (5 4%) eine Infektion mit einem Keim mit hohem MHK-Wert und 77 % der Patienten hatten eine Pneumonie bzw. eine Sepsis. Ein klinischer Erfolg wurde bei 74 % der Patienten registriert, bei denen der angestrebte Talspiegel erreicht wurde unabhängig von den MHK-Werten. Allerdings lag der klinische Erfolg nur bei 62 % bei den Patienten mit einem Erreger, der eine höhere Hemmkonzentration aufwies (62 % versus 85 %). Gleichfalls gab es auch hier eine höhere infektionsbedingte Letalität (24 % versus 10 %). Neben einem hohen MHK-Wert war allerdings auch ein hoher Schweregrad-Score ein Risikofaktor für ein ungünstiges Therapieergebnis. Eine nephrotoxische Reaktion trat nur bei den Patienten mit Die 46. Interscience Conference on Antimicrobial Agents and Chemotherapy (ICAAC) in San Francisco wurde von über 17.000 Teilnehmern besucht und hat ihre alte Bedeutung nach den Problemen des Jahres 2005, verursacht durch den Wirbelsturm „Katrina“, wieder erlangt. Infektiologen aus Kanada untersuchten die Aktivität von Tigecyclin (TYGACIL) gegen multiresistente, ESBL-produzierende E. coli in einem pharmakodynamischen In-vitroModell. Drei unterschiedlich und genetisch exakt definierte ESBL-produzierende E. coliStämme mit Resistenz gegenüber Ciprofloxacin (CIPROBAY u.a.) sowie Cotrimoxazol (COTRIM u.a.) wurden analysiert. In dem pharmakodynamischen Modell wurden die pharmakokinetischen Parameter nach der beim Menschen üblichen Dosierung von Tigecyclin simuliert. Es ergab sich eine gute, vorwiegend bakteriostatische Wirksamkeit des Tigecyclins gegen die drei ESBL-produzierenden hochresistenten E. coli. In Hartford, Connecticut wurde bei 24 Patienten mit einer akuten Exazerbation ihrer chronischen Bronchitis die bronchopulmonale Pharmakokinetik von Levofloxacin (TAVANIC) nach einer einmal täglichen 750 mg Dosis untersucht. Bei 18 dieser Patienten konnten mittels Bronchoskopie die Levofloxacinkonzentrationen in den unterschiedlichen pulmonalen Kompartimenten bestimmt und mit der Plasmakonzentration verglichen werden. Es ergaben sich mittlere Plasmakonzentrationen von 8,0 ± 2,5 mg / l nach vier Stunden, 5,8 ± 1,2 mg / l nach 12 Stunden und 2,2 ± 1,2 mg / l nach 24 Stunden; die entsprechenden ELFKonzentrationen lagen nach vier Stunden bei 7,5 ± 3,0 mg / l, nach 12 Stunden bei 8,3 ± 6,0 mg/l und nach 24 Stunden bei 1,2 ± 0,9 mg / l. 57 Zeitschrift für Chemotherapie In den Alveolarmakrophagen wurde eine deutliche Anreicherung mit Konzentrationen von 38,5 mg / l nach vier Stunden beobachtet. Die mittleren AUC-Werte in Plasma und ELF wurden mit 123 bzw. 139 mg / l x h berechnet. Ein klinischer Erfolg wurde bei 17 der 19 auswertbaren Patienten nach fünftägiger Behandlung registriert. Eine wichtige Interaktion wurde von Forschern aus New York berichtet, die über eine deutliche Hemmung der Bioverfügbarkeit von Nelfinavir (VIRACEPT) durch Omeprazol (OMEPRAZOL HEXAL u.a.) berichteten. Bei 20 gesunden Versuchspersonen wurde Nelfinavir zweimal 625 mg täglich alleine über vier Tage und nach einer einwöchigen Pause nochmals über vier Tage und dann zusammen mit Omeprazol 40 mg täglich verabreicht. Es ergaben sich deutliche Verminderungen der Maximalkonzentrationen von Nelfinavir in der Kombination (im Mittel fast 40 %) mit Omeprazol; auch der aktive Metabolit von Nelfinavir (M8) wies eine beträchtliche Verminderung der Bioverfügbarkeit auf. Deutsche Hämatologen untersuchten die Pharmakokinetik von oralem Posaconazol (NOXAFIL) bei neutropenischen Patienten mit akuter myeloischer Leukose. In einer randomisierten multizentrischen Studie wurde Posaconazol 200 mg dreimal täglich verglichen mit einer Standardprophylaxe aus Fluconazol (DIFLUCAN u.a.) 400 mg täglich oder Itraconazol (SEMPERA) 200 mg zweimal täglich bei insgesamt 215 Patienten. Die Serumkonzentrationsbestimmungen ergaben zwar nicht unerhebliche Schwankungen der Konzentrationen, jedoch konnte kein Zusammenhang zwischen z.B. niedrigen Serumkonzentrationen von Posaconazol und einer invasiven Pilzinfektion nachgewiesen werden. Faktoren, die mit einer verminderten Posaconazolkonzentration verbunden waren, betrafen zum Beispiel Durchfälle, erhöhte Gamma-GT-Konzentrationen und die gleichzeitige Gabe eines Protonenpumpenhemmers. Die Autoren folgern aus ihren Untersuchungen, dass die empfohlenen Posaconazol-Dosierungen mit dreimal 200 mg täglich auch bei neutropenischen Patienten mit akuter myeloischer Leukose effektiv sind, bei denen sie invasive Pilzinfektionen verhinderten. Erfreulich war die große Anzahl von Vorträgen und Postern zu neuen Antibiotika. Sowohl neue orale und parenterale Carbapeneme sowie Cephalosporine wurden präsentiert, aber auch neue Fluorchinolone sowie ganz neue antibakteriell aktive Moleküle wie die so genannten Fab-Inhibitoren, Substanzen mit Hemmung der bakteriellen Fettsäurebiosynthese. Auch auf dem Gebiet der Oxazolidinon-Derivate wird die Forschung fortgesetzt und mehrere neuere Substanzen in der frühen Phase der Entwicklung wurden demonstriert. Eigenrecherche 58 November/Dezember 2006 - 27. Jahrg. Mittel der Wahl Aktivität von Tigecyclin gegen multiresistente Erreger In griechischen Krankenhäusern werden vermehrt multiresistente Erreger insbesondere im intensivmedizinischen Bereich isoliert. Zwischen September 2003 und November 2005 wurden in 17 Schwerpunktkrankenhäusern im Einzugsbereich von Athen bakterielle Erreger untersucht, die mindestens zwei oder mehr Resistenzen gegenüber den üblichen Antibiotika aufwiesen. Insgesamt wurden knapp 400 klinische Isolate analysiert. Unter 100 Klebsiella pneumoniae-Stämmen wiesen 27 eine ESBL-Produktion auf, 26 bildeten Metallo-Beta-Laktamasen und ESBL, 54 Stämme wiesen nur eine Metallo-Beta-Laktamase-Bildung auf. Sämtliche Stämme waren zwischen 93 % und 100 % sensibel gegenüber Tigecyclin (TYGACIL) mit MHK90 -Werten von 2 mg/ l. Auch 15 Colistin-resistente Klebsiella pneumoniae-Stämme waren mit einem MHK90 Wert von 0,5 mg / l durchweg sensibel. Unter den 43 E. coli-Isolaten waren 33 ESBL-Produzenten, sechs wurden als Bildner von Metallo-Beta-Laktamasen identifiziert, sämtliche Stämme waren Tigecyclin-sensibel mit einem MHK90 -Wert von 0,5 mg / l. Gleichfalls zu 99 % sensibel waren 100 Acinetobacter baumannii-Stämme, darunter drei Colistin-resistente Erreger. 91 MRSA-Isolate waren zu 98,9 % Tigecyclin-sensibel, der MHK90 -Wert betrug 0,25 mg / l. 60 Vancomycin-resistente Enterococcus faecium-Isolate, darunter fünf Linezolid- (ZYVOXID) resistente Stämme wiesen eine hohe Empfindlichkeit mit einem MHK90 -Wert von 0,06 mg / l auf. FOLGERUNG DER AUTOREN: Tigecyclin (TYGACIL) erwies sich bei einer großen Zahl von multiresistenten gramnegativen und grampositiven bakteriellen Isolaten aus 17 griechischen Schwerpunktkrankenhäusern als außerordentlich wirksames neues Antibiotikum. SOULI, M. et al. Antimicrob Agents Chemother 2006; 50: 3166 - 3169 Wirksamkeit von Daptomycin gegen MRSA in Holland Die Inzidenz von Methicillin-resistenten Staphylococcus areus-Stämmen (MRSA) in Holland ist im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sehr gering. Aus diesem Grunde wurde eine Stammsammlung von MRSA aus den Jahren 1989 bis 1998 hinsichtlich der Sensibilität gegenüber einem neuen Lipopeptid-Antibiotikum, dem Daptomycin (CUBICIN), analysiert. Insgesamt wurden 98 MRSA-Stämme untersucht, darunter befanden sich 19 heterogen Glykopeptid-resistente Stämme (hGISA). Der MHK-Wert von Daptomycin wurde mittels des E-Test-Systems bestimmt. Es ergab sich gegenüber Daptomycin eine 100 %ige Sensibilität mit einem MHK90 Wert von 0,75 mg / l. Gegenüber Gentamicin (REFOBACIN u.a.) waren 44 % der MRSAStämme resistent, gegenüber Cotrimoxazol (COTRIM HEXAL u.a.) bestand eine 11 %ige Resistenz; die entsprechenden Resistenzdaten gegenüber Ciprofloxacin (CIPROBAY u.a.) betrugen 72 %, gegenüber Erythromycin (ERYTHROCIN u.a.) ebenfalls 72 %, auch Clindamycin (SOBELIN u.a.) mit 42 % Resistenz und Rifampin (RIFA u.a.) mit 21 % Resistenz wiesen ungünstige Werte auf. Bei den 19 hGISA-Stämmen wurde eine geringe Erhöhung der Daptomycin-MHK-Werte auf 2 mg / l im Mittel beobachtet, allerdings waren die minimalen bakteriziden Konzentrationen (MBK) nur unwesentlich über den MHKWerten erhöht. FOLGERUNG DER AUTOREN: Diese In-vitro-Daten aus Holland belegen die gute Aktivität von Daptomycin (CUBI CIN) gegenüber Methicillin-resistenten Staphylokokken (MRSA) mit und ohne verminderter Vancomycin- (VANCOMYCIN u.a.) Empfindlichkeit. DIEDEREN, B.M.W. et al. Antimicrob Agents Chemother 2006; 50: 3189 - 3191 Moxifloxacin zur TuberkuloseBehandlung? Ein bedeutsames Ziel in der klinischen Tuberkulose-Forschung ist es, den Zeitraum der notwendigen Behandlung gegenüber der Standard-Therapie von sechs Monaten zu verkürzen. In Tiermodellen erwiesen sich moderne Fluorchinolone wie Moxifloxacin (AVALOX u.a.) als sehr wirksame sterilisierende Substanzen zusammen mit Isoniazid (ISOZID u.a.), Rifampicin (RIFA u.a.) und Pyrazinamid (PYRAFAT u.a.). In einer multinationalen Studie wurden Patienten mit Sputum-positiven Befunden randomisiert und erhielten entweder Moxifloxacin oder Ethambutol (MYAMBUTOL u.a.) über fünf oder drei Tage wöchentlich in Kombination mit Isoniazid, Rifampicin und Pyrazinamid. Der primäre Endpunkt war die Anzahl der Patienten mit einer negativen Sputum-Kultur nach zweimonatiger Behandlung. Die Daten von insgesamt 277 Patienten wurden analysiert. Die zweimonatige Konversionsrate betrug 71 % sowohl für Moxifloxacin wie auch für Ethambutol. Zwischen der Behandlung für wöchentlich fünf oder drei Tage wurden keine Unterschiede beobachtet. Nach vier und sechs Wochen war die Sputum-Konversionsrate unter Moxifloxacin geringfügig höher als unter Ethambutol (p = 0,05 und p = 0,06). Mehr Moxifloxacin-behandelte Patienten berichteten über Übelkeit im Vergleich zur Ethambutol-Gruppe. Die gesamte November/Dezember 2006 - 27. Jahrg. Zeitschrift für Chemotherapie Behandlungdauer wurde von der Mehrzahl der Patienten eingehalten und war mit 88 % versus 89 % nicht unterschiedlich zwischen den beiden Behandlungsarmen. FOLGERUNG DER AUTOREN: In dieser Vergleichsstudie erwies sich Moxifloxacin (AVALOX) als nicht effektiver als die Standardtherapie mit Ethambutol (MYAMBUTOL u.a.). Die hohe Aktivität gegen Mycobacterium tuberculosis von Moxifloxacin dürfte jedoch in weiteren Studien insbesondere bei resistenten TuberkuloseErregern von besonderem Interesse sein. BURMANN, W.J. et al. Am J Respir Crit Care Med 2006; 174: 331 - 338 Pharmapolitik FDA: Keine neuen Antibiotika für respiratorische Infektionen Ende Oktober 2006 wurde der Antrag der Firma Replidyne, Colorado (USA) bezüglich der Einführung ihres neuen Betalaktamantibiotikums Faropenem (in Deutschland nicht im Handel) für die Indikationen akute bakterielle Sinusitis, akute Exazerbation der chronischen Bronchitis, unkomplizierte Haut- und Hautweichteilinfektion und ambulant erworbene Pneumonie von der FDA abgelehnt. Zur Begründung verweist die FDA darauf, dass mit Ausnahme der ambulant erworbenen Pneumonie die anderen Infektionen auch ohne Antibiotika eine hohe Spontanheilungsrate hätten und neue Antibiotika daher nicht notwendig wären. Grundsätzlich verlangt die FDA bei diesen Indikationen Placebo-kontrollierte Studien, in denen eine Überlegenheit des neuen Antibiotikums demonstriert werden muss. Diese Entscheidung der FDA wird von verschiedenen Seiten heftig kritisiert. Zum einen wird bemängelt, dass es nicht Aufgabe der FDA ist, die ärztlichen Therapiegewohnheiten erzieherisch zu verändern. Darüber hinaus ist es außerordentlich schwierig, bei den genannten Indikationen ärztliche Teilnehmer zu finden, die zu einer Placebo-Studie bereit sind. Keine der derzeitigen nationalen und internationalen Richtlinien empfiehlt die Gabe von Placebo bei eindeutig bakterieller Genese der genannten Infektionen. Sehr problematisch ist diese Entscheidung auch für die forschende Industrie, die keine Investitionen in diesen Bereich mehr vornehmen wird, wenn Zulassungen an derart schwierige Studienvoraussetzungen gebunden sind. Es gibt allerdings durchaus auch infektiologische Berater der FDA, die diese Entscheidung der FDA begrüßen, da sie vermeintlich mithelfe, einen unnötigen Antibiotikaeinsatz zu vermeiden und damit die Resistenzentwicklung zu begrenzen. Bio Century 2006; 14: No. 48, A1 - A6 Infektionsepidemiologie SAFDAR, A. et al. Eur J Clin Microbiol Infect Dis 2006; 25: 522 - 526 HIV und AIDS in Deutschland Verändertes Spektrum der Sepsiserreger bei Tumorpatienten In den letzten 20 Jahren ist es zu einer Dominanz von grampositiven bakteriellen Sepsiserregern bei Tumorpatienten gekommen, die gramnegative Erreger in großem Umfang verdrängt haben. Dieses beruht auf der Zunahme von endovaskulären Kathetern und damit auch mit vermehrten Infektionen durch Koagulase-negative Staphylokokken. In einem großen nordamerikanischen Tumorzentrum in Houston wurde die Epidemiologie der Sepsiserreger bei Tumorpatienten in den Jahren 1998 und 2004 verglichen. Neben der epidemiologischen Verteilung der Erreger wurde auch die Anzahl der jeweiligen Bakterien in den Blutkulturen bewertet, da eine hohe Zahl von > 200 Kolonie-bildenden Einheiten pro ml mit einer stärker ausgeprägten Infektion und einem höheren letalen Risiko einhergeht. Grampositive Erreger dominierten in beiden Jahren, im Jahre 1998 wurden in 1055 Blutkulturen 740 grampositive Erreger (73 %) isoliert, im Jahre 2004 lag diese Zahl bei 1025 Blutkulturen mit 82 % noch höher. Bei dem Vergleich von Blutkulturen mit hoher Bakterienzahl wurden gramnegative Erreger mit 28 % versus 11 % für grampositive Bakterien im Jahre 1998 und mit 30 % versus 10 % im Jahre 2004 signifikant häufiger registriert. Im Jahre 2004 waren darüber hinaus positive Blutkulturen mit Stenotrophomonas maltophilia und Acinetobacter Spezies signifikant häufiger mit einer hohen Bakterienzahl assoziiert im Vergleich zu Blutkulturen mit Pseudomonas aeruginosa (47 versus 23 %). Bei den grampositiven Erregern ergab sich hinsichtlich einer hohen Bakterienzahl im Jahre 1998 eine disproportionale Verteilung zwischen S. aureus (50 %) und Streptococcus Spezies (35 %) versus Koagulase-negativen Staphylokokken mit 13 %; diese Unterschiede wurden im Jahre 2004 nicht mehr beobachtet, in dem alle drei grampositiven Keimspezies etwa in gleicher Anzahl zwischen 20 und 22 % in hoher Anzahl in den Blutkulturen nachweisbar waren. FOLGERUNG DER AUTOREN: Bei dem Vergleich von Sepsiserregern bei Tumorpatienten in den Jahren 1998 und 2004 fiel eine Zunahme von grampositiven Erregern auf, wobei insbesondere die hohe Anzahl von Koagulase-negativen Staphylokokken in den Blutkulturen im Jahre 2004 bemerkenswert war. Darüber hinaus war S. maltophilia neu aufgetreten im Jahre 2004 als ein sehr bedrohlicher gramnegativer Erreger. Die empirische antibiotische Anfangstherapie - insbesondere bei neutropenischen Patienten - sollte diese veränderte bakterielle Epidemiologie beachten. Bis zum 1.09.2006 wurden dem Robert KochInstitut für das 1. Halbjahr 2006 insgesamt 1.197 neu diagnostizierte HIV-Infektionen gemeldet. Damit blieb die Zahl der HIV-Neudiagnosen im ersten Halbjahr 2006 auf dem hohen Niveau der beiden vorausgegangenen Halbjahre 2005 (jeweils 1.254 bzw. 1.232 HIVNeudiagnosen) und liegt aktuell 50 % höher als in den Jahren 1999 bis 2001. Betrachtet man die Entwicklung der HIV-Neudiagnosen in den verschiedenen betroffenen Gruppen, lassen sich gegenüber den beiden Vorhalbjahren keine wesentlichen Änderungen feststellen. In der Gruppe der homosexuellen Männer nimmt die Zahl nur noch leicht um 3 % gegenüber dem Vorhalbjahr zu und erreicht damit den höchsten Wert seit 1993. Erstmals seit 2001 stellen im ersten Halbjahr 2006 Personen, die ihre HIV-Infektion durch heterosexuelle Kontakte erworben haben und nicht aus Hochprävalenzländern stammen, mit 17 % die zweitgrößte Betroffenengruppe dar und verdrängen damit Personen, die aus Ländern mit einer hohen HIV-Prävalenz in der allgemeinen Bevölkerung stammen. Zwischen dem 1.07.2005 und dem 30.06.2006 sind insgesamt 820 Berichte über neu an AIDS erkrankte Personen eingegangen. Damit steigt die Gesamtzahl der an das Robert Koch-Institut berichteten, seit Beginn der Epidemie mit dem Vollbild AIDS erkrankten Personen auf insgesamt 24.620. Unter den neuen AIDSErkrankten waren 81 % Männer und 19 % Frauen. Bis zum 30.06.2006 sind 13.427 AIDSErkrankte (54,5 %) seit Beginn der Epidemie in Deutschland verstorben. Epidem Bulletin 2006; Sonderausgabe B, 31.10.2006 Pharmakokinetik Pharmakokinetik von Ertapenem bei Patienten mit Niereninsuffizienz Ertapenem (INVANZ) unterscheidet sich von den anderen verfügbaren Carbapenemen durch eine relativ lange Verweildauer im Organismus. Die Eliminationshalbwertzeit wurde bei gesunden jungen Probanden mit 3,8 bis 4,4 Stunden ermittelt. Dadurch wird die einmal tägliche Verabreichung möglich (vgl. www.zct-berlin.de /neueinfuehrungen). In einer Dosierung von einmal täglich 1,0 g i.v. kann Ertapenem bei ambulant erworbener Pneumonie, bei Haut- und Weichgewebsinfektionen und bei intraabdominellen Infektionen angewandt werden. Die Ausscheidung des ß-Laktamantibiotikums erfolgt fast aus- 59 November/Dezember 2006 - 27. Jahrg. Zeitschrift für Chemotherapie schließlich über die Niere. Da die Behandlung mit Carbapenemen vor allem bei zu hohen Plasmakonzentrationen zu Krampfanfällen führen kann, muss bei einer eingeschränkten Nierenfunktion die Dosierung reduziert werden. 1,2 Nach Hinweisen des Herstellers ist bei Patienten mit einer Kreatinin-Clearance von > 30 ml /min / 1,73 m 2 keine Dosisanpassung erforderlich. Die AUC-Werte der Gesamtkonzentration des Antibiotikums sind bei Patienten mit mäßiger Niereninsuffizienz (31 – 59 ml /min) etwa 1,5-mal größer als jene von gesunden Erwachsenen. Berechnet man den nicht an Plasmaproteine gebundenen Anteil des Antibiotikums, so ist die AUC 1,8-mal größer als bei den Patienten der Vergleichsgruppe. Bei Patienten mit fortgeschrittener Einschränkung der Nierenfunktion (Kreatinin-Clearance: unter 5 bis 25 ml /min) sind die AUC-Werte bis zum 3,4fachen erhöht. Diese Daten wurden in einer Studie mit insgesamt 26 Patienten mit unterschiedlich eingeschränkter Nierenfunktion ermittelt. Bei dialysepflichtigen Patienten mit terminaler Insuffizienz, kam es zu einem weiteren Anstieg der Antibiotikaspiegel im Plasma. Bei den Kontrollen ohne Nierenfunktionseinschränkung wurde eine Eliminationshalbwertzeit von 4,5 Stunden errechnet, bei den drei Gruppen von Patienten mit zunehmender Niereninsuffizienz betrug die Halbwertzeit im Mittel 4,4 (leichte Einschränkung), 6,1 (mäßige Einschränkung), und 10,6 Stunden (fortgeschrittene Niereninsuffizienz). Bei terminaler Insuffizienz lag sie bei 14,1 Stunden. Durch Hämodialyse wird etwa ein Drittel einer verabreichten Dosis entfernt. Bei Patienten mit fortgeschrittener Niereninsuffizienz (< 30 ml /min) empfehlen die Autoren eine Reduktion der Dosierung von 1,0 auf 0,5 g. FOLGERUNG DER AUTOREN: Ertapenem (INVANZ) wird hauptsächlich über die Nieren eliminiert. Bei deutlich eingeschränkter Nierenfunktion (KreatininClearance < 30 ml /min / 1,73 m 2 ) muss die Dosierung reduziert werden. 1. Fachinfo INVANZ, MSD, Haar, September 2006 2. MISTRY, G.C. et al. J Clin Pharmacol 2006; 46: 1128 - 1138 Nebenwirkungen Delirium unter einer ClarithromycinTherapie Clarithromycin (KLACID u.a.) ist ein Makrolid-Antibiotikum mit zahlreichen Indikationen insbesondere bei Infektionen der Atemwege. Bisherige Nebenwirkungsmeldungen bezüglich des zentralen Nervensystems durch Clarithromycin bestanden hinsichtlich Ototoxizität, Cephalgien und Benommenheit. In der vorliegenden Kasuistik wird von einer 63 60 Jahre alten Patientin berichtet mit einer anamnestisch bekannten arteriellen Hypertonie, die mit Ceftriaxon (ROCEPHIN u.a.) 2 g i.v. täglich und zweimal 500 mg Clarithromycin i.v. täglich wegen einer schweren Pneumonie behandelt wurde. Zusätzlich erhielt die Patientin Heparin wegen Vorhofflimmerns. Am dritten Tag der Behandlung mit den beiden Antibiotika entwickelte die Patientin eine akute Episode mit Agitation und Delirium, die eine Therapie mit Haloperidol (diverse Handelsnamen) notwendig machte. Ein CT des Schädels war unauffällig. Unmittelbar nach Absetzen des Clarithromycins verschwand die zerebrale Symptomatik. Eine weitere psychiatrische Beobachtung der Patientin ergab keine zusätzlichen medizinischen Informationen. Hinzuweisen ist noch auf eine komplett normale Nierenfunktion bei der beschriebenen Patientin. Impressum Zeitschrift für Chemotherapie Eichenallee 36a, 14050 Berlin Herausgeber: Prof. Dr. med. H. Lode Mitherausgeber: Prof. Dr. med. R. Stahlmann Redaktion: Prof. Dr. med. H. Lode (verantwortlich), Prof. Dr. med. R. Stahlmann, Frau R. Schoeller-Wiley (Fachärztin), Dr. M. Kresken, Bonn, Fr. H. Pretorius (Redaktionsassistentin). Die Zeitschrift für Chemotherapie erscheint zweimonatlich. Bezug nur im Abonnement. Jahresbezugspreise für Ärzte, Apotheker und Einzelpersonen 35,- Euro, für Studenten und Pensionäre 25,- Euro (Nachweis erforderlich), für Firmen, Behörden und andere Institutionen mit Mehrfachlesern 62,- Euro. Frühere Berichte erwähnen nur wenige ZNSStörungen durch Clarithromycin in hoher Dosis, z.B. entwickelten zwei Patienten mit einer Clarithromycin-Prophylaxe gegen M. avium eine Manie und einige wenige ältere Patienten klagten über Verwirrung und Schlaflosigkeit. FOLGERUNG DER AUTOREN: Eine Nebenwirkungsreaktion wie ein Delirium zusammen mit Agitation unter Makroliden ist außerordentlich selten. Der hier beschriebene Fall aus Spanien sollte jedoch daran erinnern, dass dieses auch unter einer Therapie mit Clarithromycin (KLACID u.a.) auftreten kann. DE VER A, C.V. et al. Eur Respir J 2006; 28: 671 - 672 Kündigung des Abonnements jeweils drei Monate zum Jahresende. Die gewählten Produktbezeichnungen sagen nichts über die Schutzrechte der Warenzeichen aus. 1980 Zeitschrift für Chemotherapie (H. Lode), Berlin Alle Rechte weltweit vorbehalten. 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