Akute unkomplizierte Zystitis und Pyelonephritis

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ZEITSCHRIFT FÜR
ISSN 0722/5067
Informationen für Ärzte und Apotheker zur rationalen Infektionstherapie November/Dezember 2006 - 27. Jahrg.
Übersicht
Akute unkomplizierte Zystitis und
Pyelonephritis
Harnwegsinfektionen werden als „unkompliziert“ bezeichnet, wenn bei den Patienten
keine Faktoren erkennbar sind, die eine Disposition für Infektionen darstellen. Zu den
unkomplizierten Harnwegsinfektionen wird
neben der Zystitis auch die akute Pyelonephritis gezählt. Bei den akuten unkomplizierten
Infektionen der unteren und oberen Harnwege ist E. coli mit Abstand der häufigste
Erreger (ca. 80 %). Bei der Zystitis folgen nach
der Häufigkeit S. saprophyticus (ca. 5 - 10 %),
sowie P. mirabilis und K. pneumoniae. Ein
ähnliches Erregerspektrum findet man bei
der Infektion der oberen Harnwege, S. saprophyticus kommt aber bei der Pyelonephritis
praktisch nicht vor. Nicht alle Stämme von
E. coli sind gleichermaßen in der Lage, eine
Infektion zu verursachen. Uropathogene E.
coli- Stämme zeichnen sich durch spezielle Pathogenitätsfaktoren aus ( z. B.: Typ-I-PFimbrien, Hämolysine etc.), die es den Bakterien ermöglichen, besonders gut am Uroepithel zu haften.
Symptomatik, Diagnostik
Dysurie, Schmerzen bei der Miktion, Pollakisurie, Pyurie und Bakteriurie und oft auch
Hämaturie kennzeichnen die Symptomatik
einer akuten Zystitis. Der Gebrauch von
Spermiziden oder eines Diaphragmas zur Antikonzeption sind als Risikofaktoren bekannt,
oft besteht ein zeitlicher Zusammenhang zum
Geschlechtsverkehr oder zu einer Änderung
des Hormonstatus, z. B. durch Schwangerschaft. Die akute Pyelonephritis ist gekennzeichnet durch ein- oder beidseitige Spontanund Klopfschmerzhaftigkeit der Nierenlager,
Fieber mit oder ohne Schüttelfrost, Übelkeit,
Erbrechen und allgemeines Krankheitsgefühl.
Dysurische Beschwerden (Algurie, Pollakisurie, imperativer Harndrang) sind meistens
vorhanden, aber nicht zwingend notwendig.
Neben der körperlichen Untersuchung wird
diagnostisch zunächst eine Urinuntersuchung mit Hilfe von Teststäbchen auf pHWert, Leukozyten, Erythrozyten und Nitrit
durchgeführt. Eine klinisch relevante Bak-
6/2006
Inhalt
Übersicht
— Akute unkomplizierte Zystitis und Pyelonephritis
Seite 51-53
Neueinführung
— Tetravalenter Impfstoff gegen Virusinfektionen
Seite 54
Wichtige Erreger in Klinik und Praxis (18)
— Salmonella typhi
Seite 53
Prophylaxe
— Antibiotikaprophylaxe der Endokarditis
— Fluorchinolone bei Anthrax-Exposition
Seite 54
Seite 54 -56
Resistenz
— Multiresistente Tuberkulose
— Antibiotika in der Tierzucht gefährlich?
— Informationen im Internet
Seite 56
Seite 56
Seite 56 -57
Optimale Antibiotika-Therapie
— Septischer Schock
— Vancomycin bei MRSA-Infektionen
Seite 57
Seite 57
Kongressbericht
— ICAAC 2006
Seite 57-58
Mittel der Wahl
— Tigecyclin bei multiresistenten Erregern
— Daptomycin bei MRSA
— Moxif loxacin zur Tbc-Therapie?
Seite 58
Seite 58
Seite 58 -59
Pharmapolitik
— FDA: Problematische Entscheidungen
Seite 59
Infektionsepidemiologie
— Sepsiserreger bei Tumorpatienten
— HIV/AIDS in Deutschland
Seite 59
Seite 59
Pharmakokinetik
— Ertapenem bei Niereninsuffizienz
Seite 59- 60
Nebenwirkungen
— Delirium durch Clarithromycin
teriurie besteht beim Nachweis von > 10 4
Erregern /ml. Fiebert der Patient, sollten eine
oder mehrere Blutkulturen angelegt werden,
denn Harnwegsinfektionen sind für etwa
Seite 60
jede fünfte der ambulant erworbenen Bakteriämien verantwortlich. Beim Vorliegen von
Obstruktionen der Harnwege handelt es sich
um eine komplizierte Harnwegsinfektion, bei
51
Zeitschrift für Chemotherapie
November/Dezember 2006 - 27. Jahrg.
Behandlungsstrategie bei akuter Pyelonephritis
Symptome einer Pyelonephritis
(Fieber, Flankenschmerz, Pyurie, Leukozytose)
NEIN
Übelkeit, Erbrechen oder Sepsissyndrom
Urinanalyse, Urinkultur
Ultraschall
Ambulante orale Behandlung für 7 bis 14 Tage mit:
• Fluorchinolon
• Aminopenicillin + ß-Laktamaseinhibitor
• Cephalosporin (Gruppe 3)
• Cotrimoxazol (nur wenn die Empfindlichkeit
des Erregers nachgewiesen wurde)
Besserung innerhalb von 72 Stunden
• Orale Behandlung
• Urinkultur nach 4 Tagen und 10 Tage nach
Ende der Therapie
• Urologische Untersuchung, falls indiziert
der andere Behandlungsstrategien notwendig
sind. Um eine Urolithiasis oder mögliche andere Obstruktionen zu erkennen, ist daher
eine Ultraschalluntersuchung sinnvoll. Weitergehende Diagnostik ist angezeigt, wenn
innerhalb von drei Tagen nach Beginn der
antibiotischen Behandlung keine Besserung
eintritt.
Therapie
Von der „European Association of Urology,
EAU“ wurden 2006 aktualisierte Leitlinien
zur Behandlung von Harnwegsinfektionen
veröffentlicht. Das ausführliche Dokument
„The Management of Urinary and Male Genital Tract Infections“ ist auf der Internetseite der
EAU verfügbar. 1 Eine Verknüpfung zu diesen
und anderen Therapieleitlinien findet sich bei
den „Internet-Empfehlungen der Zeitschrift
für Chemotherapie“ (www.zct-berlin.de).
Es sollten nur solche antibakteriellen Wirkstoffe zur Therapie angewandt werden, die
neben ausreichenden Gewebespiegeln auch in
wirksamen Konzentrationen im Urin nachgewiesen werden können. Bei der akuten Zystitis
ist eine Kurzzeittherapie, d. h. Einmaldosierung bzw. eine Therapie von bis zu drei Tagen,
die Therapie der Wahl. Trimethoprim allein
(diverse Handelsnamen) oder in Kombination mit Sulfonamiden [z. B. Cotrimoxazol
(diverse Handelsnamen)] hat nach wie vor Bedeutung bei der Therapie der unkomplizierten Zystitis. Die klassischen Cephalosporine
und Penicilline, wie zum Beispiel Cefalexin
(diverse Handelsnamen) und Amoxicillin
(diverse Handelsnamen) sind wegen zu hoher
52
JA
Urinanalyse, Urinkultur, Blutkultur
Ultraschall
Stationäre parenterale Behandlung für 1 bis 3 Tage mit:
• Fluorchinolon
• Aminopenicillin + ß-Laktamaseinhibitor
• Cephalosporin (Gruppe 3)
• Aminoglykosid
Gesamttherapiedauer: 14 bis 21 Tage
keine Besserung oder Verschlechterung
• Patient stationär behandeln
• Ergebnisse der mikrobiologischen Diagnostik
überprüfen
• Urologische Untersuchung auf komplizierende
Faktoren
• Obstruktion oder Abszess beseitigen
Resistenzquoten ungeeignet. Die in der Abbildung (oben) wiedergegebenen Empfehlungen
zur Behandlungsstrategie für die unkomplizierte Pyelonephritis bei Frauen wurden den
Leitlinien der EAU entnommen. Sie beziehen
sich nur auf nicht-schwangere Frauen vor der
Menopause.
Obwohl Cotrimoxazol nach wie vor eine adäquate Therapieoption für die Mehrzahl der
erkrankten Frauen darstellt, müssen heute angesichts der zunehmenden Resistenzentwicklung der häufigsten Erreger (E. coli) andere
Antiinfektiva als Mittel der Wahl bevorzugt
werden. Dies gilt generell für Regionen, in denen die Resistenz gegen Trimethoprim höher
ist als 10 %. 2
Eine Möglichkeit zur Einmaltherapie der Zystitis besteht in der Gabe von Fosfomycin-Trometamol (MONURIL). Es wird als Einzeldosis von 3,0 g oral genommen und erwies sich in
einer Vergleichsstudie als gleichwertig zu einer
fünftägigen Behandlung mit Trimethoprim.
Die Substanz wird in einigen europäischen
Ländern bereits seit etwa 20 Jahren zur Einmalbehandlung der Zystitis angewandt. Es ist
bemerkenswert, dass die Resistenzraten von E.
coli gegenüber Fosfomycin dennoch unverändert niedrig geblieben sind.
Im direkten Vergleich erwies sich bereits vor
einigen Jahren eine Behandlung mit Ciprofloxacin (CIPROBAY u.a.) bei Frauen mit
unkomplizierter Pyelonephritis als besser
wirksam und besser verträglich als die Therapie mit Cotrimoxazol. 3 Dabei wurde das
Chinolon in einer Dosierung von zweimal
täglich 500 mg für eine Woche gegeben, die
Therapie mit Cotrimoxazol erfolgte für zwei
Wochen in einer Dosierung von zweimal
täglich 960 mg. Die höhere Wirksamkeit
von Ciprofloxacin in dieser umfangreichen
Doppelblindstudie beruhte im Wesentlichen
auf den häufigen Cotrimoxazol-resistenten
E. coli-Stämmen (18 %).
Als Alternative zu Ciprofloxacin kommt
Levofloxacin (TAVANIC u.a.) in einer Dosierung von zweimal täglich 250 mg in Frage.
Falls die Resistenzrate bei E. coli gegen Chinolone höher als 10 % ist, oder falls ein Chinolon
kontraindiziert ist, etwa in der Schwangerschaft und Stillzeit, kann ein Aminopenicillin
plus ß-Laktamaseinhibitor verordnet werden.
Zur Verfügung stehen Amoxicillin plus Clavulansäure (AUGMENTAN u.a.) oder Sultamicillin, die Esterverbindung aus Ampicillin
und Sulbactam (UNACID u.a.). Cephalosporine mit Stabilität gegen ß-Laktamasen
aus gramnegativen Erregern, wie zum Beispiel
Cefpodoxim-Proxetil (PODOMEXEF u.a.)
oder Cefuroxim-Axetil (diverse Handelsnamen) sind eine weitere Alternative.
Behandlung während der Schwangerschaft
Während der Schwangerschaft besteht eine
Prädisposition für Harnwegsinfektionen; bei
einer notwendigen antibiotischen Behandlung existiert nach wie vor eine erhebliche
Unsicherheit. Zwar ist allgemein akzeptiert,
dass Aminoglykoside, Tetrazykline, Cotrimoxazol und Chinolone während der
Schwangerschaft nicht verordnet werden
sollen, die Risiko-Abschätzung ist für alle
Zeitschrift für Chemotherapie
November/Dezember 2006 - 27. Jahrg.
Wichtige Erreger in Klinik und Praxis (18)
Typhöse Salmonellen
Morphologie und Kultur: Bei den Salmonellosen unterscheidet man
typhöse und enteritische Erkrankungen. Verursacher der typhösen
Salmonellosen (Typhus abdominalis, Paratyphus A, B und C) sind
Salmonella enterica Serotyp typhi bzw. paratyphi A, B und C. Salmonellen zählen zur Familie der Enterobacteriaceae. Morphologisch
handelt es sich um nicht Sporen-bildende, fakultativ anaerobe, peritrich begeißelte und somit bewegliche gramnegative Stäbchen. Sie lassen sich gut aus menschlichem Untersuchungsmaterial auf speziellen
Nährböden anzüchten.
Zur Differenzierung der Serovare sind verschiedene Lysotypiesysteme verfügbar. Darüber hinaus kommen molekularbiologische
Methoden (z. B. Pulsfeld-Gelelektrophorese) zur Anwendung. Die
Serovare verfügen über O-, K- und H-Antigene (Kauffmann-WhiteSchema). Hinzu kommt das Kapselantigen Vi (ursprünglich von
Virulenz).
Epidemiologie: S. typhi kommt nur beim Menschen vor. Bei Dauerausscheidern und subklinisch Infizierten finden sich die Erreger
zumeist in der Gallenblase oder den Gallengängen. Nach Angaben
des Robert Koch-Institutes konnte in Deutschland die Zahl der
Erkrankungen seit den 1950er Jahren durch Verbesserung der hygienischen Bedingungen stark vermindert werden. Entsprechend der
Meldepflicht nach IfSG wurden im Jahr 2004 an das RKI 82 Fälle
von Typhus abdominalis übermittelt. Die bundesweite Inzidenz lag
bei 0,1 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner. Etwa 86 % der Erkrankungen wurden aus Ländern wie Indien, Pakistan, Türkei oder
Marokko importiert. Auch die Inzidenz von Paratyphus ging in den
vergangenen Jahrzehnten deutlich zurück.
Pathogenese und Krankheitsbilder: Typhöse Salmonellen gelangen
durch fäkal kontaminierte Nahrungsmittel oder Trinkwasser in den
Gastrointestinaltrakt. Ihre Ausscheidung erfolgt fäkal oder über den
Urin. Die minimale Infektionsdosis ist kleiner als bei enteritischen
Salmonellen.
Typhus abdominalis und Paratyphus A, B und C sind septikämische
Erkrankungen. Nach Durchdringen der Darmwand erfolgt die
Streuung lymphogen und hämatogen mit sekundärer Ansiedelung
in Milz, Leber, Knochenmark, Gallenwege, Haut und PeyerPlaques.
Die Erkrankung läuft in bestimmten Stadien ab. Beim Typhus abdominalis verläuft die Inkubationszeit (Stadium I) ohne besondere
Anzeichen. Im Stadium II treten erstmals Krankheitserscheinungen
auf. Der Patient leidet an uncharakteristischen Beschwerden wie
Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, evtl. auch subfebrilen Temperaturen. Bei unbehandelten Fällen kommt es innerhalb von 2–3 Tagen
zu einem staffelförmig ansteigenden hohen Fieber, mit TemperatuSubstanzen aber kaum fundiert, da eindeutige Daten fehlen. Dies wird dadurch deutlich,
dass in den meisten Fällen, bei einer kurzfristigen Anwendung dieser Substanzen in der
Frühschwangerschaft, etwa in Unkenntnis
der Schwangerschaft, ein Abbruch nicht als
notwendig angesehen wird. Zur Therapie von
Schwangeren werden überwiegend ß-Laktamantibiotika empfohlen. Die Möglichkeiten
der Kurzzeittherapie sind bei Schwangeren
nicht so umfassend untersucht, wie bei nichtschwangeren Frauen. Die Einmalbehandlung
mit Fosfomycin-Trometamol wird von einigen Autoren empfohlen. Tierexperimentelle
Untersuchungen ergaben keine Hinweise auf
eine pränatale Toxizität der Substanz, jedoch
liegen bei Schwangeren nur wenig klinische
ren zwischen 39°C und 41°C, beginnender Bewusstseinstrübung
(typhos, griech. Nebel) und uncharakteristischen Abdominalbeschwerden (Milzschwellung). Die hohen Temperaturen können bis
zu drei Wochen andauern. Es kommt zunächst zur Obstipation,
dann häufig zu breiigen Durchfällen und hellroten Hauteffloreszenzen (Roseolen), zumeist an der Bauchhaut. Auffällig ist eine relative Bradykardie. Es kann zu Komplikationen wie Darmblutungen
und -perforationen mit Peritonitis, nekrotisierender Cholezystitis,
Thrombosen, Embolien, Osteomyelitis, Endokarditis oder Meningitis kommen. Bei Patienten ohne Behandlung nimmt das Fieber ab der
vierten Woche ab, wobei die Gefahr von Darmblutungen oder einer
Perforationsperitonitis weiter besteht. Trotz erfolgreicher Antibiose
kommt es nicht selten zu Rezidiven.
Der klinische Verlauf bei Paratyphus ist ähnlich wie bei Typhus. Die
Symptomatik verläuft jedoch weniger schwer. S. typhi und paratyphi
A, B und C können im Inneren von Makrophagen überleben. Bis zu
5 % der Infizierten scheiden nach überstandener Erkrankung dauerhaft Erreger aus.
Diagnostik: Dem Verlauf der Erkrankung entsprechend erfolgt der
kulturelle Nachweis des Erregers in der ersten Krankheitswoche aus
dem Blut. Ab der 2. Woche sind die Erreger auch im Stuhl und Urin
nachweisbar.
Die Identifizierung erfolgt anhand des Musters der biochemischen
Stoffwechseleigenschaften (“Bunte Reihe“). Die Serovarietät wird
mittels Nachweis der Antigenstruktur (Gruber-Widal-Reaktion)
der O- und H-Antigene im Patientenserum bestimmt. Ein mindestens vierfacher Titeranstieg während der Erkrankung oder ein Titer
von mehr als 160 werden als Hinweis auf eine bestehende Infektion
angesehen.
Therapie: Als Mittel der Wahl gelten Ciprofloxacin (CIPROBAY
u.a., 1 g pro Tag oral über 2 Wochen) oder Ceftriaxon (ROCEPHIN
u.a., 2 g pro Tag über 1-2 Wochen). Auch andere Fluorchinolone wie
Levofloxacin (TAVANIC u.a.) sind wirksam. Als geeignet gelten
auch Trimethoprim-Sulfamethoxazol (COTRIMHEXAL u.a.) und
Amoxicillin (AMOXYPEN u.a.). Für Kinder kommt zudem Azithromycin (ZITHROMAX u.a.) in Frage. Da zunehmend mehrfach
resistente S. typhi-Stämme isoliert werden, ist die Anfertigung eines
Antibiogramms zu empfehlen. Eine adäquate antibakterielle Therapie ist vor allem im frühen Stadium der Erkrankung erfolgreich. Die
Letalität liegt dann im Allgemeinen unter 1 %.
Meldepflicht: Gemäß § 6 IfSG sind Krankheitsverdacht, Erkrankung
und Tod an Typhus abdominalis und Paratyphus meldepflichtig.
Nach § 7 besteht eine Meldepflicht für alle direkten Nachweise von
Salmonella typhi und Salmonella paratyphi.
Erfahrungen vor. Daher wird empfohlen, dass
das Präparat während Schwangerschaft und
Stillzeit nur „bei dringender Notwendigkeit“
eingenommen werden sollte.
FOLGERUNG DER AUTOREN: Die seit
einigen Jahren zunehmende Resistenz von
E. coli gegen Cotrimoxazol (diverse Handelsnamen) und auch gegen Chinolone [z.
B. Ciprofloxacin (CIPROBAY u.a.) oder
Levofloxacin (TAVANIC u.a.)] ist Besorgnis erregend. Zur empirischen Therapie
einer akuten unkomplizierten Zystitis oder
Pyelonephritis werden diese Substanzen
jedoch weiterhin empfohlen. Aufgrund der
hohen Resistenzquoten muss vermehrt mit
Therapieversagen gerechnet werden. Als
mögliche Alternativen kommen Oralcephalosporine, wie Cefpodoxim (PODOMEXEF u.a.) bzw. Cefuroxim-Axetil (diverse Handelsnamen) in Frage. Bei der Zystitis stellt auch die Einmaltherapie mit Fosfomycin-Trometamol (MONURIL) eine
mögliche Alternative dar.
1. NABER, K. et al.
Guidelines on the Management of Urinary and
Male Genital Tract Infections, EAU,
März 2006.
(http://www.Uroweb.org; publications; guidelines; online guidelines)
2. PERTEL, P.E., HAVERSTOCK, D.
BJU Int 2006; 98: 141 - 147
3. TALAN, D.A. et al.
JAMA 2000; 283: 1583 - 1590
53
Zeitschrift für Chemotherapie
Neueinführung
Tetravalenter Impfstoff gegen
Virusinfektionen
Masern, Mumps, Röteln und Varizellen sind
hoch ansteckende jedoch impfpräventable
Infektionskrankheiten, die weltweit nicht nur
große Krankheitskosten, sondern auch viele
Todesfälle verursachen. Seit August 2006 steht
in Deutschland der Kombinationsimpfstoff
PRIORIX TETRA zur Verfügung. 1 Damit
wird die simultane Impfung gegen Masern,
Mumps, Röteln und Varizellen möglich und
die aktuellen Empfehlungen der Ständigen
Impfkommission am Robert Koch-Institut
(STIKO), Kinder im Alter von 11-14 Monaten
gegen die vier Erkrankungen zu impfen, lässt
sich einfacher umsetzen. Die Impfung ist für
Kinder ab einem Alter von neun Monaten
zugelassen. Sechs Wochen später (Mindestabstand vier Wochen) soll die zweite Dosis folgen, um den Impfschutz zu vervollständigen.
Der neue Impfstoff wurde in klinischen Studien mit mehr als 8800 Probanden untersucht.
Unter anderem wurde die Gleichwertigkeit
des neuen MMRV-Impfstoffes mit dem bewährten Dreifachimpfstoff PRIORIX (gegen
MMR) plus einer Impfung mit VARILRIX
(gegen Varizellen) an 970 gesunden Kindern
im Alter von 11 bis 22 Monaten gezeigt. Die
Ergebnisse konnten belegen, dass die Kombination der vier Komponenten im neuen
Impfstoff hinsichtlich der Wirksamkeit und
Verträglichkeit den beiden Einzelimpfstoffen
gegenüber mindestens gleichwertig war. Nach
zwei Dosen des neuen Impfstoffes wurden
gegen alle vier Impfstoffkomponenten Serokonversionsraten > 98 % erreicht. 2
Es ist mehrfach gezeigt worden, dass Kombinationsimpfstoffe, die die Zahl der Injektionen verringern, sowohl die Durchimpfungsraten als auch das Einhalten der Zeitfenster
entsprechend den Empfehlungen signifikant
verbessern. Die STIKO-Empfehlung für eine
generelle Varizellen-Impfung besteht seit zwei
Jahren. Anders als bisher mit den Monoimpfstoffen wird in diesem Fall die Varizellen-Impfung auf zwei Dosen ausgeweitet. Dies unterstützt Bemühungen, Durchbruchserkrankungen von Varizellen - d.h. Erkrankungen trotz
Impfung - die gelegentlich beobachtet werden,
weiter einzudämmen. In den USA wird seit
Juli 2006 bei der Varizellen-Impfung generell
eine zweite Dosis empfohlen. 3
ZUSAMMENFASSUNG: Mit PRIORIX
TETRA steht ein neuer, tetravalenter
Impfstoff zur simultanen Impfung gegen
Masern, Mumps, Röteln und Varizellen
zur Verfügung. Damit lässt sich eine Vereinfachung des Impfprogramms erzielen,
die zu einer höheren Durchimpfungsrate
führen könnte.
1. FACHINFO PRIORIX TETR A,
GSK, Juli 2006
54
November/Dezember 2006 - 27. Jahrg.
2. SCHUSTER, V. et al.,
Intl Congr Inf Dis 2006, Lissabon, Portugal
3. Mitteilung der CDC
http://www.cdc.gov/od/oc/media/pressrel/
r060629-b.htm
Prophylaxe
Antibiotikaprophylaxe der
bakteriellen Endokarditis
Patienten mit erhöhtem Risiko für eine bakterielle Endokarditis erhalten im Zusammenhang mit zahnärztlichen Eingriffen eine Antibiotikaprophylaxe. Amoxicillin (CLAMOXYL u.a.) ist in diesen Fällen das Mittel der
Wahl, als Alternative wird bei Patienten mit
Penicillinallergie Clindamycin (SOBELIN
u.a.) empfohlen. Angesichts der zunehmenden Resistenzhäufigkeit bei Streptokokken
und der insgesamt nicht überzeugenden Datenlage, wurde in Spanien eine Doppelblindstudie zu dieser Thematik durchgeführt.
Moxifloxacin (AVALOX u.a.) wurde als
drittes Medikament eingesetzt, um die Datenlage für dieses Chinolon zu verbessern.
Mehr als 200 Patienten wurden in die Studie eingeschlossen. Insgesamt vier Gruppen
wurden wie folgt ein bis zwei Stunden vor
der Zahnextraktion behandelt: entweder (1.)
2 g Amoxicillin oder (2.) 600 mg Clindamycin oder (3.) 400 mg Moxifloxacin oder (4.)
sie erhielten keine Prophylaxe. Blutproben
zur mikrobiologischen Diagnostik wurden 30
Sekunden, 15 Minuten und eine Stunde nach
der Operation entnommen. Streptococcus
spp. wurden in allen Gruppen am häufigsten
nachgewiesen (44 bis 68%). Zu allen Zeitpunkten war die Prävalenz der Bakteriämie in der
Amoxicillin-Gruppe am niedrigsten, nach
15 Minuten wurden nur bei 11% der Patienten Bakterien nachgewiesen, gegenüber 64%
der unbehandelten Patienten. Clindamycin
erwies sich in dieser Untersuchung als nicht
wirksam, Moxifloxacin hatte dagegen einen
deutlichen Effekt (s. Abbildung).
FOLGERUNG DER AUTOREN: In dieser
Doppelblindstudie erwies sich Amoxicillin
(CLAMOXYL u. a.) als wirksam zur Unterdrückung einer Bakteriämie nach Zahnextraktionen. Moxifloxacin (AVALOX u. a.)
könnte bei Patienten mit Endokarditisrisiko als Alternative bei Patienten mit Penicillinallergie in Frage kommen, Clindamycin
(SOBELIN u. a.) war dagegen unwirksam.
DIZ DIOS, P. et al.
Antimicrob Agents Chemother 2006;
50: 2996 - 3002
Fluorchinolone zur Postexpositionsprophylaxe bei Anthrax-Kontakt
Die inhalative Exposition des Menschen gegenüber Sporen von Bacillus anthracis hat
vor allem im Zusammenhang mit terroristischen Anschlägen Bedeutung. Die Wirksamkeit möglicher Therapeutika kann wegen
des tödlichen Verlaufs der Erkrankung nicht
beim Menschen untersucht werden, ersatzweise werden Experimente mit Affen durchgeführt. Die Wirksamkeit von Ciprofloxacin
(CIPROBAY u.a.) wurde bereits vor Jahren
in einem entsprechenden Versuch gezeigt. Da
Levofloxacin (TAVANIC) in vitro eine ähnlich gute Aktivität gegen den Erreger besitzt
(MHK: 0,12 mg / l) wie Ciprofloxacin, wurde
die Wirksamkeit in vivo an Rhesusaffen getestet. Dabei musste berücksichtigt werden,
dass die Tiere den Wirkstoff deutlich rascher
eliminieren als der Mensch. Die Halbwertzeit beträgt beim Rhesusaffen nur etwa zwei
Stunden. Um den pharmakokinetischen Verlauf des Chinolons beim Menschen bei einer
einmal täglichen oralen Gabe von 500 mg zu
simulieren, wurden die Tiere an jedem Tag zunächst mit 15 mg / kg und 12 Stunden später
mit 4 mg / kg Levofloxacin behandelt. Zum
Vergleich wurde Ciprofloxacin in einer Dosierung von 16 mg / kg verabreicht. Mit Levofloxacin wurden Spitzenkonzentrationen
von etwa 5 mg / l und AUC-Werte von ca. 34
mg / l x h erzielt. Dies entspricht weitgehend
% der Patienten mit Bakteriämie
80
70
60
50
40
30
20
10
0
Kontrolle
Clindamycin Moxifloxacin
Amoxicillin
Effekt einer Antibiotikaprophylaxe auf die Prävalenz der Bakteriämie
15 Minuten nach einer Zahnextraktion
Diz Dios et al., AAC, 2006
Zeitschrift für Chemotherapie
September/Oktober 2006 - 27. Jahrg.
45
Zeitschrift für Chemotherapie
den beim Menschen gemessenen Werten. Die
Infektion mit dem Vielfachen einer potenziell
tödlichen Dosis an Milzbrandsporen überlebten alle 10 Affen während der 30-tägigen Therapie mit den Chinolonen, während sie sich
für neun von 10 unbehandelten Kontrolltieren
als tödlich erwies. In den beiden Gruppen mit
Chinolontherapie kam es erst nach Absetzen
des Medikamentes zu einem bzw. zwei tödlichen Verläufen.
FOLGERUNG DER AUTOREN: Die
Chinolone Ciprofloxacin (CIPROBAY
u.a.) und Levofloxacin (TAVANIC) eignen
sich offenbar zur Postexpositionsprophylaxe nach terroristischen Attacken mit Milzbrandsporen. In Experimenten mit RhesusAffen war der protektive Effekt mit beiden
Substanzen gleich hoch.
K AO, L.M. et al.
Antimicrob Agents Chemother 2006;
50: 3535 - 3542
Resistenz
Inzidenz der multiresistenten
Tuberkulose weltweit
Isoniazid (ISOZID u.a.) und Rifampicin
(RIFA u.a.) sind unverändert die primären
Antiinfektiva zur Behandlung der Tuberkulose. Wenn die Erreger gegen beide Wirkstoffe
in vitro Resistenz aufweisen, unabhängig
davon, ob Resistenz gegen weitere Antituberkulotika besteht, liegt eine Tuberkulose mit
Mehrfachresistenz vor (multi-drug resistant
tuberculosis, MDR-TB). Angesichts der begrenzten Auswahl von möglichen Therapeutika stellen diese Fälle den behandelnden Arzt
vor besondere Probleme. Dies gilt insbesondere für Länder mit niedrigem Einkommen.
Umfangreiche Leitlinien zur Behandlung der
multiresistenten Tuberkulose wurden von der
WHO im Jahr 2006 publiziert und sind als
umfangreiches PDF-Dokument im Internet
verfügbar (siehe auch www.zct-berlin.de →
Internetempfehlungen → Leitlinien.) 1
Als Voraussetzung für gezielte, globale Behandlungsstrategien ist eine möglichst genaue
Kenntnis der Häufigkeit dieser Erkrankungen
notwendig. Trotz der von der WHO bereits
1994 initiierten Ermittlung entsprechender
Zahlen, liegen solche Informationen nur aus
90 Ländern vor; Resistenzdaten aus den meisten Ländern der Welt sind nicht verfügbar.
Von der WHO wurden nun neue Zahlen zur
Inzidenz der mehrfachresistenten Tuberkulose veröffentlicht, die auf einer Auswertung der
vorhandenen Daten beruhen und auf einer
fundierten Schätzung der übrigen Länder. Insgesamt wurden 184 Länder erfasst, die 99,9 %
der Weltbevölkerung repräsentieren. Dabei
wurde eine Zahl von 424.205 Erkrankten
ermittelt, dies entspricht 4,3 % aller Tuberkulose-Patienten. In den drei bevölkerungsreichen
Ländern China, Indien und Russland sind
62 % der weltweiten Fälle lokalisiert. Erwar-
56
November/Dezember 2006 - 27. Jahrg.
tungsgemäß waren die Mehrfachresistenzen
in Osteuropa mit 15,4 % und in der Westpazifik-Region mit 7 % der gesamten Tuberkulosefälle am höchsten. Die Inzidenz lag dagegen
in einigen zentraleuropäischen Ländern, wie
Ungarn oder der Türkei, mit 2,8 % niedriger als
in früheren Schätzungen. 2
FOLGERUNG DER AUTOREN: Die
WHO legt neue, fundierte Schätzungen
zur weltweiten Inzidenz der mehrfachresistenten Tuberkulose vor. Demnach
sind mehr als 400.000 Patienten an dieser
schwierig zu behandelnden Infektion erkrankt. Dies entspricht 4,3 % der Tuberkulosefälle. Die Quote ist in Osteuropa mit
15,4 % weltweit am höchsten. Es besteht ein
dringender Bedarf an koordinierten Aktionen, um die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten bei dieser Erkrankung insbesondere in Ländern mit niedrigem Einkommen zu verbessern.
1. WHO, Geneva, 2006;
Guidelines for the programmatic management
of drug-resistant tuberculosis
(WHO/HTM/TB/2006.361, PDF-Datei,
186 Seiten)
2. ZIGNOL, M. et al.
J Inf Dis 2006; 194: 479 - 485
Antibiotika in der Tierzucht:
Auswirkungen auf den Menschen
Der Einsatz von Antibiotika in der Tierzucht
kann zu Infektionen beim Menschen mit
Antibiotika-resistenten Keimen beitragen.
In den Vereinigten Staaten hat die bessere
Kontrolle von Fleisch und Geflügel im
Schlachtprozess sowie auch eine verbesserte
Erziehung der Verbraucher bezüglich der
Nahrungssicherheit zu einer Verminderung
der jährlichen Campylobacter-Infektionen
geführt. Allerdings wurden im Jahre 1999
immer noch 1,6 Millionen Menschen mit
einer symptomatischen Nahrungs-bedingten
Campylobacter-Infektion beobachtet. Ungefähr 2 % dieser Infektionen verliefen mit
Makrolid-resistenten Erregern, was immerhin
32.000 erkrankte Personen betraf. 90 % der
Campylobacter-Infektionen treten nach dem
Genuss von Geflügel auf, woraus eine Zahl
von 13.000 erkrankten Personen berechnet
werden kann, die eine Makrolid-resistente
Campylobacter-Infektion als Auswirkung
des Einsatzes von Makroliden in der Geflügelzucht haben. Seriöse Schätzungen deuten
darauf hin, dass etwa 634 Millionen Hühner
mit Makroliden (Tylosin und Tilmicosen)
jährlich gefüttert werden. Mathematisch kann
von 1300 Personen mit einer Infektion durch
Makrolid-resistente Campylobacter-Stämme
ausgegangen werden, was letztlich zu einer
Berechnung von zwei Personen mit problematischem Infektionsverlauf pro 1 Million
Hühnern führt, die mit Makroliden gefüttert
werden. Der vorwiegende Makrolideinsatz
bei Geflügel ist eine Routinebeimengung
zur Nahrung, um eine Wachstumsförderung
oder eine Infektionsprävention zu erreichen.
Größere Studien in der letzten Zeit haben
allerdings darauf hingewiesen, dass derartige
Antibiotikazusätze praktisch keinen Nutzen
ergeben. In den letzten beiden Jahren hat sich
dementsprechend ein Wandel in der Ernährungspolitik ergeben, so dass inzwischen 38 %
der Geflügelzucht in den Vereinigten Staaten
ohne den routinemäßigen Einsatz von Antibiotika auskommt.
FOLGERUNG DER AUTOREN: Die
Zahl der Personen mit intestinalen Infektionen durch Makrolid-resistente Erreger ist
zwar insgesamt gesehen gering; bei einem
Stopp des Antibiotika-Zusatzes in der Geflügelzucht könnten allerdings problematische Infektionsverläufe drastisch gesenkt
werden.
COLLIGNON, P.
Microbe 2006; 1: 303 - 304
Informationen zur Resistenz von
Erregern im Internet
Die Resistenzentwicklung von viralen, bakteriellen, parasitären und sonstigen Infektionserregern ist ein globales Problem. Die
zunehmende Resistenzhäufigkeit bedingt
eine Zunahme der betreffenden Erkrankungen und der Mortalität und hat erhebliche
ökonomische Auswirkungen, zum Beispiel
durch Verlängerung der Krankenhausaufenthalte. Um auf diese Entwicklung adäquat
zu reagieren, ist eine möglichst detaillierte Kenntnis der Resistenzlage erforderlich.
Dies gilt für den örtlich begrenzten Bereich
ebenso wie im globalen Maßstab. Angesichts
steigender Zahlen im internationalen Tourismus kann es auch für den praktisch tätigen
Arzt gelegentlich sinnvoll sein, Zugang zu
Resistenzdaten in anderen Ländern zu haben.
Zahlreiche Programme wurden in den vergangenen Jahren initiiert, die sich zur Aufgabe
gestellt haben, Resistenzdaten zu erheben, zu
interpretieren und zu veröffentlichen. Die
Überwachungsprojekte werden mit Abkürzungen wie MYSTIC, PROTEKT oder
SENTRY bezeichnet, ihre Veröffentlichung
erfolgt zunehmend auch im Internet. Um den
Zugriff zu diesen und anderen Internetquellen
zu erleichtern, wurde unlängst eine Zusammenstellung von insgesamt 23 Internetseiten
veröffentlicht. Auch die Publikation selbst
ist im Internet verfügbar und gestattet durch
die direkten Verknüpfungen einen raschen
Zugang zu den entsprechenden Internetadressen. Ergänzt wird diese Liste durch eine Zusammenstellung von 11 wesentlichen weiteren
Internetadressen, die im Zusammenhang mit
der Resistenzproblematik den Internetnutzer
wiederum an sorgfältig ausgewählte Internetadressen der CDC, WHO oder anderer
Organisationen verweisen.
FOLGERUNG DER AUTOREN: Eine
Zusammenstellung von Internetadressen
zur Resistenzsituation wurde veröffent-
Zeitschrift für Chemotherapie
licht. Sie ist kostenlos zugänglich und gestattet den direkten Zugang zu den Quellen durch die direkten Verknüpfungen.
FALAGAS, M.E., K ARVELI, E.A.
Clin Inf Dis 2006; 43: 630 - 633
(http://www.journals.uchicago.edu/CID/
journal)
Hinweis: Zugang zu dieser Publikation
erhalten Sie auch über die Internetseite
der ZCT unter www.zct-berlin.de →
Internetempfehlungen → Infektiologie
und Mikrobiologie → Resistenzdaten
im Internet.
Optimale Antibiotika-Therapie
November/Dezember 2006 - 27. Jahrg.
bis zum Beginn einer wirksamen antibiotischen Therapie betrug sechs Stunden. In einer
Multivarianzanalyse unter Einschluss zusätzlicher Faktoren wie Volumenersatz, Therapie
mit Katecholaminen sowie APACHE II-Score
erwies sich der Beginn der antibiotischen Therapie als bedeutsamster prädiktiver Parameter
bezüglich eines letalen Verlaufes.
FOLGERUNG DER AUTOREN: Eine sofortige wirksame antimikrobielle Therapie
möglichst innerhalb der ersten Stunde nach
Beginn der Schocksymptomatik bei Patienten mit schwerer Sepsis ist eine wichtige
Maßnahme, um die Prognose dieses schweren Krankheitsbildes zu verbessern. Jede
Verzögerung der Antibiotikabehandlung
führt zu einer signifikanten Verschlechterung der Prognose.
KUMAR, A. et al.
Crit Care Med 2006; 34: 1589 - 1596
hohen Talspiegeln auf und war vermehrt korreliert zu einer gleichzeitigen Verabreichung
von anderen nephrotoxischen Pharmaka.
FOLGERUNG DER AUTOREN: Zumindest in Kalifornien ist eine deutliche
Zunahme von MRSA-Stämmen mit erhöhten Vancomycin- (VANCOMYCIN
u.a.) MHK-Werten zu beobachten. Eine
aggressive empirische Vancomycin-Dosierung mit Talspiegeln >15 mg/l wird deshalb
empfohlen. Darüber hinaus sollte auch geprüft werden, wie weit bei derartigen invasiven Infektionen durch MRSA eine Kombinationstherapie zu verbesserten Therapieergebnissen beitragen könnte.
MIDAYAT, L.K. et al.
Arch Intern Med 2006; 166: 2138 - 2144
Kongressbericht
Septischer Schock – sofortige Antibiotika-Therapie verbessert Prognose
Vancomycin bei MRSA-Infektionen:
Höhere Dosis notwendig?
46. ICAAC, San Francisco,
27. bis 30. 09. 2006
Der Beginn der antibiotischen Therapie bei
kritisch kranken Patienten im septischen
Schock wird häufig durch diagnostische Maßnahmen, initiale Stabilisierung und Wiederbelebungsaktivitäten erheblich verzögert. In
einer retrospektiven Kohortenstudie zwischen
Juli 1989 und Juni 2004 wurden 2731 Akten
von erwachsenen Patienten aus 14 nordamerikanischen und kanadischen Intensivstationen
bezüglich des Einflusses einer zeitlichen Verzögerung der Antibiotika-Therapie analysiert.
Das mittlere Lebensalter dieser Patienten betrug 63 Jahre und 54, 3 % waren Männer. Der
mittlere APACHE II-Schweregrad lag bei 26 ±
8,6. Eine niedrig dosierte Kortikosteroid-Therapie wurde bei 657 Patienten eingesetzt. 58,1 %
der Infektionen waren ambulant erworben, die
häufigsten Ausgangsorgane für die schwere
Sepsis waren bei 37,2 % der Patienten die Lunge, bei 29,3 % der Abdominalbereich, bei 10,7 %
der Urogenitaltrakt und bei 7,2 % Haut- und
Weichgewebe. Gramnegative Erreger waren
mit 47,9 % führend, gefolgt von grampositiven
Erregern mit 38,3 % sowie Pilzen mit 8,2 %.
Die Gesamtletalität betrug 56,2 %. 2254 Patienten erhielten eine antibiotische Therapie
erst nach Beginn der Hypotension und wurden bezüglich der Assoziation des zeitlichen
Therapiebeginns mit einem tödlichen Verlauf
getrennt analysiert. Die Überlebensrate betrug
82,7 % bei den Patienten, die innerhalb von 30
Minuten nach Beginn der hypotensiven Phase
antibiotisch behandelt wurden, sie reduzierte
sich auf 77,2 % wenn die Therapie erst in den
zweiten 30 Minuten initiiert wurde. Begann
die Therapie erst nach sechs Stunden, betrug
die Überlebensrate nur noch 42 %. Es konnte
berechnet werden, dass jede Stunde einer verspäteten Antibiotikagabe mit einem Abfall
der Überlebensrate von im Mittel 7,6 % verbunden war. Die mediane Zeit in dieser Studie
Vancomycin (VANCOMYCIN u.a.) ist bei
manchen Infektionen durch Methicillinresistente Staphylococcus aureus-Stämme
(MRSA) in der üblichen Standarddosis von
zweimal 1 g i.v. täglich trotz In-vitro-Sensibilität nicht optimal wirksam. In den letzten
Jahren ist daher in einigen Richtlinien empfohlen worden, die Vancomycin-Dosierung
zu erhöhen, um einen Talspiegel zwischen
15 bis 20 mg / l zu gewährleisten. In einer
prospektiven Kohorten-Studie in drei großen Krankenhäusern in Kalifornien wurde
analysiert, ob günstigere Therapieergebnisse
mit einer Talkonzentration von Vancomycin
mindestens vierfach oberhalb des jeweiligen
MHK-Wertes zu erreichen sind. Die Studie
wurde zwischen August 2004 und Juni 2005
durchgeführt. Die primären Endpunkte
waren der klinische Erfolg, Letalität und
Nephrotoxizität. Analysiert wurden die
Ergebnisse in Relation zu den MHK-Werten
von Vancomycin < 2 mg / l bzw. ≥ 2 mg / l;
bezüglich der Nephrotoxizität wurden Talspiegel über bzw. unter 15 mg / l bewertet. 95
Patienten wurden in die Studie eingeschlossen,
von diesen hatten 51 (5 4%) eine Infektion mit
einem Keim mit hohem MHK-Wert und 77 %
der Patienten hatten eine Pneumonie bzw. eine
Sepsis. Ein klinischer Erfolg wurde bei 74 % der
Patienten registriert, bei denen der angestrebte
Talspiegel erreicht wurde unabhängig von den
MHK-Werten. Allerdings lag der klinische Erfolg nur bei 62 % bei den Patienten mit einem
Erreger, der eine höhere Hemmkonzentration
aufwies (62 % versus 85 %). Gleichfalls gab es
auch hier eine höhere infektionsbedingte Letalität (24 % versus 10 %). Neben einem hohen
MHK-Wert war allerdings auch ein hoher
Schweregrad-Score ein Risikofaktor für ein
ungünstiges Therapieergebnis. Eine nephrotoxische Reaktion trat nur bei den Patienten mit
Die 46. Interscience Conference on Antimicrobial Agents and Chemotherapy (ICAAC)
in San Francisco wurde von über 17.000
Teilnehmern besucht und hat ihre alte Bedeutung nach den Problemen des Jahres 2005,
verursacht durch den Wirbelsturm „Katrina“,
wieder erlangt.
Infektiologen aus Kanada untersuchten die
Aktivität von Tigecyclin (TYGACIL) gegen
multiresistente, ESBL-produzierende E. coli
in einem pharmakodynamischen In-vitroModell. Drei unterschiedlich und genetisch
exakt definierte ESBL-produzierende E. coliStämme mit Resistenz gegenüber Ciprofloxacin (CIPROBAY u.a.) sowie Cotrimoxazol
(COTRIM u.a.) wurden analysiert. In dem
pharmakodynamischen Modell wurden die
pharmakokinetischen Parameter nach der
beim Menschen üblichen Dosierung von
Tigecyclin simuliert. Es ergab sich eine gute,
vorwiegend bakteriostatische Wirksamkeit
des Tigecyclins gegen die drei ESBL-produzierenden hochresistenten E. coli.
In Hartford, Connecticut wurde bei 24 Patienten mit einer akuten Exazerbation ihrer chronischen Bronchitis die bronchopulmonale
Pharmakokinetik von Levofloxacin (TAVANIC) nach einer einmal täglichen 750 mg Dosis untersucht. Bei 18 dieser Patienten konnten
mittels Bronchoskopie die Levofloxacinkonzentrationen in den unterschiedlichen pulmonalen Kompartimenten bestimmt und mit der
Plasmakonzentration verglichen werden. Es
ergaben sich mittlere Plasmakonzentrationen
von 8,0 ± 2,5 mg / l nach vier Stunden, 5,8 ±
1,2 mg / l nach 12 Stunden und 2,2 ± 1,2 mg / l
nach 24 Stunden; die entsprechenden ELFKonzentrationen lagen nach vier Stunden bei
7,5 ± 3,0 mg / l, nach 12 Stunden bei 8,3 ± 6,0
mg/l und nach 24 Stunden bei 1,2 ± 0,9 mg / l.
57
Zeitschrift für Chemotherapie
In den Alveolarmakrophagen wurde eine
deutliche Anreicherung mit Konzentrationen
von 38,5 mg / l nach vier Stunden beobachtet.
Die mittleren AUC-Werte in Plasma und ELF
wurden mit 123 bzw. 139 mg / l x h berechnet.
Ein klinischer Erfolg wurde bei 17 der 19
auswertbaren Patienten nach fünftägiger Behandlung registriert.
Eine wichtige Interaktion wurde von Forschern aus New York berichtet, die über
eine deutliche Hemmung der Bioverfügbarkeit von Nelfinavir (VIRACEPT) durch
Omeprazol (OMEPRAZOL HEXAL u.a.)
berichteten. Bei 20 gesunden Versuchspersonen wurde Nelfinavir zweimal 625 mg
täglich alleine über vier Tage und nach einer
einwöchigen Pause nochmals über vier Tage
und dann zusammen mit Omeprazol 40 mg
täglich verabreicht. Es ergaben sich deutliche
Verminderungen der Maximalkonzentrationen von Nelfinavir in der Kombination (im
Mittel fast 40 %) mit Omeprazol; auch der
aktive Metabolit von Nelfinavir (M8) wies
eine beträchtliche Verminderung der Bioverfügbarkeit auf.
Deutsche Hämatologen untersuchten die
Pharmakokinetik von oralem Posaconazol
(NOXAFIL) bei neutropenischen Patienten
mit akuter myeloischer Leukose. In einer
randomisierten multizentrischen Studie wurde Posaconazol 200 mg dreimal täglich
verglichen mit einer Standardprophylaxe aus
Fluconazol (DIFLUCAN u.a.) 400 mg täglich
oder Itraconazol (SEMPERA) 200 mg zweimal täglich bei insgesamt 215 Patienten. Die
Serumkonzentrationsbestimmungen ergaben zwar nicht unerhebliche Schwankungen
der Konzentrationen, jedoch konnte kein
Zusammenhang zwischen z.B. niedrigen Serumkonzentrationen von Posaconazol und
einer invasiven Pilzinfektion nachgewiesen
werden. Faktoren, die mit einer verminderten
Posaconazolkonzentration verbunden waren,
betrafen zum Beispiel Durchfälle, erhöhte
Gamma-GT-Konzentrationen und die gleichzeitige Gabe eines Protonenpumpenhemmers.
Die Autoren folgern aus ihren Untersuchungen, dass die empfohlenen Posaconazol-Dosierungen mit dreimal 200 mg täglich auch
bei neutropenischen Patienten mit akuter
myeloischer Leukose effektiv sind, bei denen
sie invasive Pilzinfektionen verhinderten.
Erfreulich war die große Anzahl von Vorträgen und Postern zu neuen Antibiotika.
Sowohl neue orale und parenterale Carbapeneme sowie Cephalosporine wurden präsentiert, aber auch neue Fluorchinolone sowie
ganz neue antibakteriell aktive Moleküle
wie die so genannten Fab-Inhibitoren, Substanzen mit Hemmung der bakteriellen Fettsäurebiosynthese. Auch auf dem Gebiet der
Oxazolidinon-Derivate wird die Forschung
fortgesetzt und mehrere neuere Substanzen
in der frühen Phase der Entwicklung wurden
demonstriert.
Eigenrecherche
58
November/Dezember 2006 - 27. Jahrg.
Mittel der Wahl
Aktivität von Tigecyclin gegen multiresistente Erreger
In griechischen Krankenhäusern werden vermehrt multiresistente Erreger insbesondere
im intensivmedizinischen Bereich isoliert.
Zwischen September 2003 und November
2005 wurden in 17 Schwerpunktkrankenhäusern im Einzugsbereich von Athen bakterielle
Erreger untersucht, die mindestens zwei oder
mehr Resistenzen gegenüber den üblichen
Antibiotika aufwiesen. Insgesamt wurden
knapp 400 klinische Isolate analysiert. Unter
100 Klebsiella pneumoniae-Stämmen wiesen
27 eine ESBL-Produktion auf, 26 bildeten Metallo-Beta-Laktamasen und ESBL, 54 Stämme
wiesen nur eine Metallo-Beta-Laktamase-Bildung auf. Sämtliche Stämme waren zwischen
93 % und 100 % sensibel gegenüber Tigecyclin
(TYGACIL) mit MHK90 -Werten von 2 mg/ l.
Auch 15 Colistin-resistente Klebsiella pneumoniae-Stämme waren mit einem MHK90 Wert von 0,5 mg / l durchweg sensibel. Unter
den 43 E. coli-Isolaten waren 33 ESBL-Produzenten, sechs wurden als Bildner von Metallo-Beta-Laktamasen identifiziert, sämtliche
Stämme waren Tigecyclin-sensibel mit einem
MHK90 -Wert von 0,5 mg / l. Gleichfalls zu
99 % sensibel waren 100 Acinetobacter baumannii-Stämme, darunter drei Colistin-resistente Erreger. 91 MRSA-Isolate waren zu
98,9 % Tigecyclin-sensibel, der MHK90 -Wert
betrug 0,25 mg / l. 60 Vancomycin-resistente
Enterococcus faecium-Isolate, darunter fünf
Linezolid- (ZYVOXID) resistente Stämme
wiesen eine hohe Empfindlichkeit mit einem
MHK90 -Wert von 0,06 mg / l auf.
FOLGERUNG DER AUTOREN: Tigecyclin (TYGACIL) erwies sich bei einer
großen Zahl von multiresistenten gramnegativen und grampositiven bakteriellen
Isolaten aus 17 griechischen Schwerpunktkrankenhäusern als außerordentlich wirksames neues Antibiotikum.
SOULI, M. et al.
Antimicrob Agents Chemother 2006;
50: 3166 - 3169
Wirksamkeit von Daptomycin
gegen MRSA in Holland
Die Inzidenz von Methicillin-resistenten
Staphylococcus areus-Stämmen (MRSA) in
Holland ist im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sehr gering. Aus diesem
Grunde wurde eine Stammsammlung von
MRSA aus den Jahren 1989 bis 1998 hinsichtlich der Sensibilität gegenüber einem neuen
Lipopeptid-Antibiotikum, dem Daptomycin
(CUBICIN), analysiert. Insgesamt wurden 98
MRSA-Stämme untersucht, darunter befanden sich 19 heterogen Glykopeptid-resistente
Stämme (hGISA). Der MHK-Wert von Daptomycin wurde mittels des E-Test-Systems bestimmt. Es ergab sich gegenüber Daptomycin
eine 100 %ige Sensibilität mit einem MHK90 Wert von 0,75 mg / l. Gegenüber Gentamicin
(REFOBACIN u.a.) waren 44 % der MRSAStämme resistent, gegenüber Cotrimoxazol
(COTRIM HEXAL u.a.) bestand eine 11 %ige
Resistenz; die entsprechenden Resistenzdaten
gegenüber Ciprofloxacin (CIPROBAY u.a.)
betrugen 72 %, gegenüber Erythromycin
(ERYTHROCIN u.a.) ebenfalls 72 %, auch
Clindamycin (SOBELIN u.a.) mit 42 % Resistenz und Rifampin (RIFA u.a.) mit 21 %
Resistenz wiesen ungünstige Werte auf. Bei
den 19 hGISA-Stämmen wurde eine geringe
Erhöhung der Daptomycin-MHK-Werte auf
2 mg / l im Mittel beobachtet, allerdings waren
die minimalen bakteriziden Konzentrationen
(MBK) nur unwesentlich über den MHKWerten erhöht.
FOLGERUNG DER AUTOREN: Diese
In-vitro-Daten aus Holland belegen die
gute Aktivität von Daptomycin (CUBI CIN) gegenüber Methicillin-resistenten
Staphylokokken (MRSA) mit und ohne
verminderter Vancomycin- (VANCOMYCIN u.a.) Empfindlichkeit.
DIEDEREN, B.M.W. et al.
Antimicrob Agents Chemother 2006;
50: 3189 - 3191
Moxifloxacin zur TuberkuloseBehandlung?
Ein bedeutsames Ziel in der klinischen Tuberkulose-Forschung ist es, den Zeitraum
der notwendigen Behandlung gegenüber der
Standard-Therapie von sechs Monaten zu
verkürzen. In Tiermodellen erwiesen sich
moderne Fluorchinolone wie Moxifloxacin
(AVALOX u.a.) als sehr wirksame sterilisierende Substanzen zusammen mit Isoniazid
(ISOZID u.a.), Rifampicin (RIFA u.a.) und
Pyrazinamid (PYRAFAT u.a.). In einer
multinationalen Studie wurden Patienten mit
Sputum-positiven Befunden randomisiert
und erhielten entweder Moxifloxacin oder
Ethambutol (MYAMBUTOL u.a.) über fünf
oder drei Tage wöchentlich in Kombination
mit Isoniazid, Rifampicin und Pyrazinamid.
Der primäre Endpunkt war die Anzahl der
Patienten mit einer negativen Sputum-Kultur nach zweimonatiger Behandlung. Die
Daten von insgesamt 277 Patienten wurden
analysiert. Die zweimonatige Konversionsrate
betrug 71 % sowohl für Moxifloxacin wie auch
für Ethambutol. Zwischen der Behandlung
für wöchentlich fünf oder drei Tage wurden
keine Unterschiede beobachtet. Nach vier
und sechs Wochen war die Sputum-Konversionsrate unter Moxifloxacin geringfügig
höher als unter Ethambutol (p = 0,05 und
p = 0,06). Mehr Moxifloxacin-behandelte
Patienten berichteten über Übelkeit im Vergleich zur Ethambutol-Gruppe. Die gesamte
November/Dezember 2006 - 27. Jahrg.
Zeitschrift für Chemotherapie
Behandlungdauer wurde von der Mehrzahl
der Patienten eingehalten und war mit 88 %
versus 89 % nicht unterschiedlich zwischen
den beiden Behandlungsarmen.
FOLGERUNG DER AUTOREN: In
dieser Vergleichsstudie erwies sich Moxifloxacin (AVALOX) als nicht effektiver als
die Standardtherapie mit Ethambutol (MYAMBUTOL u.a.). Die hohe Aktivität gegen
Mycobacterium tuberculosis von Moxifloxacin dürfte jedoch in weiteren Studien
insbesondere bei resistenten TuberkuloseErregern von besonderem Interesse sein.
BURMANN, W.J. et al.
Am J Respir Crit Care Med 2006; 174: 331 - 338
Pharmapolitik
FDA: Keine neuen Antibiotika für
respiratorische Infektionen
Ende Oktober 2006 wurde der Antrag der Firma Replidyne, Colorado (USA) bezüglich der
Einführung ihres neuen Betalaktamantibiotikums Faropenem (in Deutschland nicht im
Handel) für die Indikationen akute bakterielle
Sinusitis, akute Exazerbation der chronischen
Bronchitis, unkomplizierte Haut- und Hautweichteilinfektion und ambulant erworbene
Pneumonie von der FDA abgelehnt. Zur
Begründung verweist die FDA darauf, dass
mit Ausnahme der ambulant erworbenen
Pneumonie die anderen Infektionen auch
ohne Antibiotika eine hohe Spontanheilungsrate hätten und neue Antibiotika daher nicht
notwendig wären. Grundsätzlich verlangt die
FDA bei diesen Indikationen Placebo-kontrollierte Studien, in denen eine Überlegenheit des
neuen Antibiotikums demonstriert werden
muss. Diese Entscheidung der FDA wird von
verschiedenen Seiten heftig kritisiert. Zum einen wird bemängelt, dass es nicht Aufgabe der
FDA ist, die ärztlichen Therapiegewohnheiten
erzieherisch zu verändern. Darüber hinaus ist
es außerordentlich schwierig, bei den genannten Indikationen ärztliche Teilnehmer zu
finden, die zu einer Placebo-Studie bereit sind.
Keine der derzeitigen nationalen und internationalen Richtlinien empfiehlt die Gabe von
Placebo bei eindeutig bakterieller Genese der
genannten Infektionen. Sehr problematisch
ist diese Entscheidung auch für die forschende
Industrie, die keine Investitionen in diesen
Bereich mehr vornehmen wird, wenn Zulassungen an derart schwierige Studienvoraussetzungen gebunden sind.
Es gibt allerdings durchaus auch infektiologische Berater der FDA, die diese Entscheidung
der FDA begrüßen, da sie vermeintlich mithelfe, einen unnötigen Antibiotikaeinsatz zu
vermeiden und damit die Resistenzentwicklung zu begrenzen.
Bio Century 2006; 14: No. 48, A1 - A6
Infektionsepidemiologie
SAFDAR, A. et al.
Eur J Clin Microbiol Infect Dis 2006;
25: 522 - 526
HIV und AIDS in Deutschland
Verändertes Spektrum der
Sepsiserreger bei Tumorpatienten
In den letzten 20 Jahren ist es zu einer Dominanz von grampositiven bakteriellen Sepsiserregern bei Tumorpatienten gekommen,
die gramnegative Erreger in großem Umfang
verdrängt haben. Dieses beruht auf der Zunahme von endovaskulären Kathetern und
damit auch mit vermehrten Infektionen durch
Koagulase-negative Staphylokokken. In einem
großen nordamerikanischen Tumorzentrum
in Houston wurde die Epidemiologie der Sepsiserreger bei Tumorpatienten in den Jahren
1998 und 2004 verglichen. Neben der epidemiologischen Verteilung der Erreger wurde
auch die Anzahl der jeweiligen Bakterien in
den Blutkulturen bewertet, da eine hohe Zahl
von > 200 Kolonie-bildenden Einheiten pro
ml mit einer stärker ausgeprägten Infektion
und einem höheren letalen Risiko einhergeht. Grampositive Erreger dominierten in
beiden Jahren, im Jahre 1998 wurden in 1055
Blutkulturen 740 grampositive Erreger (73 %)
isoliert, im Jahre 2004 lag diese Zahl bei 1025
Blutkulturen mit 82 % noch höher. Bei dem
Vergleich von Blutkulturen mit hoher Bakterienzahl wurden gramnegative Erreger mit
28 % versus 11 % für grampositive Bakterien im
Jahre 1998 und mit 30 % versus 10 % im Jahre
2004 signifikant häufiger registriert. Im Jahre
2004 waren darüber hinaus positive Blutkulturen mit Stenotrophomonas maltophilia und
Acinetobacter Spezies signifikant häufiger
mit einer hohen Bakterienzahl assoziiert im
Vergleich zu Blutkulturen mit Pseudomonas
aeruginosa (47 versus 23 %). Bei den grampositiven Erregern ergab sich hinsichtlich einer
hohen Bakterienzahl im Jahre 1998 eine disproportionale Verteilung zwischen S. aureus
(50 %) und Streptococcus Spezies (35 %) versus
Koagulase-negativen Staphylokokken mit
13 %; diese Unterschiede wurden im Jahre 2004
nicht mehr beobachtet, in dem alle drei grampositiven Keimspezies etwa in gleicher Anzahl
zwischen 20 und 22 % in hoher Anzahl in den
Blutkulturen nachweisbar waren.
FOLGERUNG DER AUTOREN: Bei dem
Vergleich von Sepsiserregern bei Tumorpatienten in den Jahren 1998 und 2004 fiel eine
Zunahme von grampositiven Erregern auf,
wobei insbesondere die hohe Anzahl von
Koagulase-negativen Staphylokokken in
den Blutkulturen im Jahre 2004 bemerkenswert war. Darüber hinaus war S. maltophilia
neu aufgetreten im Jahre 2004 als ein sehr
bedrohlicher gramnegativer Erreger. Die
empirische antibiotische Anfangstherapie
- insbesondere bei neutropenischen Patienten - sollte diese veränderte bakterielle
Epidemiologie beachten.
Bis zum 1.09.2006 wurden dem Robert KochInstitut für das 1. Halbjahr 2006 insgesamt
1.197 neu diagnostizierte HIV-Infektionen
gemeldet. Damit blieb die Zahl der HIV-Neudiagnosen im ersten Halbjahr 2006 auf dem
hohen Niveau der beiden vorausgegangenen
Halbjahre 2005 (jeweils 1.254 bzw. 1.232 HIVNeudiagnosen) und liegt aktuell 50 % höher
als in den Jahren 1999 bis 2001. Betrachtet man
die Entwicklung der HIV-Neudiagnosen in
den verschiedenen betroffenen Gruppen, lassen sich gegenüber den beiden Vorhalbjahren
keine wesentlichen Änderungen feststellen.
In der Gruppe der homosexuellen Männer
nimmt die Zahl nur noch leicht um 3 %
gegenüber dem Vorhalbjahr zu und erreicht
damit den höchsten Wert seit 1993. Erstmals
seit 2001 stellen im ersten Halbjahr 2006
Personen, die ihre HIV-Infektion durch heterosexuelle Kontakte erworben haben und
nicht aus Hochprävalenzländern stammen,
mit 17 % die zweitgrößte Betroffenengruppe
dar und verdrängen damit Personen, die aus
Ländern mit einer hohen HIV-Prävalenz in
der allgemeinen Bevölkerung stammen.
Zwischen dem 1.07.2005 und dem 30.06.2006
sind insgesamt 820 Berichte über neu an AIDS
erkrankte Personen eingegangen. Damit steigt
die Gesamtzahl der an das Robert Koch-Institut berichteten, seit Beginn der Epidemie mit
dem Vollbild AIDS erkrankten Personen auf
insgesamt 24.620. Unter den neuen AIDSErkrankten waren 81 % Männer und 19 %
Frauen. Bis zum 30.06.2006 sind 13.427 AIDSErkrankte (54,5 %) seit Beginn der Epidemie in
Deutschland verstorben.
Epidem Bulletin 2006; Sonderausgabe B,
31.10.2006
Pharmakokinetik
Pharmakokinetik von Ertapenem bei
Patienten mit Niereninsuffizienz
Ertapenem (INVANZ) unterscheidet sich
von den anderen verfügbaren Carbapenemen
durch eine relativ lange Verweildauer im
Organismus. Die Eliminationshalbwertzeit
wurde bei gesunden jungen Probanden mit
3,8 bis 4,4 Stunden ermittelt. Dadurch wird
die einmal tägliche Verabreichung möglich
(vgl. www.zct-berlin.de /neueinfuehrungen).
In einer Dosierung von einmal täglich 1,0 g
i.v. kann Ertapenem bei ambulant erworbener
Pneumonie, bei Haut- und Weichgewebsinfektionen und bei intraabdominellen Infektionen angewandt werden. Die Ausscheidung
des ß-Laktamantibiotikums erfolgt fast aus-
59
November/Dezember 2006 - 27. Jahrg.
Zeitschrift für Chemotherapie
schließlich über die Niere. Da die Behandlung
mit Carbapenemen vor allem bei zu hohen
Plasmakonzentrationen zu Krampfanfällen
führen kann, muss bei einer eingeschränkten
Nierenfunktion die Dosierung reduziert werden. 1,2 Nach Hinweisen des Herstellers ist bei
Patienten mit einer Kreatinin-Clearance von
> 30 ml /min / 1,73 m 2 keine Dosisanpassung
erforderlich. Die AUC-Werte der Gesamtkonzentration des Antibiotikums sind bei
Patienten mit mäßiger Niereninsuffizienz (31
– 59 ml /min) etwa 1,5-mal größer als jene von
gesunden Erwachsenen. Berechnet man den
nicht an Plasmaproteine gebundenen Anteil
des Antibiotikums, so ist die AUC 1,8-mal
größer als bei den Patienten der Vergleichsgruppe. Bei Patienten mit fortgeschrittener
Einschränkung der Nierenfunktion (Kreatinin-Clearance: unter 5 bis 25 ml /min) sind die
AUC-Werte bis zum 3,4fachen erhöht. Diese
Daten wurden in einer Studie mit insgesamt 26
Patienten mit unterschiedlich eingeschränkter
Nierenfunktion ermittelt. Bei dialysepflichtigen Patienten mit terminaler Insuffizienz,
kam es zu einem weiteren Anstieg der Antibiotikaspiegel im Plasma. Bei den Kontrollen
ohne Nierenfunktionseinschränkung wurde
eine Eliminationshalbwertzeit von 4,5 Stunden errechnet, bei den drei Gruppen von Patienten mit zunehmender Niereninsuffizienz
betrug die Halbwertzeit im Mittel 4,4 (leichte
Einschränkung), 6,1 (mäßige Einschränkung),
und 10,6 Stunden (fortgeschrittene Niereninsuffizienz). Bei terminaler Insuffizienz lag sie
bei 14,1 Stunden. Durch Hämodialyse wird
etwa ein Drittel einer verabreichten Dosis
entfernt. Bei Patienten mit fortgeschrittener
Niereninsuffizienz (< 30 ml /min) empfehlen
die Autoren eine Reduktion der Dosierung
von 1,0 auf 0,5 g.
FOLGERUNG DER AUTOREN: Ertapenem (INVANZ) wird hauptsächlich über
die Nieren eliminiert. Bei deutlich eingeschränkter Nierenfunktion (KreatininClearance < 30 ml /min / 1,73 m 2 ) muss die
Dosierung reduziert werden.
1. Fachinfo INVANZ, MSD, Haar,
September 2006
2. MISTRY, G.C. et al.
J Clin Pharmacol 2006; 46: 1128 - 1138
Nebenwirkungen
Delirium unter einer ClarithromycinTherapie
Clarithromycin (KLACID u.a.) ist ein Makrolid-Antibiotikum mit zahlreichen Indikationen insbesondere bei Infektionen der Atemwege. Bisherige Nebenwirkungsmeldungen
bezüglich des zentralen Nervensystems durch
Clarithromycin bestanden hinsichtlich Ototoxizität, Cephalgien und Benommenheit. In
der vorliegenden Kasuistik wird von einer 63
60
Jahre alten Patientin berichtet mit einer anamnestisch bekannten arteriellen Hypertonie,
die mit Ceftriaxon (ROCEPHIN u.a.) 2 g i.v.
täglich und zweimal 500 mg Clarithromycin
i.v. täglich wegen einer schweren Pneumonie
behandelt wurde. Zusätzlich erhielt die Patientin Heparin wegen Vorhofflimmerns. Am
dritten Tag der Behandlung mit den beiden
Antibiotika entwickelte die Patientin eine akute Episode mit Agitation und Delirium, die
eine Therapie mit Haloperidol (diverse Handelsnamen) notwendig machte. Ein CT des
Schädels war unauffällig. Unmittelbar nach
Absetzen des Clarithromycins verschwand die
zerebrale Symptomatik. Eine weitere psychiatrische Beobachtung der Patientin ergab keine
zusätzlichen medizinischen Informationen.
Hinzuweisen ist noch auf eine komplett normale Nierenfunktion bei der beschriebenen
Patientin.
Impressum
Zeitschrift für Chemotherapie
Eichenallee 36a, 14050 Berlin
Herausgeber: Prof. Dr. med. H. Lode
Mitherausgeber: Prof. Dr. med. R. Stahlmann
Redaktion: Prof. Dr. med. H. Lode (verantwortlich), Prof.
Dr. med. R. Stahlmann, Frau R. Schoeller-Wiley (Fachärztin), Dr. M. Kresken, Bonn, Fr. H. Pretorius (Redaktionsassistentin).
Die Zeitschrift für Chemotherapie erscheint zweimonatlich. Bezug nur im Abonnement. Jahresbezugspreise für
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für Firmen, Behörden und andere Institutionen mit Mehrfachlesern 62,- Euro.
Frühere Berichte erwähnen nur wenige ZNSStörungen durch Clarithromycin in hoher
Dosis, z.B. entwickelten zwei Patienten mit
einer Clarithromycin-Prophylaxe gegen M.
avium eine Manie und einige wenige ältere
Patienten klagten über Verwirrung und
Schlaflosigkeit.
FOLGERUNG DER AUTOREN: Eine
Nebenwirkungsreaktion wie ein Delirium
zusammen mit Agitation unter Makroliden ist außerordentlich selten. Der hier
beschriebene Fall aus Spanien sollte jedoch
daran erinnern, dass dieses auch unter einer
Therapie mit Clarithromycin (KLACID
u.a.) auftreten kann.
DE VER A, C.V. et al.
Eur Respir J 2006; 28: 671 - 672
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 1980 Zeitschrift für Chemotherapie (H. Lode), Berlin
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