der richtige preis für den richtigen markt - DLR Rheinhessen

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DER RICHTIGE PREIS FÜR DEN
RICHTIGEN MARKT
Bernd Wechsler & Matthias Gutzler, DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück
Viele Flaschenwein vermarktende Weingüter
sehen sich heute vor der Herausforderung Preise
zu erhöhen. Steigende Produktionskosten, wachsender Vermarktungsaufwand oder der Einstieg in
den Fachhandelsmarkt zwingen die Betriebe dazu.
Aber Achtung: Preisveränderungen haben
direkte Wirkung auf den Absatz, deshalb sind
einige Grundsätze zu beachten.
Wie wichtig ist der Preis?
Für den Kunden hat der Preis eine wichtige Informationsfunktion. Der Preis sagt etwas aus über
die Qualität des Produktes. Der Preis hilft dem
Kunden, sich in einem riesigen Angebot zurechtzufinden. Preise können abschrecken, aber auch
die Aufmerksamkeit für ein Produkt steigern.
Preise sind Schlüsselreize beim Einkauf.
Preis
Umsatz
mal
Absatzmenge
minus
Variable
Stückkosten
mal
Gewinn
Variable Kosten
Produktionsmenge
Kosten
plus
Fixkosten
Schaubild:
Gewinnbestandteile
in einem Weingut
Schaubild
1: Bestandteile
des Gewinns
Für ein Weingut ist der Preis aber zunächst einmal
vor allem eines: Der Preis ist Gewinnbestandteil.
Der Gewinn eines Weinguts ist das Resultat von
Umsatz abzüglich der Kosten. Diese wiederum
bestehen aus einem variablen und einem fixen
Kostenblock. Der Umsatz errechnet sich aus der
abgesetzten Menge multipliziert mit dem Preis.
Soweit das kleine Einmaleins der Betriebswirt-
Tagungsband zur 59. WINTERTAGUNG
schaft. Laut dieser einfachen Formel ergeben sich
grundsätzlich drei Ansätze, wie ein Weingut seinen
Gewinn steigern oder stabilisieren kann:
1. die Kosten senken
2. die Absatzmenge steigern oder
3. den Preis für die Produkte erhöhen
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Kostendruck und harter Wettbewerb
Die Produktion von Wein in Deutschland wird
teurer. Steigende Kosten für Kraftstoffe, Energie,
Löhne oder Betriebsmittel sind Realität. Beispiel
Preisentwicklung bei Diesel. Die Dieselpreise haben sich in nur 20 Jahren verdoppelt. 1994 lag der
Preis für einen Liter Dieselkraftstoff bei unter
0,60 €, heute bei 1,20 €/l.
Die Produktivität im deutschen Weinbau ist sehr
groß, der technische Fortschritt weitgehend ausgereizt. Kostenextensive Produktionsverfahren
sind nicht für alle qualitativen Anforderungen
geeignet, Kostenreduzierungen ohne Qualitätseinbußen nicht realisierbar.
Gleichzeitig steigen die Aufwendungen in der Vermarktung. Weingüter müssen immer mehr Zeit
und Geld investieren, um eine Flasche Wein an
den Mann oder die Frau zu bringen. Dabei nimmt
die Treue der Kunden zum Weingut tendenziell
weiter ab. Die guten alten Stammkunden, die
ein- oder zweimal im Jahr beliefert wurden oder
gar persönlich auf den Hof kamen, um sich den
Kofferraum zu füllen, zählen heute zu einer „aussterbenden Art“. Die Lust am Ausprobieren hingegen ist groß. Die neuen Weinkunden suchen die
Abwechslung, kaufen bei verschiedenen Winzern
und nutzen selbstverständlich auch die unterschiedlichsten Einkaufsstätten (vom Discounter
bis zum Fachhändler).
Dabei wächst die Anspruchs- und Erwartungshaltung der Kunden gegenüber dem Produkt Wein
stetig. Gute Qualität wird immer vorausgesetzt.
Der Preis muss stimmen und der Winzer mit seinen Weinen eine besondere Story vorweisen.
Letztlich ist eine Konsequenz der oben genannten
Punkte, dass die Umsätze pro Einzelkunde rückläufig sind. Wer mehr ausprobiert, aber den Gesamtkonsum pro Kopf nicht wesentlich erweitert,
wird zwangsläufig beim einzelnen Winzer weniger
einkaufen.
Viele Weingüter, die bislang direkt an die Kunden
getreten sind, denken deshalb über neue Absatz-
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wege nach. Der Fachhandel scheint als adäquater
Vermarktungspartner nur darauf zu warten, dass
er endlich den Wein des Winzers verkaufen darf.
Doch auch ein Fachhändler muss leben. In der
Regel liegen die Abschläge auf den Netto-Endverbraucherpreis für Fachhändler zwischen 25 und
30 %. Bei großen Bestellmengen sind aber auch
50 %-Rabatt keine Ausnahme.
Hier liegt das große Dilemma von direkt vermarktenden Weingütern mit einem großen Anteil von
Stammkunden, die ein gewisses Preisniveau (in
der Regel ein eher niedriges, oder sagen wir besser ein extrem gutes Preis-Leistungs-Verhältnis)
gewohnt sind. Sie müssen die Ab-Hof-Preise erhöhen, um die Margen für den Fachhandel einpreisen zu können.
Ausweg aus dem Preisdilemma
Doch Preise erhöhen? Ist das auf dem Weinmarkt
eigentlich möglich? Eines vorneweg: Rabattschlachten sind auf dem Weinmarkt sicher nicht
die Regel, schon gar nicht bei den direkt vermarktenden Weingütern. Aber auch beim Weineinkauf
sind die Käufer sehr preissensibel. Die jüngste
Zielgruppenstudie des DWI bestätigt, dass Konsumenten (nämlich 71 %) bei der Auswahlentscheidung für einen Wein zunächst einmal auf den
Preis achten.
Austauschbare Produkte auf dem Weinmarkt
Hinzu kommt, dass wir einen sehr „reifen“ Weinmarkt in Deutschland haben. D. h. großes Angebot und austauschbare Produkte. Kunden können
häufig nicht unterscheiden, zwischen dem einen
oder dem anderen Wein. Eine Erkenntnis der Konsumentenstudien ist, dass der Verbraucher, wenn
er keinen Unterschied zwischen zwei Produkten
erkennt, bei seiner Entscheidung das günstigste
wählt. Wenn keine Differenzierung, dann zählt
der Preis.
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71%
Preis
66%
Herkunftsland
61%
Qualitätswein
56%
Anbaugebiet
Rebsorte
…dass er zu bestimmten
Gerichten passt
0%
53%
52%
20%
40%
60%
80%
Häufigkeit der Nennung
Quelle: DWI-Studie, Deutsche Weine aus Sicht der Konsumenten, 2013
Schaubild 2: Wichtige Entscheidungskriterien für den Weineinkauf
Preise nicht nur Ergebnis von Kosten
Preise sind aber nicht nur das Ergebnis einer betriebswirtschaftlichen Kostenrechnung. Kalkulationsverfahren, wie die Ermittlung der Langfristigen
Preisuntergrenze (LPU), sind letztlich nur Anhaltspunkte für den Preis. Sie bestimmen allenfalls den
niedrigsten Preis, erschließen nicht das Potenzial
des Marktes. Eine wirkliche Preispolitik ist fester
Bestandteil des Marketing-Mix und hat mitunter
eine entscheidende strategische Bedeutung. Diese
Komponenten der Preispolitik werden häufig von
Weingütern unterschätzt oder nicht ausreichend
berücksichtigt. Zugegebenermaßen sind die
Einflüsse auf den Preis auch sehr komplex, von
den Auswirkungen der Preisveränderungen auf
das Einkaufsverhalten von Konsumenten ganz zu
schweigen.
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Der allgemeine Kostendruck, preissensible Kunden, austauschbare Produkte und Marktsättigung,
all das erhöht den Druck auf Preise. Gleichzeitig
muss ein Weingut die Preise aber anheben. Ansätze, um aus diesem Dilemma zu finden sind:
■■ Verbesserung des Kundenutzens und ein
■■ Aktives Preismanagement
Was ist zu tun?
Preiserhöhungen werden vom Kunden akzeptiert, wenn die wahrgenommene Qualität des
Produktes steigt. Ein Winzer produziert mit viel
Handarbeit im Weinberg (hohe Kosten!) und niedrigem Ertragsniveau (kleine produzierte Menge!)
einen Spitzenwein. Er stellt den Wein seinen Kun-
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den vor. Warum sollte der Kunde bereit sein, mehr
für diesen Wein zu zahlen? Weil der Winzer hohe
Kosten bei der Produktion hatte? Oder die Erntemenge klein war? Nein, ganz sicher nicht. Nur
wenn der Nutzen für den Kunden größer ist, wird
dieser bereit sein, mehr für einen Wein zu zahlen.
Kundennutzen ist dabei ein weites Feld und geht
weit über die sensorische Beschaffenheit eines
Weines hinaus. Gerade in der Direktvermarktung
suchen viele Kunden den besonderen Service
und einen individuellen Weingenuss. Der Kontakt
zum Winzer oder der Wein mit der besonderen
Story befriedigen diese Sehnsucht nach dem Besonderen. Auch eine attraktive Ausstattung und
ein klares Markenbild und positives Image des
Weingutes sind wichtige Voraussetzungen, um
den Ausweg aus dem Preisdilemma zu finden.
Hier liegt ein Schlüssel der Preispolitik. Wenn sich
der Kundennutzen verbessert, werden Preiserhöhungen akzeptiert.
Es geht darum, auf Augenhöhe zu sein / kommen.
Jeder Winzer muss sich mit seinen Kunden wohl
fühlen. Und der Winzer entwickelt sich mit seinen
Kunden weiter. Natürlich gilt das im Besonderen für den Fall, dass der Betrieb einen neuen
Vermarktungsweg, wie z. B. den Fachhandel, einschlägt. Fachhändler haben andere Erwartungen
und Anforderungen an Angebot, Sortiment, Kommunikation und Preisgestaltung als ein Ab-HofKunde.
Von der kostenbezogenen Preisfestsetzung zur
aktiven Preispolitik
Eine aktive Preispolitik braucht eine langfristige
Strategie unter Berücksichtigung der verfügbaren
Mittel und Ressourcen. Sie ist nicht nur abhängig
von den Kosten, sondern auch von den strategischen Zielen des Winzers.
Preiserhöhung beginnt im Kopf
1. Preisbildung
Manchmal liegt das größte Hindernis für Preiserhöhungen im Kopf des Winzers selbst. Der fragt
sich: Die Konkurrenz ist groß, sind meine Weine
einen höheren Preis wert? Sind sie gut genug?
Und dann natürlich die Frage aller Fragen: „Sind
meine Kunden überhaupt bereit, höhere Preise zu
zahlen?“
Ein Riesenvorteil von Flaschenwein vermarktenden Weingütern ist der direkte Kundenkontakt. Niemand kennt seine Kunden besser als der
Winzer selbst. Kunden geben gerne Rückmeldung
über den „Wert“ des gekauften Weines. Den Wert
des Weines zeigen auch Ergebnisse aus Weinverkostungen oder Prämierungen. Diese Informationsmöglichkeiten sind für die Preispolitik (oder
Preiserhöhungen) zu nutzen.
Höhere Preise bringen andere, neue Kunden
Kunden, die bereit sind höhere Preise zu zahlen, ticken anders. Die Anspruchshaltung verändert sich.
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Ein konkreter Handlungsplan muss zunächst die
für eine Preisbildung wichtigen Fragen beantworten: Welcher Markt soll überhaupt bedient
werden? Können die Weine direkt an den Verbraucher abgesetzt werden oder braucht es Vermarktungspartner im Fachhandel oder im Export? Wie
soll der Wein /das Weingut am Markt positioniert
werden? Wie gestaltet sich die Markt- und Wettbewerbssituation?
2. Preisdifferenzierung ist die Königsdisziplin
der Preispolitik
Es gibt eine ganze Reihe von Preisdifferenzierungsfaktoren, die nicht oder nur zu einem geringen Teil
kostenbezogen sind.
■■ Nach Produktvarianten
Die Qualitätsstufen in einem Sortiment müssen sich preislich deutlich voneinander unterscheiden. Zu geringe Abstände schaffen eine
Konkurrenzsituation innerhalb des eigenen
Angebots. (Bsp. Gutswein für 7,00 €/Flasche,
Ortswein 10,50 €/Fl. und Lagenwein zu 15 €/Fl.)
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■■ Nach Kundensegmenten
Der Fachhandel (als Großkunde) erhält andere
Preise als ein Direktkäufer. Aber Achtung: AbHof-Preis darf nicht wesentlich vom Verkaufspreis des Händlers abweichen. Der Handel
achtet sehr genau darauf, dass Weingüter eine
klare und nachvollziehbare Preispolitik betreiben.
■■ Relevante Märkte
Auf welchem relevanten Markt werden die
Weine verkauft? Preisdifferenzierungen zwischen dem Inland und Export sind möglich.
■■ Wettbewerbssituation
Wichtiger Faktor für eine mögliche Preisdifferenzierung ist die Wettbewerbssituation auf
dem Markt. Gibt es für das Produkt viele oder
wenige Anbieter? Gerade mit Innovationen
oder gar attraktiven Markenprodukten kann
der Betrieb es schaffen, Preise vom Gesamtmarkt abzuheben.
■■ Image und Bekanntheit
3. Konditionenpolitik
Zur aktiven Preispolitik gehört auch eine durchdachte Regelung und klare Vorgehensweise bei
den Konditionen, wie Rabatte, Zahlungsbedingungen oder Preiszuschlägen.
Kurz zusammengefasst:
■■ Viele Flaschenwein vermarktende Betriebe
müssen Preiserhöhungen realisieren
■■ Preisfestsetzung in Weingütern ist oft zu kostenbezogen
■■ Alleinstellung schafft Preisspielräume
■■ Preis muss immer in Verbindung mit den anderen Marketinginstrumenten gesehen werden
■■ Klare Preisdifferenzierung für Produktvarianten
und Kundensegmente ist wichtig
■■ Bei Preiserhöhungen den Kundennutzen in den
Fokus stellen
In die gleiche Richtung zielen Imageaufbau
und Erhöhung der Bekanntheit des Weinguts.
Hier liegt eine der wichtigsten mittel- und
langfristigen Aufgaben der Kommunikation.
Je bekannter und beliebter ein Weingut beim
Kunden ist, umso einfacher ist eine Preisdifferenzierung gegenüber den Wettbewerbern.
■■ Besondere Herstellungsverfahren
Allgemein bieten beim Kunden mit einem positiven Image belegte, besondere Herstellungsverfahren die Chance, Preise anzupassen. Das
gilt z. B. für den Bioweinbau. Letztlich ist aber
auch bei den besonderen Herstellungsverfahren die Wirkung der Preisdifferenzierung dort
besonders groß, wo der konkrete Nutzen beim
Kunden auch ankommt.
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