Episode zur Grundfrage „Ist unser Wille frei?“ Jetzt mit Gorillaglas! Endlich klingelt der Schulgong. Tom und Philipp packen erleichtert ihre Sachen und begeben sich auf den Heimweg. Tom beginnt sich über die vergangene Wirtschaftsstunde zu beschweren: „Gott, war Wirtschaft wieder langweilig! Das Thema ist ja eh total unnötig, wir wissen doch schon alles über die Wirkung der Werbung. Endlich Wochenende!“ Und schon stehen sie vor Phils Haus und wollen sich gerade verabschieden, als Tom vorschlägt, noch etwas zusammen zu unternehmen. Phil willigt ein und Tom schlägt vor, dass neuste Video von einem bekannten Youtuber anzuschauen. Gespannt sitzen sie vor dem PC, doch bevor sie das Video schauen können, müssen sie noch eine Werbung über das neuste Smartphone über sich ergehen lassen. Das Video ist interessant, doch Tom denkt die ganze Zeit über nur an das beworbene Smartphone mit Gorillaglas, nfc uvm. - man kann sogar damit telefonieren. Am nächsten Schultag trifft sich die Clique, bestehend aus Tom, Phil, Mia und Sophia in der Mittagspause auf dem Schulhof. Phil kommt auf die Gruppe zu, während sich die anderen schon angeregt unterhalten, allen voran Tom, der mit seinem neuen Handy mit Gorillaglas prahlt. Phil fragt fassungslos: „Ist das aus der Werbung?“ „Ja klar!“, erwidert Tom. Da meldet sich auch Mia zu Wort: „Ist dies das neue Pear Phone 6? Ich hatte mir auch überlegt, es zu kaufen!“ Sofort schreitet Sophia ein: „Ernsthaft? Ihr seid so dumm, lasst euch doch nicht so von Werbung beeinflussen.“ Auch Phil ist derselben Meinung und fängt heftig an, mit dem Kopf zu nicken. Mia antwortet: „Hä, wir entscheiden doch trotzdem noch allein, ob wir etwas kaufen oder nicht.“ Tom fügt hinzu: „Ja eben, freier Wille und so…“ Phil verzieht nachdenklich das Gesicht: „Ich bin mir nicht sicher, ob wir wirklich einen freien Willen haben, denn wir werden jeden Tag von so vielen Dingen beeinflusst: Werbung, unser soziales Umfeld, zum Beispiel Freunde und Familie, und Medien allgemein.“ „Aus christlicher Sicht ist der Wille frei, das hatten wir letztens in Reli erst besprochen“, sagt Mia stolz. Doch Sophia erwidert: „Ich habe aber in der Zeitung gelesen, dass Wissenschaftler da letztens erst erklärt haben, dass der Mensch in seinem Verhalten nur ein Produkt der Verschaltung seiner Hirnneutronen ist.“ „Du meinst sicher Hirnneuronen“, verbessert Phil. „Moment mal, gibt es da nicht so ein Gesetz? Da drin müsste doch eigentlich genau festlegt sein, ob und wann der Wille frei ist“, fällt Mia ein. Phil meint: „Ich bin mir nicht mehr sicher. Aber ich kann es ja mal schnell googlen, wartet kurz“ Alle warten gespannt, bis Phil endlich antwortet: „Also im BGB § 104f. steht: Die freie Willensbestimmung kann nur im Zustand der Bewusstlosigkeit oder ,krankhafter oder vorübergehender Störung der Geistesfähigkeit` dauerhaft oder vorübergehend unmöglich sein.“ „Hm, dass hilft uns jetzt auch nicht wirklich weiter“, fügt Mia an. Alle schweigen kurz. „Hey Leute, ich hab hier ein ziemlich interessantes Zitat gefunden, hört euch das mal an“, meldet sich Phil noch einmal zu Wort. „Ich weiß ehrlich nicht, was die Leute meinen, wenn sie von der Freiheit des menschlichen Willens sprechen. Bla, Bla, Bla. Ich spüre, dass ich meine Seite 1 von 2 Pfeife anzünden will und tue das auch; aber wie kann ich das mit der Idee der Freiheit verbinden? Was liegt hinter dem Willensakt, dass ich meine Pfeife anzünden will? Ein anderer Willensakt? Schopenhauer hat einmal gesagt: ‚Der Mensch kann tun, was er will; er kann aber nicht wollen, was er will.‘ Ist von Albert Einstein.“ Anschließend verfallen alle in nachdenkliches Schweigen, doch das schrille Leuten der Schulglocke reißt die vier Freunde aus ihrem Grübeln. Sie verabschieden sich und eilen zu ihren Klassen. Eine Woche später trifft sich die Clique nachmittags, um mit Harri Gassi zu gehen. Tom gesteht: „Übrigens Leute, dass Pear Phone 6 ist doch nicht so besonders. Ich habe mir es viel zu voreilig gekauft und mich nicht genug darüber informiert. Das Gorillaglas ist gar nicht so affenstark.“ Phil und Sophia sagen fast gleichzeitig: „Hab ich dir doch gleich gesagt!“ Nachdenklich grübelt Tom: „Habt ihr mich als mein soziales Umfeld in meiner Entscheidungsfreiheit nun eingeschränkt? Who cares – so what?“ Dann brechen alle in schallendes Gelächter aus und auch Harri scheint erfreut darüber zu sein, dass alle lachen und wedelt aufgeregt mit dem Schwanz und bellt. Seite 2 von 2