Einfluss der Tumorbiologie auf Metastasierung

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Thema
Brustkrebs
Früher Brustkrebs
Einfluss der Tumorbiologie auf
Metastasierung, Früherkennung
und Rezidivierung
Früherkennung, brusterhaltende Operation, Sentinel-Lymphknoten-Technik, adäquate lokoregionale Kontrolle und gezielt eingesetzte adjuvante systemische Therapien
sind wesentliche Eckpfeiler eines modernen Brustkrebs-Managements. In den letzten
Jahren haben etliche originäre Arbeiten und Metaanalysen mit ihren Ergebnissen
wesentlich zur Klärung offener, oft kontrovers diskutierter Fragen – wie nach der
Sinnhaftigkeit des Mammographie-Screenings und dem Überlebensvorteil durch
Vermeidung von Lokalrezidiven – beigetragen. Bei einer weiteren offenen Frage, der
nach der prognostischen Bedeutung von Mikrometastasen und isolierten Tumorzellen, zeichnet sich ab, dass auch Absiedelungen in Lymphknoten und im Knochenmark
deutlich unterhalb der Größe von Makrometastasen klinisch relevant sind.
Wie „systemisch“ ist Brustkrebs?
Ob bzw. wie lange eine Mammakarzinompatientin nicht an ihrer
Krankheit verstirbt, hängt davon ab,
ob bzw. wie lange der Krebs daran
gehindert werden kann, sich fernab
des ursprünglichen Herdes anzusiedeln. Schicksalhaft stellt sich daher
in jedem neu entdeckten Fall in erster Linie die Frage nach dem Metastasierungsstatus der Krankheit. Die
Aussicht auf ein günstiges Ergebnis
hierbei steht im Zusammenhang mit
den biologischen Eigenschaften des
betreffenden Tumors und denen von
Brustkrebs im Allgemeinen.
Inwieweit Früherkennung zur Senkung der Brustkrebsmortalität beitragen kann, hängt im Wesentlichen
davon ab, wann Brustkrebs metastasiert. Dieses Risiko liegt in der Tumorbiologie begründet. Hierzu wurden im Laufe der Zeit verschiedene
Theorien entwickelt. Im ausgehen-
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den 20. Jahrhundert setzte sich weithin die Ansicht durch, Brustkrebs sei
eine systemische Krankheit – bis auf
seltene Formen, denen die Fähigkeit
zur Metastasierung fehlt. Demzufolge findet Metastasierung bereits zum
frühest möglichen Zeitpunkt statt;
Brustkrebs ist nach heutiger
Auffassung eine Krankheit,
die zwar zumeist nicht primär
systemisch ist, die aber
zu jedem Zeitpunkt des
Krankheitsverlaufs
systemisch werden kann.
d.h. praktisch mit der Tumorentstehung. Alternativ dazu wird heute eine
modifizierte Theorie favorisiert. Danach erlangen Primärtumoren überwiegend erst im Laufe ihrer Entwick-
lung die Fähigkeit zu metastasieren.
In diesem Szenario spielt es, anders
als bei der fatalistischen Theorie einer originär systemischen Krankheit,
eine entscheidende Rolle, den Krebs
möglichst frühzeitig zu entdecken –
so lange die begründete Hoffnung
besteht, dass er noch keine Metastasen gestreut hat.
Nach heutigem Verständnis der Biologie des Brustkrebses ist die Krankheit absolut sicher heilbar, sofern zwei
Voraussetzungen erfüllt sind: Zum
einen muss die Behandlung erfolgen, bevor sich Zellen vom Tumor
gelöst und entfernt haben. Zum anderen dürfen bei der Resektion keine
Tumorzellen im Operationsfeld verbleiben. Dass diese Idealbedingungen
vielfach nicht erfüllt sind, verdeutlicht die hohe Rezidivrate, insbesondere wenn keine zusätzliche lokale
Strahlentherapie erfolgt.
In Übereinstimmung mit der Vorstellung, Brustkrebs sei in einem frü-
Brustkrebs Thema
hen Stadium vielfach noch nicht systemisch, sollte von der Früherkennung
eine Verbesserung der Überlebensrate zu erwarten sein. Diesbezüglich
steht das Mammographie-Screening
auf dem Prüfstand.
Wird die Brustkrebsmortalität
durch Mammographie-Screening
gesenkt?
Bis in die Gegenwart hinein wurde der
Wert eines routinemäßigen Mammographie-Screenings zur Frühentdeckung
von Brustkrebs, um durch frühzeitige
Behandlung die krankheits-assoziierte Mortalitätsrate senken zu können,
immer wieder in Frage gestellt. Zum
einen wurden sowohl hohe Rate an falschen Krebsdiagnosen als auch die zu
hoch empfundene Rate an falsch negativen Befunden bemängelt. Andererseits standen methodologische Unzulänglichkeiten bestimmter Studien
mit positivem Ergebnis im Zentrum
der Kritik, die dazu führten, dass diese Studien in Metaanalysen wie insbesondere in denen von Gotzsche und
Olsen bzw. Olsen und Gotzsche (2000,
2001) unterbewertet wurden [1, 2] –
zu unrecht, wie ein Großteil der Leserschaft monierte.
Offi ziell hat sich in zahlreichen
Ländern wie auch in Deutschland
die Überzeugung durchgesetzt, Brustkrebsfrüherkennung mittels Mammographie erhöhe die Heilungschancen
für die betroffenen Frauen. Beruhend
auf einem Bundestagsbeschluss vom
Juni 2002 wird auf der Grundlage der
„Europäischen Leitlinien für Qualitätssicherung des MammographieScreenings“ ein Programm eingeführt, das allen Frauen zwischen 50
und 69 Jahren die Teilnahme an der
Röntgen-Reihenuntersuchung auf freiwilliger Basis ermöglicht.
Rückendeckung erhält diese Entscheidung durch die mehrheitlich positiven Ergebnisse einschlägiger Untersuchungen. Insbesondere jüngst zu
diesem Thema publizierte Arbeiten aus
verschiedenen Ländern bestätigen den
Nutzen des breiten MammakarzinomScreenings hinsichtlich verbesserter
Mortalitätsraten [3-6].
Komplizieren Lumpektomie und
Strahlenbehandlung die mammographische Untersuchung der
Brust?
Mit brusterhaltender Therapie werden hinsichtlich der lokoregionalen
Kontrolle und des Überlebens vergleichbar gute Ergebnisse erzielt
wie mit der Mastektomie. Voraussetzung hierfür ist eine sorgfältige Nachbeobachtung der Patientin,
um Lokalrezidive frühzeitig erkennen zu können.
Das Screening zur Entdeckung von
Lokalrezidiven bei Mammakarzinompatientinnen nach brusterhaltender
Operation, die normalerweise eine
Strahlentherapie erhalten haben, unterscheidet sich im Grundsatz nicht
vom Screening nach einem neuen
Primärkrebs in der kontralateralen
Brust [7]. Zu beachten ist indes, dass
nach brusterhaltender Therapie häufig unvorhersehbare mammographische Veränderungen auftreten. Das
führt leider zu einer zum Teil als inakzeptabel hoch empfundenen Rate
an negativen Biopsien. Deshalb fahndeten Wapiwala et al. (2007) nach
Merkmalen, die als Prädiktoren für
einen positiven Biopsiebefund dienen
können. Als solche wurden sowohl
mammographische als auch klinische
Anomalien, ein jüngeres Alter bei der
Brustkrebsdiagnose, Exzisions- oder
Stanzbiopsien und ein größerer zeitlicher Abstand zum Abschluss der
Strahlentherapie ermittelt [8].
Haben Mammakarzinompatientinnen durch die Strahlenbehandlung ein zusätzliches Risiko für
sekundären Brustkrebs?
Freedman et al. (2005) beobachteten ipsilaterales Wiederauftreten von
Brustkrebs nach konservativer Operation und anschließender Bestrahlung der Brust innerhalb der ersten
Jahre vorwiegend im primär betroffenen Quadranten. Die Rezidivrate
nach zehn Jahren betrug 5 % und erhöhte sich nach 15 Jahren auf 7 %.
Solche Tumoren wurden als echte Rezidive eingestuft. Neu auftretender
▼ Sekundäres ipsilaterales Brustkrebsrisiko
0,25
Alle sekundären ipsilateralen Mammakarzinome
Alle genetisch unabhängigen sekundären
ipsilateralen Mammakarzinome
0,20
Berechnete strahleninduzierte Mammakarzinome
0,15
0,10
0,05
0
0
5
10
15
20
Zeit nach der Bestrahlung (Jahre)
Abb. 1: Sekundäres Brustkrebsrisiko in der ipsilateralen Brust nach
Lumpektomie und Bestrahlung der Brust. Das zu erwartende Risiko entspricht im Wesentlichen dem in [9] bestimmten Risiko für allen sekundären, genetisch unabhängigen Brustkrebs. Echte Rezidive
und strahlungsbedingte Karzinome entsprechen zusammen der beobachteten Rate an sekundärem Brustkrebs, so dass das „normale“ Risiko für einen genetisch unabhängigen Brustkrebs in der ipsilateralen Brust durch die Bestrahlung praktisch eliminiert ist
(nach Brenner DJ, et al. 2007).
Brustkrebs in anderer Lokalisation
der ipsilateralen Brust, der als genetisch unabhängig anzusehen ist, trat
in den ersten Jahren nach der Behandlung relativ selten auf, erreichte innerhalb von 15 Jahren mit 6 % aber
Das „normale“ Risiko für
einen genetisch unabhängigen
Brustkrebs in der ipsilateralen
Brust wird durch die Strahlenbehandlung eliminiert.
in etwa das Ausmaß der echten Rezidive. In dieser Zeit hatte sich bei
13 % der Patientinnen in der kontralateralen Brust ein neuer Brustkrebs
entwickelt [9].
Die Brustkrebsrate sekundärer,
vom primären Karzinom genetisch
unabhängiger Tumoren ist erheblich
höher als die allgemein in der weiblichen Bevölkerung beobachtete Brustkrebsrate. Somit stellt sich die Frage,
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Thema
Brustkrebs
inwieweit sich die nach konservativer Brustkrebsbehandlung obligate
Strahlenbehandlung auf das Risiko
für die Entwicklung von sekundärem Brustkrebs auswirkt.
Infolge einer Bestrahlung der Brust
mit 50 Gy sind Frauen langfristig einem erhöhten strahlungsbedingten
Brustkrebsrisiko ausgesetzt. Berechnungen dieses Risikos in der ipsilateralen Brust nach brusterhaltender
Operation von Brenner et al. (2007)
ergaben, dass praktisch das gesamte
Risiko für einen genetisch unabhängigen sekundären Brustkrebs allein
auf die Strahlenexposition zurückzuführen ist (Abb. 1). Das bedeutet
aber auch, dass das „normale“ Risiko für einen genetisch unabhängigen
Brustkrebs in der ipsilateralen Brust
durch die Bestrahlung eliminiert wird.
Insgesamt ergibt sich durch die Bestrahlung in der ipsilateralen Brust
kein zusätzliches Risiko für sekundären Brustkrebs [10].
Sekundäre, vom Primärtumor
genetisch unabhängige Mammakarzinome treten bei Patientinnen
mit einem frühen Brustkrebs nach
Strahlentherapie auch gehäuft in der
kontralateralen Brust auf. Berechnungen von Brenner et al. (2007)
haben ergeben, dass die durchschnittliche Strahlendosis, die die
gegenüberliegende Brust bei einer
Bestrahlung der Brust mitbekommt,
weniger als 10 % beträgt und nicht
ausreicht, das strahlungsbedingte Risiko signifikant zu erhöhen. Warum
soll sich daher in der kontralateralen Brust von Brustkrebspatientinnen häufiger Karzinome bilden als
es der Rate in der weiblichen Bevölkerung entspricht, während das
entsprechende Risiko in der ipsilateralen Brust sogar praktisch nivelliert wird? Die Autoren glauben dieses scheinbare Paradoxon auf die bei
Brustkrebspatientinnen von vornherein stärker ausgeprägte Suszeptibilität für Brustkrebs zurückführen
zu können. In der bestrahlten ipsilateralen Brust werden prämaligne
Zellen, die vor der Bestrahlung vorhanden waren, hingegen abgetötet,
so dass das inhärente Brustkrebs-
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risiko der Patientin in dieser Brust
eliminiert ist [10].
Wird die Brustkrebsmortalität
durch eine postoperative lokale
Therapie gesenkt?
Ein umfassender Überblick über den
Einfluss des operativen Vorgehens
und der Strahlentherapie auf die Häufigkeit von Lokalrezidiven sowie das
15-Jahres-Überleben wurde unlängst
von der Early Breast Cancer Trialists´
Collaborative Group (EBCTCG) zusammengestellt [11]. Die Metaanalyse von 78 randomisierten klinischen
Prüfungen macht deutlich, dass bei
einer Abnahme des Risikos, innerhalb von fünf Jahren ein Lokalrezidiv zu entwickeln, das Risiko, binnen
15 Jahren am Brustkrebs zu sterben,
deutlich reduziert ist. Andererseits
hatten Behandlungen ohne reduzierenden Effekt auf die Rate von Lokalrezidiven nach fünf Jahren auch
keinen positiven Einfluss auf die 15-
Die lokoregionale Tumorkontrolle senkt die Rate
der Lokalrezidive und
verbessert die Überlebensrate signifikant [11].
Jahres-Überlebensrate, bezogen auf
die mit dem Krebs assoziierte Sterblichkeit.
In einem aktuellen Übersichtsartikel zur lokalen Therapie und
Überleben bei Brustkrebs resümieren Punglia et al. (2007), dass aus
den Ergebnissen zahlreicher Studien zum Mammographie-Screening
und aus der EBCTCG-Metaanalyse
zur lokalen Therapie die Hypothese
einer von Beginn an systemischen
Krankheit für das Mammakarzinom
eindeutig auszuschließen sei. Vielmehr kämen beim Brustkrebs verschiedene Varianten vor, die von einer in ihrem gesamten Verlauf lokal
begrenzt bleibenden Krankheit bis
hin zu einer früh metastasierenden
Form reichen, bei der praktisch keine Chance besteht, sie in einem Stadium zu entdecken, in dem sie noch
nicht systemisch ist [12].
Neben der lokalen Therapie tritt
bei frühem Brustkrebs die adjuvante
systemische Therapie zunehmend in
den Vordergrund. Auch durch solche
Therapien – ob endokrin oder zytotoxisch – verringert sich das Risiko
eines Lokalrezidivs signifikant [13].
Dieser Effekt ist deutlich stärker ausgeprägt, wenn die systemische Therapie in Kombination mit einer postoperativen Strahlentherapie erfolgt.
Beispielsweise betrug die Rate ipsilateraler Lokalrezidive bei Patientinnen mit einem nodal negativen,
zumeist Hormonrezeptor-positiven Brustkrebs allein mit Tamoxifen nach fünf Jahren 7,7 %. Wurde
zudem auch eine Strahlentherapie
durchgeführt verringerte sich die
Rate auf 0,6 % [14].
Warum sollte sich die Verhinderung eines Lokalrezidivs positiv
auf die Überlebenswahrscheinlichkeit der Patientin auswirken?
Die Vorstellung, Lokalrezidive nach
Brust-erhaltender Therapie bergen kein
hohes Risiko, wäre doch sehr „blauäugig“. Denn nach Resektion eines
als nicht metastasiert eingestuften
Tumors in der Brust ist nicht davon
auszugehen, dass ein eventuelles Lokalrezidiv ebenfalls eine geringe Metastasierungstendenz hat. Im Gegenteil erweisen sich lokale Rezidive im
Vergleich zu erneut auftretenden Primärtumoren in der ipsilateralen Brust
oft als aggressiver [15, 16].
Demzufolge sind echte Rezidive eines behandelten Mammakarzinoms
unter Umständen anders zu behandeln
als genetisch unabhängig entstandene
ipsilaterale Tumoren und bedürfen zumeist einer aggressiven systemischen
Therapie. Doch wie soll zwischen echtem Rezidiv und Primärtumor unterschieden werden? Klinische Klassifi kationen erwiesen sich hierbei als
wenig aussagekräftig. Deutlich verlässlicher ist ein molekulares Klonali-
Brustkrebs Thema
täts-Assay mit dem unter Zuhilfenahme der Polymerase-Kettenreaktion ein
Vergleich des Verlustes an Heterozygosität (LOH; Loss of Heterozygosity) vorgenommen wird [17].
Welche Rolle spielen Mikrometastasen in der Tumorbiologie beim
Mammakarzinom?
Trotz aller Fortschritte bei der Früherkennung von Brustkrebs und besseren Verständnisses der molekularen Grundlagen der Tumorbiologie
des Mammakarzinoms kommt es bei
ca. 30 % aller Brustkrebspatientinnen, deren Krankheit als noch im frühen Stadium befindlich diagnostiziert
wurde, zu einem Rezidiv, das mehrheitlich bereits metastasiert hat. Doch
woher stammen die Metastasen, die
oft erst Jahre bis Jahrzehnte nach Diagnose und abgeschlossener Therapie bei Brustkrebspatientinnen
auftreten? Die einleuchtendste Erklärung hierfür wäre, dass schlummernde Metastasen über lange Zeit
im Organismus vorhanden waren,
und erst nach genetischer Veränderung die Fähigkeit erlangen, sich in
Organen anzusiedeln und malignes
Wachstum zu initiieren.
Der axilläre Lymphknotenstatus
gilt allgemein als bedeutsamster prognostischer Faktor für Brustkrebspatientinnen. Um ihn verlässlich
zu ermitteln, reicht es nach heutiger Erkenntnis aus, nur wenige so
genannte Sentinel-Lymphknoten
zu untersuchen. Somit lässt sich
eine vollständige axilläre Lymphknotendissektion mit der SentinelLymphknoten-Biopsie in einer Vielzahl von Fällen vermeiden.
Zur Untersuchung der Lymphknoten auf Metastasen fertigt der
Pathologe dünne Gewebeschnitte
an, die nach Anfärben mit Hämatoxylin und Eosin (HE) im Lichtmikroskop durchmustert werden. Allerdings lässt sich mit dieser Technik
eine bereits im metastasierten Stadium befindliche Krankheit nicht in
jedem Fall erkennen. Schon vor Einführung der Sentinel-LymphknotenBiopsie zu Anfang der 1990er Jahre
war bekannt, dass ein nicht unerheblicher Prozentsatz von Mammakarzinompatientinnen, die bei Anwendung obig beschriebenen Verfahrens
als nodal negativ (pN0) eingestuft
werden, dennoch in den Lymphknoten bereits verborgen gebliebene Metastasen aufweist. Solche Absiedelungen in den Lymphknoten werden
vielfach auch als okkulte Mikrometastasen bezeichnet.
Erheblich besser als bei der routinemäßigen HE-Methode lassen sich
kleine und kleinste metastatische Ablagerungen im Lymphknotenparenchym oder auch im Knochenmark
erkennen, wenn Serienschnitte mikroskopiert werden und/oder eine
immunhistochemische Markierung
erfolgt. Für eine solche Markierung
werden in erster Linie mit einem farbigen Marker komplexierte Antikörper verwendet, die gegen das Zytokeratin in den Tumorzellen gerichtet
sind. Insbesondere bei der Kombination von Serienschnitten mit immunhistochemischer Markierung
lassen sich selbst kleinste Zellhaufen und sogar isolierte Tumorzellen
identifizieren.
Bezogen auf die Größe von Metastasen wurde vom American Joint
Committee on Cancer (AJCC) ein revidiertes Staging-System eingeführt.
Nach dieser Definition werden Makrometastasen (>2,0 mm), Mikrometastasen (>0,2 bis 2,0 mm) und isolierte
Tumorzellen (≤0,2 mm) unterschieden. Hiernach wurden gemäß AJCC
pN1mi beim Nachweis von Mikrometastasen und pN0(i+) beim Nachweis isolierter Tumorzellen in Lymphknoten als pathologische Kategorien
neu eingeführt. Dementsprechend ist
pN0(i-) der Lymphknotenstatus frei
von jeglicher metastatischer Läsion,
wodurch anders als bei der Bezeichnung pN0 deutlich gemacht wird, dass
nach Mikrometastasen und isolierten Tumorzellen gefahndet wurde.
Nach dem aktuellen Staging-System
der AJCC werden Mikrometastasen
(N1mi) als nodal positiv und isolierte
Tumorzellen [pN0(i+)] als nodal negative Krankheit eingestuft.
In einer deutschen Arbeit von
Ercegovic et al. (2007) hatten von
704 retrospektiv analysierten Patientinnen 64 (9,1 %) ausschließlich Mikrometastasen. Bei 48 dieser Frauen
wurde eine axilläre Lymphonodektomie durchgeführt, wobei in 12 Fällen positive Nicht-Sentinel-Lymphknoten entdeckt wurden. Dieser
hohe Anteil befallener Nicht-Sentinel-Lymphknoten veranlasste die
Autoren kritisch zu hinterfragen, ob
es ausreichend sei, pN1mi wie pN0
zu behandeln, oder im Rahmen der
adjuvanten Therapie nur eine Radiatio der Lymphabflusswege durchzuführen [18].
Welche klinische Bedeutung
haben Mikrometastasen und
isolierte Tumorzellen?
Seit die Suche auch nach Mikrometastasen und isolierten Tumorzellen
in Sentinel-Lymphknoten an immer
mehr Einrichtungen standardmäßig
durchgeführt wird, stellt sich umso
dringlicher die Frage nach den klinischen Konsequenzen, die ein positives Ergebnis nach sich ziehen sollte.
Hierzu gibt es inzwischen eine Vielzahl von Studienergebnissen und Meinungen aber keine allgemein akzeptierten Richtlinien.
Mehrere Jahre zurückliegende Studien zur prognostischen Bedeutung
von Mikrometastasen und/oder isolierten Tumorzellen in Lymphknoten beziehen sich überwiegend auf
Patientinnen, bei denen Gewebeproben nach vollständiger axillärer
Lymphknotendissektion untersucht
worden sind.
Hervorzuheben von diesen Studien
ist eine grundlegende Untersuchung
von Cote et al. (1999): Bei 736 ursprünglich als nodal negativ befundeten Brustkrebspatientinnen wurden nach eingehender pathologischer
Reanalyse anhand von HE-gefärbten
Serienschnitten 52 Fälle (7 %) und
bei zusätzlicher immunhistochemischer Keratinmarkierung sogar 148
Fälle nachträglich als positiv für okkulte Mikrometastasen erkannt. Der
Nachweis okkulter Mikrometastasen
war bei dieser Überprüfung mit einem
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Thema
Brustkrebs
▼ Gesamtüberleben (%)
100
80
60
40
0
N0
N1mi
N1
0
2
4
6
8
10
12
Zeit (Jahre)
Abb. 2: Gesamtüberleben differenziert nach Lymphknotenstatus bei Patientinnen mit T2-Tumoren (nach Chen SL, et
al. 2007).
signifikant kürzeren krankheitsfreien Überleben und kürzeren Gesamtüberleben verbunden. Hierbei spielte
es keine Rolle, mit welcher Methode
die okkulten Mikrometastasen letztendlich entdeckt worden waren. Der
Überlebensnachteil beim Nachweis
okkulter Mikrometastasen betraf interessanterweise nicht die prämenopausalen Patientinnen [19].
Dass auch isolierte Tumorzellen,
die in Achsellymphknoten vorgefunden werden, Auswirkungen auf den
Krankheitsverlauf und das Krankheitsergebnis haben können, berichteten
Querzoli et al. (2006). Bei einer Neubegutachtung des histopathologischen
Materials von 377 Brustkrebspatientinnen, die nach vollständiger axillärer Lymphknotendissektion als pN0
eingestuft worden waren, ließen sich
in 13 % der Fälle Zytokeratin-positive Einlagerungen <0,2 mm nachweisen. Solche pN0(i+)-Tumoren hatten
eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit metastasiert zu rezidivieren
als die pN0(i-)-Tumoren (Hazard Ratio 2,51; p = 0,00019). Interessanterweise bestand zwischen Patientinnen
mit einem pN1mi-Tumor und jenen
mit einem pN0(i+)-Tumor kein signifi kanter Unterschied hinsichtlich
des Überlebens [20].
Eine italienische Studie von Colleoni et al. (2005) stützt sich auf Daten von 1 959 Brustkrebspatientinnen,
20
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bei denen entweder nur eine SentinelLymphknoten-Biopsie oder auch eine
axilläre Lymphknotendissektion vorgenommen worden ist. Im Vergleich
zu Patientinnen, bei denen keinerlei Metastasen nachgewiesen worden waren, hatten Patientinnen mit
Mikrometastasen oder isolierten Tumorzellen eine deutlich schlechtere
Prognose [21].
Kahn et al. (2006) registrierten bei
der Analyse eines Kollektivs von 224
Brustkrebspatientinnen, die zu 95 %
keine adjuvante systemische Therapie erhalten hatten, keine negativen
Auswirkungen von okkulten Metastasen in den axillären Lymphknoten
auf das krankheitsspezifische Überleben [22].
Cox et al. (2008) fanden bei einer
Nachbegutachtung der Objektträger
von 2 381 Brustkrebspatientinnen in
151 Fällen Mikrometastasen (pN1mi)
und in 122 Fällen isolierte Tumorzellen pN0(i+) in den Sentinel-Lymphknoten. Bei Patientinnen mit einer
kompletten axillären Lymphknotendissektion wurden in 15 von 97 Fällen bzw. in 10 von 107 Fällen auch
positive Nicht-Sentinel-Lymphknoten entdeckt. Patientinnen mit Mikrometastasen in den Sentinel-Lymphknoten schnitten sowohl hinsichtlich
des Gesamt- als auch hinsichtlich des
krankheitsfreien Überlebens erheblich schlechter ab als Patientinnen mit
pN0(i-)-Lymphknoten. Hingegen hatten Patientinnen mit einem pN0(i-)Befund gegenüber Patientinnen mit
einem pN0(i+)-Befund keinen statistisch signifikanten Überlebensvorteil.
Bei den pN0(i+)-Patientinnen wirkte es sich jedoch deutlich negativ auf
das Überleben aus, wenn keine axilläre Lymphknotendissektion durchgeführt worden war [23].
In einer Studie mit 174 Brustkrebspatientinnen, bei der SentinelLymphknoten prospektiv mittels Serienschnitten und Immunhistochemie
nach Mikrometastasen und isolierten
Tumorzellen durchsucht worden waren, fanden Rydén et al. (2007) bei
Patientinnen mit isolierten Tumorzellen in den Sentinel-Lymphknoten
keine Metastasen in den Nicht-Sen-
tinel-Lymphknoten. Das veranlasste die Autoren zu der Meinung dass
sich bei pN0(i+)-Patientinnen eine
axilläre Lymphknotendissektion erübrige [24].
Mit dem umfassendsten Datenmaterial zur Bestimmung des prognostischen Einflusses von pN1mi
gegenüber pN0 oder pN1 (Makrometastasen in ≤3 Lymphknoten) warteten Chen et al. (2007) auf. Bei den
insgesamt 209 720 Patientinnen und
Patienten (0,6 %) waren in den Jahren von 1992 bis 2003 entweder eine
axilläre Lymphknotendissektion oder
ab 1994 vorwiegend eine SentinelLymphknoten-Biopsie vorgenommen
worden. Für Brustkrebspatientinnen
mit nodalen Mikrometastasen wurde
eine Überlebensprognose ermittelt,
die zwischen der der Patientinnen mit
pN0- und der der Patientinnen mit
Die klinische Relevanz von
Mikrometastasen in Lymphknoten scheint sich in jüngsten
Studien zu bestätigen, wohingegen die Bedeutung von isolierten Tumorzellen weiterhin
völlig ungeklärt ist.
pN1-Tumoren lag (Hazard Ratio [HR]
pN1mi: pN0 1,35 und HR pN1mi:pN1
0,82). Am ungünstigsten wirkte sich
das Vorkommen von Mikrometastasen in den Lymphknoten von Patientinnen mit Tumoren im Stadium
T2 aus (Abb. 2). Als negativer prognostischer Faktor erwies sich auch
männliches Geschlecht [25].
In einem kürzlich erschienenen Übersichtsartikel von Mittendorf und Hunt (2007) kommen die
beiden Autorinnen in ihrem Resumé zu dem Schluss, dass die Frage
nach der klinischen Relevanz klein
volumiger metastatischer Läsionen
in Lymphknoten nach gegenwärtiger Datenlage nicht eindeutig beantwortet werden könne [26]. Diese
Auffassung kommt vielfach auch in
erst kürzlich erschienenen Publika-
Vulvodynie Thema
tionen, die bei Mittendorf und Hunt
noch keine Berücksichtigung fanden, zum Ausdruck. Es scheint sich
zwar abzuzeichnen, dass auch Metastasen, die kleiner als 2 mm groß
sind, klinische Relevanz zukommt
– nur welche und ab welcher Größe
der nodalen Absiedelungen ist noch
nicht entschieden.
Für die Prognose bei Brustkrebs
ist nicht nur der Nodalstatus sondern
auch der Nachweis von Mikrometastasen im Knochenmark von Bedeutung. In einer von Braun et al. (2005)
durchgeführten Metaanalyse von neun
Studien mit insgesamt 4 703 Brustkrebspatientinnen wurden Mikrometastasen im Knochenmark signifikant
häufiger registriert, wenn auch Metastasen in den Lymphknoten vorgefunden wurden, und der Primärtumor
größer, von höherem histologischen
Grad und Hormonrezeptor-negativ
war. Das krankheitsfreie sowie das
Gesamt- und das Brustkrebs-spezifische Überleben waren bei Knochenmark-positiven Patientinnen deutlich
verringert (p <0,001) [27]. Die österreichischen und deutschen Autoren
glauben, dass die zusätzliche Untersuchung des Knochenmarks in bestimmten Fällen sinnvoll sein könne.
Beispielsweise lebten nach fünf Jahren noch 94 % der Patientinnen, die
keine Chemotherapie erhalten hatten,
wenn ihr Tumor <2 cm groß war und
sowohl Lymphknoten als auch Knochenmark frei von Mikrometastasen
waren. In solchen Fällen kann möglicherweise auf eine Chemotherapie
verzichtet werden.
Ob und mit welchen endokrinen
Therapien Mikrometastasen im Knochenmark Erfolg versprechend bekämpft werden können, wird gegenwärtig in einer Studie der Austrian
Breast & Colorectal Cancer Study
Group, an der sich 28 Zentren in
drei europäischen Ländern beteiligen, untersucht.
Prof. Dr. Dr. Joachim F. Schindler
◄
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topgyn.info Februar • 2008
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