Neue Arzneimittel - Heinrich-Heine

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3. Jahrgang, September 2009, 208-224
- - - Rubrik Neue Arzneimittel - - -
Neue Arzneimittel:
Neue Entwicklungen in der
Zytostatikatherapie
Abarelix (Plenaxis®)
Lapatinib (Tyverb®)
Panitumumab (Vectibix®)
5-Amino-4-oxopentansäure (Gliolan®)
Neue Zytostatika
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Neue Entwicklungen in der
Zytostatikatherapie
Korrespondenzautorin
Stephanie Kumpf, Pharmaziestudentin
Institut für Pharmakologie und klinische Pharmakologie
UniversitätsKlinikum der Heinrich Heine-Universität Düsseldorf
Moorenstraße 5, 40225 Düsseldorf, Germany
[email protected]
Lektorat
PD Dr. rer. nat. Jutta Meyer-Kirchrath
Institut für Pharmakologie und klinische Pharmakologie
UniversitätsKlinikum Düsseldorf
N.N.
Schlüsselwörter
Zytostatika, Prostatakarzinom, Kolorektales Karzinom, Mammakarzinom, Gliom
Den Fortbildungsfragebogen zur Erlangung eines Fortbildungspunktes zum
Fortbildungstelegramm Pharmazie finden Sie hier:
http://www.uni-duesseldorf.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/Kurzportraet.html
Titelbild : Universitätsbibliothek New York , Urheber: Photoprof, Lizenz: Fotolia
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2009;3:208-224
Neue Zytostatika
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Abstract
In our developed world tumors are one
of the most prevalent diseases. Patients
who face this diagnosis undergo a dramatic reduction in life quality and life
expectancy. Therefore, prevention and
early diagnosis are used to prevent tumor cells from spreading in the body but
also pharmaceuticals shall help to get
the disease under control. The today
applied cytostatics have enormous side
effects due to their co-damage to
healthy cells and are mostly just able to
help palliatively. Due to these reasons
new drug development attempts to
damage tumor cells selectively and
above all cure the disease. Here we discuss the newly developed anti-cancer
drugs Abarelix, Lapatinib and Panitumumab as well as the cell dyeing agent 5Aminolevulinic acid.
Abstrakt
In unserer entwickelten Welt gehören
Tumore zu den häufigsten Erkrankungen. Für Patienten, die mit dieser Diagnose leben müssen, bedeutet dies eine
drastische Minderung der Lebensqualität
und der Lebenserwartung. Deshalb wird
nicht nur versucht, mit Prävention und
Früherkennung die Krankheit an ihrer
Ausbreitung im Körper zu hindern, sondern auch Arzneimittel sollen helfen, die
Erkrankung in den Griff zu bekommen.
Die heute Anwendung findenden Zytostatika haben vor allem auch wegen der
Mitschädigung gesunder Zellen immense
Nebenwirkungen und können in den
meisten Fällen nur palliativ unterstützen.
Aus diesen Gründen wird mittels Neuentwicklungen versucht, Tumorzellen
möglichst selektiv zu schädigen und vor
allem eine Heilung anzustreben. Hier
werden die im Jahr 2008 neu zugelassenen Zytostatika Abarelix, Lapatinib und
Panitumumab sowie der Zellfarbstoff 5Amino-4-oxopentansäure besprochen.
Zytostatikatherapie bei Tumorerkrankungen
Einleitung Krebserkrankungen zählen in
der entwickelten Welt neben den kardiovaskulären Erkrankungen zu den häu-
figsten Todesursachen. Im Jahr 2004
traten in Deutschland laut einer aktuellen Statistik des Robert-Koch-Instituts
436.500 Krebsneuerkrankungen (Männer
230.500,
Frauen
206.000)
sowie
208.824
Todesfälle
aufgrund
einer
Krebserkrankung auf (Abb. 1). Dabei ist
der Prostatakrebs mit 25% bei Männern
und der Brustkrebs mit 28% bei Frauen
die jeweils häufigste Krebserkrankung
(1).
Tumorentstehung Die Entstehung von
Tumoren beruht auf einem autonomen
und progressiven Wachstumsprozess
körpereigener Zellen. Grundlegend unterscheidet man zwischen benignen und
malignen Tumoren. Während benigne
Tumore zwar expansiv aber langsam mit
nur geringem Differenzierungsverlust
wachsen, zeigen maligne Tumore ein
durch eine hohe Zellteilungsrate schnelles, invasives und destruierendes Wachstum bei häufigem Auftreten von Zellatypien und Zellpolymorphien (Tab. 1).
Insgesamt lässt sich die Malignität am
Grad der Dedifferenzierung ablesen (2,
Weblink 1).
Malignität von Tumoren
Unsichere Zeichen
schnelles Wachstum
Atypie, Polymorphie
Differenzierungsverlust
Sichere Zeichen
invasiv
destruierend
Metastasierung
Tabelle 1: Aspekte zur Unterscheidung
zwischen benignen und malignen Tumoren.
Die Umwandlung einer Zelle in eine Tumorzelle erfolgt in mehreren Schritten.
Zunächst wird die DNA durch unterschiedliche, karzinogene Noxen chemischer (Benzpyrene, Nitrosamine, mutagen wirkende Pharmaka), physikalischer
(Radioaktivität, UV-Strahlung), biologischer oder viraler Art angegriffen, was
zu dominanten Schädigungen der an
Zellproliferation und Zelldifferenzierung
beteiligten wachstumsregulierenden Pro-
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to-Onkogene und so zur Einschränkung
der Tumorsuppression führen kann. Auch
genetische Faktoren scheinen hier eine
Rolle zu spielen. Die maligne Transformation erfolgt durch Umwandlung eines
Proto-Onkogens in ein Onkogen. Dies
kann durch Punktmutation, Chromosomen-Translokation oder Virusinfektion,
aber auch oder zusätzlich durch den Verlust von Tumorsupressorgenen (AntiOnkogenen) erfolgen, wobei für die Tumorentstehung mindestens zwei Onkogene überexprimiert werden müssen (2,
Weblink 1).
Im Anschluss beginnt das Tumorwachstum, welches aufgrund der fehlenden
Reaktion auf wachstumshemmende Reize (Zell-zu-Zell Kontakte, verschiedene
Botenstoffe) überschießen kann. Dabei
ist zu bemerken, dass die Zellzykluszeit
im Allgemeinen nicht kürzer ist als bei
normalen Zellen, sich aber eine größere
Tendenz, nach der Mitose in einen weiteren Zellzyklus einzutreten beobachten
lässt. Auch findet sich im Tumorgewebe
eine große Anzahl abgestorbener Zellen,
was durch unzureichende Nährstoffversorgung aufgrund des schnellen Wachstums bedingt ist (Abb. 2). Das Tumorwachstum selbst wird entscheidend
durch die Proliferationskinetik der Tumorzelle, die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung sowie die Immunabwehr beeinflusst. Wichtig für das Größenwachstum eines Tumors ist die Gefäßeinspros-
sung, da ausschließlich durch Diffusion
ernährte Tumore nur eine Größe von 1-2
mm erreichen können. Je nach Zell- bzw.
Gewebetyp, aus dem die Tumore entstehen, kann man die Karzinome (Epithelzellen) als häufigste Form von u.a. Sarkomen (mesenchymales Gewebe) oder
Leukämien (hämatopoietische Stammzellen) abgrenzen (2, Weblink 1).
Ein weiteres Merkmal maligner Tumore
ist die Bildung von Metastasen. Im Rahmen der Invasion von Tumorzellen in
gesundes Wirtsgewebe, was durch Dissoziation, Lokomotion und Auflockerung
der Gewebematrix (enzymatisch und
ödematös) erfolgt, können sich nach
Einwachsen des Tumors in Gefäße einzelne Tumorzellen oder auch ganze Zellaggregate vom Primärtumor lösen und
sich nach Überwindung der zunächst
erfolgenden mechanischen Arretierung
durch das Kapillarbett über das Gefäßsystem im gesamten Körper verteilen.
Durch Extravasion (Austritt aus dem Gefäß) kommt es zur Anhaftung an das
Gewebe im Zielorgan (z.B. Lunge, Knochenmark, Lymphknoten, Leber), was
mechanistisch analog der Invasion erfolgt.
Je nach Metastasierungsweg wird zwischen hämatogenen und lymphogenen
Metastasen unterschieden. Insgesamt
lässt sich feststellen, dass Metastasen
normalerweise schneller wachsen als der
Primärtumor (2, Weblink 1).
Abbildung 1: Prozentualer Anteil ausgewählter Tumorlokalisationen an allen Krebsneuerkrankungen in Deutschland 2004 (1).
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Überlebenszeit (kurative Chemotherapie)
zu erzielen. In den meisten Fällen wird
lediglich eine Linderung der Symptome
und eine begrenzte Lebenszeitverlängerung erreicht. Der Erfolg einer solchen
palliativen Chemotherapie beruht auf
einer Verringerung der Zellzahl (Remission) (3).
Abbildung 2: Zellzyklus (nach 4).
Tumortypisierung: TNM Klassifikation Von der UICC (union international
contre le cancer, Internationale Vereinigung gegen Krebs) wurde in den 1950er
Jahren ein System, welches seither ständig ergänzt und aktualisiert wurde, eingeführt, womit die lokale Ausbreitung
der Krebserkrankung und die eventuelle
Ausdehnung auf weitere Körperregionen
beschrieben werden kann.
In der heutigen Therapie von Tumorerkrankungen erfolgt häufig eine Kombination aus chirurgischen Maßnahmen,
Strahlen- und Chemotherapie. Als „Stahl
und Strahl“ bezeichnet man die chirurgische Exzision gut lokal begrenzter Primärtumore bzw. die örtliche Bestrahlung
eher diffuser, aber dennoch lokal limitierter Tumore oder die Bestrahlung nach
Operationen. Die Chemotherapie wird
insbesondere bei diffusen oder metastasierenden Tumoren sowie zur Vor- (neoadjuvant) und Nachbehandlung (adjuvant) bei chirurgischen Maßnahmen und
Strahlentherapie angewendet. Ein Vorteil
hierbei ist die Mitschädigung oder sogar
Abtötung von möglicherweise vorhandenen jedoch nicht diagnostizierbaren Metastasen (Weblink 1).
• T = Tumor:
örtliche Ausdehnung (Größe) des
Primärtumors
• N = Node (Knoten):
Fehlen oder Vorhandensein von
regionären Lymphknotenmetastasen
• M = Metastase:
Fehlen oder Vorhandensein von
Fernmetastasen
Eine genauere Beschreibung erfolgt
durch Ergänzung der Buchstaben durch
Ziffern (T0–T4, N0–N3, M0–M1, wobei
die Null für fehlende Nachweisbarkeit
steht) (Weblinks 2 und 3).
Zytostatikatherapie Trotz beachtlicher
Fortschritte in der Chemotherapie, also
der Pharmakotherapie mit Zytostatika,
seit der ersten erfolgreichen Behandlung
eines Protatakarzinoms mit Diethylstilbestrol im Jahre 1941, ist es bisher nur
in wenigen Fällen möglich, eine Heilung
bzw. eine deutliche Verlängerung der
Abbildung 3: Absterbekinetik (3, Weblink 1).
Eine
zytostatische
Pharmakotherapie
macht sich die Eigenschaft der erhöhten
Zellteilungsrate von Tumorzellen zunutze. Aufgrund der Tatsache, dass sich
Tumorzellen vermehrt innerhalb des
Zellzyklus (G1-, S-, G2- oder M-Phase)
befinden, reagiert Tumorgewebe besonders empfindlich auf hier angreifende
toxische Effekte. Außerdem ist die Erholungszeit des Tumorgewebes normalerweise länger (Abb. 3). Bei der Zytostatikatherapie wird bei jeder einzelnen Applikation nicht die gleiche Zellzahl sondern der gleiche Prozentsatz abgetötet
(„fractional cell kill“). Die Absterbekinte-
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tik erfolgt dabei exponentiell nach einer
Kinetik 1. Ordnung (3, Weblink 1).
Grundsätzlich lassen sich Zytostatika
nach ihrer Wirkung in phasenspezifische
(Wirkung nur innerhalb einer Phase des
Zellzyklus) und zyklusspezifische (Wirkung innerhalb aller Phasen des Zellzyklus) Substanzen einteilen. Zu den phasenspezifischen Wirkstoffen gehören u.a.
die Antimetabolite und die Mitosehemmstoffe. Dadurch, dass nur Zellen,
die sich in einer bestimmten Phase des
Zellzyklus befinden, abgetötet werden,
erreicht die Wirkung recht schnell ein
Plateau, wodurch die Wirksamkeit in erster Linie vom Therapieschema und nicht
von der Dosis abhängt. Dies bringt zwar
eine gewisse Limitation der Effektivität
mit sich, gewährleistet aber auch eine
recht hohe Therapiesicherheit. Anders
bei den zyklusspezifischen Wirkstoffen,
wozu beispielsweise die Anthrazykline
die Alkylantien und Cisplatin gehören.
Hier werden die Zellen abgetötet, die
sich innerhalb des Zellzyklus, also nicht
in der G0-Phase befinden. Folglich ist die
Effektivität abhängig von der Höhe der
Dosis, wodurch die Applikation einer entsprechend hohen Einzeldosis ausreichend
ist. Im Gegensatz zu den phasenspezifischen Wirkstoffen, wo die Schädigung
des Knochenmarks erst bei kontinuierlicher Applikation lebensbedrohlich wird,
ist hier eine zu hohe Einzeldosis bzw.
eine bei Kombination mehrerer Wirkstoffe dieser Klasse (additiver Effekt) ohne
erfolgte Dosisreduktion bereits kritisch
(2, Weblink 1).
Die Strategie einer Chemotherapie erfolgt nach einigen Grundregeln. Den
Rahmen bildet eine intermittierende Therapie (Abb. 3), welche ausreichende
Therapiepausen einschließt, um eine
Erholung des Knochenmarks zu gewährleisten. Es sollte die maximal tolerierbare
Dosis in möglichst kurzer Zeit appliziert
werden. Weiterhin ist eine ausreichend
häufige Wiederholung des Therapiezyklus notwendig, um ein möglichst optimales Ergebnis zu erreichen. Dabei kann die
Minimierung und Behandlung toxischer
Effekte u.a. durch Blutbildkontrollen,
antiemetische Therapie und durch einen
Schutz vor Nephrotoxizität erfolgen
(Tab. 2). Insgesamt sollte auf eine effektive Kombination mehrerer Substanzen geachtet werden, um eine syner-
gistische Wirkung auszunutzen und an
sich asynchrone Tumorzellen in den unterschiedlichen Phasen abzutöten. Außerdem kann auf diese Weise eine geringere Toxizität erzielt (Tab. 2) und auf
eine Vermeidung von Resistenzbildungen
geachtet werden (Weblink 1).
Bei hormonsensitiven Tumoren, also
Tumoren, deren Wachstum zumindest
teilweise vom Einfluss körpereigener
Hormone abhängt, können Hormonagonisten bzw. -antagonisten, welche den
Proliferationsstimulus entscheidend beeinflussen, gute Effekte erzielen. Es ist
zwar keine Heilung möglich, doch können Remissionen erzielt oder die Effektivität anderer therapeutischer Maßnahmen gesteigert werden (Abb. 4). Vor
allem bei Prostata-, Mamma- und Uteruskarzinomen findet die Hormontherapie breite Anwendung. Folgende Angriffspunkte stehen u.a. zur Verfügung
(3, Weblink 1):
•
Steroidbiosynthese
•
hormoneller Regelkreise
•
Hormonrezeptoren
Resistenzen können auf vielfältige Weise
entstehen. Grundlage bilden Mutationen,
die aufgrund einer gegebenen genetischen Instabilität von Tumorzellen ohnehin gehäuft auftreten, sowie die Selektion von resistenten Zellen (3, 4).
• Vermehrung des Anteils der Tumorzellen, die sich in der G0Phase befinden
• Hemmung der zellulären Aufnahme von Zytostatika
• Verminderung der intrazellulären
Bioaktivierung der Zytostatika
• Zytostatikatransport aus der Tumorzelle
• kompensatorische Erhöhung der
gestörten Stoffwechselaktivität
• Wechsel zu alternativen
wechselwegen
Stoff-
• Produktion spezifischer Inhibitoren der Zytostatika
• Inaktivierung
Zytostatika
/
Zerstörung
der
• verstärkte DNA-Reparatur
• Veränderung des Zielsubstrats
• Überexpression des Zielproteins
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Abbildung 4: Angriffspunkte von Zytostatika (nach 4).
Frühreaktionen
Übelkeit
Erbrechen
Fieber
Allergie
Blutdruckabfall
Herzrhythmusstörungen
Venenentzündungen
Reversible
Spätreaktionen
Bleibende chronische Toxizität
Kardiotoxizität
Knochenmarksdepression (Erythro-, Nieren- und LeberLeuko- und Thromschädigung
bopenie)
Neurotoxizität (LähSchleimhautschäden mungen, Sensibili(Mucositis), Stomati- täts-störungen)
tis, aregenerative
Mutagenität
Enteropathie mit ApTeratogenität
petitlosigkeit und
Diarrhö
Haarausfall, Hautveränderungen (Pigmentierungen, Hyperkeratosen)
Indirekte
Wirkungen
immunsuppressive
Wirkung als Folge
der Leukopenie
Erhöhung des Harnsäurespiegels mit
akuter Nephropathie
und Nierenversagen
Karzinogenität
(Zweittumor)
Lungen-, Nieren- und
Leberfunktionsstörungen
Gerinnungsstörungen
Amenorrhö,
Azoospermie
Tabelle 2: Unerwünschte Wirkungen bei Zytostatika-Applikation (3).
Neuere Therapieansätze schließen den
Einsatz von Immuntherapeutika ein, wo
durch Ausnutzung bestimmter Mechanismen des Immunsystems das Tumorwachstum gehemmt wird. Hier werden
Zytokine (Interferone, Interleukin 2) und
monoklonale Antikörper, welche gegen
spezifische Oberflächenstrukturen von
Tumorzellen gerichtet sind, eingesetzt.
Antisense-Oligonukeotide, die spezifisch
an DNA-Sequenzen von Tumorzellen
binden und so die Onkogen-Expression
verhindern, befinden sich derzeit in der
klinischen Erprobung. Weitere Möglich-
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keiten sind Substanzen zur Induktion der
Differenzierung
und
der
Apoptose,
Hemmstoffe der mitogenen Signaltransduktion, der Angiogenese und der Metastasierung, Immunmodulatoren sowie
Wachstumsfaktoren (3, Weblink 1).
Wichtigstes Ziel aller Neuentwicklungen
ist die selektive Schädigung von Tumorgewebe, wodurch nicht nur eine Remission sondern eine Heilung ermöglicht
werden kann.
Abarelix (Plenaxis®)
Indikation Der GnRH (gonadotropin
releasing hormone)-Antagonist Abarelix
ist angezeigt zur Einleitung einer hormonalen Kastration bei fortgeschrittenem
oder metastasierendem, hormonabhängigem Prostatakarzinom, wenn eine Androgensuppression erforderlich ist (5).
Der Preis für 100 mg Abarelix beträgt
355,19 €.
Prostatakarzinom Europaweit werden
jährlich 2,6 Millionen neue Fälle diagnostiziert. Damit ist das Prostatakarzinom
die häufigste Krebsneuerkrankung. Als
Todesursache liegt es mit 10,1 % auf
Platz 3 hinter den Krebserkrankungen
der Lunge und des Darms. Wichtigster
Risikofaktor scheint das Alter zu sein,
allerdings sind auch erbliche Faktoren
beteiligt. Weiterhin haben exogene Faktoren, wie z.B. die Ernährung, einen entscheidenden Einfluss, was zu der Empfehlung führt, weniger tierisches Fett und
mehr Obst, Gemüse und Getreide zu
essen. Außerdem scheinen Selenmangel
und fischfreie Kost das Risiko, an Prostatakrebs zu erkranken, zu erhöhen (6).
Hormontherapie bei metastasierendem Prostatakarzinom Aufgrund der
Tatsache, dass Prostatakarzinome während des Wachstums zumindest zeitweise androgenabhängig sind, kann durch
die Therapie mit Substanzen, die eine
antiandrogene Wirkung haben, das
Wachstum gehemmt werden. (2) Hierbei
stehen neben der Orchiektomie GnRH
(gonadotropin
releasing
hormone)Analoga (Goserelin, Leuprorelin) sowie
nicht-steroidale Androgenrezeptorantagonisten (Flutamid, Bicalutamid) zur Verfügung. Zur maximalen Rezeptorblockade können die ersten beiden genannten
Klassen jeweils mit einem Rezeptoranta-
gonisten kombiniert werden (Weblink
5). Die Agonisten des GnRH spielen in
der hormonellen Therapie heute eine
große Rolle, da sie die physischen und
psychologischen Nebenwirkungen, die
mit einer Orchiektomie einhergehen minimieren (6). Die Wirksamkeit einer antiandrogenen Therapie gilt bei symptomatischen Metastasen und bei lokalen
Symptomen durch ein fortgeschrittenes
Prostatakarzinom als gesichert, bei symptomlosen Metastasen sowie adjuvant
nach kurativer Therapie ist die Anwendung umstritten.
Wirkmechanismus Mit Abarelix, einem
synthetischen Dekapeptid (Abb. 5), wird
in der Therapie des Prostatakarzinoms
kein wirklich neuer Weg eingeschlagen.
Abbildung 5: Strukturformel Abarelix.
Es gibt bereits verschiedene GnRH (gonadotropin releasing hormone) Superagonisten, die über die Stimulation der
Sexualhormonbildung und den körpereigenen feedback-Mechanismus schließlich
als Antagonisten wirken: Goserelin,
Leuprorelin. Hierbei kommt es allerdings
zu einer initialen Steigerung von Testosteron, was bei Abarelix aufgrund der rein
antagonistischen Wirkung nicht geschieht. Die Wirkung von Abarelix erfolgt
zunächst über eine schnelle Reduktion
des luteinisierenden Hormons (LH) und
des Follikel stimulierenden Hormons
(FSH), was zu einer Verminderung des
Testosteronspiegels (bei Männern, des
Östrogenspiegels bei Frauen) führt. Die
Wirkung ist nach Beendigung der Therapie reversibel. Der theoretische Vorteil,
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dass
die
Kombination
mit
einem
nichtsteroidalen Antiandrogen nicht notwendig ist, da keine initiale Steigerung
der Testosteronausschüttung erfolgt,
scheint klinisch nicht relevant (5, 7).
Klinische Wirksamkeit Verschiedene
Studien zeigen, dass Abarelix schneller
und ohne initiale Anflutung den Testosteron-Spiegel senken kann. So erzielten
zum Beispiel in einer offenen randomisierten Phase III Studie mit Abarelix die
mittleren Testosteronspiegel das Kastrationsniveau von 50 ng/dl an Tag 4, wohingegen die Kombination aus Leuprorelin und Biculatamid dies erst zwischen
Tag 15 und Tag 29 erreichten (8). Zu
bemerken ist allerdings, dass in vergleichenden Studien zu Goserelin und
Leuprorelin ermittelt wurde, dass innerhalb von 48 Wochen der Testosteronspiegel wieder über das Kastrationsniveau ansteigen kann, was insbesonders
die längerfristige Anwendung einschränkt
(9).
Pharmakokinetik Die Anwendung erfolgt mittels intramuskulärer Injektion
mit 100 mg Abarelix als unmittelbar vor
Applikation herzustellender Suspension
in isotoner Natriumchloridlösung (50
mg/ml) an den Tagen 1, 15 und 29 sowie anschließend alle vier Wochen. Bei
einer Anwendung von länger als drei
Monaten sollte der Testosteronspiegel
aufgrund der oben beschriebenen Problematik engmaschig kontrolliert werden.
Erkenntnisse über Anwendungen von
länger als zwölf Monaten liegen bisher
nicht vor. Die Resorption einer Einzeldosis erfolgt langsam (tmax = 3,0 ± 2,9
Tage) und erreicht eine Höchstkonzentraion cmax von 43,4 ± 32,3 ng/ml mit
einer AUC von 500 ± 96 ng*Tag/ml. Der
Metabolismus scheint, wie anhand von
Tierversuchen ermittelt wurde, Cytochrom P-450 unabhängig zu sein. Die Ausscheidung erfolgt mit 13 % unveränderter Substanz über den Urin, Metabolite
konnten nicht nachgewiesen werden. Die
renale Clearance beträgt 10 ml/min (5).
Unerwünschte Wirkungen Als unerwünschte Arzneimittelwirkungen treten
sehr häufig, also bei mehr als einem von
zehn Behandelten, Kraftlosigkeit bzw.
Schwäche sowie ein Anschwellen der
Brustdrüsen und Hitzewallungen auf.
Häufig (1-10 von 100 Behandelten) sind
folgende Nebenwirkungen:
•
Schmerzen an der Injektionsstelle
•
Brustschmerzen
•
empfindliche Brustwarzen
•
Peripheres Ödem
•
Schmerzen
•
Schwindel
•
Kopfschmerzen
•
Sensibilitätsstörungen
•
Bauchschmerzen
•
Verstopfung
•
Durchfall
•
Blähungen
•
Übelkeit
•
Erhöhung der Leberenzyme
•
Gewichtszunahme
•
Muskelschwäche
•
Muskelschmerz
•
Magersucht
•
Depression
•
Impotenz
•
Schlafstörungen
•
Minderung der sexuellen Triebkraft
•
Schläfrigkeit
•
Hodenschmerzen
•
Störungen der Hoden
•
Atemnot
•
Haarausfall
•
Juckreiz
•
Ausschlag
•
Häufigkeit der Blasenentleerung
•
Dringlichkeit der Blasenentleerung
•
Nächtliches Wasserlassen
Fazit Mit Abarelix ist ein Arzneimittel auf
dem Markt, welches weder ein neues
Wirkprinzip verfolgt noch eine klinisch
relevante Verbesserung der bisher verfügbaren Therapie mit sich bringt und
somit als Reservepräparat zu werten ist.
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Panitumumab (Vectibix®)
Indikation Der Antikörper Vectibix® ist
als Monotherapie indiziert zur Behandlung
des
metastasierten,
EGFRexprimierenden kolorektalen Karzinoms
mit nichtmutiertem (Wildtyp-)KRAS-Gen
bei Patienten, bei welchen Fluoropyrimidin-, Oxaliplatin- und Irinotecan-haltige
Chemotherapieregime versagt haben
(10). Der Preis beträgt für 100 mg Panitumumab in 5 ml € 573,34.
Erkrankung Das kolorektale Karzinom
ist mit über 70.000 Neuerkrankungen
und ca. 30.000 Todesfällen pro Jahr in
Deutschland der zweithäufigste maligne
Tumor. Präventiv wird empfohlen regelmäßig Sport zu treiben und nicht zu rauchen. Weiterhin scheint Übergewicht ein
Risikofaktor zu sein. Die Ernährung sollte
ballaststoffreich sein und ausreichend
Obst und Gemüse sowie wenig rotes
bzw. verarbeitetes Fleisch beinhalten.
Zur Karzinomreduktion wird die Einnahme von Folsäure und Kalzium empfohlen,
zur Prävention gilt die Einnahme dieser
und anderer Mikronährstoffe (Magnesium, beta-Carotin, Vitamine A, C, D, E
sowie Selen) allerdings als umstritten
(11).
Standardtherapie Die Standardtherapie
des metastasierenden kolorektalen Karzinoms erfolgt nach dem De Gramont
Schema (12). Das auch als FOLFOX bezeichnete Therapie-Regime umfasst eine
Kombination aus Folinsäure, Fluorouracil
und Oxaliplatin (Abb. 6). Als Alternative
existiert außerdem FOLFIRI (Folinsäure,
Fluorouracil und Irinotecan). Bisher sind
als Antikörper in der Therapie des kolo-
rektalen Karzinoms Bevacizumab, welches
an
vaskulärem
endothelialem
Wachstumsfaktor (VEGF = vascular endothelial growth factor) bindet, und das
chimäre Cetuximab mit dem gleichen
Zielprotein wie Panitumumab zugelassen.
Wirkmechanismus Bei Panitumumab
handelt es sich um einen rekombinanten,
vollständig humanen monoklonalen Antikörper der Immunglobulin-Klasse IgG2,
der mit hoher Affinität und Spezifität an
den humanen EGFR (epidermal growth
factor receptor), einem transmembranären Glykoprotein einer Unterfamilie der
Typ-I-Rezeptor-Tyrosinkinasen, bindet.
EGFR ist ubiquitär vorhanden und fördert
das Zellwachstum in normalen epidermalen Geweben. Zusätzlich ist er auf diversen Tumorzellen exprimiert. Panitumumab bindet an die Liganden-bindende
Domäne des EGFR und hemmt kompetitiv die Rezeptor-Autophosphorylierung.
So kommt es zur Verlagerung des Rezeptors ins Innere der Zelle und dadurch
zur Hemmung des Zellwachstums und
zur Induktion der Apoptose. Zusätzlich
wird die Produktion von Interleukin 8
und von vaskulärem endothelialem
Wachstumsfaktor (VEGF) vaskulärem
endothelialem
Wachstumsfaktor
gehemmt (11). Das KRAS (kirsten rat sarcoma 2 viral oncogene homologue)-Gen
ist in die Signaltransduktion involviert
und codiert ein kleines GTP-bindendes
Protein (Abb. 7). Mittels EGFR wird
KRAS aktiviert und durch die Aktivierung
anderer intrazellulärer Proteine die
Zellproliferation, das Zellüberleben und
die Angiogenese stimuliert (10).
Abbildung 6: FOLFOX-Therapieschema bei der Behandlung von kolorektalem Karzinom
(13).
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Abbildung 7: Zum Wirkmechanismus von Panitumumab (14). Eine Aktivierung der
Signaltransduktionskaskase durch Liganden wie den epidermalen (EGF) oder den transformierenden Wachstumsfaktor (TGFα) hemmt die Apoptose und induziert Invasion und
Metastasierung sowie Zellproliferation und Angiogenese. Die Hemmung der Lingandenbindung mittels Panitumumab behindert zunächst die EGF-Rezeptor-Dimerisierung und
anschließend die Autophosphorylierung, wodurch es zur Verlagerung des Rezeptors ins
Innere der Zelle kommt.
Klinische Wirksamkeit Panitumumab
ist als Monotherapie beim metastasierenden kolorektalen Karzinom mit progredientem Krankheitsverlauf während
oder nach Chemotherapie zugelassen.
Die Ergänzung des Standardregimes
kann sich sogar schädlich auswirken:
Verkürzung des progressionsfreien Überlebens und des Gesamtüberlebens im
Vergleich zu FOLFOX in Kombination mit
Bevacizumab (14). Die Wirksamkeit
wurde in einer offenen einarmigen Studien mit 384 Patienten und in einer multinationalen, randomisierten, kontrollierten Studie mit 463 Patienten überprüft.
Bei der letzteren wurden die Patienten
1:1 randomisiert und erhielten alle zwei
Wochen 5 mg/kg KG (Körpergewicht)
und BSC (best supportive care) bzw. nur
BSC. Dabei war der primäre Endpunkt
das progressionsfreie Überleben. Bezüglich des Gesamtüberlebens war kein Unterschied festzustellen, wobei hierbei zu
berücksichtigen ist, dass Patienten im
BSC-Arm nach der Progression Panitu-
mumab erhielten (10, 14). In einer retrospektiven Analyse wurde der Status
der KRAS-Mutationen in aufbewahrtem,
in Paraffin eingebettetem Tumorgewebe
untersucht und mit den klinischen Ergebnissen verglichen. Bei Patienten ohne
KRAS Mutation beträgt die Zeit bis zur
Progression 12,3 Wochen, bei Patienten
mit KRAS Mutation 7,4 Wochen im Gegensatz zu BSC 7,3 Wochen (Abb. 8, 9).
Eine Analyse, ob eine Mutation im KRAS
Gen vorliegt hat demnach vor Applikation zu erfolgen (14). In einer randomisierten Phase IIIB Studie wurde die Ergänzung des Standardregimes untersucht, die sich allerdings schädlich auswirkte: Verkürzung des progressionsfreien Überlebens (von 11,4 auf 10,0 Monate) und des Gesamtüberlebens (von 24,5
auf 19,4 Monate) im Vergleich zu FOLFOX in Kombination mit Bevacizumab.
Vor allem treten mehr Nebenwirkungen,
so werden z.B. Diarrhöe, Infektionen und
Lungenembolien beschrieben, auf (15).
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Abbildung 8: Studienergebnisse Panitumumab aller Teilnehmer (11). Kaplan-MeierKurve zur Darstellung des ereignisfreien Zeitintervalls im Verlauf der Studie. Erst nach
acht Wochen tritt eine Wirkung ein, die etwa 16 Wochen anhält. Bis zur 32. Woche wird
die Rezidivrate in etwa halbiert. Dieser Vorteil schmilzt bis zur 48. Woche vollständig dahin. Hier sind nur 5% der Patienten noch ohne Rezidiv.
Abbildung 9: Studienergebnisse Panitumumab der Teilnehmer ohne KRAS-Mutation
(11). Studienergebnisse nach retrospektiver Analyse der KRAS-Genmutation. Hier sind
die ereignisfreien Zeitintervalle des Patientenkollektivs, die den Wildtyp exprimieren dargestellt. Das Therapieansprechen erfolgt auch hier nach acht Wochen, allerdings ist das
progressionsfreie Überleben deutlich verlängert.
Pharmakokinetik Insgesamt besteht
bei einer Applikation der empfohlenen
Dosis von 6 mg/kg KG einmal alle 2 Wochen als einstündige Infusion eine geringe Inzidenz zur Bildung von antiPanitumumab-Antikörpern. Die Panitu-
mumab-Konzentrationen erreichen bei
der dritten Infusion das Fließgleichgewicht mit einer mittleren maximalen
Konzentration von 213 ± 59 μg/ml und
einer mittleren minimalen Konzentration
von 39 ± 14 μg/ml. Der mittlere Wert für
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die AUC(0-τ) betrug 1306 ± 374
μg*Tag/ml bei einer Clearance von 4,9 ±
1,4 ml/Tag/kg KG. Die EliminationsHalbwertszeit betrug etwa 7,5 Tage. Offensichtlich haben Alter, Geschlecht, Tumortyp, Rasse, Leber- und Nierenfunktion, chemotherapeutische Wirkstoffe und
die Expression von EGFR auf Tumorzellen keine Auswirkung auf die Pharmakokinetik, allerdings gibt es keine klinischen Untersuchungen zur Pharmakokinetik bei Patienten mit Nieren- oder Leberinsuffizienz (10).
Unerwünschte Wirkungen Sehr häufig
(mehr als ein von zehn Behandelten)
treten Hautausschläge, Erytheme, Exfoliation, Pruritus, trockene Haut, Fissuren,
Paronychie, Diarrhöe und Fatigue auf.
Häufig (1-10 von 100) sind die folgenden
Nebenwirkungen:
•
Infusionsreaktionen
(Pyrexie, Schüttelfrost)
•
Hypomagnesämie
•
Hypokaliämie
•
Dehydratation
•
Übelkeit
•
Erbrechen
•
Dyspnoe
•
Husten
•
Kopfschmerzen
•
Konjuktivitis
•
Wimpernwachstum
•
verstärkter Tränenfluss
•
okuläre Hyperämie
•
trockene Augen
•
Augenpruritus
•
Stomatitis
•
Schleimhautentzündungen
•
Onycholyse
•
Hypertrichose
•
Alopezie
•
trockene Nase
•
trockener Mund
•
Lungenembolie
Fazit Dieses Arzneimittel wurde unter
besonderen Bedingungen zugelassen.
Die EMEA erwartet weitere Studienergebnisse nach Markteinführung. Vor allem vergleichende Studien zu Cetuximab
stehen noch aus. Da es nur nach fehlgeschlagener Therapie mit Oxaliplatin und
Fluorouracil angewendet wird und außerdem auf das Patientenkollektiv mit nicht
mutiertem (Wildtyp) KRAS-Gen begrenzt
ist, bleibt es ein Reservepräparat.
Lapatinib (Tyverb®)
Indikation Der duale TyrosinkinaseInhibitor Lapatinib (Abb. 10) ist in Kombination mit Cepecitabin angezeigt zur
Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs, deren Tumore ErbB2 (HER2) überexprimieren. Die Patienten sollen eine
progrediente Erkrankung nach vorangegangener Therapie, die Anthrazykline
und Taxane sowie in der metastasierten
Situation Trastuzumab einschloss, aufweisen (16). 70 Tabletten mit je 250 mg
Lapatinib kosten € 1611,63.
Erkrankung Das Mammakarzinom ist
mit einem Anteil von fast 30 % die häufigste Krebserkrankung bei Frauen und
auch mit nahezu 20 % die häufigste Todesursache bei Betrachtung der Krebserkrankungen (1).
Nach brusterhaltender Operation treten
nach einem Zeitraum von zehn Jahren
mit einer Häufigkeit von 5-10 % Lokalrezidive auf. Diese werden standardmäßig
lokal therapiert, wobei wenn möglich
eine operative Exzision des Rezidivs angestrebt wird. Eine adjuvante Radiotherapie kann die lokale Tumorkontrolle
verbessern. Da das Risiko einer Metastasierung und somit einer nachfolgenden
systemischen Tumorprogression recht
groß ist, kann zusätzlich zur lokalen Therapie eine systemisch verfügbare Chemotherapie angewandt werden. Einen
Beleg durch prospektive randomisierte
Studien für die Effektivität besteht allerdings bisher nicht (17).
Standardtherapie Standardmäßig wird
das Mammakarzinom nach Operation
und Nachweis von Hormonrezeptoren
mittels adjuvanter Hormontherapie behandelt: postmenopausal mit dem Östrogen-Antagonisten Tamoxifen oder bei
Therapieversagen mit einem Aromatasehemmstoff, prämenopausal mit GnRH
(gonadotropin releasing hormone) Analoga.
Um vor allem nach aufgetretenen Rezidiven das Risiko eines erneuten Tumor-
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rückfalls zu minimieren, wird auf eine
adjuvante Chemotherapie gesetzt. Dies
kann nach dem CMF-Schema, welches
sechs Zyklen Cyclophosphamid, Methotrexat und Fluorouracil umfasst, wobei auch die alleinige Gabe von Cyclophosphamid möglich ist, oder nach
dem EC-Schema, das aus vier Zyklen
Epirubicin und Cyclophosphamid besteht,
geschehen (3).
Wirkmechanismus Lapatinib ist chemisch gesehen ein 4-Anilinochinazolin
und inhibiert die intrazellulären Tyrosinkinase-Domänen des EGFR (ErbB1)- und
des ErbB2 (HER2)-Rezeptors, wodurch
das ErbB-abhängige Tumorwachstum
gehemmt wird. Die Anwendung erfolgt
peroral in Kombination mit Cepecitabin,
einem Fluoropyrimidin-Carbamat, welches als Prodrug nach Resorption in drei
Schritten
zum
zytotoxischen
5Fluorouracil aktiviert wird. Die Thymidinphosphorylase, welche den letzten
Schritt katalysiert, ist in hoher Konzentration in Tumorzellen vorhanden (16,
Weblink 6).
Klinische Wirksamkeit Für beide Angriffspunkte von Lapatinib sind bereits
Arzneimittel auf dem Markt: Trastuzumab (hier scheint keine Kreuzresistenz
zu bestehen) hemmt die Überexpression
von HER2 und Cetuximab sowie Erlotinib
sind gegen den Angiogenesefaktor EGFR
gerichtet. Die Kombinationstherapie mit
Cepecitabin verlängert zwar die Zeit bis
zur Progression von 4,4 auf 8,4 Monate,
allerdings nicht die Gesamtüberlebensdauer (18).
Pharmakokinetik
Maximale
Plasmaspiegel werden nach einer Einnahme
von 1250 mg Lapatinib ungefähr nach 4
Stunden erreicht. Die tägliche Dosierung
führt zu einer mittleren cmax von 2,43
μg/ml und einer AUC von 36,2 μg*h/ml
im steady state (16). Die Metabolisierung erfolgt über CYP3A4 und CYP3A5,
zu einem geringen Teil auch über
CYP2C19 und CYP2C8, zu einer Vielzahl
oxidierter Metaboliten. In vitro hemmt
Lapatinib CYP3A und CYP2C8 in klinisch
relevanten Konzentrationen. Lapatinib
wird fortlaufend einmal täglich und in
Kombination mit Cepecitabin (2000
mg/m2/Tag; Tag 1-14, alle 21 Tage) oral
eingenommen (16).
Unerwünschte Wirkungen Bei der
Applikation von Lapatinib treten sehr
häufig (mehr als 10% aller Behandelten)
Durchfall, der zur Dehydratation führen
kann, und Hautausschlag (einschließlich
akneformer Dermatitis) sowie Anorexie,
Müdigkeit, Dyspepsie, trockene Haut,
Mundschleimhautentzündung,
Verstopfung, Bauchschmerzen, palmar-plantare
Erythrodysathesie, Schmerzen in den
Extremitäten,
Rückenschmerzen,
Schleimhautentzündung und Schlaflosigkeit auf. Häufig (1 – 10%) sind:
•
verringerte linksventrikuläre Auswurffraktion
•
Hyperbilirubinämie
•
Hepatotoxizität
•
Kopfschmerzen
Fazit Dieses Arzneimittel wurde unter
besonderen Bedingungen zugelassen. Mit
Lapatinib ist ein Arzneimittel auf dem
Markt, welches weder ein neues Wirkprinzip verfolgt noch eine klinisch relevante Verbesserung der bisher verfügbaren Mittel mit sich bringt und auch wegen der erhöhten Nebenwirkungen und
der Kosten-Nutzen-Abwägung als Reservepräparat zu werten ist.
Abbildung 10: Strukturformel Lapatinip
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5-Amino-4-oxopentansäure
(Gliolan®)
Indikation Der Zellfarbstoff 5-Amino-4oxopentansäure (Abb. 11) ist bei Erwachsenen zur Visualisierung von malignem Gewebe während der Operation
eines malignen Glioms (WHO-Grad III
und IV) angezeigt (19).
Abbildung 11: Strukturformel 5-Amino4-oxopentansäure
Erkrankung Gliome sind hirneigene
Tumore, die aus den Gliazellen, also den
Stützzellen des Gehirns entstehen. 6 von
100000 Einwohnern erkranken pro Jahr
an einem Gliom. Aufgrund des schnellen
Wachstums sind Früherkennung und
Prävention hier ohne relevanten Stellenwert. Man unterscheidet Gliome nach
ihrem Ursprungsgewebe. So entstehen
Astrozytome aus Astrozyten und Oligodendrogliome
aus
Oligodendrozyten.
Kombinationen aus beiden Zelltypen
nennt man Oligoastrozytome. Die Einteilung des Wachstumsverhaltens und der
Aggressivität erfolgt nach Kriterien der
WHO in vier Klassen (20).
• Grad I: benignes Gewebe mit lang-
samen Wachstum
• (z.B. Meningeom, pilozytische
Astrozytom)
• Grad II: überwiegend benignes Ge-
webe
• (diffuse Astrozytome, Oligo-
dendrogliome, Oligoastrozytome)
• Grad III: überwiegend malignes
Gewebe
• (anaplastische Astrozytome, ana-
plastische Oligodendrogliome, anaplastische Oligoastrozytome)
• Grad IV: malignes Gewebe mit ag-
gressivem Wachstum
• (Glioblastom)
Standardtherapie Die Behandlung von
Gliomen erfolgt wenn möglich durch Tumorresektion zur Reduktion der Tumormasse, Entlastung des Hirndrucks und
zur Wiederherstellung einer ungestörten
neurologischen Funktion. Zur Sicherung
der Diagnose legt der histologische Befund anschließende Bestrahlung (insbesondere bei Tumoren WHO Grad III u.
IV) nahe. Aufgrund des infiltrativen
Wachstums kann eine adjuvante Chemotherapie nötig sein (Weblink 7, 20).
Wirkmechanismus 5-Amino-4-oxopentansäure ist ein natürlicher biochemischer Vorläufer des Häms und wird als
Sensibilisierungsmittel in der photodynamischen Therapie eingesetzt. Nach
Aufnahme in die Körperzellen kommt es
enzyminduziert
über
verschiedene
Schritte zur Umsetzung zu fluoreszierenden Substanzen (Porphyrine), insbesondere PPIX (Protoporphyrin IX). Da Gliomzellen den Wirkstoff vermehrt aufnehmen und eine veränderte Expression
bzw. Aktivität von Enzymen zeigen, die
an der Häm Biosynthese beteiligt sind,
erfolgt eine raschere Umwandlung zu
PPIX. Durch die in den Gliomzellen vorliegenden höheren Spiegel an PPIX
leuchten sie bei Bestrahlung mit blauem
Licht der Wellenlänge 400-410 nm intensiv rot, wohingegen das umliegende gesunde Hirngewebe blau erscheint (20,
21).
Klinische Wirksamkeit In einer randomisierten Phase III Studie wurde bei
349 Patienten mit Verdacht auf ein resektierbares malignes Gliom entweder
mit 5-Amino-4-oxopentansäure unter
blauem Licht oder konventionell unter
Weißlicht die Resektion vorgenommen.
Beim anschließenden Hirnscan zeigten
64 % der unter Sichtbarkeitsverbesserung operierten Patienten keinen erkennbaren Tumor gegenüber 38 % in
der Kontrollgruppe. Nach sechs Monaten
überlebten 20,5 % der FluoreszenzGruppe gegenüber 11 % ereignisfrei. Es
zeigt sich also, dass mit Hilfe von 5Amino-4-oxopentansäure die Sichtbarkeit des Tumors deutlicher ist und auf
diese Weise eine präzisere Resektion
vorgenommen werden kann (19, 21).
Pharmakokinetik Bei der oralen Einnahme von 20 mg/kg KG 5-Amino-4oxopentansäure erreicht der Plasmaspiegel nach 0,5 bis 2 Stunden die maximale
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Konzentration. Die Aufnahme erfolgt vor
allem in die Leber, die Nieren, die Endothelzellen und die Haut sowie durch die
malignen Gliome, wobei die höchsten
PPIX Plasmaspiegel nach 4 Stunden erreicht werden, was eine Gabe 2-4 Stunden vor der OP anzeigt. Der Kontrast
bleibt über 9 Stunden klar sichtbar. Die
Elimination erfolgt mit einer Halbwertszeit von 1-3 Stunden, wobei 30 % innerhalb von 12 Stunden unverändert über
den Urin ausgeschieden werden (19).
Unerwünschte Wirkungen ergeben
sich hauptsächlich aus dem Verfahren
selbst. Als wirkstoffspezifische Nebenwirkungen werden gelegentlich Hypotonie, Übelkeit und Photosensitivitätsreaktion sowie Lichtdermatose genannt (19).
Fazit 5-Amino-4-oxopentansäure wird
als Arzneimittel für seltene Leiden eingestuft (Orphan Drug). Der Einsatz ermöglicht die präzise Entfernung von Tumorgewebe unter größtmöglicher Schonung
des umliegenden Hirngewebes und verdoppelt die Überlebensrate in den ersten
sechs Monaten nach der Resektion des
Tumorgewebes.
Die Autorin
Frau Stephanie Kumpf, geboren 1981 in Essen, Schulabschluss 2000
in Heiligenhaus, 2001-2006 Studium der Chemie und der Biomedizinischen Chemie in Düsseldorf und Mainz, seit 2006 Pharmaziestudium an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, seit Oktober 2002
tätig am Insitiut für Pharmakologie und Klinische Pharmakologie des
Universitätsklinikums Düsseldorf.
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Weblinks
1) Kojda, G. Behandlung von Tumorerkrankungen mit Zytostatika
http://www.uni-duesseldorf.de/kojda-pharmalehrbuch/apothekenmagazin/Fortbildungsartikel/2002-09.pdf
2) TNM-Klassifikation
http://www.krebsinformationsdienst.de/themen/untersuchung/tnm.php
3) TNM-Klassifikation
http://www.uicc.org/index.phpoption=com_content&task=view&id=1429 8&Itemid=224
4) Übersichtsartikel zur kontroversen Diskussion des PSA-Werts
http://content.nejm.org/cgi/content/full/360/13/1351
4) Online Lehrbuch der Urologie: Diagnose und Therapie der urologischen Krankheiten
http://www.urologielehrbuch.de/
5) Neue Arzneistoffe: Cepecitabin
http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=2683
6) Einteilung und Behandlung von Gliomen
http://www.ma.uni-heidelberg.de/inst/nch/html/gliom.html
Literatur
(1) Robert-Koch-Institut: Krebs in Deutschland 2003-2004,Häufigkeiten und Trends. 6. überarbeitete Auflage 2008
(2) Thews, Mutschler, Vaupel: Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie des Menschen. 5. Auflage, WVG
1999, pp 61-66
(3) Forth, Henschler, Rummel: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 8. Auflage, Urban
& Fischer Verlag 2001, pp 949- 984
(4) Kojda G: Pharmakologie/Toxikologie systematisch. 2. Auflage, Uni-Med Verlag 2002, pp 764-797
(5) Fachinformation Plenaxis®
(6) Heidenreich A, Aus G, Bolla M, Joniau S, Matveev VB, Schmid HP,Zattoni F: EAU Guidelines on Prostate
Cancer. Eur Urol 2008;53:68-80.
(7) Bewertung: Abarelix, Arzneitelegramm vom 27.09.2008
(8) Trachtenberg J et al.: A Phase 3, multicenter, open label, randomized Study of Abarelix versus Lueprolide plus daily Antiandrogen in Men with Prostate Cancer. J urol 2002; 167(4):1670-1674.
(9) Abarelix (Plenaxis) for Advanced Prostate Cancer. medical letter 2004;46(1178):21-24
(10) Fachinformation Vectibix®
(11) Schmiegel W et al.: S3-Leitlinie „Kolorektales Karzinom“. Z Gastroenterol 2008;46:1-73
(12) de Gramont A et al.: Leucovorin and Fluorouracil With or Without Oxaliplatin as First-Line Treatment in
Advanced Colorectal Cancer. J Clin Oncol 2000:18(16):2938-2947
(13) Easley C, Kirkpatrick P: Fresh from the Pipeline Panitumumab. Nature Reviews Drug Discovery
2006;5:988-988
(14) Bewertung: Panitumumab, Arzneitelegramm vom 21.02.2009
(15) Hecht JR et al.: A Randomized Phase IIIB Trial of Chemotherapy, Bevacizumab, and Panitumumab
Compared With Chemotherapy and Bevacizumab Alone for Metastatic Colorectal Cancer. J Clin Oncol
2008;28:682-680.
(16) Fachinformation Tyverb®
(17) Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms. 1. Aktualisierung 2008; Informationszentrum für Standards in der Onkologie (ISTO) Deutsche Krebsgesellschaft e.V.
(18) Bewertung: Lapatinib, Arzneitelegramm vom 21.02.2009
(19) Fachinformation Gliolan®
(20) Weller M: Interdisziplinäre S2–Leitlinie für die Diagnostik undTherapie der Gliome des Erwachsenenalters; Informationszentrum
für Standards in der Onkologie (ISTO) Deutsche Krebsgesellschaft
e.V.
(21) EMEA 2008: Europäischer öffentlicher Beurteilungsbericht (EPAR) Gliolan
Impressum:
http://www.uni-duesseldorf.de/kojda-pharmalehrbuch/FortbildungstelegrammPharmazie/impressum.html
Fortbildungstelegramm Pharmazie 2009;3:208-224
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