H 64122 ISSN 1439-1139 4/2009 August 11. Jahrgang Demenz Depression @ DEMENZ Leitlinie Demenz @ DEMENZ UND DEPRESSION Gemeinsamkeiten und Unterschiede @ FORTBILDUNG Basiskurs Geriatrie @ FORSCHUNG Ambient Assisted Living Lesen Sie mehr dazu ab Seite 15 EDITORIAL D emenz. Bereits in der letzten Ausgabe des GERIATRIE JOURNALs bildete diese Erkrankung einen redaktionellen Schwerpunkt. In diesem Heft greifen wir das Thema noch einmal auf und ergänzen die Fortsetzung der Beiträge „Antipsychotika bei herausforderndem Verhalten?“ (S. 27 ff.) und „Herausforderung für den Hausarzt“ (S. 32 ff.) durch zwei weitere Beiträge. „Was sollte eine S3-Leitlinie für das Krankheitsbild Demenz beinhalten?“ fragt Prof. Ingo Füsgen ab Seite 15. Grundsätzlich verfolgen medizinische Leitlinien das Ziel, die adäquate und qualitative Behandlung von Erkrankungen sicherzustellen. Doch gerade das ist bei der Demenz schwierig. Die Ursachen und der gesamte Komplex der neuronalen Veränderungen sind noch immer unbekannt. Das Krankheitsbild selbst ist vielschichtig und Demenzkranke leiden in der Regel nicht nur unter dieser Erkrankung. Die Krankheitsversorgung muss deshalb weitmehr als nur die Behandlung demenzieller Symptome berücksichtigen. Hinzu kommen die in verschiedenen medizinischen Bereichen tätigen Personen – Ärzte, Pfleger, Therapeuten, die Angehörigen und die Kardinalfrage: „Was macht eigentlich die Lebensqualität eines Demenzkranken aus?“ Demenz kann leicht mit den Symptomen der Altersdepression verwechselt werden, den beiden Erkrankungen mit den höchsten Prävalenzraten bei älteren Menschen. Die initialen Symptome ähneln sich auf den ersten Blick: psychomotorische Verlangsamung, Interessen- und Leistungsminderung, Störungen von Aufmerksamkeit, Konzentration und Kurzzeitgedächtnis. Mit ihrem Überblick über Gemeinsamkeiten und Unterschiede geben Ute Fiedler und Prof. Jens Wiltfang ab Seite 18 ff. Hinweise für die Diagnostik. Einen Blick in die Zukunft wagt der Artikel über das SensAction-AAL-Projekt (AAL = Ambient Assisted Living). Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und dem damit verbundenen steigenden Bedarf an neuen Orientierungs-, Unterstützungs und Hilfsangeboten fördert die Europäische Union (EU) internationale Forschungsvorhaben. Ziel ist, Informations- und Kommunikationstechnologien und Dienstleistungen für Assistenzsysteme zu entwickeln. Die teilnehmenden Länder haben sich verpflichtet, über eine Laufzeit von sechs Jahren nationale Fördermittel bereit zu stellen. Deutschland ( w w w. a a l - d e u t s c h land.de) hat bei der Vorbereitung der Länderinitiative „AALJoint Programme“ eine aktive Rolle gespielt und war Mitgründer der AAL Association. Das ab Seite 37 ff. vorgestellte Sens-Action-AAL-Projekt wird von der EU gefördert und befasst sich mit einem individuellen Trainingsprogramm zur Verbesserung bzw. Stabilisierung der dynamischen und statischen Balance. Eine informative Lektüre wünscht Ihnen Jola Horschig Redakteurin GERIATRIE JOURNAL Foto: Wyeth Demenz, Depression und AAL I N H A LT EDITORIAL Demenz, Depression und AAL 3 NACHRICHTEN: TRENDS & THEMEN Wichtige Informationen in Kürze 6 A K T U E L L : G E R I AT R I S C H E R E H A B I L I T AT I O N B U R G H A U S E N 10 Jahre Geriatrische Rehabilitation – Weiterentwicklungen? 9 Foto: Wyeth Pharma9 Leitlinien besitzen in der Medizin eine hohe Bedeutung. Beim Krankheitsbild Demenz stellt sich die Frage, was man bei einer S3-Leitlinie erwarten darf, was über die bisher standardisierten Diagnostikund Therapievorstellungen der neurologischen- und psychiatrischen Fachgesellschaften hinausgeht. Seite 15 AKTUELL: WEITERBILDUNG Basiskurs Geriatrie 10 AKTUELL: 19. KONGRESS DER DGG Göttingen – die Stadt, die Wissen schafft 11 L I T E R AT U R : R E F E R I E R T & K O M M E N T I E R T Dekubitalulzera: Dekubitus nach hüftgelenknaher Fraktur Analgesie: Gute postoperative Schmerztherapie verbessert Langzeitergebnisse ASS-Prophylaxe: Prostatachirurgie und Blutungsrisiko Lungentumor: Palliativer Therapieansatz für ältere Risikopatienten Foto: Konstantin Sutyagin – Fotolia.com Demenz und Depression sind die beiden psychischen Erkrankungen mit den höchsten Prävalenzraten bei älteren Menschen. Der Artikel geht auf Besonderheiten psychischer Erkrankungen im Alter ein und gibt einen Überblick zu Diagnose und Therapie der beiden Störungsbilder. Seite 4 18 12 12 13 14 DEMENZ: S3-LEITLINIE Was sollte eine S3-Leitlinie für das Krankheitsbild Demenz beinhalten? Ingo Füsgen, Wuppertal P S Y C H I AT R I E : D E M E N Z UND 15 DEPRESSION Demenz und Depression – Gemeinsamkeiten und Unterschiede Ute Fiedler und Jens Wiltfang, Essen 18 GERIATRIE JOURNAL 4/09 I N H A LT P S Y C H I AT R I E : D E M E N Z Antipsychotika zur Behandlung von herausforderndem Verhalten? Teil 2 Dirk K. Wolter, Wasserburg am Inn DEMENZ: DIAGNOSTIK, THERAPIE UND 26 Foto: Wyeth Pharma BETREUUNG Demenz: Herausforderung für den Vertragsarzt, Teil 2 F. H. Mader, P. Landendörfer, H. Förstl 31 Demenz: Herausforderung für den Vertragsarzt. Der zweite Teil gibt Hinweise zu technischen Untersuchungen, zur Situation der Betroffenen und ihrer Angehörigen sowie zur Pharmakotherapie. Seite 31 FORSCHUNG: AMBIENT ASSISTED LIVING (AAL) Das SensAction-AAL-Projekt Clemens Becker, Simone Nicolai, Walter Mätzler und Klaus Pfeiffer, Stuttgart 36 P U B L I K AT I O N E N : B Ü C H E R • Demenz – Neue DEGAM-Leitlinie für Hausärzte • Hessen: Handlungsempfehlung Demenz veröffentlicht 38 Foto: Autoren P H A R M A : S Y M P O S I E N & P R A X I S I N F O R M AT I O N E N Angina Pectoris: Ischämischen Teufelskreis durchbrechen Kardiale Doppelbelastung: Typ-2-Diabetes und Hypertonie patientengerecht therapieren Impfung: Erster intradermaler Grippeimpfstoff Wundbehandlung: Schnelle und vollständige MRSA-Eradikation Schmerztherapie: Neues Medikament behandelt erfolgreich Opioid-Induzierte Obstipation 39 39 44 GERIATRIE JOURNAL 4/09 Seite 36 41 42 DIVERSES Termine/Impressum Die Europäische Union (EU) und die Bundesrepublik Deutschland fördern Projekte, mit denen Technologien zur Unterstützung der Unabhängigkeit älterer Menschen entwickelt werden sollen. Das SensAction-AAL-Projekt wird von der EU unterstützt. Titelbild 43 nadet – Fotolia.com 5 NACHRICHTEN: TRENDS & THEMEN Erste „Herzpumpen“ im IHGZ implantiert Am 23. und 28. Juli 2009 sind die ersten VADs (Ventricular Assist Device) im erst kürzlich neu gegründeten „Internationalen Herz- und Gefäßzentrum Rhein-Ruhr (IHGZ)“ implantiert worden. Es handelt sich dabei um die derzeit modernsten Herzunterstützungssysteme, die in einer jeweils rund 3-stündigen Operation eingesetzt worden sind. Mit einer Förderleistung von fünf bis sechs Litern pro Minute gewährleisten diese VADs Patienten mit terminaler Herzinsuffizienz ein vergleichsweise normales Leben, bei dem sogar das Fahrradfahren wieder möglich ist. Eine Dauerlösung sind aber auch diese Hochleistungspumpen nicht. „Beide Patienten werden in Zukunft hier bei uns auch eine Herztransplantation erhalten müssen“, erklärt Prof. Dr. Dr. Reiner Körfer. Die beiden 51- und 66-jährigen Patienten hatten bereits eine längere Krankengeschichte in verschiedenen anderen Kliniken hinter sich gebracht. Die konventionellen Behandlungsmöglichkeiten waren ausgeschöpft. So waren bei einem Bundesverband Geriatrie gründet zwei neue Landesverbände Im Juni und Juli 2009 hat der Bundesverband Geriatrie e.V. den Landesverband Sachsen und den Landesverband Brandenburg gegründet. Der Landesverband Sachsen wird von einem aus drei Personen bestehenden Vorstand geleitet. Der Vorsitzenden DM Sabine Vodenitscharov (Geriatrische Rehabilitationsklinik Radeburg GmbH) stehen als Stellvertreter Dr. med. Ralf Sultzer (Helios Geriatriezentrum Zwenkau) sowie Dr. med. Stefan Zeller (Städt. Klinikum Görlitz gGmbH) zur Seite. Vorsitzende des Landesverbandes Brandenburg ist PD Dr. Lenzen-Groß- imlinghaus, (Evangelisches Zentrum für Altersmedizin, Potsdam), Stellvertreter ist Christian Jostes (St. Marienkrankenhaus, Brandenburg an der Havel). Komplettiert wird der Vorstand durch die vier Beisitzer Pfarrer Detlef Lippold (Evangelische Kliniken Lehnin), Dipl.-Med. Ralf Stahl (Lutherstift gGmbH Frankfurt/Oder), Dr. med. Karin Schmidt (Klinikum Niederlausitz, Senftenberg) und Freia Weckmann-Meier (Evangelisches Krankenhaus „Gottesfriede“, Woltersdorf). Quelle: BV-Geriatrie Diabetiker hören häufig schlecht Diabetiker leiden fast doppelt so häufig wie andere Menschen unter Hörstörungen. Dies zeigt eine Querschnittsstudie in der Onlineausgabe der Annals of Internal Medicine 2008. Eine Verbindung zwischen Diabetes mellitus und Hörstörungen wird seit den 1960-er Jahren diskutiert, doch frühere Studien haben zu keinem eindeutigen Ergebnis geführt. Die neue Studie stützt sich auf Daten des National Health and Nutrition Examination Survey, mit dem sich die US-Centers of Disease Control and Prevention regelmäßig einen Überblick über den Gesundheitszustand der Bevölkerung verschaffen. Bei den Befragten der Jahre 1999-2004 wurde bei 6 der Hälfte der 11.405 Teilnehmer von 20-69 Jahren eine Ton-Audiometrie durchgeführt, bei der das Hörvermögen für verschiedene Frequenzen untersucht wird. Bei weiteren 2.259 Patienten wurde der Nüchternblutzucker bestimmt. Allerdings wurde nicht zwischen Typ-I und Typ-II-Diabetes unterschieden. Die Ergebnisse waren eindeutig: In allen untersuchten Frequenzbereichen hörten die Diabetiker schlechter. Bei den unteren und mittleren Frequenzen hatten 21% der Diabetiker eine leichte bis mittelschwere Hörstörung (versus 9%), im oberen Frequenzbereich hat 54% der Diabetiker eine ebensolche Störung (versus 32% der Nichtdiabetiker). der beiden Patienten bereits mehrere Voroperationen durchgeführt worden. Sein Leben konnte nur noch durch die Implantation eines mechanischen Unterstützungssystems gerettet werden. Das IHGZ gehört zum Elisabeth-Krankenhaus Essen (EKE) und wurde im April 2009 gegründet. Die Klinik für Kardiologie und Angiologie im EKE arbeitet seit 25 Jahren daran, ein deutschlandweit einzigartiges Zentrum für die Behandlung von Herz- und Gefäßerkrankungen aufzubauen. Unter der Leitung von Klinikdirektor Prof. Dr. Georg V. Sabin wurden in mehr als zwei Jahrzehnten immer wieder engagierte Mediziner in dieses Konzept integriert. Die anerkannten Kompetenzen in den Bereichen Invasive Kardiologie, Kardiale Bildgebung, Elektrophysiologie, Implantation von Schrittmachern und Defibrillatoren, Angiologie und Gefäßchirurgie machen die Klinik schon heute zu einem der führenden und mit rund 200 „Betten“ zu einem der größten Herzzentren in Deutschland. Prof. Reiner Körfer gilt international als Experte auf dem Gebiet der Herztransplantationsmedizin und hat seine Arbeit im IHGZ im Mai aufgenommen. Quelle: EKE Die Hörstörungen bestanden bei beiden Geschlechtern und in allen ethnischen Untergruppen. Am größten waren die Unterschiede bei den 20-49 Jährigen, was für eine frühe Schädigung spricht. Die Schädigung selbst kann relativ plausibel über eine diabetische Neuropathie des Hörnerven oder über eine Mikroangiopathie der Blutgefäße in Innenohr erklärt werden. Über die klinische Relevanz gehen die Meinungen auseinander: Sie reichen vom regelmäßigen Screening bis zur Meinung abzuwarten, bis der Patient die Schwerhörigkeit selbst bemerkt. Quelle: Deutsches Ärzteblatt, www.aerzteblatt.de GERIATRIE JOURNAL 4/09 NACHRICHTEN: TRENDS & THEMEN Transplantationsprogramm verbessert Chancen älterer Patienten Die Wartezeit älterer Nierenpatienten hat sich durch die Einführung des „Eurotransplant Senior Programm“ (ESP) von durchschnittlich sechs im Jahr 1999 auf heute zwei Jahre verkürzt. Wer teilnimmt, erhält bevorzugt ein Organ von Spendern aus seiner Altersgruppe und Region, berichtet das Apothekenmagazin „Senioren Ratgeber“. Über das auch „Old for old“ genannte Programm wird zur Zeit schätzungsweise jede fünfte Niere vermittelt. „Die funktionstüchtige Niere eines Spenders ab 65 hat bei einem gleichaltrigen Empfänger gute Chancen, weiter gut zu arbeiten“, erklärt Prof. Dr. Ulrich Frei, Direktor der Nephrologie an der Berli- ner Charité. Er hat „Old for old“ mit entwickelt. Ein weiterer Vorteil der Vermittlung in der Region: „Zu groß ist bei längeren Transportwegen die Gefahr, Quelle: Senioren Ratgeber 1. Geriatrietag Neckar-Odenwald-Kreis Zu einem ersten regionalen Fachtreffen lädt die Geriatrie der Neckar-OdenwaldKliniken gGmbH für den 3. Oktober 2009 nach Mosbach ein. Renommierte Referenten (z.B. Prof. Dr. med. Ingo Füsgen: Das anticholingere Syndrom am Beispiel der Inkontinenztherapie) tragen zu den Inhalten der Veranstaltung bei. Sechs Vorträge und die anschließende Defizite in der ärztlichen Versorgung Mehrere Studien belegen schwere Defizite in der ärztlichen Versorgung demenziell Erkrankter in Pflegeheimen. Dies beginne bereits bei der Diagnose: Während ein Screening bei 68,6% der Bewohner ein überwiegend schweres Demenzsyndrom belegte, diagnostizierten Ärzte „nur“ bei 41,8% der Bewohner Demenz. Die Ergebnisse der Studien verwiesen weiter auf eine erhebliche fachärztliche dass ältere Organe außerhalb des Körpers durch die Blutleere geschädigt werden“, erklärt Frei. Dagegen spiele die Übereinstimmung von Gewebeeigenschaften eine geringere Rolle als bei jüngeren Patienten. Unterversorgung der Bewohner, nicht Demenzkranke eingeschlossen. Die Demenzkranken hatten weniger oft Kontakt mit dem Hausarzt als die nicht Erkrankten. Besonders defizitär seien die Palliativversorgung und Schmerztherapie, die Versorgung psychischer Krankheiten und die geriatrische Qualifikation der Ärzte. Quelle: Zeitschrift Altenheim 7/2009 Diskussion richten sich an Ärzte und Pflegekräfte, die sich mit Senioren beschäftigen. Nähere Information und Kontakt: Kreiskrankenhaus Mosbach, Tel. 0 62 61/8 34 76, Mail: anja.gansky @neckar-odenwald-kliniken.de. Die Geriatrie der Neckar-OdenwaldKliniken in Mosbach bildet seit elf Jahren einen Geriatrischen Schwerpunkt. Das Angebot folgt dem Geriatriekonzept des Landes Baden-Württemberg. Im August 2008 hat Dr. med. K. Schöll den Schwerpunkt übernommen und die Sektion Akutgeriatrie mit 20 Betten am Standort Mosbach erfolgreich aufgebaut. Im Oktober 2009 kommt eine weitere Akutgeriatrie am Standort Buchen der Neckar-Odenwald-Kliniken unter der Leitung von Dr. Schöll dazu. Zusätzlich besteht am Krankenhaus Mosbach eine Abteilung für Geriatrische Rehabilitation mit 20 Betten. Leitende Ärztin ist Dipl.-Med. Petra Flohr. Mehr Überlebende trotz steigender Krebserkrankungen In den letzten 20 Jahren ist ein stetiger Anstieg der diagnostizierten Krebsneuerkrankungen bei beiden Geschlechtern zu verzeichnen. Der Zuwachs bei den Männern fällt dabei stärker aus als bei den Frauen. Im Gegensatz zum Anstieg der Neuerkrankungen, sinkt die Anzahl der krebsbedingten Todesfälle kontinuierlich. Dies kann vor allem auf die Einführung verschiedener Früherkennungsuntersuchungen und auf die Fortschritte in der Krebstherapie zurückgeführt werden. Quelle: RKI „Krebs in Deutschland 2003-2004 Häufigkeiten und Trends; 6. überarbeitete Auflage, 2008“/ Roche Pharma AG GERIATRIE JOURNAL 4/09 7 NACHRICHTEN: TRENDS & THEMEN Frauen nehmen weniger Hormone – Brustkrebszahlen sinken Weißbuch Geriatrie Der Bundesverband Geriatrie e.V. forciert die Arbeit am Weißbuch Geriatrie und hat das Düsseldorfer Institut GEBERA – Gesellschaft für betriebswirtschaftliche Beratung mbH mit der Erstellung einer Analyse beauftragt. Anliegen des Weißbuches ist es, den derzeitigen Stand der geriatrischen Versorgung unter Auswertung umfangreicher und repräsentativer Fakten zu analysieren. Zugleich soll die aktuelle und perspektivische Versorgungssituation der Geriatrie in Deutschland dargestellt und bewertet werden. Verbunden ist dies mit einer Beschreibung des politischen und wirtschaftlichen Umfeldes für die Geriatrie in der Bundesrepublik. Die Fertigstellung des Weißbuchs, das als belastbare Erhebung Politik und Fachöffentlichkeit eine Entscheidungshilfe an die Hand geben soll, soll zum Jahreswechsel erfolgen. Viele Frauen nehmen in der Menopause Östrogen-Gestagen-Präparate, um so Schweißausbrüche, Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen in den Griff zu bekommen. Doch mit der Hormonersatztherapie gehen Risiken, wie Brustkrebs, Herzinfarkte, Schlaganfälle und Thrombosen einher. Nach Zahlen des Gesundheitsreports der Techniker Krankenkasse nahmen im Jahr 2000 noch 37% der Frauen zwischen 45 und 65 Jahren Hormone ein. 2008 lag der Anteil nur noch bei 11,6%. Eine deutsche Studie bestätigt nun, dass seitdem auch weniger Brustkrebsfälle auftreten: Bei den 50- bis 59-Jährigen sank die Zahl zwischen 1996 und 2005 um 12%. „Das aktuelle Material bestätigt, dass es einen Zusammenhang zwischen Brustkrebs und der Einnahme von Hormonen in den Wechseljahren gibt“, sagt Dr. Sabine Voermans, Leiterin des Gesundheitsmanagements der Techniker Krankenkasse (TK). Eine aktuelle Studie aus Dänemark geht zudem davon aus, dass auch jeder zwanzigste Eierstockkrebs auf die Hormonersatztherapie zurückzuführen ist. Quelle: Techniker Krankenkasse (TK) Die meisten Diabetiker-Toten in Thüringen und Sachsen-Anhalt In Deutschland verstarben im Jahr 2007 insgesamt 21.871 Menschen (8.748 Männer und 13.123 Frauen) an Diabetes mellitus. Anteilig ist die Zahl in Thüringen und SachsenAnhalt am höchsten. In diesen Bundesländern verstarben 2007 61 bzw. 60 Menschen je 100.000 Einwohner. Bayern und Hamburg hingegen hatten anteilig nur 15 bzw. 16 an dieser Krankheit Verstorbene je 100.000 Einwohner. Zwar sank in Deutschland die Zahl der an Diabetiker-Toten um 2%, über einen längeren Zeitraum betrachtet ist die Zahl jedoch gestiegen. Starben 1987 in Gebiet der heutigen Bundesrepublik noch 22 von je 100.000 Personen an Diabetes mellitus, so waren es 2007 27 Personen. Die Krankheit ist damit für 2,6% aller Todesfälle verantwortlich. Von dieser Todesursache sind hauptsächlich ältere Menschen betroffen. Das durchschnittliche Sterbealter lag 2007 bei 79,5 Jahren (Männer 74,5; Frauen 82,8 ). Quelle: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 8 Grafik: Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse 2009 Quelle: BV-Geriatrie Nur 11,6% der Frauen zwischen 45 und 65 Jahren bekamen 2008 Hormonpräparate verordnet. 2000 waren es noch 37%. Neues Gesetz zur Patientenverfügung Nach jahrelanger Diskussion hat der Bundestag am 18. Juni eindeutige gesetzliche Regeln für Patientenverfügungen beschlossen. Mit dem Ziel der Stärkung der Selbstbestimmung am Lebensende wurde dabei dem freien Willen des Einzelnen, über die Frage der ärztlichen Behandlung zu entscheiden, absoluter Vorrang eingeräumt. Das Gesetzgebungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Es ist jedoch zu erwarten, dass die Regelung zum 1. September 2009 in Kraft treten wird. Volljährige können in einer schriftlichen Erklärung für den künftigen Fall der Ein- willigungsunfähigkeit festlegen, dass sie in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligen oder sie untersagen. An diese so genannte Patientenverfügung sind die beteiligten Ärzte sowie die Betreuer und Bevollmächtigten gebunden. Die Erklärung bedarf keiner notariellen Beurkundung, außerdem ist sie jederzeit formlos widerrufbar. Quelle:VDAB GERIATRIE JOURNAL 4/09 A K T U E L L : G E R I AT R I S C H E R E H A B I L I T AT I O N B U R G H A U S E N 10 Jahre Geriatrische Rehabilitation – Weiterentwicklungen? Am 27. Mai 2009 feierte die Abteilung Geriatrische Rehabilitation Burghausen der bayerischen Kreiskliniken Altötting-Burghausen im Rahmen einer Fortbildungsveranstaltung ihr 10-jähriges Bestehen. Die Abteilung startete mit einer Station für geriatrische Rehabilitation mit 25 Betten innerhalb des Akutkrankenhauses Burghausen. Auf Grund der hohen Auslastung wurde 2004 die Bettenzahl auf 45 erweitert. che Lehre angeht. Die Geriatrie braucht in Deutschland mehr Gewicht. Die Ärztliche Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Geriatrie in Bayern e.V. (AFGiB e.V.) verleiht der Geriatrie in Bayern mehr Gewicht, z.B. durch Schaffung des Projekt GiB-DAT (Geriatrie-in-BayernDatenbank 2000), das von der Bayerischen n seinen Begrüßungsworten lobte ministerium für Umwelt und Gesundheit. Landesstiftung und dem Bayerischen Landrat Erwin Schneider, Verwaltungs- Die Anzahl der geriatrischen Reha-Pa- Staatsministerium für Arbeit und Sozialordratsvorsitzender der Kreiskliniken Alt- tienten entwickelte sich in Bayern von nung, Familie und Frauen gefördert wird. ötting und Burghausen, die Mitarbeiter 28.645 im Jahr 2001 auf 38.322 in 2007. GiB-DAT ist inzwischen die größte Dader Abteilung Geriatrische Rehabilitation 89% kehren in eine Privatwohnung zurück. tenbank zum Qualitätsmanagement über für den über den Landkreis hinausgehen- Sie stellte fest, dass auch die Behandlung geriaWeg von der den hervorragenden Ruf. Vorstand Mi- demente und depressitrischer Patienten in chael Prostmeier freute sich über die hohe ve Patienten von geria- Defizit-Orientierung hin zur Europa. Dr. N. RuppAuslastung der Abteilung. Er merkte jedoch trischer Rehabilitation recht Siegel, VorsitzenRessourcen-Orientierung an, dass der Pflegetagessatz trotz zuneh- profitieren. Die Bevölder der AFGiB und mender Multimorbidität der Patienten, kerungsvorausberechChefarzt des Geriatriedie eine erhöhte Personalvorhaltung not- nung für Bayern zeigt, dass die Gruppe zentrum Neuburg a. d. Donau beklagte in wendig macht, nur von DM auf Euro um- der 80- bis 90- Jährigen vom Jahr 2005 zu seinem Vortrag zur „Rolle der AFGiB für gestellt wurde , sonst jedoch seit 1999 un- 2015 um 22%, die Gruppe der über 90- die Weiterentwicklung der Geriatrie in verändert ist. Die AOK verhandelte 2002 Jährigen um 30% steigen wird. Die Le- Bayern“, dass es seit dem Start des Geriaeine Fallpauschale – eine Verschlechterung bensqualität im Alter sei durch Teilhabe, triekonzeptes keine wesentlichen Ändeder Erlössituation –, die 2007 auch noch Prävention und Altersmedizin gegeben, rungen in der Vergütung der geriatrischen gesenkt wurde. was nur solidarisch zu erreichen ist. Leistungen gegeben habe. In Bayern gibt Dr. Klaus Esch, Leiter der geriatrischen Die „Medizin des 21.Jahrhunderts“ muss es nur eine echte ambulante geriatrische ReRehabilitation, berichtete, dass der wich- sich von einer Evidenz basierten Medizin habilitation, sie wird aber nicht flächentigste Einschnitt in die Entwicklung der Ge- zu einer Relevanz basierten Medizin ent- deckend angeboten, da die mit den Kranriatrischen Rehabilitation in Bayern und wickeln, weg von der Defizit-Orientierung kenkassen verhandelten Tagessätze nicht auch in Burghausen die Änderung des Ge- (Organ-Medizin) hin zur Ressourcen- kostendeckend sind. Auf Initiative der AFnehmigungsverfahren der Orientierung (Geriatrie) GiB wurde eine Vergütungsoffensive zuGeriatrischen Rehabilita- Kardialer Geburtsfehler: betonte Prof. Cornel Sie- sammen mit der Bayerischen Krankenhaustion war, indem das volber, Past-Präsident der gesellschaft (BKG) und dem Verband der Trennung in le Direktionsrecht 2001 deutschen Gesellschaft Privaten Krankenanstalten (VPKA) gestarmit § 40 SGBV auf die Akut- und Rehageriatrie für Geriatrie (DGG) und tet. Neben der unzureichenden FinanzieKrankenkassen übertraLehrstuhlinhaber der Ge- rung durch die Kostenträger, den Problegen wurde. Dies bedeutet, dass die Geneh- riatrie der Friedrich-Alexander-Universität men durch Einführung der DRG’s, sei die migung schon vor Aufnahme in die Reha- Erlangen-Nürnberg. Ressourcen-Orien- Trennung in Akut- und Rehageriatrie der klinik erteilt sein muss. Ursprünglich gab tierung bedeutet für die Gesellschaft auf der kardiale Geburtsfehler. Die Entwicklung es die Direktverlegung vom Akuthaus in Grundlage des Generationenvertrages in akutgeriatrischer Einrichtungen, der Aufdie Reha mit nachfolgender Genehmi- der Gesundheitsversorgung einen Wechsel bau ambulanter geriatrischer Einrichtungung. von „Krankheitslast“ zu „Gesundheits- gen, die Förderung und Aufbau von KoÜber das „Geriatrie Konzept Bayerns im chance“. Geriatrie bedeutet immer Arbeit operationsstrukturen mit AkutkrankenDRG-Zeitalter“ referierte Dr. Gabriele in interdisziplinären Teams. Deutschland häusern und die Vernetzung der stationären Hartl, Leiterin des Referates „Palliativme- steht abgeschlagen auf Platz 7 von 12 euro- Geriatrie mit ambulanten Strukturen müsdizin, Geriatrie“ des Bayerischen Staats- päischen Ländern, was die wissenschaftli- sen weiter vorangetrieben werden. KE I GERIATRIE JOURNAL 4/09 9 AKTUELL: WEITERBILDUNG Basiskurs Geriatrie Ältere Patienten benötigen spezielle medizinische Versorgungsformen und insbesondere geriatrische Kenntnisse ihrer Ärzte. Der „Basiskurs Geriatrie“ vermittelt einen Überblick über die wesentlichen Themen der modernen Geriatrie. I @ Das Geriatrische Team @ Geriatrische Syndrome @ Arzneimitteltherapie im Alter; Kom- Curriculum Der Kurs gibt neben einer kurzen Darstellung der Grundlagen vor allem Praxis relevante Informationen und bringt die Absolventen beispielsweise in folgenden Punkten auf den neuesten Stand: @ Koordination verschiedener Berufsgruppen im langfristigen Gesundheitsmanagement @ Praktische Durchführung der umfassenden Problemanalyse bei multimorbiden Patienten („multidimensionales geriatrisches Assessment“) @ Notwendige diagnostische und therapeutische Maßnahmen bei Patienten mit rezidivierenden Stürzen @ Diagnostik und Therapie von Schluckstörungen (Dysphagiesyndrom) @ Mehrdimensionale Einschätzung und Maßnahmen bei Patienten mit Blasenstörungen n der Arztpraxis und im Krankenhaus bilden ältere multimorbide Patienten inzwischen einen großen Anteil der Klientel. Obwohl seit vielen Jahren erkennbar ist, dass sie spezielle medizinische Versorgungsformen benötigen, ist die ärztliche Ausbildung im Fach Geriatrie nach wie vor defizitär. Notwendig wäre sowohl eine Kenntnisvermittlung im medizinischen Grundstudium als auch in allen Fachdisziplinen, die in einem gewissen Prozentsatz geriatrische Patienten behandeln. Von besonderer Bedeutung sind diese Kompetenzen für Ärzte, die regelmäßig mit der langfristigen Führung multimorbider Patienten betraut sind, z.B. Allgemeinmediziner, Internisten, aber auch Neurologen und Psychiater. Geriatrisches Grundwissen wird auch im neuen EBM (Einheitlicher BewertungsMaßstab) vorausgesetzt und abrechenbar, zunächst allerdings nur in wenigen Ziffern. Da aber nicht allen Kollegen die Feinheiten des „Geriatrischen Assessments“ bekannt sein dürften, ist auch in diesem Zusammenhang eine Wissensvermittlung erforderlich. Aus diesen Gründen wurde der „Basiskurs Geriatrie“ kreiert. Er soll einen Überblick über die wesentlichen Themen der modernen Geriatrie vermitteln und beruht auf dem deutschlandweit vereinheitlichten Curriculum, das auch mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung abgestimmt wurde. Auf Initiative der Geriatrischen Akademie Brandenburg erfolgt diese Ausbildung ab 2009 bundesweit. Das Curriculum umfasst folgende Kapitel: @ Gerontologische, geriatrische, ethische und rechtliche Grundlagen @ Ambulantes geriatrisches Assessment (Diagnostikkomplex) 10 plexität ausgewählter Erkrankungen in der Geriatrie @ Umfassendes Gesundheitsmanagement bei geriatrischen Patienten; Palliativmedizin in der Geriatrie (IhF Module) @ Anwendungsbeispiele und Abschluss In den Kurs integriert sind Inhalte, die von der Geriatrischen Akademie Brandenburg als Tagesseminare angeboten werden, zum Beispiel zur @ Hilfsmittelversorgung und zum @ Handling von Patienten mit komplexen Bewegungsstörungen. Das in Brandenburg weit entwickelte und gut ausdifferenzierte System der geriatrischen Versorgung, das sich u.a auf zwölf geriatrische Kliniken stützen kann, würde durch in diesem Kurs weitergebildete Ärzte eine erhebliche Aufwertung erfahren. Die angestrebte vernetzte Versor- gung älterer multimorbider Patienten wird hierdurch auf ein neues Niveau gehoben. Dies steht in guter Tradition der beispielhaften Entwicklung geriatrischer Strukturen im Land Brandenburg. Es sei daran erinnert, dass bislang nur in diesem Bundesland eine fortschrittliche Schwerpunktweiterbildung im Fach Geriatrie existiert, wie sie im europäischen Kontext gefordert wird. Zielgruppen Der Kurs ist eine gemeinsame Veranstaltung des Institutes für Fortbildung in der Allgemeinmedizin im BDA (Berufsverband der Allgemeinärzte in Berlin und Brandenburg) und der Geriatrischen Akademie Brandenburg e.V. Fortbildungsort wird die Geriatrische Akademie Brandenburg im Evangelischen Krankenhaus Woltersdorf sein. Angesprochen sind Ärzte aus dem ambulanten Bereich, andere Ärzte, die geriatrische Kenntnisse benötigen, Mitarbeiter des MDK und der Krankenkassen sowie weitere Interessenten. Der Kurs umfasst 120 Stunden plus 40 Stunden (eine Woche) in Geriatrischen Institutionen. Insgesamt sind sechs Kursblöcke geplant, die einmal im Monat jeweils freitags und samstags stattfinden. Die geplanten Termine sind: @ Block 1: 11.9. - 12.9.2009 @ Block 2: 2.10. - 3.10.2009 @ Block 3: 6.11. - 7.11.2009 @ Block 4: 4.12. - 5.12.2009 @ Block 5: 26.2. - 27.2.2010 @ Block 6: 26.3. - 27.3.2010 Nähere Informationen erteilen: @ Karin Frase, Tel. 0 33 62/77 92-25, Fax -29, eMail: [email protected] @ Manuela Dimke, Tel. 030/55 18 22-62, Fax -63, eMail: [email protected] Dr. med. Rainer Neubart, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin III: Geriatrie, Vorsitzender der Geriatrischen Akademie Brandenburg, Sana Klinikum Lichtenberg, Fanningerstr. 32, 10365 Berlin – Lichtenberg GERIATRIE JOURNAL 4/09 AKTUELL: 19. KONGRESS DER DEUTSCHEN GESELLSCHAFT FÜR G E R I AT R I E Göttingen – die Stadt, die Wissen schafft In Göttingen findet vom 24. bis 26. September 2009 der 19. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) statt. Nachfolgend einige Informationen zu Stadtgeschichte und Sehenswürdigkeiten. G öttingen hat rund 120.000 Einwohner, liegt im Süden Niedersachsens und kann auf eine mehr als 1000-jährige Geschichte zurückblicken. In einer Urkunde Kaiser Ottos I. wird ein Dorf namens „Gutingi“ im Jahre 953 erstmals erwähnt. Um das Jahr 1200 erlangte Göttingen Stadtrecht und erlebte im 14. und 15. Jahrhundert u.a. als Mitglied der Hanse eine erste Blütezeit. Nach wirtschaftlichem Niedergang, politischen Querelen und Kriegswirren brachte die Gründung der Georg-August-Universität durch den gleichnamigen Kurfürsten von Hannover 1734 einen neuen Aufschwung. Schon bald war die Georgia Augusta die meistbesuchte Hochschule Europas. Zum Begriff wurden die „Göttinger Sieben“: 1837 wandten sich sieben Professoren gegen den hannoverschen König Ernst August und beschuldigten ihn GERIATRIE JOURNAL 4/09 wegen der Aufhebung der Verfassung von 1833 des Verfassungsbruchs. Die Professoren wurden ihrer Ämter enthoben und teilweise des Landes verwiesen. Zu den Göttinger Sieben gehörten: Georg Gottfried Gervinus, Begründer der modernen deutschen Literaturgeschichte, Wilhelm Eduard Albrecht, Jurist, Wil- Sonderausstellung „Jacob Henle“ Der Göttinger Anatom Jacob Henle (1809-1885) feiert in diesem Jahr seinen 200. Geburtstag. Aus diesem Anlass wird bis zum 31. Oktober 2009 im Zentrum Anatomie der Universitätsmedizin Göttingen, Kreuzbergring 36, die Sonderausstellung „Jacob Henle“gezeigt. Sie ist wochentags von 9:00 bis 15:00 Uhr geöffnet. Kontakt: Zentrum Anatomie, Tel. 05 51/39-70 00 Das Alte Rathaus: einst Gildehaus der Kaufleute, heute Sitz der Tourist-InforFoto: Göttingen Tourismus e.V. mation helm Weber, Wegbereiter der Elektrodynamik, die berühmten Brüder Jacob und Wilhelm Grimm, der Theologe und Orientalist Heinrich Ewald, Friedrich Christoph Dahlmann, Politikwissenschaftler und Historiker. Die Göttinger Sieben wurden 1848 fast alle Mitglieder der Frankfurter Nationalversammlung. Zahlreiche namhafte Persönlichkeiten haben in Göttingen an der Georg-August-Universität studiert, gelehrt oder gearbeitet, darunter mehr als 40 Nobelpreisträger, Heute umfasst die Uni als Volluniversität 130 Studienprogramme mit etwa 24.000 Studierenden. Der Altstadtkern, umgeben von der mittelalterlichen Wallanlage, beherbergt etliche gut erhaltene bzw. restaurierte Gebäude. Wahrzeichen der Universitätsstadt Göttingen ist das Gänseliesel auf dem Marktbrunnen vor dem Alten Rathaus. Quelle: Göttingen Tourismus e.V., www.goettingen-tourismus.de 11 L I T E R AT U R : R E F E R I E R T & K O M M E N T I E R T Dekubitalulzera Dekubitus nach hüftgelenknaher Fraktur Bewegungseinschränkung bis hin zur Immobilität zählt zu den auslösenden Faktoren für Dekubitalulzera. Eine amerikanische Studie untersuchte, wie häufig ein Dekubitus bei Patienten auftrat, die sich wegen einer hüftgelenknahen Fraktur in Krankenhäusern vorstellten. S tudie: Eine prospektive Kohortenstudie untersuchte bei 658 älteren Patienten, wie häufig ein Dekubitus nach hüftgelenknaher Fraktur neu auftritt. In die Studie wurden alle Patienten aufgenommen, die sich zwischen 2004 und 2007 in neun amerikanischen Krankenhäusern wegen einer hüftgelenknahen Fraktur vorstellten. Ausgeschlossen waren lediglich Patienten, die sich die Fraktur während eines stationären Aufenthaltes zuzogen und die die Studienteilnahme verweigerten. Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei 83 Jahren. Die Patienten wurden über mindestens 21 Tage nach Krankenhausaufnahme jeden 2. Tag von einer ausgebildeten Krankenschwester auf das Neuauftreten eines Dekubitus untersucht (≥ Stadium II). Die Untersuchungen endeten nicht bei der Entlassung aus der Akutklinik, sondern erstreckten sich auch auf Rehabilitationsklinik, Pflegeheim und häuslichen Bereich. Ergebnisse: Insgesamt traten bei 208 Patienten Dekubitalulzera neu auf. Vierzig Patienten entwickelten mehr als nur einen Dekubitus; maximal traten bei Patienten vier neue Dekubitalulzera auf. Die Gesamtzahl aller neuer Dekubitalulzera betrug 258; dies bedeutet eine kumulative Inzidenz neuer Dekubitalulzera von 36,1%. Fast alle Dekubitalulzera wurden dem Stadium II zugeordnet; lediglich zwei Dekubitalulzera (0,8%) waren im Stadium III; kein Dekubitus war im Stadium IV. 28 Dekubitalulzera (10,9%) ließen sich keinem Stadium zuordnen. Haupt-Prädilektionsort war mit 47,3% der Sakralbereich. Die Inzidenz eines Dekubitus war am größten während des akuten Krankenhausaufenthaltes; verglichen mit der Inzidenz im häuslichen Umfeld – dort war sie am niedrigsten – betrug das 12 adjustierte relative Risiko 2,2 (95% KI 1,33,7). Das relative Risiko, einen Dekubitus zu entwickeln, betrug in einer Rehabilitationseinrichtung 1,4 (95% KI 0,82,3). Im Pflegeheim war das relative Risiko auf 1,3 erhöht (95% KI 0,8-2,1). Diskussion: Diese aufwendige prospektive multizentrische Studie konnte zeigen, dass etwa ein Drittel aller Patienten nach einer hüftgelenknahen Fraktur mindestens einen Dekubitus entwickelt. Die Datengewinnung war sehr sorgfältig: Die Diagnose Dekubitus wurde nicht retrospektiv anhand von Patientenakten gestellt, sondern durch eine klinische Untersuchung, die eine geschulte Fachkraft jeden 2. Tag durchführte. Eine weitere Stärke dieser Untersuchung ist der patientenbezogene Ansatz: Es wurden die gesamten drei Wochen nach Operation betrachtet, unabhängig vom Ort der Versorgung. Vorangegangene Studien hatten sich meist nur auf eine Versorgungsform, z.B. auf das Akutkrankenhaus oder auf ein Pflegeheim konzentriert. So bedenklich die hohe Zahl neuer Dekubitalulzera ist – positiv zu vermerken ist, dass nur weniger als 1% aller neuen Dekubitalulzera im Stadium III oder IV waren. Kommentar: In der Rechtsprechung vieler Länder, so auch in Deutschland, gelten Dekubitalulzera prinzipiell als vermeidbar. Diese Einstellung hat zahlreiche Auswirkungen, oft auch auf die Bezahlung der Behandlungskosten. Deshalb sind in den letzten Jahren viele Maßnahmen ergriffen worden, um durch frühzeitige Identifikation von gefährdeten Personen und durch gezielte präventive Maßnahmen das Auftreten von Dekubitalulzera zu verhindern. Leider sind in der vorliegenden Studie die präventiven Maßnahmen nicht beschrieben. Wenn trotz Maßnahmen zur Prävention etwa ein Drittel aller Patienten nach hüftgelenknaher Fraktur einen Dekubitus entwickelt, so kann eine mögliche Schlussfolgerung aus dieser Beobachtung sein: Bei gefährdeten, älteren Menschen lassen sich zumindest Dekubitalulzera im Stadium II nicht in jedem Falle verhindern. Und diese Beobachtung muss bei Rechtssprechung und Finanzierung berücksichtigt werden. PD Dr. R. Püllen, Frankfurt/M Baumgarten, Mona et al: Pressure Ulcers in Elderly Patients with Hip Fracture Across the Continuum of Care. J Am Geriatr. Soc 57: 863-870, 2009. Analgesie Gute postoperative Schmerztherapie verbessert Langzeitergebnisse Der Einfluss einer intensiven postoperativen Schmerztherapie nach orthopädischen Eingriffen auf Gehfähigkeit und Schmerzen ist prospektiv bislang kaum systematisch untersucht worden. S tudie: Die kontrollierte prospektive klinische Studie verglich eine Standardschmerztherapie mit einer intensivierten Schmerztherapie. Insgesamt wurden 594 Patienten nach einer frischen hüftgelenknahen Fraktur oder nach einer Totalendoprothesen-Operation von Hüf- te oder Knie auf eine mögliche Teilnahme der Studie hin untersucht; 249 Patienten konnten schließlich in die Studie aufgenommen werden. Ihr Durchschnittsalter lag bei etwa 71 Jahren. Ausgeschlossen wurden u.a. Patienten mit kognitiven Einschränkungen, mit paGERIATRIE JOURNAL 4/09 L I T E R AT U R : R E F E R I E R T & K O M M E N T I E R T thologischen Frakturen und Patienten ohne Vollbelastung. In der Interventionsgruppe wurde der Schmerz bei Ruhe und unter Physiotherapie mit Hilfe einer numerischen Beurteilungsskala (15) bewertet. Die Interventionsgruppe erhielt zusätzlich zu Paracetamol oder NSAR eine Dauertherapie von mindestens 3 mg Oxycodon alle vier Stunden. Zusätzlich gab es eine Bedarfsmedikation vor physiotherapeutischen Übungen. Die Studie wurde in einer amerikanischen Rehabilitationsklinik durchgeführt. Ergebnisse: Während der ersten sieben Tage der Rehabilitation klagten die Patienten der Interventionsgruppe signifikant seltener über Schmerzen bei Ruhe (66% vs 49%) und über Schmerzen bei der Physiotherapie (52% vs 38%) als die Patienten, die nur die herkömmliche Schmerztherapie erhielten. Die Patienten der Interventionsgruppe hatten kürzere Zeiten beim 8-Fuß-Gang (9,3 sec. vs 13,2 sec.). Sie erhielten mit 23,6 mg Morphinsulfat-Äquivalent pro Tag signifikant mehr Analgetika als die Kontrollgruppe, die lediglich 15,6 mg Morphinsulfat-Äquivalent täglich bekam. Während in der Interventionsgruppe 98% der Patienten eine Dauertherapie mit Analgetika erhielten, waren es in der Kontrollgruppe lediglich 48%. Der Krankenhausaufenthalt war mit 10,1 Tagen signifikant kürzer als der Krankenhausaufenthalt der Kontrollgruppe, der 11,3 Tage betrug. Auch nach sechs Monaten gaben die Interventionspatienten seltener mäßiggradigen oder schweren Schmerz beim Gehen an (4% versus 15%) oder Schmerzen, die nicht beim Gehen auftraten (7% versus 18%). Nach einem halben Jahr nahmen nur 35% der Patienten der Interventionsgruppe Analgetika; in der Kontrollgruppe waren es dagegen 51% (p = 0,03). Die Rate unerwünschter Wirkungen der analgetischen Therapie, insbesondere die Rate morphin-assoziierter Wirkungen, war in beiden Gruppen ähnlich groß. Diskussion: Die Studie hat methodische Schwächen: Sie wurde nur in einer einzigen Klinik durchgeführt und war GERIATRIE JOURNAL 4/09 nicht randomisiert; ob ein Patient auf die Station der Interventionsgruppe oder auf die Station der Kontrollgruppe gelegt wurde, hing davon ab, wo gerade ein Bett frei war. Die Studienmitarbeiter, die nach Schmerzen fragten und die funktionellen Parameter erhoben, wussten zwar nicht, ob der untersuchte Patient zur Interventionsgruppe oder zur Standardgruppe gehörte; dennoch war es keine Doppel-Blindstudie. Zu bedenken ist ferner das geringere Alter der untersuchten Patienten; sie waren mit etwa 71 Jahren mehr als zehn Jahre jünger als diejenigen Patienten, die üblicherweise in geriatrischen Kliniken in Deutschland betreut werden. Trotz dieser Einschränkungen liefert die vorliegende Studie Ergebnisse mit erheblichem Einfluss auf die geriatrische Arbeit. Eine intensivierte analgetische Therapie in der postakuten Phase geht zwar mit einem größeren Einsatz von Analgetika einher; funktionelle Parameter wie Schmerzen und Gehgeschwin- digkeit ließen sich durch diese Vorgehen in der postakuten Phase, aber auch nach einem halben Jahr statistisch signifikant und klinisch relevant vermindern. Kommentar: Die ermutigenden Ergebnisse dieser Studie sollten dem vielfach beobachteten Bemühen um ein „schmerzfreies Krankenhaus“ einen neuen Schub geben. Gerade ältere Patienten scheinen von einer intensivierten analgetischen Therapie zu profitieren, indem sie weniger Schmerzen angeben und ein besseres funktionelles Ergebnis erzielen. Die zudem beobachtete Verkürzung der stationären Verweildauer macht die intensivierte analgetische Therapie gerade im DRG-System zusätzlich interessant. PD Dr. R. Püllen, Frankfurt/M Morrison RS et al: A novel interdisciplinary analgesic program reduces pain and improves function in older adults after orthopaedic surgery. J Am Geriatr Soc 57: 1-10, 2009 ASS-Prophylaxe Prostatachirurgie und Blutungsrisiko Naturgemäß werden die meisten Prostata-chirugischen Eingriffe bei älteren Männern durchgeführt. Entsprechend hoch ist die Zahl kardiovaskulärer Begleitdiagnosen und damit der Patienten, die eine Langzeitprophylaxe mit ASS erhalten. Üblicherweise wird diese Medikation peri-operativ ausgesetzt. Die Vorstellungen, wie lange die Unterbrechung dauern sollte, um auf der einen Seite das chirurgiebedingte Blutungsrisiko möglichst gering zu halten und auf der anderen Seite das kardiovaskuläre Risiko nicht zu erhöhen, ist Gegenstand einer Untersuchung, die im Journal of Urology publiziert wurde. S tudie: Eine Arbeitsgruppe um Ehrlich untersuchte in einer offenen, randomisierten Studie an 120 Patienten wie sicher bzw. risikobelastet die Wiederaufnahme der ASS-Einnahme einen Tag vs. drei Wochen nach der Operation ist. Die Patienten litten entweder an einer KHK, hatten eine Stentimplantation erhalten oder ein zerebrovaskuläres Ereignis hinter sich. Alle mussten sich entweder einer transurethralen (TURB) oder einer offenen Prostatektomie (OP) oder einer transurethralen Resektion bei Harnblasenkarzinom (TURBT) unterziehen. Die ASS-Medikation wurde fünf Tage vor Operation abgesetzt. Die Aspririn-Dosis während der Studie war 100 mg, Patienten mit einer Co-Medikation mit nicht steridalen Antirheumatika (NSAR) war ausgeschlossen. Die Randomisation erfolgte in zwei Armen: Beginn der ASS-Behandlung bereits 24 Std. nach Beendigung der Blasenspülung vs. drei Wochen nach Operation. Ergebnisse: Operative Blutungskomplikationen waren in beiden Studienarmen gleich verteilt im Sinne von nicht 13 L I T E R AT U R : R E F E R I E R T & K O M M E N T I E R T signifikanten Unterschieden: 16,7% der Patienten mit Wiederaufnahme der ASS nach Beendigung der Blasenspülung, 10% der Patienten, die erst drei Wochen nach Operation die ASS-Prophylaxe wieder aufnahmen. Kardiovaskuläre Komplikationen: Insgesamt drei Patienten erlitten im Untersuchungszeitraum ein kardiovaskuläres Ereignis (2 x Myokardinfarkt, 1 x ischämischer Hirninsult). Alle drei gehörten dem Studienarm mit früher Wiederaufnahme der ASS-Prophylaxe an. Diskussion: Die Ergebnisse scheinen für einen möglichst frühzeitigen Wieder- beginn der ASS-Prophylaxe auch nach urologischem-chirugischen Eingriff an der Prostata bzw. am unteren Harntrakt zu sprechen, zumindest, wenn das kardiovaskuläre Risiko hoch ist. Schwachstellen der Studie: Die Studie wurde offen, also nicht verblindet durchgeführt und Harnblasen- und Prostataoperationen wurden – auf Grund der relativ geringen Zahl der Patienten – nicht getrennt ausgewertet. Kommentar: Trotz der genannten Schwachstellen gibt diese Studie die Richtung für weitere Untersuchungen vor. Zu wünschen wäre, dass in Folge- studien eine Untersuchung der Blutungszeit, mithin der Aspirin-Empfindlichkeit (Thrombozyten-Aggregationshemmung) einbezogen würde. Prof. Dr. Dr. Gerald F. Kolb, Lingen (Ems) Ehrlich Y., Yossepowitch O., Margel D., Lask D., Livne P. M., Baniel J. Early Initiation of Aspirin After Prostate and Transurethral Bladder Surgeries is Not Associated With Increased Incidence of Postoperative Bleeding: A Prospective, Randomized Trial. J Urol 2007; 178: 524-528 Lungentumor Palliativer Therapieansatz für ältere Risikopatienten Die nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinome (NSCLC) sind bei der Erstdiagnose zumeist in einem fortgeschrittenen Stadium und nicht mehr resektabel. Die Therapie der ersten Wahl ist dann in der Regel ein palliatives Regime auf der Basis Cis-Platin-haltiger Chemotherapeutika. Diese Therapien sind jedoch für ältere Patienten mit Komorbiditäten auf Grund der hohen unerwünschten Arzneimittelwirkungen inakzeptabel. Nach Empfehlung der ASCO (American Society of Clinical Oncology) sollte bei diesen Patienten an Stelle eine Kombinationstherapie eine nicht Platin-haltige Monotherapie Vorrang haben. Auf Grund von früheren Phase II und Phase III Studien sind dabei insbesondere das Antifolat Pemetrexed als auch Gemcitabin als besonders gut geeignet im Sinne von wirksam und gleichzeitig verträglich auch für ältere Patienten eingestuft worden. S tudie: Eine multizentrische randomisierte Phase-II-Studie vergleicht eine Monotherapie mit Pemetrexed mit einer sequentiellen Therapie mit Pemetrexed und Gemcitabin in zwei Armen mit 44 und 43 Patienten, mittleres Alter 73 Jahre. Das Alter in beiden Gruppen lag zwischen 58 und 83 Jahren. Alle Patienten waren auf Grund ihrer Komorbiditäten ungeeignet oder wurden als ungeeignet eingestuft für eine platinhaltige Polychemotherapie. Alle hatten eine fortgeschrittene Erkrankung (IIIb in der Mehrheit jedoch per metastasiert IV). Die Mehrheit hatte einen PerformanceStatus (ECOG = Eastern Cooperative Oncology Group) von I und II. Die beiden Therapiearme: A – 500 mg Pemetrexed/m2 Tag 1 (alle drei Wochen) über acht Zyklen vs. B – Pemetrexed in identischer Dosierung über zwei Zyklen gefolgt von zwei Zyklen mit 1.200 mg/m2 14 Gemcitabin (Tag 1 und Tag 8 alle drei Wochen), einmalige Wiederholung. In der Summe acht Zyklen. Die Patienten beider Arme erhielten zusätzlich Folsäure und Vitamin B12. Ergebnisse: Mediane Zeit bis zur Progression war 4,1 Monate bei der Monotherapie gegenüber 4,5 Monaten in der Kombinationstherapie. Ein-Jahres-Überlebensraten 28,5 vs. 28,1%. Tolerabilität beider Therapien gut. Es zeigte sich eine unterschiedliche Ansprechrate: Pemetrexed Monotherapie 4,5% vs. 11,6% in der Kombinationstherapie, die jedoch bezüglich des Gesamtüberlebens ohne Auswirkungen waren. Kommentar: Sowohl die Monotherapie als auch die sequenzielle Chemotherapie war – mäßig – aktiv, beide waren gut verträglich und werden als First-Line für ältere Patienten mit Risikofaktoren und Komorbiditäten zur Therapie des fortge- schrittenen NSCLC empfohlen. Diese Arbeit steht damit im direkten Vergleich zu einer ebenfalls kürzlich erschienenen Publikation, die 3-Regime-Gemcitabin (Gem 800 mg/m2 Vinorelbin 25 mg/m2 oder Docetaxel 30 mg/m2) an den Tagen 1, 8 und 15, 4-wöchiger Zyklus für max. sechs Zyklen verglich. Sie fand zwischen den drei Armen keinen signifikanten Unterschied bei geringen Unterschieden in den Nebenwirkungen [1]. Prof. Dr. Dr. Gerald F. Kolb, Lingen (Ems) Literatur: 1. Leong SS et al: A randomized phase II trial of singleagent gemcitabine, cinorelbine or docetaxel in patients with advanced non-small cell lung cancer who have poor performance status and/or are elderly. J Thorac Oncol 2007; 2: 230-236 Gridelli C., Kaukel E., Gregorc V., Migliorino M. R., Müller T. R., Manegold C., Favaretto A., Martoni A., Caffo O., Schmittel A., Rossi A., Russo F., Peterson P., Munoz M., Reck M. Single-Agent Pemetrexed or Sequential Pemetrexed/Gemcitabine as Front-Line Treatment of Advanced Non-small Cell Lung Cancer in Elderly Patients or Patients Ineligible for Platinum-Based Chemotherapy: A Multicenter, Randomized, Phase II Trial. J Thorac Oncol 2007; 2: 221-229 GERIATRIE JOURNAL 4/09 DEMENZ: S3-LEITLINIE Was sollte eine S3-Leitlinie für das Krankheitsbild Demenz beinhalten? Ingo Füsgen, Wuppertal Leitlinien besitzen in der Medizin eine hohe Bedeutung. Beim Krankheitsbild Demenz stellt sich die Frage, was man bei einer S3-Leitlinie erwarten darf, was über die bisher standardisierten Diagnostikund Therapievorstellungen der neurologischen- und psychiatrischen Fachgesellschaften hinausgeht. Hier wäre als erstes wichtig zu definieren, welche Qualität für wen bei diesem Krankheitsbild angestrebt wird, das neben dem Betroffenen doch so viele Beteiligte (z.B. Mediziner, Pflegekräfte, Angehörige, Krankenkassen, Sanitätshäuser) hat. Zu bedenken ist weiterhin, dass Demenzkranke nicht nur unter einer Demenz leiden. D Foto: Wyeth Pharma9 … die Frage, „Was macht eigentlich die Lebensqualität des Demenzkranken aus?“ noch nicht eindeutig beantwortet ist GERIATRIE JOURNAL 4/09 ie Herausforderungen des demographischen Wandels haben sich zu einem Dauerthema in der Gesundheitspolitik und Versorgungsforschung entwickelt. Dabei steht die Gruppe der demenzkranken Patientinnen und Patienten paradigmatisch für diese durch den demograpischen Wandel und die gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen verursachten Probleme. Die Ärzteschaft versucht durch Qualifizierung in Diagnostik und Therapie dieser Entwicklung gerecht zu werden. Beispiel dafür ist die Erstellung von Leitlinien. Sie sind in der Medizin inzwischen das Maß der Dinge. Wenn es beispielsweise einmal zu schweren Komplikationen kommt, ist derjenige gut dran, der nach Leitlinien behandelt – gilt dies doch als Indiz dafür, dass er keinen Fehler begangen hat. Aber auch die Kosten einer Behandlung lassen sich mit einer Leitlinie gut rechtfertigen und die Qualität der ärztlichen Arbeit wird bisweilen an der Leitlinientreue gemessen [6]. Leitlinien haben in die diagnostischen und therapeutischen Entscheidungsabläufe in der geriatrisch-medizinischen Versorgung Eingang gefunden, auch wenn nach wie vor erkennbare Mängel in der Qualität und „Belastbarkeit“ solcher Leitlinien bestehen. Insbesondere müssen sie im Hinblick auf die Anwendbarkeit beim älteren Patienten hinterfragt werden [5]. Die Arbeitsge- 15 DEMENZ: S3-LEITLINIE meinschaft der wissenschaftlich medizi- der Hausärzte im Umgang mit einer scheint deshalb nicht weiterführend. In nischen Fachgesellschaften (AWMF) hat Krankheit, die bisher gerne in der täg- diesem Sinne wäre zu fordern, dass eine inzwischen knapp 900 Leitlinien publi- lichen Praxis verdrängt oder sogar tabu- Leitlinie für Demenz zumindest die verziert. Die höchste wissenschaftlich gesi- isiert wird. All diesen Leitlinien gemein- schiedenen medizinischen tätigen Bereicherte Evidenz weisen S3-Leitlinien auf. sam ist, dass sie bewusst das Krankheits- che (z.B. Pflege, Therapeuten, SanitätsLeitlinien werden nach dem System der bild der Demenz in den Mittelpunkt der häuser) mit einbezieht und jeweils hier eiAWMF in drei Entwicklungsstufen von Abhandlung stellen. Dabei werden spe- ne übergreifende Definition neben einer S1-S3 entwickelt und klassifiziert. Da- zielle geronto-psychiatrische und neuro- gruppenspezifischen Definition durchbei berufen sich die Leitlinien geführt wird. Die Krankheitsversorgung umfasst selbst wiederum vielfach auf die Evidenz der empfohlenen Vor- verschiedenste Bereiche und darf nicht Ursache und Symptomatik gehensweise. Diese evidenzbaallein auf den Demenzkranken aus Im Gegensatz zu anderen Krankheitsbilsierte Vorgehensweise wird zuärztlicher Sicht zugeschnitten bleiben dern handelt es sich beim Krankheitsnehmend hinterfragt [6]. „Es ist bild der Demenz nicht um ein einzeln erganz evident, dass die ‘beste verfügbare Evidenz’ nicht notwendigerweise logische Vorstellungen besprochen. Da- forschtes Krankheitsbild, sondern um ein in die beste Anwendung am individuel- mit wird man der gesamten Breite der Be- komplexes Krankheitsbild, das meistens len Patienten überführt werden kann“ dürfnisse des Demenzkranken in der im Alter auftritt und bei dem eine Reihe [4]. Nun liegt die Erstellung einer S3- täglichen Praxis nicht gerecht. Zu den- von Ursachen der dementiellen VorgänLeitlinie für die Demenz in den Endzü- ken ist dabei nur an die vielen Einfluss- ge ungeklärt ist. Bei den großen Formen gen. Hier stellt sich die Frage, was eine faktoren auf den Verlauf des Krankheits- der Demenz (vaskuläre Demenz, Alzheimer-Demenz) beispielsweise kennen wir solche Leitlinie beinhalten sollte. Sie bildes der Demenz. weder die entscheidende Ursache für die muss auf Grund der Bedeutung der DeKrankheit, ja nicht einmal den gesamten menz für unsere Gesellschaft praxisnah Qualität Komplex der Veränderung an den unterund einfach umsetzbare Vorstellungen definieren, die mithelfen, das Krank- Einig ist man sich in der Gestaltung al- gehenden Neuronen. Es ist richtig, dass heitsbild Demenz auf breiter Ebene er- ler vorliegenden Leitlinien – hier auch für wir heute eine ganze Reihe von Risikodie Leitlinie Demenz –, dass man die faktoren und möglichen Funktionsdefifolgreich anzugehen. Qualität der Demenzversorgung damit ziten in den von der Demenzkrankheit verbessern will. Der Qualitätsbegriff in geschädigten Nervenzellen kennen. WelStatus quo der Demenzversorgung wird aber von che Schädigung die entscheidende ist, Man muss nicht immer alles neu erfin- verschiedenen Seiten sehr unterschied- bleibt allerdings noch offen. Sie hat im den und deshalb erscheint es angezeigt, lich definiert. Arzt, Angehörige, Kran- Wesentlichen mit der Entdeckung von zuerst auf die bestehenden Leitlinien zum ken- und Pflegekasse sowie die Pflege ha- Substanzen mit Einfluss auf bestimmte Krankheitsbild Demenz zu blicken. Zur- ben unterschiedliche Qualitätsvorstel- Hirnfunktionen durch Firmen zu tun zeit existieren mehr als 40 nationale und lungen in der Demenzversorgung. Nicht (z.B. Durchblutungshypothese, Glykointernationale Leitliniendokumente sowie sehypothese, CholinesteraseStrikte Anwendung von Leitlinien Empfehlungen und Reviews zum Thema hypothese, glutamaterge HyDemenz. Es herrscht ein richtiger „Wirrpothese usw.). Ähnliches gilt führt bei einer multimorbiden Patientin warr“ von Leitlinien vor, die im hohen für histopathologische Erzu einer nicht mehr verträglichen Anzahl Maße durch die spezifischen Vorstellunkenntnisse. von Arzneimitteln und Interaktionen gen von Fachgesellschaften bzw. Einfluss Es wäre also sinnvoll, zum nehmenden Firmen geprägt sind. Die jetzigen Zeitpunkt bei einer letzte deutschsprachige Leitlinie wurde vergessen darf man dabei, dass die Fra- Leitliniendiskussion nicht so sehr das einvon der Deutschen Gesellschaft für All- ge, „Was macht eigentlich die Lebens- zelne Krankheitsbild in den Vordergrund gemeinmedizin und Familienmedizin qualität des Demenzkranken aus?“ noch zu stellen, sondern vielmehr die aus den [12] letztes Jahr veröffentlicht. Wenn nicht eindeutig beantwortet ist. Bei der dementiellen Vorgängen resultierenden nachfolgend manchmal auf diese neue Demenz handelt es sich um ein sehr kom- Defizite. Hier bleiben allerdings in den DEGAM-Leitlinie zur Demenz einge- plexes Krankheitsbild, wo die Qualität der vorliegenden Leitlinien – auch in der DEgangen wird, so sollen nur beispielhaft Lü- Krankheitsversorgung verschiedenste Be- GAM Leitlinie – noch viele Fragen offen, cken bzw. Fehler aufgezeigt werden, wie reiche umfasst und nicht allein auf den obwohl Antworten eine hohe Bedeutung wir sie auch bei anderen Leitlinien fin- Demenzkranken aus ärztlicher Sicht zu- für die Lebensqualität der Betroffenen den. Insgesamt muss diese Leitlinie der geschnitten bleiben darf. Eine Leitlinie, und die medizinischen Maßnahmen hätDEGAM positiv gesehen werden, denn die die Bedürfnisse des Betroffenen und ten. Beispielhaft seien hier Sprach- und sie fördert die Handlungskompetenzen seiner Umwelt nicht wahrnimmt, er- Sprechstörungen, Schluckstörungen, 16 GERIATRIE JOURNAL 4/09 DEMENZ: S3-LEITLINIE Zahnstatus, Stürze und Obstipation genannt. Hier müsste als Basis für den älteren demenzkranken Patienten das Geriatrische Assessment in großer und erweiterter Form mit Ergänzung für spezielle Funktionsdefizite im Vordergrund stehen. Dies trifft u.a. auf das Problemfeld der Ernährung im Hinblick auf Schluckstörungen zu. Ein Faktum mit hoher Bedeutung für die Lebenserwartung der Kranken. Gleichzeitig muss hier aber die Verbindung von Funktionsdefiziten erfasst werden, damit komplexe Therapieangebote daraus folgen. Um bei dem Beispiel zu bleiben: der enge Zusammenhang der Schluckstörung mit der Sprachbzw. Sprechstörung. Solche Ausführungen in einer S3-Leitlinie würden Einfluss auf Diagnostik und Therapie in der Praxis nehmen. Es werden Defizite angesprochen, mit denen der Arzt in der Praxis zu tun hat und man würde damit zumindest beim Krankheitsbild Demenz die medizinischen Angebote auch geriatrisieren, also weg vom medizinisch Machbaren hin zur Verbesserung der Lebensqualität. Multimorbidität Bei der Demenz handelt es sich um eine typisch altersabhängige Erkrankung. Die höchsten Krankheitsraten finden wir in den höheren Altersgruppen. Damit stellt die Demenz im Rahmen der Multimorbidität des Älteren eine von mehreren behandlungsbedürftigen Krankheitsbildern dar. Nach vorliegenden Untersuchungen scheint es sogar so zu sein, dass vulnerable Krankheitsbilder wie die Demenz eine höhere Multimorbidität aufweisen als Nichtdemente. In den vorliegenden Demenzleitlinien wird das Problem der Multimorbidität und Multimedikation meist nicht angesprochen (z.B. [2]). Im Übrigen fehlt bisher eine grundsätzliche Leitlinie zur Behandlung multimorbider Patientinnen und Patienten. Die therapeutische Entscheidung, die für einen Patienten mit einer einzigen Erkrankung leitliniengerecht gefällt wird, muss nicht mehr unbedingt die richtige sein, wenn dieser Patient an zwei oder GERIATRIE JOURNAL 4/09 mehr Krankheiten leidet. Auf der Ver- „lndividualmedizin“ nach dem Konzept anstaltung des Zukunftsforums Demenz der Personalized Medicine, das genetiin Berlin zu diesem Thema führte Prof. sche und molekularbiologische InformaDr. Gerd Glaeske aus, dass die strikte tionen des einzelnen Patienten nutzt, um Anwendung von Leitlinien bei einer mul- seine medizinische Versorgung indivitimorbiden Patientin zu einer nicht mehr duell anzupassen. Diese ergänzt durch verträglichen Anzahl von Arzneimitteln die komplexen Einflussfaktoren und Beund Interaktionen führt – der Nutzen ziehungen, die für das Krankheitsbild der für die Patienten bleibt eher fragwürdig, Demenz Bedeutung haben, wäre ideal. der Schaden ist dagegen erkennbar [3]. Solange wir diese Möglichkeiten nicht Dies würde für die Anwendung der ge- haben, brauchen wir für die Geriatrie ein planten S3-Leitlinie Demenz in der bis- einfaches Diagnostik- und Behandlungsherigen Ausführung für die tägliche Pra- muster auf der Basis eines umfassenden geriatrischen Assessments, das dann inxis bei multimorbiden Älteren gelten. dividuell variiert und Das Risiko unerIm Übrigen fehlt angepasst werden wünschter Arzneimittelwirkungen steigt bisher eine grundsätzliche muss. Ein solches Assessment sollte eine mit der Zahl der einLeitlinie zur Behandlung Medikationsanalyse genommenen Medimultimorbider Patientinnen und spezielle Erfaskamente in etwa exund Patienten sungen bzw. Einponentiell an. Besonschätzungen häufig dere Bedeutung für eine Demenzleitlinie hätten hier insbe- auftretender Defizite beim Demenzsondere unerwünschte Arzneimittelwir- kranken beinhalten. Dies ändert nichts kungen im Hinblick auf die Kognition. daran, dass man auch die speziellen psyBeispielhaft sei hier nur die anticholi- chiatrischen und neurologischen Ernerge Nebenwirkung vieler Arzneimittel kenntnisse und Bedürfnisse in eine solerwähnt, die häufig bei Älteren einge- che Leitlinie mit aufnehmen sollte. Dasetzt werden [1]. Zu beachten sind aber neben aber muss als Basis ein einfaches nicht nur die Nebenwirkungen und die Diagnostik- und Behandlungsmuster steInteraktionen zwischen den einzelnen hen, dass dem volkswirtschaftlichen Proverordneten Medikamenten. Auch durch blem des Krankheitsbildes Demenz in patientenindividuelle Faktoren wie re- unserer Gesellschaft gerecht wird. duzierte Eliminationskapazität von Leber und Niere zeigen sich eine geringere the- Literatur 1. Ancellin, M., Artero, S., Porlet. F., et al.: rapeutische Breite oder steilere WirNon-degenerative muld cognitive impairment in kungskurven bei der Verabreichung vieelderly people and use of anticholinergic drugs. Brit. Med. J. 332 (2006) 455-459 ler Medikamente. Diese Fragestellungen 2. DEGAM-Leitlinie Nr. 12: Demenz. Omikon publiswerden aber in fast allen Leitlinien zur Dehing, Düsseldorf, 2008. menz tabuisiert. Dies gilt im Übrigen 3. Glaeske, G.: Stehen bei multimorbiden Patienten Leitlinien im Wettbewerb? 30. Workshop des auch für die Leitlinie der DEGAM und Zukunftsforum Demenz. 25.02.2009. Berlin würde auch für die Anwendung der ge4. Schölmerich, J.: Evldence b(i)ased Medicine. planten S3-Leitlinie Demenz in der bisArzneimitteitherapie 26 (2007) 201-202 5. Weiss, B.: Leitlinien in höherem Lebensalter. herigen Ausführung für die tägliche PraZ, Gerontol. Geriat. Suppl. 1 (2008) 69 xis gelten. 6. Wiedemann, B.: Werden Leitlinien immer wertloser? Cardio News 3 (2009) 4 Einfaches Diagnostik- und Behandlungsmuster Natürlich wäre es wünschenswert, eine Leitlinie für die Multimorbidität des geriatrischen Patienten mit entsprechenden Behandlungspfaden für bestimmte Krankheitsbilder wie z.B. der Demenz zu haben. Noch sinnvoller wäre eine Prof. Dr. med. Ingo Füsgen, Geriatrische Kliniken Wuppertal III, Med. Klinik der Kliniken St. Antonius, Lehrstuhl für Geriatrie der Universität Witten/Herdecke, Carnaper Str. 60, 42283 Wuppertal 17 P S Y C H I AT R I E : D E M E N Z UND DEPRESSION Demenz und Depression – Gemeinsamkeiten und Unterschiede Ute Fiedler und Jens Wiltfang, Essen D ie Genese psychischer Erkrankungen ist multimodal. Genetische Faktoren und Persönlichkeitsfaktoren sind altersunabhängig. Eine verminderte Abwehr- und Adaptationsfunktion des Körpers im Alter stellt jedoch einen wesentlichen Faktor für die Genese und den Verlauf der Erkrankungen dar. Im Alter bekommen Lebensstil, chronische Vorerkrankungen, die soziale Lebenssituation (wie z.B. Vereinsamung) und belastende Lebensereignisse (Tod der Bezugsperson, Krankheit, Berentung etc.) eine zunehmende Bedeutung. Die psychiatrische Morbidität bei den über 60-Jährigen liegt mit 20-30% nicht wesentlich höher als bei Jüngeren [8]. Ein ausgeprägtes depressives Syndrom entwickeln bis zu 10% der über 65Jährigen. Bei der Demenz kommt es zwischen dem 65. und 85. Lebensjahr zu 18 Ältere Patienten und ihre Angehörigen leugnen häufig die Existenz psychischer Probleme, da diese schamhaft erlebt werden. Die schicksalhafte Überzeugung, dass eine Genesung „in Gottes Händen“ liege und Leiden ausgehalten werden müsse, erschwert den Zugang zum Hilfesystem. einem exponentiellen Anstieg der Häufigkeit [6]. Der Verlauf psychischer Erkrankungen im Alter ist häufiger chronisch. Suizidalität. Wie psychologische Autopsiestudien belegen, ist Suizid eng mit psychiatrischer Morbidität assoziiert. Die offizielle Todesursachenstatistik [11] zeigt, dass die Suizidrate mit steigendem Alter zunimmt. In der Altersgruppe der 40- bis 45-Jährigen suizidieren sich jährlich 15 von 100.000 Einwohnern, bei den 80- bis 85-Jährigen 30 von 100.000 (Männer dieser Altersgruppe: 58 von 100.000). Charakteristisch ist eine erhöhte Letalität suizidaler Handlungen durch die häufigere Wahl harter Suizidmethoden, zu denen „Erhängen“, „Erschießen“ und „Sprung aus Höhe“ gerechnet werden. Foto: Konstantin Sutyagin – Fotolia.com Demenz und Depression sind die beiden psychischen Erkrankungen mit den höchsten Prävalenzraten bei älteren Menschen. Ähnliche initiale Symptome wie psychomotorische Verlangsamung, Interessen- und Leistungsminderung, Störungen der Aufmerksamkeit, der Konzentration und des Kurzzeitgedächtnisses können die differentialdiagnostische Unterscheidung schwierig machen. Der Artikel geht auf Besonderheiten psychischer Erkrankungen im Alter ein und gibt einen Überblick zu Diagnose und Therapie der beiden Störungsbilder. Bei 90% der vollendeten Suizide ist eine psychische Erkrankung im Vorfeld nachzuweisen. In 40-70% der Fälle handelt es sich dabei um eine Depression. Weitere Risikofaktoren für einen Suizid [5] sind Suizidversuche in der Vorgeschichte, andere schwere Erkrankungen, Alter und männliches Geschlecht, vegetative Störungen, somatische Leiden, kognitive Einbußen, paranoide Krankheitsängste und Vereinsamung. Depression Definitionen. Nach Definition der ICD10 [2] leidet eine Person mit depressiver Störung unter gedrückter Stimmung, Interessenverlust, Freudlosigkeit und Abnahme des Antriebs. Die Verminderung der Energie führt zu einer erhöhten Ermüdbarkeit und AktivitätseinschränGERIATRIE JOURNAL 4/09 P S Y C H I AT R I E : D E M E N Z kung. Deutliche Müdigkeit tritt oft nach nur kleinen Anstrengungen auf. Nebenkriterien sind: @ verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit, @ vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, @ Schuldgefühle und Gefühle von Wertlosigkeit, @ negative und pessimistische Zukunftsperspektiven, @ Suizidgedanken, Selbstverletzung oder Suizidhandlungen, @ Schlafstörungen und @ verminderter Appetit. Die Symptome bestehen über den größten Teil des Tages, es gibt kaum Reaktionen auf die jeweiligen Lebensumstände. Es können charakteristische Tagesschwankungen auftreten, meist mit einem Morgentief und Besserung des Befindens am Abend. UND DEPRESSION Verlauf. Depressive Episoden können als Einzelepisode, als rezidivierende Depression mit oder ohne vollständige Remission verlaufen. Die natürliche Phasendauer einer unbehandelten Depression liegt zwischen drei und fünf Monaten. Die beschwerdefreie Zeit zwischen den depressiven Episoden beträgt durchschnittlich mehrere Jahre. Im Einzelfall können Phasendauer und Zykluslänge jedoch sehr unterschiedlich sein. Transmitter- und Rezeptorebene spielen intrazelluläre Regulationsmechanismen, d.h. Second-messenger-Systeme, eine wesentliche Rolle in der Balance der neuronalen Erregungsweiterleitung. Bemerkenswert sind außerdem charakteristische Veränderungen des Schlafes sowie neuroendokrinologische Veränderung mit Störungen der Regulation des Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrindensystems und resultierendem Hyperkortisolismus sowie weiteren endokrinen Veränderungen. Epidemiologie. Studien aus den Industrieländern ergeben in Abhängigkeit Besonderheiten im Alter. Eine Devon der Definition und Schwere der De- pression wird zu häufig als normale Bepression Punktprävalenzen von 2 bis 7%. gleiterscheinung von Alter oder LebensEin mindestens mittelgradig schweres krisen verkannt: Ältere Patienten und depressives Syndrom nach ICD-10 Kri- ihre Angehörigen leugnen häufig die terien entwickeln bis zu Existenz psychischer 10% der über 65-JähriProbleme, da diese Die Existenz gen [8]. Leichtere depres- psychischer Probleme schamhaft erlebt werden. sive Syndrome treten der Dazu trägt das Schuldwird als Klinische Erscheinungsbilder. Die Berliner Altersstudie [8] gefühl bei, die Depresschamhaft erlebt klinischen Erscheinungsbilder können zufolge ca. zweieinhalb sion sei eine „Vergeltung“ durchaus variieren. Neben der „typi- mal häufiger auf. Weiterschlechter Angewohnschen“ oder „melancholischen Depres- hin zeigt sich bei Patienten mit körper- heiten. Die schicksalhafte Überzeugung, sion“ steht in einigen Fällen Angst, Ge- lichen Krankheiten und Behinderungen dass eine Genesung „in Gottes Händen“ quältsein und motorische Unruhe im eine erhöhte Prävalenz. Aus diesem liege und Leiden ausgehalten werden Vordergrund („agitierte Depression“). Grunde ist es nicht verwunderlich, dass müsse, erschwert den Zugang zum HilTypische Merkmale der „somatischen die Prävalenz depressiver Episoden bei fesystem. Eine große Bedeutung bei älDepression“ sind die Dominanz vege- Bewohnern von Pflegeheimen mit 25- teren Patienten liegt in dem Wunsch, tativer Symptome; neben Interessen- 45% deutlich über der von gleichaltri- Kontrolle zu bewahren, um die Würde und Freudlosigkeit und emotionaler Ni- gen Personen liegt, die außerhalb von zu erhalten. Im Alter findet häufig eine vellierung finden sich Schlafstörungen Institutionen leben. Verschiebung zu somatischen Bemit morgendlichem Früherwachen, schwerden statt wie Kopfschmerzen, Appetitstörungen, psychomotorische Ätiologie. Die Konzepte zur Ätiologie Schlafstörungen, Schwindel oder unHemmung, Gewichts- und Libidover- der Depression sind multimodal: neben spezifischen physischen Beschwerden. lust. In schweren Fällen (bei der „psycho- einer gesteigerten genetischen Disposi- Häufige Auslöser einer Depression im tischen Depression“) ist tion, Persönlichkeits- Alter sind Verwitwung, Versorgungsder Realitätsbezug des faktoren, einer gestei- probleme, Ängste vor dem Tod, Armut Die Prävalenz Patienten massiv begerten Vulnerabilität oder der Verlust der Unabhängigkeit, depressiver Episoden einträchtigt. Es treten durch Kindheitstrau- aber auch Rollenwechsel, Veränderung bei Bewohnern von Überzeugungen auf, mata gibt es physische der Wohnsituation und soziale Isolation. Pflegeheimen liegt unheilbar krank (hypound psychische Auslöchondrischer Wahn), sefaktoren. Die PharTherapie. Entsprechend des multideutlich über der von innerlich bereits tot gleichaltrigen Personen, makotherapie stützt modalen Konzepts zur Ätiologie der Dezu sein (nihilistischer sich auf das neurobio- pression werden die therapeutischen Andie außerhalb von Wahn), rettungslos zu logische Modell der sätze kombiniert: Die Pharmakotherapie Institutionen leben verarmen (VerarTransmitter-Imbalance mit tri- und tetrazyklischen Antidepresmungswahn), sich in durch Monoamin- siva sowie den neueren, wesentlich besentsetzlicher Weise schuldig gemacht zu Mangel (funktionales Defizit von Nora- ser verträglichen selektiven Serotoninhaben, bis zu der Überzeugung, für das drenalin, Serotonin und Dopamin in für oder Noradrenalin-WiederaufnahmeElend der Welt verantwortlich zu sein die Stimmungsregulation wichtigen zen- hemmern (SSRI, SNRI) oder MAO(Schuldwahn). tralen Funktionssystemen). Neben der Hemmern werden mit dem Ziel einge- GERIATRIE JOURNAL 4/09 19 P S Y C H I AT R I E : D E M E N Z setzt, das Gleichgewicht der Neurotransmitter wiederherzustellen. Die Wirkung tritt mit einer zeitlichen Verzögerung von 2-4 Wochen ein und ist einer Plazebobehandlung überlegen [12]. Eine Differentialindikation für einzelne Antidepressiva gibt es nicht. Der Einsatz richtet sich nach dem Nebenwirkungsprofil (z.B. primär sedierende versus antriebssteigernde Antidepressiva) und der Verträglichkeit. Insbesondere bei der Behandlung älterer Menschen sind z.B. Interaktionen mit anderen Pharmaka zu beachten. Weitere Behandlungsformen. Andere somatische Behandlungsformen sind Schlafentzugstherapie und Lichttherapie mit Wirksamkeit bei leichteren Formen der Depression und der saisonal-abhängigen Depression. Stimulationsverfahren wie die Elektrokonvulsionstherapie (EKT) werden ausschließlich im stationären Setting angewendet. Sie ist die wirksamste Methode bei schweren Erkrankungen oder Therapieresistenz bei insgesamt guter Verträglichkeit. Die EKT war lange Zeit auf Grund historischer Bedenken verpönt, wird nun aber nach Stellungnahme der Bundesärztekammer ausdrücklich in bestimmten Fällen empfohlen [3]. Die transkranielle Magnetstimulation ist unkomplizierter durchzuführen, jedoch nur bei leichteren Erkrankungen wirksam. Andere Stimulationsverfahren wie Vagusnervstimulation und Tiefenhirnstimulation sind noch im experimentellen Stadium. Psychotherapie. Eine psychotherapeutische Basisbehandlung soll ein medizinisches Krankheitsmodell vermitteln, den Patienten entlasten, stützen und ermutigen. Eine zusätzliche spezifische psychotherapeutische Behandlung kann sinnvoll sein. Neben psychodynamischen Therapien ist insbesondere die Wirksamkeit der kognitiv-verhaltenstherapeutischen Psychotherapie und der interpersonellen Psychotherapie durch wissenschaftliche Untersuchungen belegt [9]. Eine Hospitalisierung muss in jedem Fall bei der Gefahr von Suizidhandlungen in Erwägung gezogen werden, außerdem bei psychotischen De- 20 UND DEPRESSION pressionen oder nach längerer erfolgloser ambulanter Behandlung. Demenz Definition. Das dementielle Syndrom als Folge einer Krankheit des Gehirns verläuft gewöhnlich chronisch oder fortschreitend unter Beeinträchtigung vieler höherer kortikaler Funktionen wie Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache und Urteilsvermögen. Es finden sich keine qualitativen Bewusstseinsstörungen. Die kognitiven Beeinträchtigungen sind meist begleitet von einer Verschlechterung der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens oder der Motivation. Diese Symptome gehen ge- legentlich auch voran. Die wesentliche Voraussetzung für die Diagnose nach ICD-10 ist der Nachweis einer Abnahme des Gedächtnisses und des Denkvermögens und eine damit verbundene alltagsrelevante Einschränkung der Lebensführung. Klinische Relevanz. In Deutschland gibt es über eine Million Demenzerkrankte. Davon leiden 50-60% der Patienten an einer Alzheimer-Demenz, die damit die häufigste Demenz-Form ist. Die Prävalenzrate der Demenzen ist stark altersabhängig. Sind bei den 65- bis 69Jährigen noch weniger als 2% betroffen, steigt bei den über 90-Jährigen die Prävalenz auf 25-42% an. Auf Grund der demographischen Entwicklung [1] ist in Tab. 1: Basisprogramm zur Differentialdiagnose der Demenzen* Richtungsweisende Untersuchungen Eigen- und Fremdanamnese Psychiatrische Untersuchung Neurologische Untersuchung Neurophysiologie (EEG) Internistische Untersuchung mit EKG und Labor (inkl. internistisches Basislabor, TPHA, HIV, Nierenparameter, Schilddrüsenhormone, B12, Folsäure) Kranielle Bildgebung (CCT oder MRT) Duplex/Dopplersonographie der kraniellen Gefäße ggf. Liquordiagnostik (tau-Protein, Aβ-Peptide) Verdachtsdiagnosen @ Medikamente, Drogen, Lösungsmittel @ Alkohol @ Schädel-Hirn-Traumata @ Z.n. Enzephalitis @ Schlafapnoe @ depressive Pseudodemenz @ schizophrener Residualzustand @ dissoziative Störung @ M. Parkinson @ Chorea Huntington @ hepatolentikuläre Degeneration @ Creutzfeld-Jakob-Erkrankung @ chronische zerebrale Hypoxie bei Herzinsuffizienz, Anämie @ paraneoplastische Syndrome @ Autoimmunerkrankungen @ Leber-, Nierenversagen @ Endokrinopathien @ Hypovitaminosen @ progressive Paralyse @ vaskuläre Demenzen @ raumfordernde Prozesse @ Normaldruckhydrocephalus @ HIV-Enzephalopathie @ fokale kortikale Hirnatrophien @ entzündliche oder degenerative Erkrankungen mit Beteiligung des Marklagers @ vaskuläre Demenzen @ Alzheimer-Demenz [13] * Entsprechend der Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie; bei pathologischen Befunden ist eine weitere gezielte Diagnostik erforderlich. GERIATRIE JOURNAL 4/09 P S Y C H I AT R I E : D E M E N Z Einteilung. Die häufigsten primärprogredienten Demenzerkrankungen sind: @ Alzheimer-Demenz (AD) @ Vaskuläre Demenz (VD) @ Mischdemenzen (AD-VD) @ Lewy-Körperchen-Demenz (LBD) @ Parkinson-Demenz (PD) @ Frontotemporale Demenzen (FTD) Daneben gibt es sekundäre Demenzen bei primär nicht-dementiellen Grunderkrankungen, wie z.B. chronische HIVEnzephalitis, Schilddrüsenerkrankungen oder Vitaminmangelerkrankungen. DEPRESSION Abb. 1: Amyloid-Kaskadenhypothese der Alzheimer Demenz lösliche Oligomere amyloidogene extrazellulär APP Spezies β Sekretase γ Sekretase Aβ-Peptide 1-40 & 1-42 intrazellulär TAU & pTAU \ Neurodegeneration Aβ 1-40 ZY Aβ 1-42 [ Neurofibrilläre Bündel DEMENZ Diagnostik. Die Feststellung kognitiver Defizite ist eine notwendige Voraussetzung für die Diagnose einer Demenz. Sie erfordert die genaue Erhebung des psychischen Befundes sowie die Anwendung standardisierter, reproduzier- ne Reihe anderer Beschwerden. Eine Stubarer Tests. Auf Grund der einfachen die von Jost et al. [7] hat gezeigt, dass bei Durchführbarkeit ist der Mini-Mental- 72% der Patienten mit einer gesicherten Status-Test am weitesten verbreitet: Das Alzheimer-Demenz Depression, VeränScreening erfolgt mittels zehn Fragen zur derungen des Affekts, sozialer Rückzug zeitlichen und örtlichen und Suizidideationen Depressive Symptome Orientierung, Aphasie mehr als zwei Jahre vor und Apraxie, Rechnen treten häufig bereits vor der Diagnosestellung und Aufmerksamkeit, aufgetreten waren. Ander Diagnosestellung Gedächtnis, Lesen, dere Symptome wie ein einer Demenz auf Schreiben und Sprachverschobener Schlafverständnis. Zur AbWa c h - R h y t h m u s , schätzung des Schweregrades und zur Wahnideen oder Ängstlichkeit bestanDifferentialdiagnose sind weitere Ver- den ebenfalls bereits vor der Diagnosefahren (SIDAM, CERAD-Testbatterie) stellung. Im Verlauf der Erkrankung beerforderlich. einträchtigten außerdem Agitation, geNeben den intellektuellen Einbußen steigerte oder verminderte Aktivität, führen dementielle Erkrankungen zu ei- Irritabilität, Aggressivität, Halluzinationer Reihe von Verhaltensänderungen, nen und Affektlabilität. deren Ausmaß zur Beurteilung der Behinderung von erheblicher Bedeutung Ätiologie. Bei der Alzheimer-Demenz ist. Um differentialdiagnostisch andere, korrelieren klinische Defizite eng mit eipotentiell medizinisch oder chirurgisch ner Abnahme kortikaler Synapsen, vor albehandelbare Erkrankungen, die eine lem im parieto-temporalen und frontaDemenz auslösen können, auszuschlie- len Kortex. Die dadurch bedingte Disßen, sollte eine Reihe von Untersu- konnektion des Neokortex vom medialen chungen stattfinden (Tab. 1). Temporallappen und von der hippokampalen Formation führt zu einem VerNicht-kognitive Symptome. Neben lust an koordinierter neuronaler Aktiden beschriebenen kognitiven Sympto- vität und erklärt die typischen Kennzeimen der Alzheimer-Demenz besteht ei- chen der leichten kognitiven Störung 24 MCI Amyloidfibrillen β-AmyloidPlaques Neuroinflammation (Mild Cognitive Impairment, MCI) bis zur Alzheimer-Demenz. Nach der Amyloid-Kaskadenhypothese (Abb. 1) erfolgt eine veränderte proteolytische Spaltung eines transmembranären Vorläuferproteins, das in neuronalen und nicht-neuronalen Zellen des Gehirns gebildet wird (Amyloid-PräkursorProtein, APP) durch die β- und γ-Sekretase. Das Spaltprodukt (Aβ-Peptid) aggregiert und bildet durch Veränderung der Tertiärstruktur toxische Amyloidfibrillen. Die Aggregation scheint von der Länge der Spaltprodukte abzuhängen (Aβ1-42 Fragmente aggregieren schneller als Aβ1-40 Fragmente). Inflammatorische Prozesse führen zu Veränderungen hippokampaler und kortikaler Neurone mit Ausbildung neurofibrillärer „Tangles“ im neuronalen Zellkörper. Die Ausbreitung dieser Degeneration folgt einem einheitlichen Muster, benannt nach dem Anatomen Braak: vom entorhinalen Kortex (Braak-Stadien 1 + 2) über den Hippokampus (Braak-Stadien 3 + 4) zum Neokortex (Braak-Stadien 5 + 6). Desweiteren finden sich histopathologisch auch Amyloidablagerungen in den Gefäßwänden, Verringerung der großen Neurone, eine Abnahme der cholinergen Innervation sowie neuroinGERIATRIE JOURNAL 4/09 Quelle: Autor den Jahren bis 2020 mit einer Zunahme der Demenzerkrankungen von 50% zu rechnen [4]. UND P S Y C H I AT R I E : D E M E N Z flammatorische Veränderungen, die auf eine Bedeutung der Mikroglia für die Pathogenese hinweisen. UND DEPRESSION Sturzgefahr und paradoxen Reaktionen vermieden werden. Aktivierungsprogramme, Musik, Verhaltenstherapie und Angehörigenarbeit sind ebenfalls wirksame Behandlungsansätze [10]. Therapie. Nootropika können über unspezifische Stoffwechselwirkungen eine leichte günstige Wirkung zeigen. SubDifferentialdiagnose und Ausblick stanzen mit Einfluss auf die Neurotransmission zeigen einen positiven Effekt, Demenz und Depression können im Anwobei neuere Cholinesterasehemmer fangsstadium leicht übersehen oder ver(Donezepil, Rivastigmin, Galantamin) wechselt werden. Tab. 2 gibt Hilfestellung weniger unerwünschte Wirkungen als äl- bei der differentialdiagnostischen Untertere Hemmstoffe haben. Die Glutamat- scheidung. Die Wirksamkeit der antidementiven modulatoren Memantine (zur Behandlung mittlerer und schwerer Stadien der Therapiestrategien ist zurzeit noch unDemenzen zugelassen) und Amantadin befriedigend. Der Verlauf der Erkrankung kann allenfalls verblockieren eine schädliDie Feststellung zögert werden, bereits che glutamaterge Überbestehende kognitive stimulation im Sinne der kognitiver Defizite ist Defizite nicht wieder Exitotoxizität. Ansätze Voraussetzung für die aufgebaut werden. Wemit dem Ziel einer protektiven Behandlung ge- Diagnose einer Demenz sentlich für die Behandlung ist eine frühzeitige gen den fortschreitenden kognitiven Abbau stehen erst am Anfang. Diagnostik, um den degenerativen ProSymptomatisch kommen bei zusätz- zess in einem sehr frühen Stadium der Belichen psychiatrischen Auffälligkeiten handlung zu unterbrechen. Interessant auch Antidepressiva und Neuroleptika ist hier insbesondere die Tatsache, dass zum Einsatz. Zu berücksichtigen sind ei- sehr häufig bereits vor der Diagnosestelne im Alter veränderte Pharmakokinetik lung einer Demenz depressive Symptound -dynamik mit erhöhter zerebraler me auftreten: Bei einer erstmaligen deEmpfindlichkeit bei dementen Patien- pressiven Erkrankung im Alter sollte ten. Benzodiazepine sollten wegen zu- immer auch die Möglichkeit einer desätzlicher kognitiver Beeinträchtigung, mentiellen Entwicklung in Erwägung Tab. 2: Differentialdiagnose Demenz versus Depression Depressive „Pseudodemenz“ stabile depressive Symptomatik ausgeprägtes Klagen über kognitive Defizite Gedächtnisprobleme werden in den Vordergrund gestellt und detailliert beschrieben Widersprüche zwischen Testleistung („ich kann das nicht“) und Alltagskompetenzen Denken ist eher gehemmt, verlangsamt, nicht verwirrt keine Orientierungsstörungen abendliche Stimmungsaufhellung @ @ @ akuter Beginn Besserung der kognitiven Symptome im Rahmen einer erfolgreichen antidepressiven Behandlung @ @ GERIATRIE JOURNAL 4/09 @ „echte Demenz“ affektlabil, leicht ablenkbar kognitive Probleme werden dissimuliert semantische Paraphrasien @ Testleistungen und Alltagsverhalten entsprechen sich @ Denken ist eher „durcheinander“ @ @ Desorientierung typisch: abendliche Verwirrtheitszustände; Tag-Nacht-Umkehr langsamer, unklarer Beginn keine Besserung der kognitiven Symptome unter antidepressiver Therapie gezogen werden. Für neue Behandlungsstrategien mit dem Ziel, die Sekretasen oder immunologische Prozesse zu modulieren, spielt die Diagnosestellung in einem präklinischen Stadium eine wesentliche Rolle. Literatur 1. Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung: http://www.bib-demographie.de 2. Dilling H., Mombour W., Schmidt M.H. (Übers. und Hrsg.): Internationale Klassifikation psychischer Störungen: ICD-10 Kapitel V (F); Klinisch diagnostische Leitlinien/Weltgesundheitsorganisation, Verlag Hans Huber (2000) 3. Folkerts H., Remschmidt H., Saß H. et al: Bekanntmachungen: Stellungnahme zur Elektrokrampftherapie (EKT) als psychiatrische Behandlungsmaßnahme Bekanntgaben der Herausgeber: Bundesärztekammer. Deutsches Ärzteblatt PP 2 (2003) 141 4. Häfner H., Löffler W.: Die Entwicklung und Anzahl von Altersdemenzkranken und die Pflegebedürftigkeit in den kommenden 50 Jahren: Eine demographische Projektion auf der Basis epidemiologischer Daten für die Bundesrepublik Deutschland (alte Bundesländer). 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Die Therapie kann jedoch mit schwerwiegenden Nebenwirkungen verbunden sein. Dies betrifft die klassischen und auch die „atypischen“ Neuroleptika. Der nachfolgende Bericht, dessen 1. Teil im GERIATRIE JOURNAL 3/2009 erschienen ist, gibt einen umfassenden Überblick über die aktuellen Erkenntnisse. D er 1. Teil des Artikels stellte die aktuelle Studienlage vor und erläuterte schwerwiegende Nebenwirkungen von Antipsychotika und mögliche Pathomechanismen. Der 2. und letzte Teil befasst sich mit der Dosierung bei älteren Patienten, bewertet die Risiken von klassischen und neuen Neuroleptika und gibt Hinweise für ihren Einsatz. Substanzeffekt – Gruppeneffekt, Dosiseffekt – Zeiteffekt? Die Sedierung ist, wie zahlreiche andere Nebenwirkungen auch, offenbar dosisabhängig. Dosiseffekte wurden aber bisher nur wenig untersucht; wenn danach gesucht wurde, wurden sie i.d.R. auch gefunden [59, 65, 70, 75, 77, 79]; es gibt jedoch Ausnahmen [32, 45, 83], für die eine plausible Erklärung schwer fällt. Allerdings besagt die numerische Dosis allein u.U. nicht sehr viel, dies gilt besonders im Alter. Pharmakokinetische Aspekte sind in den vorliegenden Studien überhaupt nicht berücksichtigt, obwohl 26 sie von großer Bedeutung sein können. So bevor Adaptationsmechanismen greifen wurde in einer Untersuchung die Se- können, was besonders für (individuell) rumkonzentration von Risperidon bei initial hohe Dosierungen gelten dürfte. jungen schizophrenen Patienten mit der Denkbar ist aber auch, dass keine kausabei alten demenzkranken verglichen; es le Beziehung besteht, sondern eine körzeigte sich im Mittel bei den alten Patien- perliche Erkrankung, die später sui geneten trotz erheblich niedrigerer Dosis (1,7 ris zu einem schwerwiegenden Ereignis vs. 5,1 mg) eine deutlich höhere Serum- führen würde, eine delirante Symptomakonzentration (58,1 vs. 39,8 ng/ml) [25]. tik auslöst, die mit einem AP beantworMehrere Studien sprechen dafür, dass tet wird; die AP-Verordnung wäre dann die Risiken unter Behandlung mit Anti- nicht Ursache, sondern quasi Prodropsychotika (AP) initial malzeichen. … ist zu diskutieren, besonders erhöht sind Wer diese erste Phase ob nicht erwünschte [17, 27, 37, 44, 45, 65, überstanden hat, „ver75, 80]. Dies wird v.a. therapeutische Effekte trägt“ i.d.R. das Medideutlich, wenn die Zeit- von AP andere demenz- kament. Nun greifen fenster entsprechend eng u.U. längerfristige Efassoziierte Risiken gewählt werden – einfekte wie z.B. verminmindern drucksvolle Beispiele gederte körperliche Aktiben Kleijer et al. [44] und vität, die unter Clozapin Knol et al. [45], die die Risikoerhöhung oder Olanzapin erst nach Monaten bis in den allerersten Tagen, ja fast Stunden Jahren auftretende QTc-Zeit-Verlängezeigen. Es erscheint nachvollziehbar, dass rung [46] oder metabolische Effekte beso v.a. individuell-spezifische Unverträg- vorzugt unter einigen 2GAP (Antipsylichkeiten erfasst werden, aber auch chotika der zweiten Generation). Auf dieNebenwirkungen, die manifest werden, se Weise könnte eine im späteren Verlauf GERIATRIE JOURNAL 4/09 P S Y C H I AT R I E : D E M E N Z wieder ansteigende Mortalitätskurve zu werden v.a. wegen fehlender anticholi- lem bei älteren bzw. demenzkranken Paerklären sein, für die einzelne Arbeiten nerger Eigenschaften und seltener EPS in tienten konstatiert werden müssen, sind Hinweise geben – es ergäbe sich damit Deutschland bevorzugt bei älteren Pa- leichter zu akzeptieren, wenn die Beeine u-förmige Beziehung. Die Studien, tienten eingesetzt, bei Melperon wird zu- handlung mit hoher Wahrscheinlichkeit die keine Variationen im sätzlich die fehlende zu einer eindeutigen, belangvollen und Bevor Antipsychotika Zeitverlauf finden, haSenkung der Krampf- nachhaltigen Besserung führt. Während ben dann möglicherschwelle hervorgehoben, dies für schizophrene Erkrankungen siverordnet werden, weise zu Beginn zu groProthipendyl wird bei cherlich zutrifft, sind die Einschätzungen ist der Einsatz von be Zeitfenster gewählt guter schlafanstoßender im Fall von Demenzerkrankungen – vorund später nicht mehr Antidementiva zu prüfen Wirkung und kaum sichtig formuliert – deutlich zurückhallang genug untersucht. EPS ebenfalls nicht sel- tender. Andererseits ist zu diskutieren, ob nicht ten bei alten Menschen angewendet. Die Schon den 1GAP wurde lediglich eine erwünschte therapeutische Effekte von Hemmung des CYP2D6 durch Melperon zwar signifikante, aber nur geringe WirkAP trotz aller substanzimmanenten Ge- kann in der praktischen Anwendung zu samkeit bei herausforderndem Verhalten fahren andere demenzassoziierte Risiken Interaktionsproblemen führen, ebenso bei Demenz attestiert (z.B. die Metaamindern, so dass es langfristig nicht zu ei- umgekehrt die nichtlineare Kinetik bei nalyse von [47]). Auch für die 2GAP fällt ner Mortalitätserhöhung kommt, weil Hemmung des Abbaus von Melperon, die Bilanz ernüchternd aus, obwohl hierbeide Effekte sich ausgleichen. wobei die beteiligten Enzyme bis jetzt für mehr und methodisch bessere Studien nicht bekannt sind. Melperon scheint die durchgeführt werden [41]. Die Bewertungen lauten zusammenQTc-Zeit in der Größenordnung von Zusammenfassende Bewertung Thioridazin zu verlängern [40]. Fasst man fassend so, dass die Risiken der AP den der Risiken die vorliegenden Erkenntnisse zusammen, begrenzten Nutzen aufwiegen [1, 3, 5, 12, Will man trotz der o.a. Einwände 1GAP so erscheint der Einsatz von Melperon 15, 62, 69] und dass, abgesehen vom (Antipsychotika der ersten Generation) bei Patienten mit Multimedikation und unterschiedlichen EPS-Risiko, keine anund 2GAP als Gruppen miteinander ver- mit kardialen Vorerkrankungen, insbe- deren Unterschiede zwischen 1GAP und gleichen, so bleibt festzustellen: sondere bradykarden Rhythmusstörun- 2GAP hinsichtlich Wirksamkeit und Si@ Sicheres Unterscheidungsmerkmal ist gen bedenklicher als der von Pipamperon cherheit gezeigt werden konnten [13, 41, allein das durchschnittlich unter 2GAP oder Prothipendyl [7, 11, 36, 48, 75]. 50, 72]. kleinere EPS-Risiko; allerdings können Die American Psychiatric Association die meisten 2GAP, v.a. Risperidon, do- Fazit. Substanzspezifische Nebenwir- [2] stellt fest, dass die Evidenz im Hinsisabhängig extrapyramidalmotorische kungen, Dosierung, Aufdosierungsge- blick auf Unterschiede in Wirksamkeit Symptome (EPS) hervorrufen, während schwindigkeit sowie Beund Nebenwirkungen Angehörige bzw. niederpotente 1GAP, z.B. Pipamperon, achtung von Komorbizwischen den einzelMelperon und Prothipendyl, nur ein dität, Kontraindikationen nen AP begrenzt ist gesetzliche Vertreter außerordentlich geringes EPS-Risiko in und Arzneimittelinterakund sich die Auswahl und ggf. die Patienten sich bergen. nach dem Nebenwirtionen in Relation zum müssen über die Risiken kungsprofil im Ver@ Weil der Evidenzgrad der Kohorten- individuellen Patienten aufgeklärt werden studien mit Sekundärdaten geringer ist, sind für die Auswahl eines hältnis zur individuelkann nicht sicher angenommen wer- AP bei Demenz (wenn len Situation des Paden, dass die Gesamtmortalität unter überhaupt!) sicherlich erheblich bedeut- tienten richten muss. Haloperidol gehört 1GAP etwas höher ist als unter 2GAP; samer als die pauschale Zugehörigkeit zu ausdrücklich zu den empfohlenen Subwahrscheinlich ist dies der Fall. einer der beiden Gruppen 1GAP oder stanzen. Absetzstudien ergeben jedoch ein dif@ Dem steht womöglich ein größeres 2GAP. Oder anders ausgedrückt: Für Thromboserisiko unter 2GAP gegen- einen Patienten mit Alzheimer-Demenz ferenzierteres Bild: für die kleine Minüber. sind 0,25 mg/d Haloperidol oder 40 mg derheit der sehr kranken, psychopatho@ Im Hinblick auf die übrigen Risiken Pipamperon sicherlich nicht gefährlicher logisch sehr auffälligen Patienten ist das und Nebenwirkungen gibt es keine als 2 mg/d Risperidon. Das Wichtigste ist Absetzen bzw. die Plazebobehandlung Evidenz für eindeutige Differenzen. aber, dass diese Medikamente nur bei kla- nachteilig, sie profitieren hinsichtlich der Melperon, Pipamperon und Prothipendyl rer Indikation zur Anwendung kommen! Psychopathologie von der AP-Behandspielen in der Literatur zur Frage der Rilung. Der weitaus größte Teil der Pasiken von AP im Alter keine Rolle, sie tienten der Plazebogruppe schneidet jeAbwägung von Risiken tauchen auch in den psychiatrischen und doch hinsichtlich der Alltagsfähigkeiten psychopharmakologischen Lehrbüchern und Wirksamkeit besser ab. Bei allen mit AP behandelten nur am Rande auf. Melperon und Pi- Schwerwiegende Medikamentenneben- Patienten, also auch bei denen, die hinpamperon gelten als gut verträglich und wirkungen, wie sie im Fall von AP vor al- sichtlich der Psychopathologie profitierGERIATRIE JOURNAL 4/09 27 P S Y C H I AT R I E : D E M E N Z ten, zeigte sich eine kognitive Ver- mittelinteraktionen zu berücksichtigen. schlechterung [4]. Zu einem ähnlichen Bedeutsamer als der Unterschied zwiErgebnis kommt eine – kleinere – eben- schen 1GAP und 2GAP ist der zwischen falls plazebokontrollierte Absetzstudie aus AP-Einnahme und Nicht-Exposition. Norwegen [63]. Es haben also nur die Möglicherweise werden künftige Meschwerer erkrankten Patienten Nutzen dikamente bei günstigerem Nebenwirvon der Behandlung mit einem AP, und kungsprofil eine größere Wirksamkeit das auch nicht nebenwirkungsfrei. zeigen, vielleicht ist Pregabalin ein Schritt Leider stehen keine besseren medika- in diese Richtung. Wundermittel wird es mentösen Alternativen zur Verfügung: jedoch nicht geben. im Hinblick auf die Wirksamkeit von Bei ausgeprägter Symptomatik und Antidementiva, stimmungsstabilisieren- großem Leidensdruck (für den Erkrankden Medikamenten (Carbamazepin und ten und/oder seine Umgebung) wächst Valproat) und einigen Antidepressiva (Ci- auch der Druck auf die behandelnden talopram, Trazodon) ist Ärzte. Was tun, wenn Zur sorgfältigen die Datenlage mindesnichtmedikamentöse tens ebenso dürftig, Interventionen zwar Überwachung und wenn nicht schlechter, theoretisch vorstellbar, Dokumentation im Hin- praktisch jedoch nicht und umgekehrt wird blick auf unerwünschte realisierbar sind – eine auch hier die nur allenfalls mäßige WirksamSituation, die in FamiArzneimittelwirkungen keit häufig mit nicht to- gehören EKG-Kontrollen lien ebenso häufig vorlerierbaren Nebenwirkommt wie in Heimen. und Laborkontrollen kungen erkauft, so das Ärzte fühlen sich hier einhellige Resümee in nicht selten dazu missden einschlägigen Überischtsarbeiten [5, braucht, ein Problem mit medizinischen 41, 73]. So bleiben AP im Fall von agi- Mitteln angehen zu sollen, das kein metiert-aggressivem Verhalten und psycho- dizinisches ist. Ist es verantwortbar, dann tischem Erleben in medikamentöser Hin- aus solch ethischen Überlegungen eine sicht Mittel der ersten Wahl – wegen feh- psychopharmakologische Behandlung zu lender Alternativen bleibt es trotz der verweigern, wohl wissend oder zumindest vielfältigen Warnhinweise bei der hohen ahnend, dass es in der Folge zu beträchtVerordnungsrate von AP bei Demenz, so lichen Eskalationen kommen kann? Ballard et al. [5]. Als Desiderat aus den vorhandenen Leitlinien zur Anwendung von Antipsychotika bei herausforderndem Verhalten Ausblick und Empfehlungen bei Demenz [2, 11, 12, 21, 56, 60, 72] Es bleibt festzuhalten, dass alle AP für lassen sich die folgenden Prinzipien forDemenzkranke mit ernst zu nehmenden mulieren: Gefahren verbunden sind. Bei kritischer 1. Zuerst Suche nach (körperlichen Betrachtung sind die Vorteile der sehr oder medikamentösen) Ursachen! heterogenen Substanzen, die unter der 2. Dann bzw. gleichzeitig Einsatz werbewirksamen Bezeichnung „atypisch“ nichtmedikamentöser Intervenzusammengefasst werden, bei Weitem tionen – adäquater Umgang mit nicht so groß wie von den Herstellern sugDemenzkranken! geriert. Der Griff zu einem 2GAP be3. Erst danach Einsatz von Psychodeutet eben nicht automatisch größere Sipharmaka, wobei je nach Sympcherheit! Sachgerechter als solch simplitomatik auch andere Substanzfizierendes Schubladendenken ist es, bei gruppen in Betracht kommen. der Auswahl eines AP vor dem HinterInsbesondere ist der Einsatz von grund der individuellen Situation eines Antidementiva zu prüfen, bevor jeden Patienten substanzspezifische Antipsychotika verordnet werden. Nebenwirkungen, Dosierung, AufdosieFalls Antipsychotika verwendet rungsgeschwindigkeit sowie Komorbiwerden gilt: dität, Kontraindikationen und Arznei- 28 4. Alle Antipsychotika sind mit Ri- siken verbunden! Hierüber müssen die Angehörigen bzw. gesetzlichen Vertreter und ggf. die Patienten aufgeklärt werden. 5. Risiken der Behandlung gegen die Risiken ohne Behandlung abwägen. 6. Indikationen sind nur gravierende Symptome wie psychotische Symptome oder schwere Verhaltensstörungen, nicht Schlafstörungen oder Angst! 7. Identifizierung und genaue Erfassung („Messung“) der Zielsymptome, die durch die Behandlung gebessert werden sollen, und zwar zu Beginn und immer wieder im Verlauf. 8. Individuelle Auswahl des Medikaments! 9. Die geringstmögliche effektive Dosis verwenden! Altersabhängige Pharmakokinetik beachten! „Start low, go slow!“ 10. Sorgfältige Therapieüberwachung und Dokumentation im Hinblick auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen! Dazu gehören EKGKontrollen und Laborkontrollen. 11. Immer wieder Absetzversuche unternehmen! Diese sollten jeweils spätestens nach Ablauf einiger Monate erfolgen. 12. Substanzen mit anticholinergen Wirkungen möglichst vermeiden! 13. Polypharmazie vermeiden, so wenig verschiedene Medikamente wie möglich gleichzeitig verordnen, um das Interaktionsrisiko zu verringern! Wichtig: Unter den 2GAP hat in Deutschland einzig das Originalpräparat Risperdal® eine Zulassung im Bereich herausfordernden Verhaltens bei Demenz, und zwar nicht pauschal, sondern nur für „schwere chronische Aggressivität“ und nur in einer Tagesdosis bis 2 mg. Bei allen anderen 2GAP bewegt man sich im off-label-Bereich, was besonders hohe Anforderungen an Indikationsstellung, Aufklärung sowie Therapieüberwachung und Dokumentation impliziert. GERIATRIE JOURNAL 4/09 P S Y C H I AT R I E : D E M E N Z Literatur 1. AHRQ (2007) Agency for Healthcare Research and Quality: Efficacy and Comparative Effectiveness of Off-Label Use of Atypical Antipsychotics. 17.01.2007. http://effectivehealthcare.ahrq.gov/ repFiles/Atypical_Antipsychotics_Final_Report.pdf Zugriff 20.01.2009. 2. 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Durch den überdurchschnittlich hohen Pflegeaufwand erwachsen für den Arzt an der ersten Linie neue Aufgaben in der fachgerechten und langzeitgerichteten Versorgung und Führung der Betroffenen, aber auch der sie pflegenden Angehörigen. Teil 1 des Artikels ist in GERIATRIE JOURNAL 3/2009, S. 17 ff. erschienen und erläuterte die unterschiedlichen Demenzformen und die allgemeine Diagnostik. Der zweite und letzte Teil gibt Hinweise zu technischen Untersuchungen, zur Situation der Betroffenen und ihrer Angehörigen sowie zur Pharmakotherapie. D ie Kooperation der älteren Patienten ist oftmals begrenzt. Daher ist es ratsam, den Zeit- und Organisationsaufwand der nötigen Untersuchungen auf ein Minimum zu beschränken. Die Laboranalysen beinhalten neben den üblichen Routineuntersuchungen zur Abklärung der häufigsten chronischen Krankheiten einige wenige spezielle Parameter, die für die Demenzdiagnostik von Bedeutung sind (Tab. 6). Weitere technische Untersuchungen dienen vor allem der Diagnostik vaskulärer Demenzformen. Das EKG dient dem Erkennen von Rhythmusstörungen wie z.B. Flimmerarrhythmien und Bradykardien. Bei entsprechendem Verdacht kann die Durchführung eines 24-Stunden-Langzeit-EKGs sinnvoll sein. Merke: Jeder Patient, bei dem ein Demenzsyndrom vorliegt, muss zumindest einmal mit CT oder MRT untersucht werden [26]. (Tab. 7) 1 2 3 Bewährte kognitive Testverfahren für den Hausarzt Dem Hausarzt stehen einfache Testverfahren zur Verfügung, die er bei geringstem Verdacht auf eine Demenz durchführen muss. Sie sind methodisch auf den hausärztlichen Alltag zugeschnitten, d.h. sie sind bei der knapp bemessenen Zeit valide und reliabel und lassen sich auch von einer geschulten Helferin durchführen (Tab. 8, Tab. 9). Merke: Bei jedem Verdacht auf eine mögliche Demenz ist – wie beim Thoraxschmerz ein EKG zur Abklärung eines Herzinfarktes – die Durchführung eines kognitiven Tests zwingend erforderlich. Die zum zweiten Quartal 2005 eingeführte Gebührenordnung „EBM 2000 plus“ sieht erstmals eigene Leistungsziffern für Hausärzte zur Abrechnung des Demenztests (GNr. 03 314) sowie für das hausärztlich-geriatrische Basis-As- Die meisten Demenzkranken werden von ihren Angehörigen zu Hause betreut und gepflegt, etwa 30% sogar bis zu ihrem Foto: Wyeth Pharma Lebensende. sessment (GNr. 03 341) vor. Für diese beiden Ziffern bestehen bestimmte Abrechnungsvorschriften bzw. -ausschlüsse. Unter Berücksichtigung dieser Besonderheiten ergibt die Analyse im Abrechnungszeitraum II/2005 bis I/2006 dennoch, dass sowohl für die Gruppe der Allgemeinärzte wie auch für die der Hausarzt-Internisten erhebliche Leistungsdefizite für diese beiden Leistungen bestehen (Tab. 10). So erbringen durchschnittlich nur 11,9% aller Allgemeinpraxen bzw. 9,8% aller internistischen Hausarztpraxen die Leistungen nach Ziffer 03 314; für die Leistungen nach Ziffer 03 341 sind es ebenfalls nur 26,4% bzw. 19,7% der abrechnenden Praxen. Die einzelnen Leistungen selbst werden mit der Ziffer 03 314 in den Allgemeinpraxen nur 4,1-mal und in den internistischen Praxen nur 7,3-mal im Quartal abgerechnet; für die Ziffer 03 341 betragen die Durchschnittswer- Institut für Praxisforschung (PRAFO) im Deutschen Hausärzteverband. Leiter Prof. Dr. med. Frank H. Mader, Talstraße 3, 93152 Nittendorf Facharzt für Allgemeinmedizin, Klinische Geriatrie. Lehrbeauftragter für Allgemeinmedizin am Klinikum r. d. I. der Technischen Universität München Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum r. d. I. der Technischen Universität München. Direktor Prof. Dr. med. Hans Förstl GERIATRIE JOURNAL 4/09 31 DEMENZ: DIAGNOSTIK, THERAPIE BETREUUNG „EBM 2000 plus“ sieht Leistungsziffern für Hausärzte zur Abrechnung des Demenztests und für das hausärztlich-geriatrische Basis-Assessment vor te ebenfalls nur 8,4 bzw. 7,3. Die zum Vergleich herangezogenen Zahlen aus dem Abrechnungsbereich der KV Bayerns liegen ähnlich niedrig wie die des ADT-Panels. Problematik der Schnittstelle Wenn sich aus der hausärztlichen Diagnostik Hinweise auf eine Demenz ergeben, so ist die Schnittstelle zur fachärztlichen Ebene erreicht. Da nicht jeder neurologisch-psychiatrische Facharzt Gedächtnisstörungen als Schwerpunkt seiner Tätigkeit betrachtet, sollten die Hausärzte gezielt die Zusammenarbeit UND steigen. Bestimmte kritische Indikationen sollten sofort in den Spezialbereich überwiesen werden [7, 16]. (Tab. 11). Der Hausarzt als Begleiter der Pflegefamilie mit dafür geeigneten Fachärzten oder einer Gedächtnisambulanz suchen. Diese Einrichtungen besitzen ihre Berechtigung durch ihre speziellen diagnostischen Möglichkeiten, die nicht selten die apparativen und zeitlichen Ressourcen vieler Facharztpraxen über- Die weitaus meisten der Demenzkranken werden von ihren Angehörigen zu Hause betreut und gepflegt, etwa 30% sogar bis zu ihrem Lebensende. Der Vorteil der Hauspflege liegt im möglichst langen Erhalt der individuellen Alltagsgestaltung durch die vertraute Umgebung. Im fortgeschrittenen Stadium einer Demenz belasten Verhal- Tab. 6: Tab. 8: Labordiagnostische Routine- und Spezialparameter in der Hausarztpraxis beim Bild einer Demenz Routinelabor: Blutbild @ Blutsenkung Natrium @ Blutzucker Kalium @ Kreatinin Kalzium @ Harnstoff GPT @ Gamma-GT TSH @ Urin-Teststreifen Folsäure @ Vitamin B 12 Laborparameter bei entsprechenden Verdachtsmomenten: HIV-Test @ Luesserologie Borrelientiter @ Homocystein Medikamentenspiegel (z.B. Test auf Benzodiazepine) Bewährte hausärztliche kognitive Testverfahren Tab. 7: @ Zur Abklärung leichter kognitiver Störungen dient Dringliche Indikationen für die Durchführung eines kranialen CT oder MRT [8, 9] @ Demenz schreitet rasch voran @ Kopfverletzung in der Kurzzeitanamnese @ Ungeklärte neurologische Symptomatik (z.B. Krampfanfälle) @ Neu aufgetretene fokale Symptome (z.B. Babinski-Reflex, Hemiparese) @ Krebsleiden in der Anamnese (insbesondere metastasierende Karzinome) @ Hinweise auf Antikoagulanzieneinnahme oder Blutgerinnungsstörung @ Atypischer Verlauf, atypische kognitive Symptomatik (z.B. rasch zunehmende Aphasie) 32 Test Früherkennung Verlaufskontrolle Zeitaufwand Uhrentest ja ja 2-5 min DemTect ja ja 8-10 min nein ja 5-10 min Mini-MentalState-Test Tab. 9: Hausärztliche Demenzdiagnostik mit Uhren-Test, DemTect und Mini-Mental-State-Test (MMST) [14] @ Der Uhren-Test erfasst Störungen der visuell-räumlichen Organisation und das abstrakte Denken. Er kann sowohl in der Praxis als auch beim Patienten daheim in kurzer Zeit vom ärztlichen Assistenzpersonal durchgeführt werden. ferner der DemTect. Er setzt sich aus fünf Untertests zusammen: verbales Gedächtnis, kognitive Flexibilität, Wortflüssigkeit, Arbeitsgedächtnis, mittelfristige Gedächtnisleistung. Die Testleistung ist alterssensitiv und wird daher getrennt für über und unter 60-Jährige ausgewertet. @ Der MMST gilt international noch immer als der Goldstandard in der Demenzdiagnostik. Er eignet sich zur Verlaufskontrolle und Stadieneinteilung von Demenzen. Er ermöglicht vor allem die Unterscheidung zwischen gesunden und deutlich beeinträchtigten älteren Menschen, sollte aber durch weitere neuropsychologische Tests ergänzt werden, vor allem bei Personen mit hohem prämorbiden Intelligenzniveau. Sie verfügen bei diesem Test über gute Kompensationsmöglichkeiten, was zu falschen negativen Ergebnissen führen kann. GERIATRIE JOURNAL 4/09 DEMENZ: DIAGNOSTIK, THERAPIE tensstörungen und Pflegeaufwand allerdings derart, dass eine adäquate Versorgung im Familienbereich nicht mehr sichergestellt werden kann und die Heimunterbringung notwendig ist. Schätzungsweise werden derzeit 400.000 demenzkranke Menschen in Alten- und Pflegeheimen versorgt. Etwa 60% der Heimbewohner sind dement [11]. Die Familien von Demenzkranken tragen den größten Teil der anfallenden Kosten, wobei drei Viertel der pflegenden Angehörigen Frauen sind. Die Pflege eines Demenzkranken fordert von den pflegenden Angehörigen oft- UND BETREUUNG Ergeben sich aus der hausärztlichen Diagnostik Hinweise auf eine Demenz, ist die Schnittstelle zur fachärztlichen Ebene erreicht mals einen Dienst „rund um die Uhr“. Sie neigen durch körperliche Erschöpfung und seelische Überforderung zu einer auffällig höheren Anfälligkeit für somatische und psychische Krankheiten und Störungen [22]. Dementielle Erkrankungen sind aus dieser Sichtweise heraus in besonderem Maße als „Familienkrankheit“ zu bezeichnen (Tab. 12). Die Angehörigen sind um so länger in der Lage, die Pflege demenzkranker Familienangehöriger zu bewältigen, je besser sie von außen unterstützt werden. Diese Hilfen im multiprofessionellen Team zu organisieren, ist ebenfalls eine primäre Aufgabe des Hausarztes als „case manager“ (Tab. 13). Er nimmt dabei die Funktion eines letztverantwortlichen Koordinators ein, der die einzelnen Disziplinen den vorliegenden funktionellen Defiziten und Bedürfnissen entsprechend einsetzt. Ziel ist der möglichst lange Erhalt der gewohnten Tab. 10: Abrechnung der Gebührenziffern Nr. 03 314 (Demenztest) und Nr. 03 341 (hausärztlich-geriatrisches Basis-Assessment) für die Quartale II/2005 bis I/2006 durch Allgemeinärzte/Praktische Ärzte (4.102 Praxen) und Hausarzt-Internisten (1.411 Praxen) (ADT-Panel) Abrechnungsgruppe Allgemeinärzte Internisten (hausärztlich) Quartal/Jahr GNR Anzahl Ziffern je abrechn. Praxis Anteil Praxen mit Ziffern Anzahl Ziffern je abrechn. Praxis Anteil Praxen mit Ziffern 2. Quartal 2005 03 314 03 341 3,1 9,7 10,3% 30,3% 2,3 8,5 8,1% 22,0% 3. Quartal 2005 03 314 03 341 4,2 8,7 13,6% 27,5% 2,4 7,1 10,9% 21,2% 4. Quartal 2005 03 314 03 341 4,5 8,3 12,4% 25,0% 2,9 6,8 11,0% 18,4% 1. Quartal 2006 03 314 03 341 4,8 7,1 11,5% 22,9% 2,6 6,7 9,4% 17,3% Tab. 11: Tab. 13: Indikationen zur umgehenden Vorstellung beim Facharzt/Memory Klinik Das multiprofessionelle Team und seine Hilfen in der Pflege demenzkranker Familienangehöriger [16] @ Junge Patienten mit Gedächtnisstörungen @ Alleinstehende Demenzkranke @ Schwierige Differentialdiagnosen @ Rasche Progredienz und atypische klinische Bilder von Demenzsyndromen @ Verdacht auf eine seltene Demenzursache Tab. 12: Belastungserleben der Angehörigen [15] @ Geänderte Lebensplanung @ Auseinandersetzung mit der Krankheit @ Gefühl „überfordert“ zu sein @ Umgang mit ungewohnten emotionalen Verhaltensweisen, wie Apathie, Ag- @ Pflege @ Ergotherapie @ Krankengymnastik @ Sozialpädagogischer Dienst @ Physiotherapie @ Ernährungstherapie @ Selbsthilfegruppen für Angehörige @ Besuchsdienst @ Seelsorge gression, Weglauftendenz GERIATRIE JOURNAL 4/09 33 DEMENZ: DIAGNOSTIK, THERAPIE Alltagsfunktion des Demenzkranken in seiner vertrauten Umgebung und die bestmögliche Entlastung der pflegenden Angehörigen. Oftmals fühlen sich die Angehörigen mit ihren Patienten im Stich gelassen, da der Hilfebedarf kaum zureichend erfüllt werden kann. Das unten genannte „multiprofessionelle Team“ entspricht einer Idealvorstellung, die tatsächlich nur sehr wenigen zugute kommt. Pharmakotherapie Prävention: Kausale Therapieverfahren gegen die degenerativen Demenzen stehen derzeit und auf absehbare Zeit nicht zur Verfügung. Sollten sie tatsächlich bis zur klinischen Anwendbarkeit entwickelt werden, sind sie für Patienten mit manifesten Demenzen vermutlich von geringem Nutzen und entfalten ihre günstigste Wirkung bei Risikopersonen, bei denen sie möglicherweise die Entstehung kognitiver Defizite verzögern können. Prophylaxe: Die aufmerksame hausärztliche Diagnostik und die konsequente Behandlung beeinflussbarer Risikofaktoren und Erkrankungen im mittleren Lebensalter bietet für die mo- UND BETREUUNG Pflegende Angehörige neigen durch körperliche Erschöpfung und seelische Überforderung zu höherer Anfälligkeit für somatische und psychische Krankheiten und Störungen derne Medizin die größte Chance gesunde Lebensjahre zu gewinnen und die Entwicklung der Demenzen zu verzögern. Hierzu gehören: @ Hypertonus, Vorhofflimmern, Herzinsuffizienz, Thrombophilie @ Hypercholesterinämie, Diabetes mellitus, Adipositas, Bewegungsmangel @ Nikotinismus, Alkoholismus, Depression und andere Störungen. Symptombehandlung: Die medikamentöse Behandlung manifester Demenzen folgt den diagnostischen Grundgedanken und kann in folgende Schritte gegliedert werden: @ Hausärztliche Basistherapie der somatischen Multimorbidität: Dies wäre nicht weiter erwähnenswert, würde die medizinische Versorgung eines Patienten, der seine Beschwerden nicht mehr in gewohnter Weise arti- kulieren kann, nicht besondere diagnostische Aufmerksamkeit erfordern. Erfahrungsgemäß leidet jedoch die Qualität der medizinischen und zahnmedizinischen Versorgung im Verlauf der Demenzen. @ Antidementiva-Behandlung bei Patienten mit typischer Alzheimer- und gemischter Demenz: Hier sind Kontraindikationen und Nebenwirkungen zu beachten. Aus methodischen Gründen (variabler Symptomverlauf ) ist eine zuverlässige Individualprognose und Abschätzung des Therapieerfolgs prinzipiell nicht möglich [25]. Bei Verdacht auf Nebenwirkungen muss eine sorgfältige Abwägung von möglichem Nutzen und Risiken erfolgen. Derzeit stehen Cholinesterase-Hemmer und Memantin zur Verfügung, die zu einer symptomatischen Parallelverschiebung führen (Tab. 14). Patienten mit einer De- Angehörige sind um so länger in der Lage, die Pflege demenzkranker Familienangehöriger zu bewältigen, je besser sie von außen unterstützt werden Tab. 14: Symptomatisch wirksame Antidementiva Donepezil Galantamin Rivastigmin Memantin Prinzip Reversibler, selektiver AchE-I Präsynaptisch nikotinerger Agonist, steigert ACh-Freisetzung; Spezifischer AchE-I Pseudo-irreversible BuChE-I > AchE-I Non-kompetitiver NMDA-Antagonismus Rezeptoren w NA & DopaminVerfügbarkeit Allosterische Nikotin-R. Stimulation Keine Interaktionen s.o. Bioverfügbarkeit 99% 85-100% 40% 100% Tmax (h) 3 bis 4 1 bis 2 1 4 bis 8 Plasma-Protein-Bindung >90% 18-34% 40% 42-45% Metabolismus CYP2D6, CYP3A4 CYP2D6. CYP3A4 Kein hepatischer Metabolismus Kein hepatischer Metabolismus Metaboliten Aktiv Aktiv Inaktiv inaktiv Renale Exkretion 17% 50% > 99% > 99% Elimination T1/2 70-80 h 5,5 h 0,6-2 h 60-100 h Anfangsdosis (mg/d) 5 8 3 10 Zieldosis (mg/d) 10 24 12 20 34 GERIATRIE JOURNAL 4/09 DEMENZ: DIAGNOSTIK, THERAPIE menz mit Lewy-Körperchen und einem besonders ausgeprägten cholinergen Defizit profitieren am deutlichsten von AzetylcholinesteraseHemmern; sie zeichnen sich durch einen fluktuierenden Krankheitsverlauf, visuelle Halluzinationen und gelegentlich Parkinson-Symptomatik aus. @ Andere Psychopharmaka: Sofern verhaltenstherapeutische Interventionen erfolglos bleiben, kann bei depressiver oder ängstlicher Verstimmung, Apathie oder auch vermehrter Reizbarkeit der Versuch einer Antidepressiva-Behandlung unternommen werden. Hierbei müssen anticholinerg wirkende trizyklische Antidepressiva streng vermieden werden. Bei UND BETREUUNG Erfahrungsgemäß leidet die Qualität der medizinischen und zahnmedizinischen Versorgung im Verlauf der Demenzen Unruhe, Angst, Agitation bei Halluzinationen und aggressiven Reaktionen, die sich trotz einer Antidementiva-Behandlung entwickeln, sollte atypischen Neuroleptika – z.B. Risperidon oder Quetiapin – in niedrigster Dosierung und zeitlich limitiert (Absetzversuch nach zehn Tagen) der Vorzug gegenüber konventionellen Neuroleptika gegeben werden. Neue Analysen haben ergeben, dass in groß angelegten Studien die Mortalität bei Atypika-behandelten dementen Patienten etwa um den Faktor 1,5 gegenüber Plazebo erhöht war [27, 29]. Allerdings fehlen entsprechend große prospektive Studien für konventionelle Neuroleptika, bei denen sich inzwischen jedoch Hinweise auf noch häufigere Nebenwirkungen bei der Behandlung dementer Patienten ergaben [6]. Die kurzfristige Gabe von Atypika in niedriger Dosierung bei schwerwiegenden Verhaltensstörungen mit Selbst- oder Fremdgefährdung ist daher zu vertreten, während Benzodiazepine allenfalls bei (iatrogen) abhängigen dementen Patienten zum Ausschleichen vertretbar erscheinen [1]. Literatur 1. Ballard C, Howard R (2006) Neuroleptic drugs in dementia: benefits and harm. Nature Reviews Neuroscience 7: 492-500 2. Bickel H (2005) In: Robert Koch-Institut (Hrsg) Altersdemenz. Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Heft 28, Robert Koch-Institut, Berlin 3. Bohlken J (2005) Neue Versorgungsformen für Demenzpatienten. Integration fachärztlicher und ergotherapeutischer Kompetenz. Neurotransmitter 3:62-66 4. Braun RN (1986) Lehrbuch der Allgemeinmedizin. Theorie, Fachsprache und Praxis. Kirchheim, Mainz 5. Braun RN, Mader FH (2005) Programmierte Diagnostik in der Allgemeinmedizin. 82 Checklisten für Anamnese und Untersuchung. 5. Aufl., Springer, Heidelberg 6. 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D ie Entwicklungen im Bereich der Informationstechnologie und medizinischen Sensorik sind rasant. Daraus leitet sich die Frage ab, wie dieser technische Fortschritt in der medizinischen, pflegerischen, sozialen und therapeutischen Versorgung älterer Menschen nutzbar gemacht werden kann. Zahlreiche Förderprogramme der EU und deutscher Ministerien fördern derzeit Entwicklung und Erprobung solcher Technologien. Somit ist es Zeit für eine Zwischenbilanz aus geriatrischer Sicht. Diese erfolgt aus der Perspektive einer klinischen Arbeitsgruppe eines EU-Projekts. Das SensAction-AAL Projekt (http:// www.sensaction-aal.eu) wurde 2006 unter mehr als 600 eingesandten Projekten mit zwei weiteren Projekten (Netcarity, http://www.netcarity.org/; Soprano, http: //www.soprano-ip.org) zur Entwicklung von AAL-Technologien ausgewählt. AAL steht für Ambient Assisted Living, also einer technologisch unterstützten Umgebung, die die Unabhängigkeit älterer Menschen gewährleisten soll. Wichtig bei der Erläuterung erscheint es, dass häufig neue technische Lösungen vorhanden sind, die Probleme älterer Menschen den Entwicklungsingenieuren und Informatikern jedoch nicht vertraut sind. Weiterhin wurde in den vergangenen Jahren deutlich, dass die Nutzerfragen und -probleme älterer Menschen in der Regel nicht systematisch evaluiert werden und dadurch viele Entwicklungen gescheitert sind oder zumindest die Einführung nur mit erheblicher Zeitverzögerung erfolgt. 36 ge-)Dienstleistungen angekoppelt, um ein möglichst hohes Maß an Autonomie zu erhalten. Denkbar ist dabei, dass die Pflege auch bisherige ärztliche Aufgaben übernimmt. Dies wird vor allem in Regionen mit ausgedünnter ärztlicher Infrastruktur diskutiert (Bsp. AgNES Projekt, http://www.it-science-center. de/seiten/projekt-agnes.htm). Telemedizin Im Bereich der Telemedizin werden die meisten Projekte gegenwärtig im Bereich von Krankheiten durchgeführt, die mit einer hohen Inanspruchnahme von Krankenhausaufenthalten verbunden sind. Hierzu gehören Herzinsuffizienz, koronare Herzkrankheit, Schlaganfall und chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (Bsp. http://www. partnership-for-the-heart.de/). Der Gewinn wird darin gesehen, dass durch die Vermeidung von Krankenhausaufenthalten Kosten eingespart werden können. Für den Patienten wird erwartet, dass ein höheres Maß an Überwachung zu höherer Patientensicherheit und damit Zufriedenheit führt. Die Kostenerstattung wird innerhalb der Krankenversicherung angestrebt. Gegenwärtig ist jedoch unklar, wie in Deutschland entsprechende Vergütungsstrukturen für E-Health-Anwendungen geschaffen werden können. Telecare Die Entwicklungen im Bereich der Versorgung von geriatrischen Problemen wie Sturz, Inkontinenz, Mangelernährung sind langsamer. Ein relativ verbreiteter Ansatz ist die Weiterentwicklung des Hausnotrufs als Telecareplattform. Das klassische gegenwärtige Forschungsszenario ist die sensorbasierte Erkennung von gestürzten Patienten, die einen Alarm auslösen, um Unterstützungsleistungen anzufordern. An diese Funktion werden andere (Pfle- Telerehabilitation Telerehabilitative Ansätze spielen bisher eine untergeordnete Rolle. In einzelnen Projekten wird erprobt, wie durch Telerehabilitation häusliches Training angeleitet und begleitet werden kann. Denkbar ist es, eine Verbesserung der Nachhaltigkeit zu erzielen oder das Monitoring nicht supervidierter Trainingseinheiten zu gewährleisten. Neben diesen „long-loop“-Anwendungen, bei denen über einen Server ein Arzt, Pflegemitarbeiter, Angehörige oder Therapeuten bzw. ein Dienstleistungszentrum involviert sind, gibt es auch „closed-loop“-Szenarien. Hierbei ist der Patient, der die Daten generiert, auch der Empfänger des Messergebnisses. Aus den Daten werden Informationen aufbereitet, die zur Optimierung der Funktion oder der Teilhabe geeignet sind. Denkbar sind auch Kompensationsfunktionen oder Warnsignale zur Vermeidung gefährlicher Situationen (siehe: SensActionAAL). Ein bereits erprobtes Beispiel ist der Einsatz von Accelerometern zur Unterstützung der Balance bei beidseitigem Vestibularisausfall. Die Geräte können am Körper getragen werden. Eine Implantation (z.B. mittels „deep brain stimulation“) wäre ebenfalls denkbar. Unter bestimmten Bedingungen ist es auch sinnvoll mit Sensoren zu arbeiten, die im Gebäude, an Einrichtungsgegenständen (Domotik) oder an Hilfsmitteln (intelligente Prothesen) angebracht sind. GERIATRIE JOURNAL 4/09 FORSCHUNG: AMBIENT ASSISTED LIVING (AAL) Es zeichnet sich ab, dass neben dem klinischen Einsatz auch die Computerindustrie Anwendungen entwickelt, die für ältere Menschen einen hohen Nutzen aufweisen können. Die neuen Telefongenerationen (z.B. I-Phone Generation 3) könnten zur Ortung von Personen mit Orientierungsproblemen bzw. zur Messung von körperlicher Aktivität eingesetzt werden. Die Spielkonsolen bieten mittlerweile Trainingsoptionen an (z.B. Wii Balance Board), die entsprechend angepasst in der Prävention und Rehabilitation potentiell nutzbar sind. Allerdings liegen hierzu bislang nur Pilotstudien vor. Ziele und bisherige Ergebnisse von SensAction-AAL In dem EU-Projekt „SensAction-AAL“ wurde eine Plattform entwickelt, die mindestens drei Funktionen erfüllen soll. Der Teilnehmer trägt einen Hybridsensor (Abb. 1) über mindestens 48 h. Dieser erstellt ein Bewegungsprofil mit Hilfe von Accelerometern und Gyroskopen. Die Bewegungssignatur enthält Angaben zur Dauer und Häufigkeit von Gehen, Stehen, Sitzen und Liegen. Die Daten werden für den Patienten und die klinischen Behandler ausgewertet. Die Datenübertragung erfolgt über das Internet. Von einem Server wird ein automatisierter Bericht erstellt. Die Angaben zur körperlichen Aktivität sind hilfreich, um Aussagen über Bewegungsmuster, Sturzgefährdung u.a. zu treffen. Die Sensorik und ein daraus generiertes auditives Biofeedback erlauben, ein körperliches Training durchzuführen (Abb. 2). An Hand eines Manuals erlernt der Patient ein Trainingsprogramm, das eine Verbesserung der dynamischen und statischen Balance anstrebt. Dies wurde bisher bei Parkinson-Patienten und PSPPatienten erprobt. Das Training wird dreimal pro Woche über sechs Wochen durchgeführt. Bisher wurden 30 Personen trainiert. Schließlich wird der Sensor eingesetzt, um bei besonders sturzgefährdeten Personen Stürze aufzuzeichnen, diese zu erkennen und ein Signal zu generieren, GERIATRIE JOURNAL 4/09 Fotos: Autoren Spielerische Ansätze („elder and serious games“) Abb. 1: Zur Erstellung eines Bewegungsprofils trägt der Teilnehmer trägt einen Hybridsensor. Abb. 2: Mit Hilfe der Sensorik und einem daraus generierten auditiven Biofeedback kann der Teilnehmer ein körperliches Training durchführen. Abb. 3: Diagramm eines Sturzes wenn der die Person nicht allein aufstehen kann. Bisher wurden mehr als 20 reale Stürze aufgezeichnet (Abb. 3). An dem Projekt sind sieben Partner aus fünf Ländern beteiligt. Die Arbeitsgruppe besteht aus Klinikern, Ingenieuren, Psychologen, Informatikern und Bewegungswissenschaftlern. Die Akzeptanz bei den Betroffenen war bisher hoch. Unsere Arbeitsgruppe hat die PSP-Patienten trainiert, die eine hohe Adhärenz und Motivation aufweisen. Zukünftige Einsatzbereiche Die Entwicklung der beschriebenen Techniken einschließlich der hierfür erfor- derlichen klinischen Studien wird mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Gegenwärtig handelt es sich noch um präklinische Projekte. Dennoch zeichnet sich ab, dass durch die Entwicklungen neue Handlungsmöglichkeiten zur Gestaltung und Bewältigung des demographischen Wandels erschlossen werden. Bei den Befragungen der beteiligten Patienten wurde deutlich, dass diese die Technik als eine Ergänzung zum persönlichen Kontakt mit den Ärzten, Pflegemitarbeitern und Therapeuten sehen und nicht allein auf die Technik vertrauen. Sinnvoll eingesetzt erscheint es möglich, vor allem die Nachhaltigkeit zu verbessern und unterschwellige Therapien zu vermeiden. Daneben kann die Sicherheit des Patienten erhöht werden. Die beschriebenen Möglichkeiten von AAL-Technologien werden sich, angetrieben durch den technischen Fortschritt, schnell weiterentwickeln. Im Hinblick auf die Anwendungsfelder scheint es dringend geboten, deren jeweiligen Nutzen sowohl aus einer Endnutzerperspektive als auch in Bezug auf die Bedürfnisse und Herausforderungen einer schnell alternden Gesellschaft zu diskutieren. Hierbei werden neben marktökonomischen, technischen und sozialen Gesichtspunkten auch ethische Fragen eine gewichtige Rolle spielen – und dies nicht nur im Hinblick auf die Gewährleistung von Privatheit und Datensicherheit, sondern auch im Hinblick auf die Gestaltung einer gesellschaftlich akzeptablen und leistbaren Unterstützung für ältere und hilfsbedürftige Menschen. Letzteres muss im Spannungsfeld von Gerechtigkeit und ökonomischer Tragbarkeit zwischen den verschiedenen Interessengruppen ausgehandelt werden und stellt über die Entwicklung geeigneter Technologien hinaus die eigentliche gesellschaftliche Herausforderung dar. Korrespondenzadresse: PD Dr. Clemens Becker, Arbeitsgruppe User Needs, Sensing and Action in Ambient Assisted Living, Chefarzt, Klinik für Geriatrische Rehabilitation am Robert-BoschKrankenhaus, Auerbachstr. 110, 70376 Stuttgart 37 P U B L I K AT I O N E N : B Ü C H E R Demenz – Neue DEGAM-Leitlinie für Hausärzte „Die medizinische und psychosoziale Versorgung Demenzkranker liegt weitgehend in den Händen der Hausärzte“, heißt es in einer Studie aus dem Jahre 2002. „Der Hausarzt kennt den Patienten, die Angehörigen und das Umfeld. Er ist deshalb am besten in der Lage, schon leichte Veränderungen der geistigen Leistungsfähigkeit wahrzunehmen“. In der gleichen Veröffentlichung wird darauf hingewiesen, dass Hausärzte – auf Grund von postulierten fehlenden therapeutischen Konsequenzen – eine Diagnose nicht aktiv anstreben. Die Hausärzte empfinden es als unangenehm, mit Patienten über die belastende Diagnose „Demenz“ zu sprechen. Es ist daher wichtig, adäquate Instrumentarien zu entwickeln und zu evaluieren, die Wissen, Einstellungen und Handlungskompetenz bei Hausärzten im Umgang mit dem Krankheitsbild „Demenz“ nachhaltig fördern und zu einer Verbesserung der Versorgungssituation beitragen, so die Studie. – Diese Aussagen haben an Aktualität nichts verloren. Die Demenz ist ein großes Versorgungsproblem, das sich auf Grund der demografischen Entwicklung in den nächsten Jahren weiter verschärfen wird. Und sie ist – bei sorgfältiger Therapie und Betreuung – eine der kostenintensivsten Erkrankungen überhaupt. Die Wirksamkeit der in Frage kommenden Therapien wird dabei kontrovers diskutiert; valide Langzeitdaten fehlen weitgehend. Es ist also wieder einmal ein schwieriges Thema für Allgemeinmediziner, dem sich die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) mit ihrer neuen Leitlinie zuwendet – eins von diesen Themen, wo sich der Hausarzt mit seinem Patienten sozusagen in einer unübersichtlichen, von einschlägigen Publikationen noch wenig strukturierten Landschaft befindet und eine praxisnahe Orientierungshilfe dringend gebrauchen kann. Der Aufbau der Leitlinie folgt im Wesentlichen dem bereits von anderen DEGAM-Leitlinien bekannten Muster: Definition und Epidemiologie des Krankheitsbildes stehen am Anfang. Es folgt ausführlich das diagnostische Vorgehen mit einem besonderen Augenmerk für die abwendbar gefährlichen Verläufe und für praxisrelevante Besonderheiten des Themas wie Gesprächsführung, Aufklärung, Einwilligung, Patientenverfügung u.a.m. Hessen: Handlungsempfehlung Demenz veröffentlicht Im Jahr 2006 haben der Landespflegeausschuss und das Hessische Ministerium für Arbeit, Familie und Gesundheit eine Arbeitsgruppe installiert, um eine Handlungsempfehlung für stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen sowie für Einrichtungen der offenen Altenhilfe zum Thema Demenz zu erstellen. Die Ergebnisse wurden nun veröffentlicht. Mit der Handlungsempfehlung entstand ein gemeinsam erarbeiteter Rahmen für 38 den weiteren Ausbau qualifizierter Angebote zur Betreuung an Demenz erkrankter Menschen. Dabei wurden sowohl fachlich konzeptionelle wie auch bauliche, personelle und insbesondere auch finanzielle Aspekte berücksichtigt. Der VDAB-Landesverband Hessen hat in der Arbeitsgruppe konzeptionell sowie inhaltlich mitgewirkt. Die Handlungsempfehlung kann unter www.vdab.de heruntergeladen werden. Quelle: VDAB Danach werden die Therapien dargestellt, mit, zunächst, allgemeinen Aspekten wie Betreuung und Pflege, Wohnraumgestaltung etc., und sehr detailliert und mit den bekannten Evaluierungen der jeweiligen Evidenzstärken versehen, die einzelnen nichtmedikamentösen und medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten, zum Schluss auch die dazugehörigen Therapien nichtkognitiver Aspekte wie Agitiertheit, Aggressivität, Depression etc. Besondere, praktisch wichtige Aspekte wie „Autofahren und Demenz“ werden zusätzlich berücksichtigt. Methodische Diskussionen über die Zuverlässigkeit der einzelnen Aussagen vor allem im Bereich Therapie, und Anhänge mit ICD-Codierung und krankheitsbezogene Testverfahren, sowie ein umfassender Literaturteil schließen die 160-Seiten-Broschüre ab. Zusätzlich zur Langfassung finden sich die bereits von anderen DEGAM-Leitlinien bekannten Module: Kurzfassung auf plastiklaminierter Kitteltaschenkarte und Patienteninformationsblätter in 25 Exemplaren. DEGAM Leitlinie Nr. 12 Demenz. Autoren: Dr. med. Horst Christian Vollmar, MPH, Facharzt für Allgemeinmedizin, Medizinische Informatik, Sportmedizin, Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Universität Witten/Herdecke sowie Fraunhofer Institut für System- und Innvoationsforschung, Karlsruhe; Dr. med. Peter Mand, MPH, Institut für Allgemeinmedizin, Medizinische Hochschule Hannover; PD Dr. med. Martin E. Butzlaff, MPH, Dekan der medizinischen Fakultät der Universität Witten/Herdecke, Dekanat für Medizin, Universität Witten/Herdecke. Omikron Publishing, Verlag für Medizin, Ökologie und Kunst, Düsseldorf. Broschüre 160 Seiten, Kurzfassungen (plastiklaminierte A5-Karten), 25 Stk. Patientenfaltblatt, im Karton-Schuber, 18,60 Euro, ISBN: 3-936572-16-X, ISBN-13: 978-3-936572-16-2. Bestellungen bei Omikron Publishing per Fax: 0211/ 68 85 695 oder unter www.omikronverlag.de. GERIATRIE JOURNAL 4/09 P H A R M A : S Y M P O S I E N & P R A X I S I N F O R M AT I O N E N Angina Pectoris Ischämischen Teufelskreis durchbrechen GERIATRIE JOURNAL 4/09 Der Angina-Patient kann sich durch Ranolazin signifikant längere Zeit an der individuellen Leistungsgrenze aufhalten, bevor es zu einer Angina-Attacke kommt und erleidet, über einen festen Zeitraum betrachtet, diese Ereignisse signifikant seltener. Dies ist das Ergebnis mehrerer großer klinischer Studien mit Patienten, die den Wirkstoff in Monotherapie (MARI- Teufelskreis der Ischämie im Herzen Literatur: 1. Fachinformation (2008). 2. Chaitman BR et al. (2004), J Am Coll Cardiol 43: 13751382 (MARISA = Monotherapy Assessment of Ranolazine in Stable Angina). 3. Chaitman BR et al. (2004), JAMA 291 (3): 309-316 (CARISA = Combination Assessment of Ranolazine in Stable Angina). 4. Stone PH et al. (2006), J Am Coll Cardiol 48: 566-578 (ERICA = Efficacy of Ranolazine in Chronic Angina). Grafik: Berlin-Chemie Ranolazin (Ranexa®) wirkt dem ischämischen Prozess im Herzen entgegen, reduziert die Anzahl der Angina-Attacken sowie den Nitratverbrauch signifikant und erhöht nachweislich das körperliche Leistungsvermögen der Patienten. Auf Grund des hämodynamisch neutralen Wirkmechanismus eignet sich Ranolazin für die Kombinationstherapie und ist daher als Add-on Therapie bei Patienten mit stabiler Angina Pectoris indiziert, die auf konventionelle Therapeutika wie Betablocker oder Kalziumkanalblocker nur unzureichend ansprechen oder diese nicht tolerieren [1]. Patienten mit einer stabilen Angina Pectoris geraten in einen ischämischen Teufelskreis: Das Ungleichgewicht zwischen Sauerstoffbedarf und -angebot (z.B. als Resultat einer KHK) führt zu einer vermehrten intrazellulären Natriumakkumulation, v.a. durch die Zunahme des späten Natriumeinstroms durch den kardialen Natriumkanal (INa-late). Dies führt in der Folge zum Anstieg des intrazellulären Kalziumgehalts, aus dem eine kontraktile Dysfunktion und eine erhöhte diastolische Wandspannung des Herzens resultieren. Durch die verminderte Relaxationsfähigkeit verschlechtern sich Durchblutung und Mikrozirkulation im Organ, so dass das Sauerstoffangebot weiter sinkt. Ranolazin greift gezielt in diese Pathologie ein, wie in zahlreichen experimentellen Versuchen gezeigt werden konnte. Prof. Lars S. Maier vom Herzzentrum der Universitätsklinik der Georg-August-Universität Göttingen, erläuterte auf dem Satellitensymposium der Berlin-Chemie AG im Rahmen des DGK-Kongresses 2009: „Das neuartige Wirkprinzip von Ranolazin kann beim Kampf gegen den Teufelskreis einer ischämischen Herzerkrankung helfen. Es setzt bei der Inhibition des späten Natriumeinstroms in die Herzmuskelzellen an und wirkt so der Kalziumüberladung entgegen. Durch die verbesserte Relaxation des Herzmuskels nehmen Durchblutung und Sauerstoffversorgung im Gewebe zu.“ SA-Studie [2]) oder zusätzlich zur Basistherapie (Betablocker und Kalziumkanalblocker) erhalten hatten (CARISA [3] und ERICA-Studie [4]). Dabei ließ sich auch eine signifikante Abnahme des Nitratverbrauchs gegenüber dem Ausgangswert beobachten. Die Verbesserung der Leistungsfähigkeit durch Ranolazin wird nicht durch Auswirkungen auf Blutdruck und Herzfrequenz bewirkt, die von den Basistherapeutika Betablocker und Kalziumkanalblocker bekannt sind. So kann Ranolazin dazu beitragen, den Aktionsradius des Angina-Patienten zu vergrößern und damit sein Selbstvertrauen und seine Lebensqualität zu verbessern. Gleichzeitig führt die Kombination mit den Basistherapeutika nicht zu einer Verschlechterung der hämodynamischen Parameter. Ranexa® wirkt hämodynamisch neutral und nicht über Änderungen von Blutdruck oder Herzfrequenz. Quelle: Pressemitteilung der BerlinChemie AG, Berlin, vom 17. Juni 2009, www.berlin-chemie.de Kardiale Doppelbelastung Typ-2-Diabetes und Hypertonie patientengerecht therapieren In der Therapie des Typ-2-Diabetes muss das Gesamtrisiko im Fokus stehen, um die kardiale Doppelbelastung durch Typ-2Diabetes und Hypertonie zu verringern. So lautet das Fazit eines Symposiums, das am 16. April 2009 im Rahmen des DGKKongresses in Mannheim stattfand. Besondere Evidenzen hat die Fixkombination aus Perindopril und Indapamid (BiPreterax®N). In der United Kingdom Prospective Diabetes Study (UKPDS) konnte schon eine Senkung des Blutdrucks von „systolisch über 150 mmHg“ auf „systolisch über 140 mmHg“ das Risiko für makrovaskuläre und mikrovaskuläre Endpunkte hochsignifikant senken. Die intensive antiglykämische Therapie enttäuschte dagegen bei den makrovaskulären Endpunkten, zahlte sich aber bei den mikrovaskulären Endpunkten aus. Die Zehnjahresdaten von der UKPDS [1] zeigen aber, dass die stringente Glukoseeinstellung im späteren Verlauf eine signifikante Senkung des Herzinfarkt- und Mortalitätsrisikos bringt. „Es dauert offenbar länger als zehn Jahre, bis sich eine gute Stoffwechseleinstellung günstig auswirkt“, 39 P H A R M A : S Y M P O S I E N & P R A X I S I N F O R M AT I O N E N so Prof. Diethelm Tschöpe, Bad Oeynhausen. Große Bedeutung für die Gewichtung der verschiedenen Interventionen beim Typ-2-Diabetiker mit Hypertonie misst Tschöpe der ADVANCE-Studie [2] zu, die sich in einen Glukose- und einen Blutdruckarm aufteilt. Er machte darauf aufmerksam, dass das Blutdruck-Ausgangsniveau in dieser Studie schon in vergleichbarer Höhe lag, wie das, welches in der UKPDS-Studie erst durch die Intervention erreicht wurde. Die Ergänzung einer leitliniengerechten antihypertensiven Therapie mit Perindopril/Indapamid reduzierte das Risiko für den kombinierten primären Endpunkt (makro- und mikrovaskuläre Ereignisse) nochmals signifikant um 9% im Vergleich zu Plazebo. Auch in den einzelnen Endpunkten Gesamtmortalität (-14%), kardiovaskuläre Mortalität (-18%), koronare Ereignisse (-14%) und renale Ereignisse (-21%) wurde eine signifikante Risikoreduktion erreicht. Alle Subgruppen profitierten vergleichbar, betonte Prof. Peter Baumgart, Münster. Prof. Reinhold Kreutz, Berlin, berichtete: „Prinzipiell ist eine Kombinationstherapie in jedem Fall erforderlich, wenn der Blutdruck um mehr als 20/10 mmHg über dem Zielwert liegt (beim Diabetiker 130/80 mmHg)“. Mit besonderem Blick auf den Diabetiker reduzierte Kreutz das Pentagramm der Hochdruckliga, das die Substanzklassen für die Hochdrucktherapie und ihre Kombinierbarkeit graphisch darstellt, zu einem „dreiblättrigen Kleeblatt“. Es blieb dabei der Betablocker auf der Strecke, weil er die diabetische Stoffwechsellage verschlechtert und vor allem bei älteren Patienten prognostisch weniger günstig ist. Seit der ONTARGET-Studie [3] ist auch der theoretische Vorteil, den eine Kombination aus AT1-Antagonist und ACEHemmer bieten könnte, vom Tisch. Beide sieht Kreutz deshalb als austauschbar an, sodass sie sich im „Pentagramm“ eine Position teilen können. Medikamente der ersten Wahl für den Diabetiker sind deshalb ein ACE-Hemmer oder AT1-Antagonist plus ein Diuretikum, und – falls eine Dreifachkombination erforderlich ist – zusätzlich ein Kalziumantagonist. Fixe Kombinationen sollten 40 für die Therapie bevorzugt werden. Dabei sollten die Partner in einer fixen Kombination gleich lange wirken und stoffwechselneutral sein. Dies ist z.B. nicht der Fall bei Kombinationen aus ACE-Hemmer oder AT1-Antagonist mit Hydrochlorothiazid, dessen Wirkung deutlich kürzer anhält als die der Kombinationspartner und die Stoffwechsellage negativ beeinflusst. Perindopril und Indapamid passen dagegen in dieser Hinsicht hervorragend zusammen, so Kreutz, da Indapamid als Thiazid-Analogon 24 Stunden wirkt und dabei stoffwechselneutral ist. Dazu kommt, dass für Typ-2-Diabetiker valide Mortalitätsdaten für die Fixkombination vorliegen. Eine weitere Evidenz für diese Kombination brachte die HYVET-Studie [4]. Sie hat erstmals belegt, dass auch sehr alte Hochdruckpatienten durch Blutdrucksenkung mit Perindopril/Indapamid einen Überlebensvorteil haben. Die Gesamtmortalität konnte signifikant um 21% verringert werden, das Risiko für tödliche Schlaganfälle um 39%, das Herzinsuffizienzrisiko um 64% und das Risiko für alle kardiovaskulären Ereignisse um 34%. Stoffwechselparameter werden durch Perindopril/Indapamid nicht beeinflusst, wie eine Studie [5] zeigt, in der Hypertoniker diese Medikamente als primäre Kombination erhielten. Der Nutzen, den eine antihypertensive Therapie bringen könnte, wird jedoch in der Praxis nicht ausreichend realisiert. Wie Baumgart ausführte, hat eine große Untersuchung in US-amerikanischen Hausarztpraxen [6] gezeigt, dass eine leitliniengerechte Hochdrucktherapie umso weniger durchgeführt wird, je mehr Komorbiditäten die Patienten aufweisen. Dies gilt vor allem für Erkrankungen aus dem nicht kardiovaskulären Bereich. Interessanterweise wird die Blutdruckeinstellung ernster genommen bei kardiovaskulären Komorbiditäten - mit einer gravierenden Ausnahme: dem Diabetes. Literatur 1. Holman R et al.: N Engl J Med 2008: 359 2. The ADVANCE Collaborative Group: N Engl J Med 2008: 358: 2560 3. N Engl J Med 2008; 358: 1547-1559 4. Beckett NS et al.: N Eng J Med 2008; 358: 1887-1898 5. Chalmers J et al.: J Hypertens 2000; 18: 327-337 6. Turner BJ et al.: Ann Intern Med 2008; 148: 578-586 Quelle: Symposium „Die kardiale Doppelbelastung: Typ-2-Diabetes und Hypertonie – patientengerecht therapieren“, 75. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, Mannheim, 16. bis 18. April 2009; Pressemitteilung der Servier Deutschland GmbH, München, www.servier.de Impfung Erster intradermaler Grippeimpfstoff Nahezu jedes Jahr sind Infektionen mit Influenzaviren Hauptursache für schwere Erkrankungen des Respirationstraktes, die eine medizinische Behandlung erfordern. „Bis zu 25% der Bevölkerung können davon betroffen sein“, führte Prof. Dr. med. Peter Wutzler, Jena, während eines Pressegesprächs aus, zu dem der Impfstoffhersteller Sanofi Pasteur MSD am 25. Juni 2009 nach Frankfurt am Main eingeladen hatte. Folgen sind ein starker Anstieg der Arztkonsultationen, Krankenhauseinweisungen und Sterbefälle, vor allem in der älteren Bevölkerung. Hinzu kommt die hohe ökonomische Belastung. Er machte deutlich, dass die Impfung die günstigste und effektivste Maßnahme ist, um einer Influenza vorzubeugen. Die Ständige Impfkommission (STIKO) am RobertKoch-Institut empfiehlt sie als Standardimpfung für alle Personen ab einem Alter von 60 Jahren sowie als Indikationsimpfung für Personen jeden Alters mit chronischen Grunderkrankungen, für medizinisches Personal, für Personen in Einrichtungen mit umfangreichem Publikumsverkehr und für Personen, die als mögliche Infektionsquelle für von ihnen betreute ungeimpfte Risikopersonen fungieren können. Zu berücksichtigen ist, dass eine Impfung bei älteren Menschen weniger wirksam ist, weil das Immunsystem mit zunehmendem Alter seine Leistungsfähigkeit verliert und GERIATRIE JOURNAL 4/09 Grafik: Sanofi Pasteur MSD P H A R M A : S Y M P O S I E N & P R A X I S I N F O R M AT I O N E N 1 Adapted from Lambert PH, Laurent PE. Intradermal vaccine delivery: will new delivery systems transform vaccine adinistration? Vaccine 2008; 26 (26): 3197-3208 Impfung ausgelöst wird, schützt den Arzt oder das Praxispersonal vor eventuellen Nadelstichverletzungen. Die effektive Immunantwort nach intradermaler Gabe lässt sich, wie Prof. Dr. Stephan Grabbe, Mainz, erläuterte, durch verschiedene Wirkmechanismen erklären. Zum einen können die in der Dermis befindlichen dendritischen Zellen die Antigene besonders effektiv aufnehmen und verarbeiten. Darüberhinaus können die dermalen dendritischen Zellen sehr leicht über Lymphbahnen in die regionären Lympfknoten wandern, wo sie dann den Kontakt zu den T-Zellen herstellen und so das adaptive Immunsystem aktivieren [4]. Literatur auf neue Antigene weniger stark als bei jüngeren Menschen reagiert. Da aber insbesondere diese Bevölkerungsgruppe durch Grippe-Erkrankungen gefährdet ist, besteht ein Bedarf an maßgeschneiderten Impfstoffen mit höherer Immunogenität. Erreicht werden kann dies u.a. durch eine andere Applikationsart wie die intradermale Gabe. Prof. Dr. Thomas Weinke, Potsdam, berichtete über eine randomisierte, offene, kontrollierte, multizentrische Phase III Studie an über 3.5000 Erwachsenen (60-85 Jahre) in Frankreich, Italien, Belgien und Litauen, bei der die Immunantwort auf einen intradermalen Grippeimpfstoff mit der Immunantwort auf einen intramuskulären Grippeimstoff verglichen wurde. Beide Impfstoffe enthielten die gleiche Antigenmenge pro Dosis (15 µg Hämagglutinin/Virusstamm). Bei der intramuskulären Gabe umfasste das injizierte Impfstoffvolumen (1 Dosis) 0,1 ml, bei der intramuskulären 0,5 ml. Die Antikörpertiter wurden am Tag 0 und am Tag 21 nach der Impfung mit Hilfe des Hämagglutinin-Hemm-Testes bestimmt. Es zeigte sich, dass die Seroprotektionsraten bei intradermaler Gabe signifikant höher lagen als bei intramuskulärer Gabe [1]. Das systemische Sicherheitsprofil war in beiden Gruppen (intradermale vs. intramuskuläre Gabe) vergleichbar. Es traten jedoch nach intradermaler Gabe häufiger Lokalreaktionen auf, die allerdings nach 1-3 Tagen von selbst verschwanden. Mit Intanza® gibt es jetzt erstmals einen intradermalen Grippeimpfstoff, der speziell auf GERIATRIE JOURNAL 4/09 die Bedürfnisse älterer Menschen ausgerichtet ist. Ein neues patentiertes und gebrauchsfertiges Mikronadel-Injektionssystem, das in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Becton Dickinson entwickelt wurde, sorgt für die präzise und zuverlässige Verabreichung des Impfstoffes [2, 3]. Die Applikation erfolgt senkrecht in den Deltamuskel. Durch die standardisierte Applikation und kurze Mikronadel von nur 1,5 mm Länge ist gewährleistet, dass der Impfsstoff nur in die Dermis gelangt. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Dermis im Bereich des Deltamuskels eine relativ konstante Dicke aufweist, unabhängig von Alter, Geschlecht, ethnischer Herkunft oder BMI (Body Mass Index) [2]. Ein spezieller Nadelschutz, der nach der 1. Arnou R et al. Influenza Vaccine Elicits Superior Immunogenicity in Adults Aged ober 60 Years: A Randomized Controlled Phase 3 Trial. Int J Infect Dis 2008; 32 Suppl 1: e47. 2. Laurent A et al. Echnographic measurement of skin sickness in adults by high frequency ultrasound to assess the appropriate microneedle length for intradermal delivery of vaccines 2007, 25: 6423-30. 3. Laurent PE et al. Evaluation of the clinical performance of a new intradermal vaccine administration technique and associated delivery system. Vaccine 2007; 25 (52): 8833-8842. 4. Nicolas JF, Guy B. Intradermal, epidermal und transcutaneous vaccination: from immunology to clinical practice. Expert Rev Vaccines 2008; 1201-1214. Quelle: Pressegespräch „Erster intradermaler Grippeimpfstoff: Hohe Immunantwort und einfache Applikation“, 25. Juni 2009, Frankfurt am Main, Sanofi Pasteur MSD GMbH, Leimen, www.spmsd.de Wundbehandlung Schnelle und vollständige MRSA-Eradikation In einer prospektiven, randomisierten Vergleichsstudie zur Eradikation von MRSAbefallenen Dekubitusulzera wurden zwei Therapiemethoden, die zur Sanierung MRSA-befallener Dekubitusulzera eingesetzt werden, gegenübergestellt. Über die Dauer von zwei Wochen erhielten jeweils 15 Patienten entweder kontinuierlich den polyhexanidhaltigen Wundverband Suprasorb® X + PHMB oder eine kurzzeitige Wunddekontamination während des Verbandwechsels mit einer Baumwollgaze, die mit einer polyhexanidhaltigen Wundspüllösung (Prontosan©) getränkt war. Dabei zeigte sich, dass mit dem Wundverband die Sanierung der Wunde von MRSA wesentlich früher erreicht wurde als bei der kurzzeitigen Wunddekontamination während des Verbandwechsels. In der Gruppe mit der polyhexanidhaltigen Wundauflage waren nach einer Woche zwölf (86,67%) und nach zwei Wochen 41 P H A R M A : S Y M P O S I E N & P R A X I S I N F O R M AT I O N E N alle Patienten MRSA-frei. In der mit polyhexanidgetränkter Gaze therapierten Vergleichsgruppe waren nach einer Woche nur sechs von 15 Patienten (40%) frei von MRSA, nach zwei Wochen war immerhin noch ein Drittel der Patienten MRSA-infiziert. Dr. Thomas Wild, Paracelsus Medizinische Privatklinik in Salzburg, fasste die Ergebnisse im Rahmen eines Symposiums auf dem Deutschen Wundkongress 2009 in Bremen zusammen: „Bei dem Behandlungskonzept mit kontinuierlicher Gabe wurde die Sanierung der Wunde Schmerztherapie Neues Medikament behandelt erfolgreich Opioid-Induzierte Obstipation Eine effektive Schmerztherapie kann durch die Opioid-indizierte Obstipation (OIC) gefährdet sein. Unter der Gabe von StufeIII-Opioiden sind 50-95% der Patienten von einer OIC betroffen. Diese empfinden die Begleiterscheinungen häufig als so belastend, dass sie eher stärkere Schmerzen ertragen würden, als weiter unter OIC zu leiden. Dadurch wird ihre Lebensqualität jedoch stark beeinträchtigt. Diese wiederum ist vor allem im Palliativbereich oberstes Therapieziel. Dazu Prof. M. Strumpf, Göttingen: „Die OIC ist ein allgemeines Problem bei oralen Morphinpräparaten. Insofern werden neue Substanzen zur Beseitigung dieser Nebenwirkungen dringend benötigt.“ Mit dem peripher wirkenden µ-OpioidRezeptor-Antagonisten Methynaltrexon (Relistor®) steht jetzt die 1. kausale Therapie der OIC zur Verfügung. Der Wirkstoff ist ein quartäres Amin des MorphinAntagonisten Naltrexon. Es ist dadurch ständig positiv geladen, weshalb der Wirkstoff nur eingeschränkt liquorgängig ist. Damit bleibt der analgenetische Effekt der Opioide im ZNS erhalten, gleichzeitig wird aber die Bindung des Opioids an die peripheren Nervenrezeptoren im Darm kompetitiv und selektiv gehemmt. Basis für die Zulassung von Relistor waren die Ergebnisse aus zwei Phase-III-Studien, in denen der Wirkstoff eine schnelle und planbare Lösung der OIC gezeigt hatte. In beiden Studien litten die Patienten an einer fortgeschrittenen Erkrankung, erhielten eine kontinuierliche Opioiddosis sowie eine stabile Laxanziengabe bis vier Stunden vor und nach Gabe von Relistor. Die Patienten hatten jeweils in den letzten 42 48 Stunden keinen bzw. weniger als 3-mal in der vorangegangenen Woche Stuhlgang. In der Studie 302 wurde Relistor bei 134 Patienten über zwei Wochen geprüft. Dosiert wurde 0,15 mg pro kg Körpergewicht, verabreicht wurde das Medikament jeden zweiten Tag subkutan. Bei 48% der Patienten trat nach der 1. Applikation innerhalb von vier Stunden Stuhlgang auf (Plazebo: 15%). 52% hatten nach mindestens zwei der ersten vier Gaben eine Defäkation (8% Plazebo). Die Ansprechrate blieb über den Beobachtungszeitraum nahezu gleich. Im Anschluss an die Studie konnten Patienten an einer offenen Behandlungsphase über drei Monate teilnehmen. Auch hier zeigte sich nach eigenen Angaben ein gutes Ansprechen auf Relistor. Bei keinem der Patienten gab es signifikante Änderungen im Schmerz-Score. Die Beschwerden wurden von den Patienten durchgehend als mild oder moderat beschrieben. Literatur: 1. Arbeitskreis Tumorschmerz der DGSS: Curriculum Tumorschmerz. Stand: 14.05.2008. 2. Choi Y.S., Billings J.A.: Opioid Antagonists: A Review of Their Role in Palliative Care, Focusing on Use in Opioid-Related Constipation. J Pain Symptom Manage. 2002 Jul; 24 (1): 71-90. 3. Yuan C.-S.: Methylnaltrexone Mechanisms of Action and Effects on Opioid Bowel Dysfunction and Other Opioid Adverse Effects. The Annals of Pharmacotherapy 2007; 41: 984-993. 4. Shaiova L., Rim F., Friedman D., Jahdi M.: A review of methylnaltrexone, a peripheral opioid receptor antagonist, and its role in opioid-induced constipation. Palliat Support Care. 2007 Jun; 5 (2): 161-6. 5. Thomas, J. et al.: Methylnaltrexone for OpioidInduced Constipation in Advanced Illness. N Engl J Med 2008; 358: 2332-43. Quelle: Presseinformation der Wyeth Pharma GmbH vom 7. November 2008, Münster; www.wyeth.de von MRSA wesentlich früher erreicht als bei kurzzeitiger Anwendung. Darüber hinaus ergeben sich Vorteile für die tägliche klinische Routine, da die übliche Dekontaminationszeit mit Polyhexanid von zehn bis 15 Minuten in der Praxis oft nicht realisiert werden können“. Die Studie zeigte außerdem, dass sich während der Behandlung mit Suprasorb® X + PHMB mehr Granulationsgewebe als in der Vergleichsgruppe gebildet hatte, was für einen beschleunigten Heilungsprozess spricht. Suprasorb® X + PHMB ist ein polyhexanidhaltiger Biozelluloseverband in der feuchten Wundbehandlung. Er beseitigt ein breites Erregerspektrum und überführt selbst hartnäckig MRSA-kontaminierte Wunden in MRSA-freie. Das HydroBalance-System reduziert den Schmerz und fördert die Wundheilung. Der Wundverband ist für kritisch kolonisierte und lokal infizierte, schwach bis mittel exsudierende Wunden indiziert – insbesondere für die Behandlung chronischer Wunden. Suprasorb® X + PHMB ist die einzige feuchte Wundauflage, die in der praxisorientierten Expertenempfehlung zur Behandlung kritisch kolonisierter und lokal infizierter Wunden empfohlen wird [2]. Literatur: 1. Wild T et. al (2009): Prospektive, randomisierte Vergleichsstudie zur Eradikation von MRSA befallenen Dekubitusulzera – polyhexanidhaltige Biozellulose-Wundauflage vs. Polyhexanidhaltiger Wundspüllösung, Lohmann & Rauscher GmbH & Co. KG. Nr. 31606/0509 d und Wild T, Bruckner M, Paynch M, Schwarz C, Eberlein T: Prospective randomised study for eradication of MRSA with polyhexanide wound solution. EWMA J (2009) 9 (2, Suppl May) 170 (2). 2. Dissemond J, Gerber V, Kramer A, Riepe G, Strohal R, Vasel-Biergans A, Eberlein T (2009): Praxisorientierte Expertenempfehlung zur Behandlung kritisch kolonisierter und lokal infizierter Wunden mit Polihexanid, Wundmanagement 3 (2): 62-68. 3. Dissemond J, Gerber V, Kramer A, Riepe G, Strohal R, Vasel-Biergans A, Eberlein T (2009): Praxisorientierte Expertenempfehlung zur Behandlung kritisch kolonisierter und lokal infizierter Wunden mit Polihexanid, Zeitschrift für Wundheilung 14 (1): 20-26. Quelle: Symposium Lohmann & Rauscher „Antimikrobielle Lokaltherapie bei chronischen Wunden“, 6. Mai 2009, im Rahmen des Deutschen Wundkongresses der ICW 2009 in Bremen GERIATRIE JOURNAL 4/09 IMPRESSUM/TERMINE Impressum Termine 2009 Herausgeber: @ 10. September 2009, Stuttgart Prof. Dr. Dr. med. G. Kolb, Lingen; Prof. Dr. med. I. Füsgen, Wuppertal; Prof. Dr. med. C. Sieber, Nürnberg; Prof. Dr. med. B. Höltmann, Grevenbroich; Prof. Dr. R. Hardt, Trier; PD Dr. M. Haupt, Düsseldorf; Prof. Dr. D. Lüttje, Osnabrück Redaktion: Jola Horschig (Ltd. Redakteurin, presserechtlich verantwortlich), Im Kampe 9, 31832 Springe, Telefon: 0 50 41 / 98 90 58, Telefax: 0 50 41/ 98 90 59, eMail: [email protected] Herstellung: Sabine Löffler (verantwortlich) Grafik: Sabine Löffler (verantwortlich) Verlag: gerikomm Media GmbH, Winzerstr. 9, 65207 Wiesbaden Verlagsleiter: Reiner Münster, Telefon: 0 61 22 / 70 52 36, Telefax: 0 61 22 / 70 76 98, eMail: [email protected] Anzeigen: Reiner Münster, Telefon: 0 61 22 / 70 52 36, Telefax: 0 61 22 / 70 76 98, eMail: [email protected] Zur Zeit gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom 01.01.2004 Anzeigenschluss: 3 Wochen vor Erscheinen Rechte: Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mirkoverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Verlag behält sich das ausschließliche Recht der Verbreitung, Übersetzung und jeglicher Wiedergabe auch von Teilen dieser Zeitschrift durch Nachdruck, Fotokopie, Mikrofilm, EDVVerwertung on- und off-line, Funk- oder Fernsehaufzeichnung vor. Jede gewerblich hergestellte oder benutzte Fotokopie verpflichtet nach Paragraph 54 (2) UrhRG zur Gebührenzahlung an die VG Wort, Abt. Wissenschaft, Goethestr. 49, 80336 München, von der die Modalitäten zu erfragen sind. Hinweise: Die in dieser Zeitschrift angegebenen Dosierungen vor allem von Neuzulassungen sollten in jedem Fall mit den Beipackzetteln der verwendeten Medikamente verglichen werden. Alle Informationen werden nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für die Richtigkeit gegeben. Vertrieb: gerikomm Media GmbH, Reiner Münster, Telefon: 0 61 22 / 70 52 36, Telefax: 0 61 22 / 70 76 98 Bezugspreise: Jahresbezugspreise für 6 Ausgaben inkl. Versandkosten: Inland: Euro 42,– Ausland: Euro 46,– Studenten/AiP (gegen Vorlage einer Bescheinigung): Inland: Euro 28,– Studenten/AiP (gegen Vorlage einer Bescheinigung): Ausland: Euro 32,– Institutionen: Euro 62,– Einzelheft: Euro 12,– Für Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten. Gerichtsstand und Erfüllungsort: Wiesbaden Druck: Verlag Gödicke Druck & Consulting, Hannover Internationales Symposium „Ambient Assist Living – Telehealthcare to assist older people“ © gerikomm Media 2009 Druckauflage: 5.500 Exemplare GERIATRIE JOURNAL 4/09 ISSN 1439-1139 III. Quartal 2009 Informationen: Dr. Julia Wengert, Robert-Bosch-Krankenhaus, Klinik für Geriatrische Rehabilitation, Auerbachstr. 110, 70376 Stuttgart, Tel. 07 11/81 01-32 73, eMail: [email protected] @ 17/18. September 2009, Glasgow (GB) 4th EUGMS Symposium 2009, Palliative Care and Medicine and End of Life Issues on Older Adults Informationen: www.eugms.org @ 18. bis 20. September 2009, Halle a.d. Saale Biomarkers of Ageing: from Molecular Biology to Clinical Perspectives Informationen: Universitätsklinikum Halle (Saale), Universitätsklinik und Poliklinik für Herz- und Thoraxchirurgie, PD Dr. Andreas Simm, Ernst-Grube-Str. 40, 06120 Halle/Germany, Tel. 03 45/5 57-26 47, Fax 03 45/5 57-70 70, eMail: [email protected] @ 22. September und 20. Oktober 2009, Woltersdorf Sterbebegleitung Informationen: Geriatrische Akademie Brandenburg e.V., c/o. Evangelisches Krankenhaus Woltersdorf, Organisationsmanagement, Schleusenstr. 50, 15569 Woltersdorf, Tel. 0 33 62/779-2 25/-2 00, Fax 0 33 62/7 79-2 25/-2 09, eMail: [email protected], www.geriatrie-brandenburg.de @ 23./24. September 2009, Saarlouis-Roden 12. Internationaler Demenzkongress Saar-Lor-Lux Informationen: Demenz Verein Saarlouis e.V., Ludwigstr. 5, 66740 Saarlouis,Tel. 0 68 31/48 81 80, eMail: [email protected] @ 24. bis 26. September 2009, Göttingen 100 Jahre jung: Geriatrie für die Zukunft, 19. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) Informationen: Reiner Münster, Geschäftsstelle der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) und gerikomm Media GmbH, Winzerstr. 9, 65207 Wiesbaden, Tel. 0 6122/70 52 36, Fax 0 61 22/70 76 98, eMail: [email protected] @ 3. Oktober 2009, Mosbach 1. Geriatrietag Neckar-Odenwald-Kreis Information: Kreiskrankenhaus Mosbach, Geriatrischer Schwerpunkt, Anja Gansky, Knopfweg 1, 74821 Mosbach, Tel. 0 62 61/8 34 76, eMail: [email protected]. @ 4. November 2009, Bergisch-Gladbach Ernährung des alten Menschen: Wann, wie, warum und wie viel? Informationen: Marien-Krankenhaus gGmbH, Klinik für Geriatrie, Dr. Rolf Schäfer, Dr. Robert-Koch-Str. 18, 51465 Bergisch Gladbach, Tel. 0 22 02/93 82 004, eMail: [email protected] 43