Beitrag “Der Geothermiekongress 2011” Bochum, 15.-17. November 2011 Projekt AuGE – Aufschlussanalogstudien und ihre Anwendbarkeit in der Geothermischen Exploration Axel Wenke1,2,3, Thilo Bechstädt2,3,, Gerhard Greiner4, Gotthard Kowalczyk5, Sonja Philipp6, John Reinecker4, Robert Schöner7, Harald Stollhofen7 und Rainer Zühlke2,3 1 2 GeoThermal Engineering GmbH, Karlsruhe, Institut für Geowissenschaften, Universität Heidelberg, 4 5 GeoResources – SteinbeisTransferCentre, Heidelberg, GeoEnergy GmbH, Karlsruhe; Institut für 6 Geowissenschaften, Universität Frankfurt; Geowissenschaftliches Zentrum der Universität Göttingen; 7 GeoZentrum Nordbayern, Universität Erlangen-Nürnberg 3 Keywords: Aufschlussanaloge, Exploration, Oberrheingraben Zusammenfassung Obwohl der Oberrheingraben (ORG) ein größeres thermisches Potential besitzt als das voralpine Molassebecken, ist die Zahl der fündig abgeteuften geothermischen Tiefbohrungen im Großraum München deutlich höher als in Baden-Württemberg, Basel (CH), Elsass (F), Hessen und RheinlandPfalz zusammengenommen. Mehrere potentielle Reservoirformationen, eine komplexe Bruchschollenarchitektur und rezente tektonische Prozesse erhöhen das Explorationsrisiko im ORG erheblich, eröffnen gleichzeitig jedoch eine Vielzahl von Chancen und Möglichkeiten. Die Basis einer produktiven Nutzung des tieferen Untergrundes sind die Reservoireigenschaften und das Vorhandensein hydraulisch offener Brüche. Sie entscheidet über Wärmekapazität und Wärmefluss und ermöglicht in günstigen Fällen die Zirkulation von Thermalwässern. Für die erfolgreiche Erschließung geothermischer Reservoire ist die Analyse von Aufschlussanalogen eine wichtige Methodik und sollte Bestandteil jeder Explorationsphase sein. Die obertägige Analyse erlaubt die grundsätzliche Einschätzung des Reservoirpotentials einer Formation, die Auswahl spezifischer geophysikalischer Explorationsmaßnahmen, ihrer optimalen Aquisitionsparameter sowie die zu erwartenden Ergebnisse. Sie liefert nicht zuletzt Eingangsdaten für thermohydraulische Modellierungen und ermöglicht Prognosen über mögliche Hindernisse und Höffigkeiten im Untergrund bei der Planung von Bohrpfaden. Das Projekt AuGE ist ein integrativer Ansatz mit dem Ziel, Aufschlussinformationen direkt oder indirekt in die Feldesentwicklung einzubeziehen. Studienobjekt ist der ORG mit den Reservoirformationen Grundgebirge, Permokarbon, Buntsandstein, Muschelkalk und unteres Känozoikum. Hauptschwerpunkte sind: i) Rekonstruktion der Beckenentwicklung und Faziesverteilung, ii) intraformationelle petrophysikalische Eigenschaften der einzelnen Reservoirformationen (Mikro-, Makroporosität/-permeabilität, Kluftverhalten), iii) Untersuchung von Diageneseprozessen und deren Auswirkungen auf die Reservoireigenschaften der einzelnen Formationen, iv) Analyse seismischer Parameter in Aufschlussanalogen auf der Basis von LIDARModelle, v) Bruchverhalten der einzelnen Formationen im Umfeld von Störungszonen unter Berücksichtigung lokaler Spannungsfelder, vi) Korrelation von Aufschlussdaten mit geophysikalischen Bohrloch- und Seismikdaten, vii) seismische Simulation von Aufschlussanalogen und deren Vergleich mit realen seismischen Messungen des Untergrundes und, viii) die Bestimmung thermohydraulischer Parameter zur Fündigkeitsabschätzung bei Feldesentwicklungen. Die Ergebnisse werden übertragen auf vier im Oberrheingraben verteilte Geothermieprojekte (Brühl, Groß-Gerau, Heidelberg, Schaidt), welche sich in unterschiedlichen Entwicklungsstadien befinden und unterschiedliche Explorationsstrategien hinsichtlich der Reservoirerschließung verfolgen. 1. Einleitung Für die Nutzung hydrothermaler Systeme zur Gewinnung von Elektrizität und Wärme werden im ORG gegenwärtig fünf Reservoirformationen diskutiert: i) das (kristalline) Grundgebirge, ii) Grobklastika und Vulkanite des Permokarbon, iii) der Buntsandstein, iv) der Muschelkalk und v) die Randfazies des Oberen Eozän/Unteren Oligozän. Fündig erschlossen wurden bisher der Übergangsbereich Buntsandstein/Grundgebirge in Landau (KWK, bine 2007) und Insheim (Hecht 2008), der Buntsandstein in Bruchsal (KWK, Held et al. 2010) und der Obere Muschelkalk für das Wärmeprojekt Riehen (CH). Den größten Erfolg bei der Erschließung hydrothermaler Systeme verspricht gegenwärtig das Auffahren offener Störungszonen bzw. zerklüfteter Zonen im Nahbereich dieser Störungszonen. Intraformationellen, matrixgebundenen Fließwegen wird im ORG bisher eine eher untergeordnete Rolle zugesprochen. Sie können lokal jedoch für bedeutsamen Thermalwasserzufluss sorgen. Die gesamte Grabenabfolge zeichnet sich auf mehreren stratigraphischen Niveaus durch einen hohen Anteil an pelitischen Serien und Stufen aus, der sich nachteilig auf die Erschließung geothermischer Systeme auswirkt. Die Eigenschaft von Tonmineralen, entstehende Hohlräume durch Quellprozesse zu füllen sowie ein häufig dilatantes Verhalten (Balthasar et al. 2008, Kreuter et al. 2010) stellen besondere Herausforderungen an die zum Einsatz kommenden bohrtechnischen Verfahren. Im Bereich von Schollengrenzen ist ein hydraulisches Verschließen durch Verschleppung von Feinklastika möglich (Clay Smear Factor, Jolley et al. 2007, Fisher & Jolley 2007). In der Formation stellen feinklastische Abfolgen klassische Aquitarde dar (Selley 1997). Die Verteilung von primärer Reservoirfazies im ORG ist aufgrund seiner Entstehungsgeschichte uneinheitlich (Abb. 1). Die Beschaffenheit des Grundgebirges ist sehr komplex und hat seinen Ursprung in der variszischen Orogenese: Batholith-Komplexe grenzen an metamorph überprägte Sedimente oder Vulkanite. Alt angelegte Störungszonen sind häufig an die zugehörigen Kontaktflächen gebunden und wurden in der Entwicklungsgeschichte des Grabens immer wieder reaktiviert. Nicht wenige sind rezent aktiv. In intramontanen Becken wie dem Saar-Nahe Becken oder dem Oos-Becken lagerten sich während des Permokarbons mächtige Sedimentserien ab. Die Verfüllung dieser Becken wurde häufig von intrusiv/extrusiver magmatischer Aktivität begleitet. Eine hohe laterale und vertikale Varianz der Faziesräume ist für die Komplexität dieser hydrothermalen Reservoirsysteme verantwortlich (Marell 1989, Müller 1996, Stollhofen 1998, Wenke et al. 2011b). Der Buntsandstein ist als tonig-hämatitisch bzw. karbonatisch gebundener Sandstein in der Regel ein kompetentes, dichtes Gestein. Aufgrund der lokal vorkommenden hohen Kluftpermeabilität ist der Buntsandstein jedoch ein wichtiger Grundwasserleiter mit T-Werten bis 1.10-3 m2/s (Geyer & Gwinner 2011). Da eine erhöhte Klüftigkeit im Randbereich von Bruchschollen zu erwarten ist, kann im Graben in diesen Zonen mit einer erhöhten Thermalwasserhöffigkeit gerechnet werden. Die hydraulischen Eigenschaften des Muschelkalkes sind stark an diagenetische Umwandlungen und Verkarstungsprozesse gebunden. Simon (1999) unterscheidet drei Stadien der Verkarstung wobei der Obere Muschelkalk des zweiten und der Untere Muschelkalk des dritten Verkarstungsstadiums Fließraten bis jenseits der 100 l/s versprechen (Prestel & Scholz 2009). Eine untergeordnete Bedeutung für die hydrothermale Nutzung tiefer geothermischer Systeme ist die Randfazies des Lymnäenmergels und der Pechelbronner Schichten am Ostrand des mittleren und am Westrand des südlichen ORG (Duringer 1997). Eine Besonderheit des ORG ist die Tatsache, dass alle potentiellen Reservoirformationen am Grabenrand und auf den Grabenschultern in Aufschlüssen studiert werden können. Ziel des F&E Projektes AuGE ist es, Parameter zur Reservoircharakterisierung im Aufschluss zu sammeln, mit Ergebnissen aus Bohrungsinformationen zu vergleichen und ihre Übertragbarkeit auf die im Graben versenkten Bereiche zu prüfen. Es sollen Ansätze entwickelt werden, die die Prognostizierbarkeit von Thermalwasserhöffigkeit zu jedem Zeitpunkt einer Projektentwicklung erhöhen und somit das Explorationsrisiko deutlich verringern. Die Forschungsergebnisse werden übertragen auf vier im Oberrheingraben angesiedelte Geothermieprojekte (Brühl, Groß-Gerau, Heidelberg, Schaidt), Wenke et al. welche sich in unterschiedlichen Entwickungsstadien befinden Explorationsstrategien hinsichtlich der Reservoirerschließung verfolgen. und unterschiedliche Abb. 1: Abgedeckte geologische Karte des Prä-Känozoikums des ORG und die schematische Verteilung des Mesozoikums am Beispiel von vier verschiedenen Lokalitäten. 2. Methoden 2.1 Faziesanalyse und -modellierung Die Fähigkeit von Gesteinen, insbesondere Sedimentgesteinen, Flüssigkeiten zu speichern, zu transportieren und mit ihnen zu interagieren ist meist direkt mit ihrer Entstehungsgeschichte gekoppelt. Geologische Rahmenbedingungen wie das Ablagerungsmilieu kontrollieren im MikroMaßstab (Abb. 4) den detritischen (primären) Mineralbestand, Korngröße und Sortierung und bestimmen damit primäre Texturen, Poroperm-Eigenschaften und die diagenetische Reaktivität. Im Makro-Maßstab werden Sedimentgeometrien durch Transportprozesse gesteuert, die unterschiedliche laterale und vertikale Heterogenitäten lithophysikalischer Parameter hervorrufen. Sedimentstrukturen und -geometrien (z.B. fluviatile Rinnen vs. Überflutungsebenen), ihre vertikalen Stapelungsmuster und lateralen Konnektivitäten bestimmen, inwieweit Porenflüssigkeiten einzelner Sedimentkörper in der Lage sind, hydraulisch zu kommunizieren. Die Kenntnis von Faziesraumverteilungen in einer potentiellen Reservoirformation hilft zudem bei der Bestimmung des Kluftpotentials und des Bruchverhaltens eines Sedimentgesteins. Diese Faktoren werden durch eine systematische Analyse der Faziesarchitektur ausgewählter lithologischer Einheiten erfasst, um die Heterogenität geothermischer Reservoiranaloga realitätsnah im Makro- (xm) bis Mega-Maßstab (10er-100 m) quantitativ beurteilen zu können. Sedimentologische Aufschlußaufnahmen in Kombination mit LIDAR-Modellen und einer hochauflösenden Analyse der Faziesarchitektur führen zur Erstellung von 3D-Reservoirmodellen (z. B. Hovadik & Larue 2007). Die Integration dieser Methoden hat sich in der KW-Industrie bewährt. 3 Sie wird für die geothermische Reservoireanalyse und ihre relevanten hydraulischen und thermischen Gesteinsparameter angepasst und weiter entwickelt. 2.2 Diageneseprozesse und ihr Einfluss auf die Eigenschaften hydrothermaler Systeme Porositäten und Permeabilitäten in den verschiedenen Einheiten des ORG hängen vom Wechselspiel von Fazies und Diagenese mit der tektonischen Beanspruchung (siehe 2.3) ab. Die Paläofluide, die durch die Primärporosität zirkulieren, deren Lösungsfracht und die Druck/Temperaturbedingungen während der geologischen Geschichte steuern das Ausmaß der Zementation und/oder Gesteinslösung in den Reservoireinheiten und damit die heutigen Porositäten und Permeabilitäten. Optimal für hohe Förderraten ist die Kombination von weitständigen, nicht zementierten Klüften mit noch vorhandener primärer Porosität und zusätzlicher Lösungsporosität (Verkarstung bzw. selektive Minerallösung). Abb. 2: Stark zementierter Sandstein. Links: normales Mikroskopbild, Porosität erscheint braungrau (Verfärbung des Klebers im Porenraum durch Kathodenbeschuss). Rechts: Mikroskopbild mit Heißkathode. Deutlich sind die sedimentären Komponenten umgeben von verschiedenen Zementen zu erkennen. Bildlänge = 1,3 mm. Wesentliche Arbeitsziele des Teilbereichs “Diagenese” sind: 1) Ausmaß und Zeitpunkt der Lösung bzw. Umsetzung von Mineralphasen, z.B. von Karbonaten oder Feldspäten. Die Durchlässigkeit von verwittertem Top Grundgebirge ist beispielsweise durch die Gesteinslithologie sowie durch die Klimabedingungen und die Zeitdauer der diagenetischen Verwitterungsprozesse gesteuert. Die Verkarstungsfähigkeit karbonatischer Gesteinsserien wird wesentlich durch gesteinsspezifische Parameter, insbesondere die Kombination aus Lithofazies, Mineralogie und Diagenese gesteuert sowie die klimatischen Verhältnisse. 2) Art und Ausmaß von Zementation sowie porositäts- und permeabilitätserhöhender Dolomitisierung von Karbonatabfolgen; 3) Ausmaß der Kompaktion, Art der Kontakte zwischen Komponenten und Zement als Hinweis auf das Wechselspiel von Kompaktion und Zementation; 4) geometrische Anordnung der Poren, der Matrix und der Zemente; 5) geochemische und temperaturmäßige Charakterisierung des fossilen Fluid-Flusses; 6) Erstellung einer kompletten Diagenese-Stratigraphie (= Abfolge von Zementations- und Lösungsereignissen) für die verschiedenen Gesteinsabfolgen im ORG und in dessen Randbereichen: Quarzzemente, Tonminerale, karbonatische Zemente, Dolomitisierung, etc.; 7) regionale Änderungen dieser Diagenese-Stratigraphie, insbesondere von den Grabenflanken zum Inneren des ORG, als Spiegelbild lateraler Änderungen des fossilen Fluid-Flusses; 8) Zuordnung der diagenetischen Ereignisse zu der geodynamischen Entwicklung. Wenke et al. 2.3 Störungscharakterisierung im Aufschluss Detaillierte strukturgeologische Geländestudien in Aufschlussanaloga erfassen Strukturen in Störungszonen in verschiedenen Maßstäben, auch unterhalb des Auflösungsvermögens geophysikalischer Erkundungsmethoden (z.B. Seismik), d.h. bis in den sub-Millimetermaßstab, um sie in Reservoirsimulationen zu berücksichtigen. Um während der Exploration von geothermischen Reservoiren die Permeabilität von Gesteinen abzuschätzen, geeignete Permeabilitätszonen zu bestimmen und gegebenenfalls Stimulationen erfolgreich durchzuführen, sind Prognosen über die Geometrie existierender Bruchsysteme nötig (Philipp et al. 2007). In bruchkontrollierten Fluidreservoiren erreichen nur diejenigen Bruchsysteme die für Fluidtransport nötige Perkolationsschwelle, die ausreichend miteinander vernetzt sind (Stauffer & Aharony 1994), also Wegsamkeiten bilden. Besonders hohe Permeabilitäten sind in den Zerrüttungs- oder Bruchzonen (Caine et al. 1996) von Störungszonen zu erwarten, die eine im jeweiligen lokalen Spannungsfeld günstige Orientierung aufweisen. Aktive Störungszonen sind im Allgemeinen hochpermeabel (Gudmundsson 2000), nichtaktive Störungszonen können jedoch Barrieren für den Fluidtransport darstellen (Gudmundsson et al. 2002). Im Vordergrund steht die Ermittlung von Unterschieden in der Infrastruktur von Störungszonen innerhalb verschiedener Lithologien und Stratigraphien bzw. bezüglich ihrer Orientierung (vgl. Reyer et al. 2009) durch detaillierte Geländestudien in Aufschlussanaloga und der Verwendung der Erkenntnisse zur Verbesserung der Interpretation geophysikalischer Daten. Die Ergebnisse der Geländestudien werden mit numerischen Modellierungen verbunden. Unter anderem dienen diese dazu, die potentielle Aktivität von Störungszonen vorherzusagen. Damit sind auch Prognosen über das Bruchausbreitungs- bzw. Scherverhalten bei der hydraulischen Stimulation des Reservoirs möglich (vgl. Economides & Nolte 2001). Sowohl die Magnitude als auch die Orientierung der Hauptnormalspannungen wird sehr stark durch Materialkontraste beeinflusst („lokales Spannungsfeld“; vgl. Zoback 2007). Besonders bedeutsam sind daher Kenntnisse über die Steifigkeit (Elastizitätsmodul), der Gesteinsfestigkeiten (insbesondere Zug- und Druckfestigkeit) und der Gesteinszähigkeit (Gudmundsson 2011), die für die im ORG anstehenden Gesteine ermittelt werden. Gesteine mit stark wechselnden mechanischen Eigenschaften (z.B. durch Schichtung oder in den verschiedenen Einheiten von Störungszonen), können das Spannungsfeld auf kleinstem Raum extrem heterogen gestalten und so die Bruchausbreitung stark beeinflussen (Gudmundsson et al. 2010). Schließlich werden potentielle Geometrien von Bruchsystemen in der Tiefe bestimmt, um die Abschätzung von Fließraten zu ermöglichen. Finales Ziel ist es, Strategien zu entwickeln, um jeweils optimale Bohrlochanordnungen und Bohrzielpunkte zu finden, durch die maximale Fließraten, aber langsame Abkühlungsraten im Reservoir erzielt werden können (vgl. Philipp 2007). a) b) Abb. 3: a) Typische Infrastruktur von Störungszonen: Unterteilung in Störungskern und Bruchzone. Der Störungskern besitzt nur dann eine hohe Permeabilität, wenn die Störungszone aktiv ist. In der Bruchzone hängt die Permeabilität des Bruchsystems besonders vom Vernetzungsgrad der Brüche und dem lokalen Spannungsfeld ab. b) Die Permeabilitätsstruktur einer Störungszone hängt unter anderem vom relativen Anteil von Bruchzone und Kern ab (verändert nach Caine et al. 1996). 5 2.4 Petrophysikalische Eigenschaften geothermischer Reservoiranaloge Gefüge und Porensysteme der Gesteine werden, abhängig von den primär-detritischen Komponenten und der spezifischen regionalgeologischen Situation, in unterschiedlichem Ausmaß diagenetisch und strukturell überprägt. Die resultierenden petrophysikalischen Eigenschaften wie Porosität, Permeabilität und Wärmeleitfähigkeit werden durch zahlreiche simultan ablaufende oder aufeinanderfolgende Prozesse gesteuert (Urai et al. 2008). Folglich weisen viele Reservoirgesteine deutliche Heterogenitäten bezüglich ihrer lithologischen, petrophysikalischen und strukturellen Eigenschaften auf (Abb. 4), die im Mikro- (µm) bis Giga-Maßstab (x100 m) ausgebildet sind. Reservoir-Heterogenitäten und -Qualitätsänderungen werden in der Kohlenwasserstoff(KW)Exploration und -produktion durch integrierte geowissenschaftliche Methoden gewöhnlich gut erfasst und können daher auch in benachbarten Regionen für bisher nicht erbohrte Lithologien realitätsnah modelliert und prognostiziert werden (z. B. Gaupp et al. 1993; Ajdukiewicz & Lander 2010). Die Übertragbarkeit bzw. notwendige Modifikationen der in der KW-Industrie etablierten Standardmethoden auf die quantitative Beurteilung von geothermischen Reservoiren soll getestet werden. Abb. 4: Prinzipielle Reservoir-Heterogenitätstypen in Sandsteinen, die verschiedenskalig (um bis x100 m) und mit variabler lateraler Ausdehnung ausgebildet sein können und gewöhnlich auf Variationen der Faziesarchitektur, der diagenetischen Entwicklung und der strukturellen Situation zurückgeführt werden (aus Morad et al., 2010). Basierend auf Lidar-Modellen und lithologisch-faziellen Eckdaten erfolgt für Labormessungen die Plug-Beprobung aller relevanter Lithofaziestypen an ausgewählten, für geothermische Reservoirgesteine des ORG relevanten Typus-Aufschlüssen. Parallel dazu werden auch in-situ Gaspermeabilitäts- und Ultraschallmessungen im Aufschluss durchgeführt, um deren Korrelation mit Labormessungen zu testen. An allen relevanten Lithofaziestypen der ausgewählten Aufschlussanaloga wird ein einheitliches Laborprogramm angewendet, das kontinuierlich optimiert wird: 1) Anfertigung und quantitative Auswertung von Dünnschliffen hinsichtlich ihrer 2DPorenraumgeometrien, ergänzt durch Röntgendiffraktometrie zur Erfassung der Tonminerale. 2) Detailuntersuchung der Porenraumgeometrien und Porenhälse mittels SEM und Mikrosonde. 3) Durchführung von Micro-CT-Scans zur 3D-Visualisierung der Makro-Porennetzwerke und Quantifizierung der Anteile geschlossener/kommunizierender Poren. 4) Labormessungen von Hg-und He-Porosität, Unterscheidung der Makro-, Meso- und Mikroporosität, spezifische Oberfläche nach BET und der Porenweitenverteilung, Gas- und Flüssigkeits-Permeabilität, Wärmeleitfähigkeit und Ultraschalllaufzeiten (als Proxy für Dichte, Tongehalt, Zementation/Dezementation). Wenke et al. Zusätzlich werden die Ergebnisse für Aufschlussanaloga mit Logdaten ausgewählter Bohrungen des ORG verglichen, um ihre Korrelierbarkeit mit Reservoirgesteinen im Graben zu überprüfen. Abschließende 3D-Modellierung petrophysikalischer Reservoirparameter vermitteln ein hochauflösendes und realitätsnahes Abbild der Reservoir-Architektur und -Qualität. 2.5 Seismische Kalibration von Reservoirparametern Seismische Untergrunddaten sind generell durch weitflächige Abdeckung (2D, 3D), aber sehr geringe Datendichte und Auflösung charakterisiert. Die Interpretationsqualität seismischer Daten sowie die Verlässlichkeit seismik-basierter Untergrundmodelle hängt nicht zuletzt von der technischen Auslage der Messungen ab. Im Gegensatz dazu sind Bohrungsdaten durch hohe Auflösung, aber minimale räumliche Abdeckung gekennzeichnet. Aufschluss-Reservoir Analogmodelle stellen den zentralen Ansatz dar, die gegensätzlichen Merkmale von Seismik- und Bohrungsdaten zu überbrücken. Aus der Untersuchung von Aufschlussdaten werden prinzipielle Merkmale des Untergrundes abgeleitet – im Hinblick auf Störungszonen (Weite, Verlauf, Mechanik), petrophysikalische Parameter (Porosität, Pemeabilität, Laufzeitgeschwindigkeiten, Wärmeleitfähigkeit), Reservoir-Architektur (interne laterale Kontinuität und vertikale Konnektivität, Lithofazies) und sekundäre Überprägungen des Porenraums (Diagenese). Entscheidend für Aufschluss-Reservoir Analogmodelle ist, dass: 1) die räumliche Position vollständig und flächendeckend georeferenziert ist; 2) alle erfassten Parameter in quantifizierter Form vorhanden sind; 3) punktuell erfasste Parameter anhand geostatistischer Methoden (z.B. „kriging“) auf seismische Maßstäbe (15-40 m) hochinterpoliert werden („upscaling“); 4) Upscaling nur innerhalb geologischer Strukturen (Störungen, Sedimentarchitektur) erfolgt. Detaillierte 2/3D Modellierung von Reservoirparametern (Poroperm, Lithofazies, Klüfte, Störungen) haben jedoch erst in den letzten Jahren zunehmende Verbreitung in der KW-Industrie gefunden. Dies wurde u.a. durch die Entwicklung feldgestützter LIDAR Systeme ermöglicht. Sie ermöglichen die hochauflösende 3D Vermessung großdimensionaler Oberflächen (Aufschluss) über Distanzen von ca. 10-1800 m mit vollständiger Georeferenzierung. Die räumliche Auflösung einfacher differentieller GPS-Messungen ist für Aufschluss-Reservoir Analogmodelle mit nachfolgenden Modellierungsansätzen nicht ausreichend. Außerdem muss eine ±kontinuierliche Abdeckung der Raumdaten über den Aufschluss vorhanden sein. Der mittlere Punktabstand beträgt je nach Größe des Aufschlusses und der Messdistanz 0.03-0.5 m. LIDAR-basierte Oberflächenmodelle mit überlagerten geologischen, petrophysikalischen, strukturellen und diagenetischen Parameter bilden die Datenbasis für statische 3D Reservoirmodelle. Numerische Reservoirmodelle aus Aufschlussdaten weisen maximale räumliche Flächenabdeckung, Datendichte und Auflösung auf. Sie überwinden folglich die Beschränkungen, die kombinierte Seismik- und Bohrungsdaten des Untergrundes aufweisen. Aufgrund ihrer spezifischen Merkmale eignen sich LIDAR-basierte Oberflächen-Modelle singulär für seismische Simulationen in 2D und 3D. Dieser methodische Schritt ist Voraussetzung für die verbesserte Kalibration und Interpretation seimischer Untergrund und die Vorhersage Explorationsrelevanter petrophysikalischer und lithofazieller Daten. Wichtige Modellierungsparameter umfassen u.a.: i) technische Parameter: seismische Auslage, Anregungsfrequenz/-stärke; ii) geologische Parameter: Porosität, Lithofazies, Flüssigkeitstyp/sättigung; iii) elastische Parameter: seismische Geschwindigkeit, Impedanz, elastische Moduli; iv) Reflektor-Parameter: Amplitude vs. Offset (AVO/AVA), Reflektionskoeffizient. Seismische Simulationen ermöglichen die: i) Kalibration seismischer Untergrundsignale anhand seismischer Simulation bekannnter und hochauflösend analysierter Aufschluss-Analoga (nach: LIDAR-Modellen mit Parameter-Überlagerung, statischer Reservoir-Modellierung seismischer Simulation); ii) Vorhersage struktureller und Reservoir-Parameter für seismische Untergrunddaten 7 (nach: Definition von Parameterklassen in seismischen Simulationen von Aufschlüssen, Vergleich mit realen seismischen Untergrunddaten). Abb. 5: Seismische Faziesanalyse am Beispiel Groß-Gerau (Wenke et al. 2011b) Abb. 6:Modellierung seismischer Fazies des permokarbonen Subbeckens im nördlichen ORG (nach Rohrer 2011, Wenke et al. 2011a). 2.6 Mechanik und Charakteristik von regionalen Störungssystemen – Korrelierbarkeit von Erkenntnissen aus Übertageaufschlüssen mit den Ergebnissen moderner Seismik und Bohrlochmessungen Potentiell erhöhte Permeabilitäten in geothermischen Reservoiren wurden in Störungszonen nachgewiesen (u.a. Geothermieprojekte Insheim und Landau), die in Abhängigkeit von ihrer Ausbildung und Ausrichtung zu einem gegebenen Spannungszustand felsmechanisch sehr unterschiedlich reagieren. Wenke et al. Die Ergebnisse von Laborexperimenten zeigen nur in beschränktem Rahmen die felsmechanischen Reaktionen von zum Teil vorzerklüfteten Probekörpern auf einen herrschenden oder sich ändernden Spannungszustand. Einige wenige relevante strukturell-felsmechanische Analysen, ausgeführt an Bohrkern- und Gesteinsmaterial aus der Tiefe, sind von der KW-Industrie aus einigen Öl- und Gasfeldern bekannt. Generell sind jedoch diese Informationen nicht unmittelbar auf die Verhältnisse bei der Gewinnung geothermischer Energie aus tiefen Reservoiren übertragbar, da dort unterschiedliche Eingangsparameter von vitaler Bedeutung sind. Ziele innerhalb des Forschungsvorhabens sind daher in einer ersten Phase: 1) Detaillierte Analyse der aus 2D- und 3D- Seismikmessungen gewonnenen Strukturdaten und der sedimentologischen Faziesbereiche. 2) Analyse seismischer Attribute aus 3D-seismischen Daten zur Untersuchung der tektonischen Deformation der Reservoirgesteine und der Orientierung von Bruchsystemen im Kleinmaßstab. 3) Übertragung der in den Aufschlüssen gewonnenen Faziesinterpretationen und Deformationsanalysen in die aus der bisherigen Seismikinterpretation abgeleiteten geologischen Untergrundmodelle und darauf aufbauende Neuanalyse der entsprechenden „seismischen Fazies“. 4) Erkennen von unterschiedlichem felsmechanischem Verhalten der geologischen Einheiten (Stockwerkstektonik), die Analyse von Störungseigenschaften und Kluftsystemen und deren Einflüsse auf die Permeabilität. 5) Vorhersage der felsmechanischen Reaktion präexistenter Störungssysteme auf das rezente Spannungsfeld. Nach erfolgreichem Abteufen von geothermischen Bohrungen liefern dann in einer zweiten Untersuchungsphase hochauflösende Logdaten und hydraulische Tests Informationen über den IstZustand der Reservoirformationen in großen Tiefen. Die Kombination verschiedener Logging-Tools [z.B. Circumferential Borehole Imaging Log (CBILTM), Simultaneous Acoustic and Resistivity Imager (STARTM) oder Cross-Multipole Array Acoustilog (XMACTM)] im gleichen Log-Run sowie in Kombination mit Tracer-Push-Pull Tests ermöglichen das zweifelsfreie Erkennen bzw. die Unterscheidung von potentiell offenen und geschlossenen Brüchen/Bruchsystemen sowie deren Orientierung und Reichweite im Umfeld der Bohrung. Diese „in situ“ in der Tiefe gewonnenen Daten dienen zum Abgleich der in den Analogaufschlüssen und den Seismikdaten gewonnenen Daten sowie Vorhersagen zur Permeabilität bzw. Transmissivität in Reservoirtiefen. Sie schaffen somit die Grundlagen zur Korrelierbarkeit von Oberflächen- und Tiefendaten. Damit soll sich die „hydraulische Qualität“ der Reservoirzonen im Umfeld von Bohrungen schon im Vorfeld der Ausführung der Bohrungen vorhersagen und bewerten lassen. Abb. 7: Differenzierung des Charakters von Bruchstrukturen mit Resistivity-Imager-Methode (STAR 9 TM / Baker Hughes). 2.7 Bestimmung thermohydraulischer Parameter aus Aufschlussanalogen und oberflächennahen Bohrungen Die Bestimmung thermohydraulischer Parameter am Aufschluss soll im Wesentlichen für die Projekte Groß-Gerau und Heidelberg durchgeführt werden. Zielreservoire im Raum Groß-Gerau sind die Vulkanitserien des Permokarbon, die klastischen Abfolgen der Glan-Subgruppe (?) (Rotliegend), der karbonatisch zementierten klastischen Abfolge des Karbon sowie das Grundgebirge im Nahbereich von prominenten Störungszonen. Am Standort Heidelberg ergibt sich die besondere Situation, dass die Reservoire Kristallin, Buntsandstein und Muschelkalk, welche im Erlaubnisfeld in einer Tiefe von > 4.250 m liegen, direkt an der Grabenschulter in nur vier bis fünf Kilometern Entfernung untersucht werden können. Daten zur Gebirgsdurchlässigkeit können unter Berücksichtigung von Kompaktionsprozessen von Wasserfassungen der lokalen Wasserversorger oder tieferen Baugrunduntersuchungen entnommen werden. Aus Aufschluss- und Bohrungsdaten werden petrophysikalische sowie thermohydraulische Kennwerte wie Temperatur und Permeabilität in die Auswertung integriert (Abb. 9). Mit Hilfe moderner Interpretationsmethoden werden hochauflösende seismofazielle Kartierungen durchgeführt. Die Analyse seismischer Spuren (Trace Analysis) können so von Bohrpunkten aus Eigenschaften, welche stratigraphisch eindeutig zugeordnet werden können, über mehrere Bruchschollen hinweg korreliert werden. Die Auswertung dient als Grundlage für spätere thermohydraulische Modellierungen. Abb. 8: Arbeitsablauf für die seismische Korrelation von Gesteinsparametern als Grundlage thermohydraulischer Modellierungen. 3. Ergebnis und Ausblick Mit dem Projekt AuGE wurde ein integratives Forschungsprojekt ins Leben gerufen mit dem Ziel, die spezifischen Potentiale der Reservoirformationen des ORG am Aufschluss zu beschreiben, petrophysikalische Zusammenhänge in der Formation und im Bereich von Störungszonen zu erkennen und daraus Eingangsparameter und Handlungsweisen für die Reservoirerschließung zu generieren. Die Ergebnisse des Projektes sollen direkt in die Prognostizierung des geothermischen Potentials der Projekte Brühl, Groß-Gerau, Heidelberg und Schaidt einfließen. Es ist geplant, bis zum Ende der Projektlaufzeit an allen vier Standorten thermohydraulische Modelle zu erstellen, auf Wenke et al. deren Basis Erschließungskonzepte erarbeitet werden können. Weiter sollen an den Standorten Brühl, Groß-Gerau und Schaidt erste Bohrungen abgeteuft worden sein. Die Forschungsergebnisse können dann direkt mit den Erkenntnissen aus Pumpversuchen und Zirkulationstests verglichen werden. Danksagung Die Autoren bedanken sich für die fachliche und administrative Unterstützung in der Vorbereitung des Projektes bei René Grobe, Michael Kraml, Horst Kreuter, Simon Kreutz, Ulrich Lotz und Christina Schrage. Das Projekt AuGE wird gefördert vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Fkz: 0325302) im Rahmen des 5. Energieforschungsprogramms Erneuerbare Energien der Bundesrepublik Deutschland. 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