Kundenloyalität messen und gestalten Ergebnisse der Befragung von über 23.000 Kunden bei mehr als 120 Sporthändlern der Verbundgruppe INTERSPORT durch die BBE Handelsberatung eingereicht von: Prof. Dr. Klaus Gutknecht Munich University of Applied Sciences (FH), Fakultät für Betriebswirtschaft, Schwerpunkt Handels-, Dienstleistungs- und E-Marketing. und Gunter Ehe Textil-Bw. BTE, Unternehmensberater, BBE Handelsberatung, München September 2006 Kundenloyalität messen und gestalten Ergebnisse der Befragung von über 23.000 Kunden bei mehr als 120 Sporthändlern der Verbundgruppe INTERSPORT durch die BBE Handelsberatung Kundenzufriedenheits- und Loyalitätsmessung für INTERSPORT-Fachhändler Was bedeutet es, wenn ein Kunde sagt „ich bin zufrieden mit dem Geschäft“? Ist das der Anspruch, den ein Geschäft erfüllen soll? Reicht das heutzutage überhaupt noch aus? Der Kenntnisstand im modernen Marketing ist der, dass Unternehmen ihre Kunden begeistern sollten (vgl. Kotler, P., Marketing Management 2003, 11th Edition, New Jersey, S. 59). Das ist ein deutlich höherer Anspruch, als sie nur zufrieden zu stellen. In besonderer Weise muss dies für den Fachhandel gelten. Nimmt dieser doch für sich in Anspruch, eine große Kundennähe zu besitzen. Anders wären auch die vergleichsweise hohen Personalkosten nicht zu rechtfertigen. Nun messen aber viele Fachhändler nur selten die Kundenzufriedenheit oder gar die Kundenbegeisterung – sei es aus Gründen fehlenden Wissens oder fehlender Ressourcen (personell oder finanziell). Diese Überlegungen haben die Verbundgruppe INTERSPORT Deutschland bewogen, für ihre Mitglieder – das sind über 1200 Sportartikelhändler in Deutschland – eine moderne Methodik der Kundenzufriedenheitsmessung anzubieten. Dabei wurde auch der Grad der Kundenloyalität bzw. die Kundenbegeisterung berücksichtigt. Durchgeführt wurde die Erhebung im Zeitraum Herbst 2005 bis Frühjahr 2006 von der BBE Handelsberatung in München. An der Befragung haben über 120 INTERSPORTFachgeschäfte teilgenommen. Mehr als 23.000 Kunden haben den dreiseitigen Fragebogen ausgefüllt und eingesendet. Dadurch war es möglich, unternehmensübergreifende Daten zu gewinnen. Die Unternehmen, die an der Studie teilgenommen haben, können nun ihre Befragungsergebnisse für jede einzelne Fragenkategorie genau mit dem Durchschnitt, mit Kollegenergebnissen aber auch mit den besten Betrieben (Benchmark) vergleichen. Dazu hat die BBE Handelsberatung eine Software erstellt, die jedem Teilnehmerbetrieb interaktive Auswertungen erlaubt. Die Eingabe von firmenspezifischen Codes in der Software ermöglicht die Freischaltung von 10 unterschiedlichen Betrieben. Somit kann sich der Unternehmer auch an anderen, vergleichbaren bzw. besonders erfolgreichen Häusern orientieren und messen, was insbesondere auch für Unternehmen mit mehreren Filialen von großem Vorteil ist (internes Benchmarking). Die Grafik zeigt das Hauptmenü mit den einzelnen Abfragekategorien. 1 Abb.: Benutzermenü der Auswertungssoftware Kundenloyalität kann man messen Ein wichtiges Anliegen der Studie war es, neben der Kundenzufriedenheit auch den Grad der Kundenloyalität zu messen. Wissenschaftlich unterstützt wurde die BBE Handelsberatung von Prof. Dr. Klaus Gutknecht von der Fachhochschule in München. Dadurch konnte erstmals in einer umfassenden Studie für den deutschen Fachhandel ein in den USA entwickeltes Instrument zur Messung der Kundenloyalität eingebracht werden. Der Hintergrund: Basierend auf tausenden von Kundenbefragungen wurde in den USA von Frederick Reichheld eine Messgröße entwickelt, mit deren Hilfe auf einfache Art und Weise die Kundenloyalität gemessen werden kann (vgl. Reichheld, F.: The One Number You Need to Grow, in: Harvard Business Review, December 2003; Reichheld, F.; Seidensticker, F. J.: Die ultimative Frage, 2006.). Es wurde herausgefunden, dass diese Größe zudem das Unternehmenswachstum besonders gut erklären kann. Gemessen wird dabei der Anteil der Kunden eines Betriebes, die bereit sind das Unternehmen bzw. dessen Leistungen anderen zu empfehlen. Diese Kunden lassen sich auch als Promotoren ansehen. Gemessen werden kann diese Weiterempfehlungsbereitschaft durch eine einzige Frage. Sie lautet „Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie uns an einen/eine Freund/Freundin oder Kollegen/Kollegin weiterempfehlen werden?“, wobei die Antwortskala von 1 (sehr unwahrscheinlich) bis 10 (sehr wahrscheinlich) geht. Die Auswertung der Befragungsergebnisse erfolgt auf der Basis einer spezifischen Mess2 vorschrift, die als Ergebnis eine Zahl liefert: den so genannten „Net Promoter Score“ (übersetzt „Netto-Empfehler-Quote“). Dieser gibt den Anteil der Promotoren oder Empfehler eines Unternehmens an, abzüglich des Anteils der so genannten „Kritiker“. Wer anderen ein Unternehmen empfiehlt, so die Logik hinter der Kennzahl, muss besonders loyal gegenüber dem Betrieb und seinen Leistungen eingestellt sein. Hohe Loyalitätswerte für die INTERSPORT-Fachhändler Für die Sportfachhändler der INTERSPORT war die Vermutung die, dass die NettoEmpfehler-Quote (abgekürzt „NEQ“) aufgrund des durch den Verbund sichergestellten hohen Leistungsniveaus recht hoch liegen müsste. Die Ergebnisse der Studie bestätigen diese Vermutung eindeutig: Die durchschnittliche Netto-Empfehler-Quote liegt für die untersuchten Sportfachhändler bei 39%. Zum Vergleich: In den USA wurde branchenübergreifend ein Durchschnittswert von nur 16% registriert (vgl. Reichheld, ebd.). Der beste INTERSPORT-Fachhändler erreicht sogar einen Scorewert von 68% (siehe Grafik). Abb.: Durchschnittliche Netto-Empfehler-Quote der INTERSPORT-Fachhändler im Vergleich zum besten Betrieb (Benchmark) in der Studie Bemerkenswert ist dabei, dass die NEQ den Unterschied zwischen besseren und schwächeren Betrieben deutlicher zum Ausdruck bringen kann als die zugleich 3 erhobene Kundenzufriedenheit. In der Untersuchung wird über alle Betriebe eine durchschnittliche Kundenzufriedenheit von 74% erreicht (Messskala: 100% = vollkommen zufrieden bis 0% = unzufrieden), aber das untere Drittel der Betriebe erzielt immerhin noch einen durchschnittlichen Zufriedenheitswert von 69%. Die Unterschiede zwischen besseren und weniger starken Betrieben werden deutlicher sichtbar durch die NEQ (dies ist signifikant und nicht primär auf die Fragenskalierung zurückzuführen). Hier erzielt das untere Drittel der Betriebe nur einen etwa halb so hohen Scorewert von 20% im Vergleich zum Durchschnitt der Betriebe, deren Wert bei 39% liegt. Das obere Drittel der Betriebe erreicht sogar 50%. Abb.: Die Netto-Empfehler-Quote differenziert besser als die Kundenzufriedenheit Die Auswertung zeigt, dass sich die Betriebe signifikant im Hinblick auf die Weiterempfehlungsbereitschaft ihrer Kunden unterscheiden. Die NEQ ist somit ein wichtiger Indikator für die so genannte „Mund-zu-Mund-Werbung“ der Konsumenten. Gelingt es einem Unternehmen seine Kunden zu begeistern, so erwachsen daraus viele Vorteile für das Unternehmen: Die Weiterempfehlungsbereitschaft bedeutet zugleich Wachstumspotenzial für das Unternehmen und Kundenloyalität. Außerdem ist die Mund-zu-MundWerbung besonders glaubwürdig, wodurch das Unternehmen auch besser gegenüber Wettbewerbern und deren Werbemaßnahmen geschützt ist. Auf einen anderen Zusammenhang sei ebenfalls hingewiesen: Die NEQ ist auch dann vergleichsweise hoch, 4 wenn das Unternehmen wenige „Kritiker“ hat. Viele Kritiker bedeuten hingegen negative Mund-zu-Mund-Werbung, wodurch entsprechend negative Effekte resultieren. Personal und Service prägen die Weiterempfehlungsbereitschaft Die Detailfragen der Untersuchung zur Zufriedenheit der Kunden mit einzelnen Leistungsbereichen ermöglichen auch Analysen über die Ursachen einer hohen oder geringen NEQ. Dadurch lässt sich die Frage beantworten, welche Einflussgrößen die Weiterempfehlungsbereitschaft der befragten Kunden geprägt haben. Das Ergebnis: Besonders großen Einfluss haben die Leistungsfaktoren Personal und Service. Sie sind relativ hoch mit der NEQ korreliert. Es sind also diese fachhandelstypischen Leistungsbereiche, die zu einer hohen Weiterempfehlungsbereitschaft der Kunden führen können. Vorausgesetzt, es wird diesbezüglich ein hohes Qualitätsniveau erreicht. Wichtig sind zwar auch Sortiment, Preise und Ladengestaltung bzw. Atmosphäre, aber diese Faktoren können Unterschiede zwischen den Betrieben im Hinblick auf die NEQ nicht so gut erklären, wie Personal- und Serviceleistungen. Für den Bereich Personal unterscheiden sich die Betriebe vor allem im Hinblick auf die Bewertung der Fachkompetenz des Verkaufspersonals und den vom Kunden wahrgenommenen Spaß an der Arbeit. Ist die Fachkompetenz mit einer spürbaren Freude an der Arbeit verbunden, so überträgt sich dies offensichtlich auf die Kunden. Dieser Sachverhalt kann anhand der Grafik abgelesen werden. Sie zeigt, inwieweit sich ein Betrieb mit hoher NEQ (blaue Fläche) für den Leistungsbereich „Personal“ vom Durchschnitt (rote Linie) der Sportfachhändler unterscheidet. Auch diese Darstellung können die Teilnehmerbetriebe in der Software interaktiv abrufen. 5 Abb.: Unterschiede zwischen Durchschnitt und bestem Betrieb im Bereich Personal Es sind also weniger die sachlichen Faktoren wie Ware oder Fläche, die Kunden zur Weiterempfehlung eines Sportfachhändlers bewegen, sondern es sind vor allem die Menschen, die dort arbeiten. Deren herausragende Fachkompetenz und auch deren positive Ausstrahlung werden geschätzt und können in besonderer Weise Kundenloyalität bzw. Kundenbegeisterung auslösen. Untermauert wird dieser Befund dadurch, dass auch im Bereich des Serviceangebots deutliche Unterschiede zwischen den Betrieben mit hoher NEQ und den diesbezüglich mittelmäßigen bzw. schlechteren Unternehmen existieren. Hier sind es vor allem professionelle Kursangebote bzw. Workshops zu Sportthemen, Laufbandanalyse, Werkstattservice und andere Serviceleistungen, die Begeisterung beim Kunden für den Sportfachhändler auslösen können. Hinzu kommt eine so genannte „BestpreisGarantie“. Auch hierin unterscheiden sich die exzellenten Betriebe vom Durchschnitt (allerdings nicht ganz so stark wie für die zuvor genannten Faktoren). Wirkt also ein Betrieb auch preislich leistungsfähig, so können gute Beratung und Service ihre Wirkung auf die Kundenbegeisterung voll entfalten. Hierbei darf aber nicht verkannt werden, dass es Wechselwirkungen zwischen Beratung und Service auf der einen Seite und preislicher Leistungsfähigkeit auf der anderen Seite geben kann. Viele erfolgreiche Unternehmen im Verbund der INTERSPORT haben erkannt, dass die regelmäßige Messung der Kundenzufriedenheit und –loyalität Optimierungspotenziale aufzeigt und Fortschritte in der angestrebten Leistungssteigerung kontrollieren hilft. So 6 hat beispielsweise die Firma INTERSPORT Krumholz mit Stammsitz in Neuwied (zum wiederholten Male) mit allen 5 Filialen an der Untersuchung teilgenommen. Hierzu Paul Krumholz: „Wir wollen unsere Kunden nicht nur zufrieden stellen, sondern begeistern. Dies schaffen wir nur, wenn wir neben einem professionellen Sortiment auch Spitzenleistungen im Bereich Personal und Service erbringen. Leistungen müssen aber gemessen werden, um sie zu steigern und zu verbessern, das ist im Sport ja auch ganz normal. Das hervorragende Auswertungs-Tool mit den direkten Vergleichsmöglichkeiten unserer Filialen untereinander hilft uns zu erkennen, an welchen Schrauben wir weiter drehen müssen und wo wir schon nahe am Benchmark dran sind. Auch die neu eingeführte Messung der Netto-Empfehler-Quote hat uns überzeugt: Sie bringt die Sache auf den Punkt! Hier haben wir uns bereits klare Ziele für die nächsten Jahre gesteckt!“. Der Sportfachhändler, der seine Kunden begeistert Ein attraktives Sortiment, wettbewerbsfähige Preise, eine ansprechende Ladengestaltung und ausreichende Fläche sind natürlich wichtige Faktoren für den Sportfachhandel. Eine Verbundgruppe wie die INTERSPORT kann seinen Mitgliedern diesbezüglich ein hohes Leistungsniveau sichern. Um aber die Kunden zu begeistern, muss der Unternehmer in den Bereichen Personal und Service Herausragendes leisten. Die Untersuchung zeigt ganz deutlich, dass die Kunden es merken, wenn einem Betrieb dies gelingt. Sie sind dann stark motiviert, den Sporthändler weiter zu empfehlen. Entscheidend ist dabei aber nicht die Quantität des Personals und die Anzahl der Serviceleistungen, sondern die Qualität. Hohe Personal- und Servicekosten sind keine Garantie für Kundenbegeisterung. Vielmehr gilt es motivierte und fachkundige Mitarbeiter für das Unternehmen zu gewinnen und zu fördern. Diese müssen auch in der Lage sein, Serviceleistungen in profilierender Form zu erbringen und zu kommunizieren. Der Unternehmer bzw. die Unternehmerin ist daher gefordert, ein professionelles Personalmanagement zu betreiben, das zu einer motivierenden Arbeitsatmosphäre und hoher Mitarbeiterzufriedenheit führt. Der Einfluss der Mitarbeiterzufriedenheit auf die Kundenzufriedenheit ist aus vielen anderen Untersuchungen bekannt. Die professionelle Beratung und Verkaufskompetenz entsteht ebenfalls nicht von selbst. Die permanente Personalschulung – die nicht nur dem Hersteller überlassen wird – zeichnet gerade die besonders guten Betriebe aus. Im Hinblick auf die Serviceleistungen sollten (hohe) Qualitätsvorgaben definiert werden, wiederum stets unter Berücksichtigung der Kosten. Beratungs- und Serviceleistungen, mit denen man sich als Fachhändler insbesondere gegenüber Großbetrieben profilieren kann, sollten in herausragender Weise erbracht und kommuniziert werden. Dadurch kann Kundenbegeisterung entstehen und das 7 Unternehmen profitiert durch Weiterempfehlung und Kundenloyalität. Schließlich gilt, wer diese nicht kontinuierlich misst, kann sie auch nur schwerlich verbessern. Literatur Kotler, P.: Marketing Management, 11th Edition, New Jersey 2003. Reichheld, F.: The One Number You Need to Grow, in: Harvard Business Review, Dec. 2003. Reichheld, F.; Seidensticker, F. J.: Die ultimative Frage. Mit dem Net Promoter Score zu loyalen Kunden und profitablem Wachstum, München, Wien 2006. 8