Hochhuth mit Heesters - Uraufführung des Musicals "Inselkomödie

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KULTUR HEUTE
31.07.2010
Der Dramatiker Rolf Hochhuth (Bild: AP)
Hochhuth mit Heesters
Uraufführung des Musicals "Inselkomödie oder Lysistrate
und die NATO" am Berliner Theater am Schiffbauerdamm
Von Hartmut Krug
"Lysistrate und die NATO" ist ein bald 40 Jahre altes Theaterstück von Rolf Hochhuth.
Als Musicaluraufführung kam es am Berliner Schiffbauerdamm heraus mit dem
106-jährigen Johannes Heesters, der im Thronsessel sitzend Hof. Was aber genau war
das: Eine Feier des Durchhaltens oder einfach nur der erneute Versuch des
umstrittenen Dramatikers Hochhuth, zu reüssieren?
Hochhuths "Inselkomödie Oder Lysistrate und die NATO" begann mit Johannes Heesters, der
allerdings nicht sang, sondern auf leerer Bühne vor einem Wolkenprospekt im Thronsessel Hof
hielt: Mit brüchiger Stimme, flatternden Händen und strahlendem Lächeln trug er Sinnsprüche
über die Frauen vor. Kurz war auch der Vortrag des mit 106 Jahren wohl ältesten aktiven
Schauspielers unseres Kulturkreises nach der Pause, als er ein kitschiges Antikriegsgedicht aus
der Zeit vor 1900 tremolierte und flüsterte, - in Holländisch.
Merkwürdig, gerade Heesters als Publikumsmagnet für den Autor des "Stellvertreter"! Aber auch
sonst war das Ensemble, sagen wir, bunt zusammengesetzt. Die Titelrolle spielte eine ehemalige
Fernsehmoderatorin, bekannt als Teilnehmerin einer RTL-Dschungel-Camp-Sendung, und der
griechische Wirt aus der ARD-Vorabendserie "Lindenstraße" war auch auf der Bühne.
Der Autor Rolf Hochhuth hegt eine unglückliche Liebe zum Theater. Seit dem Welterfolg seines
"Stellvertreter" 1963 hat er sich von den harschen Verrissen, die seine papiernen und
dozierenden Materialschlacht-Stücke ernteten, nicht beirren lassen. Sein Stück "Lysistrate und
die NATO", 1974 zeitgleich in Essen und am Wiener Volkstheater uraufgeführt, verschwand nach
bösen Kritiken aus der Theaterlandschaft. Doch seit Hochhuth über die Ilse-Holzapfel-Stiftung
seiner Mutter Eigentümer der an das Land Berlin verpachteten Gebäude des Berliner Ensembles
ist, klagt er für das als GmbH betriebene Theater mit Claus Peymann als einzigem Gesellschafter
das Profil eines Autorentheaters ein, - weil er damit auch eine Bühne für seine eigenen, kaum
noch gespielten Stücke fände. Doch die Uraufführung seiner "Wessies in Weimar" am BE 1993
gefiel ihm gar nicht, und anschließend kam nur noch sein "Stellvertreter" im Jahr 2001 in Philipp
Tiedemanns Regie auf die Bühne des Berliner Ensembles. Doch immerhin gibt es eine vertragliche
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Garantie, dass Hochhuth das für diese Zeit als "Theater am Schiffbauerdamm" bezeichnete Haus
im Sommer bespielen darf.
Um diese Sommerbespielung gibt es jeden Sommer zwischen den Starrköpfen Peymann und
Hochhuth so heftige wie albern-kleinkarierte Auseinandersetzungen. Nur seine "Hebamme"
konnte Hochhuth im Sommer 2000 auf die Bühne am Schiffbauerdamm bringen, alle anderen,
von ihm selbst finanzierten und organisierten Inszenierungen seiner Stücke kamen andernorts
heraus. Drei in der Stadt Brandenburg, eine in der Akademie der Künste und eine andere in der
Berliner Urania. Künstlerisch erfolgreich war keine. Bei der "Lysistrate"-Musical-Fassung teilte
sich das Publikum deutlich in zwei Gruppen, eine, die den Abend von der ersten Minute an zu
einem Erfolg hochklatschen wollte, und eine andere, die zwischen Entsetzen und peinlicher
Berührtheit schwankte. Hochhuths Variation auf Aristophanes macht Lysistrate zu einer
geschiedenen Parlamentsabgeordneten, die dagegen kämpft, dass die Insel zu einem
Atomwaffenstützpunkt der NATO wird. Was den Popen wüten lässt.
Lysistrate will Tourismus schaffen statt Waffen. Das gelingt ihr, auch wenn der Ehestreit nicht die
Herrschafts- und Machtverhältnisse in ihr Gegenteil verkehrt, sondern nur zu einem
Bettenwechsel der allzeit giggelnd lüsternen Frauen führt. Die schlafen mit den Soldaten einer
Delegation, die die militärische Eignung der Insel prüfen soll, und erpressen diese zu einem
negativen Urteil, - und natürlich bekommt Lysistrate am Schluss den Oberst. Das Ganze kommt
als Boulevardkomödie mit einem ranzigen Frauenbild daher, mit schlüpfrig-verklemmt
auftrumpfenden sexuellen Anspielungen. Es gibt keine Figuren, nur profillose Typen und
lärmende Temperamentschargen, die Frauen knapp bekleidete Kicherinnen, die Männer tumbe
Schreihälse. Zur gefällig zwischen Pop und Schlager nichtssagend swingenden Musik von Florian
Fries wird meist erbärmlich gesungen, aber immerhin in flotten Arrangements getanzt.
Es ist Aufsage- und Vortragstheater, holprig zäh vom eingesprungenen Regisseur Heiko Stang auf
die Bühne gebracht. Und die politische Aktualität des verstaubten Stückes begründet der Autor
nur im Programmheft: heute sei die NATO noch gefährlicher für Europa geworden durch ihre
Osterweiterung. Das zeigt uns der Abend ebenso wenig wie er die Konflikte seines Personals
ernst nimmt. Irgendwann ist einfach Happy End für alle angesagt, - doch mit Literatur, Kunst und
Theater hat dieser traurige Abend nichts zu tun.
© 2013 Deutschlandradio
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