Krankheitszeichen Sichelzellkrankheit

Werbung
Krankheitszeichen Sichelzellkrankheit
Aktualisiert Montag, den 10. Oktober 2016 um 20:26 Uhr
Blutgefäße gibt es überall im Körper, deshalb kann bei der Sichelzellkrankheit jedes Organ
betroffen sein. Es gibt einige Probleme die nur bei Kindern bzw. nur bei Erwachsenen auftreten.
Die wichtigsten und häufigsten Krankheitsmanifestationen bei Kindern und
Erwachsenen:
Chronische hämolytische Anämie
Alle Sichelzellpatienten haben eine Anämie (= Blutarmut), weil ihre roten Blutkörperchen nur
10 – 12 Tage leben (= Hämolyse), und nicht, wie bei Gesunden, 120 Tage. Das Hb liegt bei
Sichelzellpatienten zwischen 6 -9 g/l, die Retikulozyten, die anzeigen, wieviel neue rote
Blutkörperchen gebildet werden, sind hoch (10-20%). Diese Anämie wird gut vertragen, weil der
Körper ja daran gewöhnt ist, und das HbS den Sauerstoff leichter in die Gewebe abgibt als das
gesunde HbA. Die ständige (= chronische) Anämie hat zur Folge, dass Sichelzellpatienten zwar
Sport treiben können und dürfen, sie sind aber nicht so leistungsfähig wie andere Kinder. Eltern
von Sichelzellpatienten müssen den Sport-Lehrern sagen, dass es nicht Faulheit ist, wenn ihr
Kind im Sportunterricht plötzlich aufhört, weil es an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit
gekommen ist, sondern bedingt ist durch die Anämie. Es gibt keinen Grund einen
Sichelzellpatienten, der sonst keine Probleme hat, zu transfundieren, nur, weil seine Hb-Werte
niedriger sind als bei Gesunden. Transfusionen sind notwendig, wenn das Hb absinkt auf
Werte, die lebensbedrohlich sind.
Schmerzen
Schmerzkrisen entstehen im Inneren von Knochen, im sog. Knochenmark, wo die Blutbildung
stattfindet. Wenn ein Blutgefäß, das den Sauerstoff für das Gewebe liefern soll, verstopft ist
durch Sichelzellen, kommt kein Sauerstoff mehr an dieses Gebiet im Knochenmark: es zerfällt
und stirbt ab. Um das abgestorbene Knochenmark sammelt sich Flüssigkeit an, die viel Platz
1/6
Krankheitszeichen Sichelzellkrankheit
Aktualisiert Montag, den 10. Oktober 2016 um 20:26 Uhr
einnimmt und den Knochen dehnt. Knochen sind mit einer Haut (Periost) umgeben, die sehr
empfindlich ist. Wenn sie gedehnt und gespannt wird, durch die Flüssigkeit um das tote
Gewebe im Knochenmark, entstehen sehr heftige Schmerzen.
Bei Kindern unter 3 Jahren sind die Schmerzen häufig in Händen und Füssen, die dann
geschwollen sind.
Ältere Kinder haben meist Schmerzen in Armen und Beinen, Erwachsene in Rücken, Becken,
Rippen und Brustbein. Bei Erwachsenen kann es zusätzlich zu den für sie bekannten
Schmerzkrisen zu chronischen Schmerzen kommen, für die eine Ursache gesucht werden
muss, die man behandeln kann: Nekrosen von Hüft-bzw. Oberarmkopf? Magengeschwür?
Unterschenkel-Ulzera? zusätzliche Rheuma-Erkrankung? In manchen Fällen findet sich keine
fassbare Ursache der chronischen Schmerzen und es muss versucht werden, die Schmerzen
durch Medikament, die dauerhaft genommen werden, zu lindern.
Infektionen
Sichelzellpatienten haben lebenslänglich, allerdings vermehrt in den ersten 5 Lebensjahren, ein
erhöhtes Risiko, schwere Infektionen durch Bakterien (vor allem Pneumokokken) zu
bekommen. Die schwersten und bedrohlichsten Infektionen, bei denen sich die Bakterien (=
Eitererreger) sehr schnell im Blut oder im Liquor (= Flüssigkeit um das Gehirn und Rückenmark)
2/6
Krankheitszeichen Sichelzellkrankheit
Aktualisiert Montag, den 10. Oktober 2016 um 20:26 Uhr
vermehren, verursachen Fieber, ohne dass Erkältungszeichen wie Husten, Schnupfen,
Heiserkeit oder Durchfall vorhanden ist. Starke Kopfschmerzen bei hohem Fieber können das
erste Anzeichen sein für eine eitrige Meningitis (= Hirnhautentzündung).
Fieber ist ein sehr wichtiges Warnzeichen. Es bedeutet: Achtung!! Eine Infektion!! Auf
keinen Fall darf bei fiebernden Sichelzellpatienten das Fieber gesenkt werden, weil dann
ein wichtiges Krankheitszeichen zur Beurteilung des Patienten wegfällt. Jedes Kind unter
5 Jahren, das Fieber hat über 38,5 Grad muss stationär aufgenommen und antibiotisch
behandelt werden.
Kinder über 5 Jahre und Erwachsene mit Fieber müssen vom Arzt untersucht werden. Es hängt
vom Allgemeinzustand und von der Entfernung, in der die Familie lebt, ab, ob solch ein
Sichelzellpatient zu Hause oder im Krankenhaus betreut werden kann.
Nicht nur Bakterien, sondern auch Viren können Sichelzellpatienten krankmachen. Es gibt ein
Virus, das Parvovirus B19, das die Ringelröteln verursacht, eine für sonst gesunde Kinder
harmlose Infektion mit einem Ausschlag. Menschen, deren rote Blutkörperchen sehr schnell
abgebaut werden (chronische Hämolyse) und deshalb im Knochenmark, wo die Blutbildung
stattfindet, sehr viele rote Blutkörperchen neu bilden müssen, sind sehr krank, wenn sie
angesteckt werden mit dem Parvovirus B19: sie können u. a. hohes Fieber haben, starke
Kopfschmerzen, Durchfall, Erbrechen, aber sie haben keinen Ausschlag. Das Wesentliche ist
aber, dass im Knochenmark keine roten Blutzellen mehr gebildet werden, weil das Parvovirus
die Produktion behindert. Der rote Blutfarbstoff sinkt auf sehr niedrige Werte und es gibt keine
Retikulozyten mehr. Man nennt diese Situation
„aplastische Episode“
. Sehr oft ist eine Transfusion notwendig, um dem Körper die wichtigen Sauerstoffträger zu
ersetzen. Meist fängt die eigene Produktion der roten Blutkörperchen nach 5-10 Tagen wieder
an. Eine Parvovirus B19 Infektion kann man nur 1 x im Leben haben.
Milzsequestration
Als Milzsequestration wird eine lebensbedrohliche Situation bezeichnet, bei der fast alles Blut,
das eigentlich durch den Körper fließen muss, in der Milz, die riesengroß wird, zurückgehalten
3/6
Krankheitszeichen Sichelzellkrankheit
Aktualisiert Montag, den 10. Oktober 2016 um 20:26 Uhr
wird und nicht mehr für den Kreislauf zu Verfügung steht. Es entwickelt sich ein Schockzustand
mit sehr hohem Puls, niedrigem Blutdruck und extremer Blässe. Eine Milzsequestration kann
sich sehr rasch entwickeln und innerhalb weniger Stunden zum Tod führen. Kinder mit einer
Sichelzellkrankheit HbSS können bis zum 6. Lebensjahr, Sichelzellpatienten mit den
gemischten Formen HbSß-Thal und HbSC bis ins Erwachsenenalter solche
Milzsequestrationen bekommen. Es fängt meist mit Bauchschmerzen an, dann werden die
Kinder blass, schlapp und wollen nicht mehr essen. Manchmal ist Fieber dabei. Jedes Kind mit
Sichelzellkrankheit das Bauchschmerzen hat, muss zum Arzt gebracht werden um die Größe
der Milz zu überprüfen. In den meisten Fällen einer Milzsequestration ist eine Bluttransfusion
notwendig. Wenn das Hb (roter Blutfarbstoff) sehr stark abgefallen ist bei einer
Milzsequestration muss so bald wie möglich die Milz chirurgisch entfernt werden (=
Splenektomie).
Um möglichst früh eine Milzsequestration zu entdecken wird Eltern von Säuglingen und
Kleinkindern beigebracht, bei jedem Wickeln die Größe der Milz festzustellen. Ist
plötzlich die Milz, die normalerweise unter dem linken Rippenbogen versteckt ist, tastbar,
muss der Arzt aufgesucht werden.
Lungenprobleme
Das Akute-Thorax-Syndrom ist eine Lungenkomplikation, die es nur bei Sichelzellpatienten
gibt. Es entwickelt sich häufig während oder nach einer Schmerzkrise und fängt meist an mit
Schmerzen im Brustkorb. Dann kommt Fieber, schnelles Atmen und Kurzatmigkeit dazu.
Jeder Sichelzellpatient mit Schmerzen im Brustkorb muss vom Arzt gesehen und es
muss die Lunge geröntgt werden.
Schmerzen im Brustkorb sind ein Grund zur stationären Aufnahme. Bei Sichelzellpatienten ist
Asthma häufiger als in der Normalbevölkerung. Es muss versucht werden, es gut einzustellen
mit Inhalation von Bronchen-erweiternden Mitteln.
Priapismus
4/6
Krankheitszeichen Sichelzellkrankheit
Aktualisiert Montag, den 10. Oktober 2016 um 20:26 Uhr
Eine schmerzhafte, andauernde Erektion (= Priapismus) kann bei Kindern und Erwachsenen
auftreten und ist ein Grund, den Arzt aufzusuchen. Es gibt ein Medikament, Effortil, das
wiederholte Priapismus-Episoden verhindern kann.
Nierenprobleme
Blutiger Urin ohne Schmerzen kann plötzlich auftreten. Die Ursache ist ein Gefäßverschluss
in einem Teil der Niere, der ins Nierenbecken ragt. Durch Ultraschall muss eine andere
Blutungsursache ausgeschlossen werden. Meist hört die Blutung von selber wieder auf, hilfreich
ist Bettruhe. Viel trinken ist wichtig, damit es keine Blutgerinnsel im Harnleiter gibt.
Die Niere von Sichelzellpatienten kann den Urin nicht konzentrieren. Wenn ein Gesunder an
einem heißen Tag viel schwitzt und wenig trinkt, scheidet er ganz wenig, sehr konzentrierten
(dunklen) Urin aus da die gesunde Niere automatisch so viel Flüssigkeit zurückbehält, wie es
der Kreislauf benötigt. Dafür wird dann beim Urin gespart. Wenn ein Sichelzellpatient am
gleichen heißen Tag viel schwitzt und wenig trinkt, scheidet er trotzdem viel hellen (nicht
konzentrierten) Urin aus, da die Nieren nicht in der Lage sind, den Urin zu konzentrieren und
damit Flüssigkeit für die Bedürfnisse des Körpers zu sparen. Das Blut wird dickflüssig und es
kann dadurch zu einer Schmerzkrise kommen.
Sichelzellpatienten müssen deshalb schon unter normalen Bedingungen mehr trinken
als Gesunde. An heißen Tagen oder bei großen körperlichen Anstrengungen erhöht sich
die notwendige Trinkmenge noch. Als Getränk kommt nur Wasser, am besten
Leitungswasser, in Frage. Limonade, Saft, Cola sollten nicht getrunken werden, da sie
die Zähne kaputt machen und dem Körper viel zu viel Zucker zuführen.
Eine Nierenschädigung kann sich schon bei Kindern durch eine Eiweiß-Ausscheidung im Urin
zeigen.
Ab dem 6. Lebensjahr muss der Urin mindestens 1 x im
Jahr auf Eiweiß untersucht werden.
Schlaganfälle
5/6
Krankheitszeichen Sichelzellkrankheit
Aktualisiert Montag, den 10. Oktober 2016 um 20:26 Uhr
Sichelzellpatienten haben ein Risiko von 10-15%, in der Kindheit einen Schlaganfall zu
erleiden durch ein verstopftes Blutgefäß im Gehirn. Durch eine Ultraschall-Untersuchung des
Kopfes (Trans-cranielle Doppler-Sonographie = TCDS), bei der die Geschwindigkeit gemessen
wird, mit der das Blut durch die Arterien des Gehirns fließt, kann man bei Kindern mit HbSS
bzw. HbSß°-Thal zwischen 2 - -16 Jahren herausfinden, wer ein hohes Risiko hat, einen
Schlaganfall zu bekommen. Mit regelmäßigen Transfusionen über viele Jahre kann dieses
Risiko wesentlich verkleinert werden. In Deutschland wird diese Untersuchung an einigen
Kliniken durchgeführt.
Nach einem Schlaganfall muss ein Sichelzellpatient über viele Jahre Bluttransfusionen in
regelmäßigen Abständen bekommen, damit es nicht zu einem 2. Ereignis kommt. Wenn ein
solcher Patient ein Geschwister hat, das als Spender geeignet ist (= HLA-identisch ist) sollte
eine Stammzell-Transplantation (SZT) durchgeführt werden.
6/6
Herunterladen