Helmut Eschrig Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden Leibniz-Institute for Solid State and Materials Research Dresden Der Teilchenzoo des festen Körpers • • • • • • • Teilbar oder unteilbar Die Quintessenz Panta rhei Quanten Teilchen Quasiteilchen Resümee Teilbar oder unteilbar [www.polykarbon.com/tutorials/body/sketch2.gif] Körper Körperteil Körperteil Körperteil [www.physik.uni-wuerzburg.de/ nano/mito.gif] [centros5.pntic.mec.es/.../ Mathis/Zenon/zenon.jpg] Zenon von Elea, ca. 490 AC bis 430 AC Achilles und die Schildkröte Achilles ist 100mal schneller als die Schildkröte, die Schildkröte hat einen Vorsprung von 100 Metern. Zeit t0: Die Schildkröte hat 100 m Vorsprung Zeit t1: Achilles ist 100 m gelaufen, die Schildkröte hat aber wieder 1 m Vorsprung Zeit t2: Achilles ist 1 m gelaufen, die Schildkröte hat aber wieder 1 cm Vorsprung Zeit t3: Achilles ist 1 cm gelaufen, die Schildkröte hat aber wieder 0.1 mm Vorsprung .. Natürlich wusste Zenon, dass Achilles die Schildkröte einholt. Er wollte die Sinnlosigkeit beliebig weitgehender Unterteilungen von Dingen zeigen. [kworkquark.net/ medien/demokrit atome.jpg] Das A-tomos Demokrits ist das Un-teilbare. Die Quintessenz Die vier Elemente der alten Griechen waren Feuer Wasser Luft Erde Ausserdem rätselte man über die große Unbekannte, über die niemand etwas wusste, die das Beständige im Wandel war und die Gestirne am Himmel hielt, die “fünfte Substanz”, die QUINTESSENZ Die Alchimisten des Mittelalters suchten, auf die abenteuerlichsten Weisen in den Besitz der Quintessenz zu kommen, die auch als Stein der Weisen magische Fähigkeiten verleihen würde. Das dominierende Ziel war und ist bis heute, GOLD zu machen: Money makes the world go round ... Die Alchimisten quacksalberten, prutzelten, schmurgelten, ätzten, um aus allem Möglichen die Quinzessenz zu extrahieren... Wir sollten aber nicht vergessen, dass aus dem Prutzeln, Ätzen, Schwindeln usw. der Alchimisten ein grosser Teil der heutigen Naturwissenschaften hervorgegangen ist. Panta rhei Vom 16. bis zum 19. Jahrundet entwickelten die Mathematiker erst einmal die Analysis, in der der Begriff der Stetigkeit eine ganz zentrale Rolle spielt. Sie zeigten, dass der “Beweis” von Zenon nichts hergibt: Auch wenn man den Weg von 100 m + 1 m + 0.01 m + · · · = 101.010101· · · m < 102 m in unendlich viele Intervalle einteilt, kommt eine endliche Strecke heraus. Dasselbe gilt für die Zeit t = t1 + (t2 − t1) + (t3 − t2) + · · · In den naturwissenschaften dieser Zeit begann die Stetigkeit alles zu beherrschen. Die alte Idee von den Atomen wurde als irrig verlacht. Die Physik wurde ausschließlich eine Physik kontinuierlicher Medien. Quanten In der Mitte des 19. Jahrhunderts kamen zuerst die Chemiker, die Enkel der Alchimisten, auf das Atom zurück: Die festen Proportionen in den chemischen Reaktionen erforderten eine Erklärung. Dennoch konnte der berühmte Wiener Physiker und Philosoph Ernst Mach noch am Beginn des 20. Jahrhunderts die “Atomisten” mit der Frage reizen: “Ham’s schon eins g’sehn?” Vor 1913 herrschten noch die abenteuerlichsten Vorstellungen, wieviel Elektronen sich in einem Wasserstoffatom befinden könnten. Ernst Mach, 1838-1916 [http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.m/m003821.htm] Die Struktur der Atome wurde von der Quantentheorie in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts geklärt. Sie bestehen aus einem von Protonen und Neutronen gebildeten Kern und einer Elektronenhülle: [www.tcd.ie/Physics/Schools/what/atoms/Liatom.gif] In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde klar: Die Protonen und Neutronen bestehen aus ‘Quarks’, die durch ‘Gluonen’ zusammengehalten werden. [pauli.uni-muenster.de/.../ QFT/Elektron-Quark.jpg] Teilchen In der Physik haben Körper eine Masse M und können sich mit einer Geschwindigkeit v frei, d.h. ohne dass Kräfte auf sie wirken, durch den Raum bewegen. Die kinetische Energie der Bewegung ist Ekin M v2 . = 2 Daneben können Körper noch eine gespeicherte innere Energie haben. E = Ekin + Eint Eine Kanonenkugel hat eine zerstörerische Wirkung durch ihre kinetische Energie beim Aufplall: sie soll möglichst schwer sein und schnell fliegen. Ein Explosivgeschoss hat z.B. eine chemisch gespeicherte innere Energie, die beim Aufprall zusätzlich als eine Explosion frei wird. In der Physik heisst ein Teilchen elementar, wenn es keine innnere Energie haben kann. Es hat dann keine inneren Freiheitsgrade zum Speichern von Energie. Es besitzt ausschließlich die kinetische Energie der Bewegung seiner Masse. Die Physiker bevorzugen aus gutem Grund anstelle der Geschwindigkeit den Impuls P : P2 . P = Mv , E= 2M Stoßen zwei elementare Teilchen aufeinander, so bleiben Gesamtenergie und Gesamtimpuls erhalten: E = E 1 + E2 , P = P1 + P2 E = E10 + E20 , P = P 01 + P 02 Ein Atomkern ist nicht elementar: Er besteht aus Protonen und Neutronen, die sich im Kerninnern in verschiedenen Bewegungszuständen mit verschiedenen inneren Energien befinden können. In der Quantenmechanik gibt es dafür in der Regel einen Mindestwert der Anregungsenergie, eine Anregungsschwelle. Ist die gesamte kinetische Energie zweier Atomkerne kleiner als ihre Angegunsschwelle, dann können sie beim Stoß nicht angeregt werden. Sie verhalten sich wie Teilchen, die keine innere Energie haben können. Teilchen, die sich bei hohen Energien als zusammengesetzt offenbaren, können bei niederen Energien wie elementare Teilchen erscheinen. Bei hohen Energien ist die Energie-Impuls-Beziehung relativistisch: Er = P2 Enr = 2M p (M c2)2 + (cP )2 = P2 ≈ Mc + 2M 2 E E P P In der Quantenmechanik sind Teilchen und Welle zwei Erscheinungsformen ein und desselben Objekts: des QUANTs. Wellen: De Broglie Beziehungen zwischen Teilchengrößen Energie E und Impuls P und Wellengrößen Frequenz ω und Wellenlänge λ: E = ~ω , P = ~k , 2π k= λ Heisenbergsche Unschärferelation: λk = 2π , ∆x∆k ≥ 1 , 2 ∆x∆P ≥ ~ 2 Geschwindigkeiten einer Welle: Phasengeschwindigkeit: vph = ω , k Gruppengeschwindigkeit: vgr = ∂ω ∂k Licht ist eine transversale Vektorwelle: H E Es gibt zwei Moden: links- und rechtszirkular polarisiert oder senkrecht und waagerecht linear polarisiert. Außerdem haben Photonen keine Masse und bewegen sich immer mit Lichtgeschwindigkeit: M = 0, E = cP , ω = ck 2π P = ~k = ~ λ Quasiteilchen Im kristallinen Festkörper sind die Atome regelmäßig auf Gitterplätzen des Kristallgitters angeordnet. Ihr Abstand sei a. Quanten der Gitterschwingungswellen sind die PHONONEN: Energie-Impuls-Beziehung für Quasiteilchen: Die Energie ist eine periodische Funktion des Impulses. ω E vgr = 0 k1 k10 k2 k K = 2π/a ω = s 2λπ = sk E = sP vgr = s P Z.B. mit Neutronen können im Festkörper Phononen angestoßen werden. Die Energie- und Impulsänderung des Neutrons misst die Energie-Impuls-Beziehung der Phononen: E − ~ω, P − ~k ~ω, ~k E, P Besteht der Kristall aus einer regelmäßigen Anordnung von Atomen verschiedener Masse und verschiedener Bindungskräfte, so gibt es ‘optische Phononen,’ die auch mit Lichtquanten (Photonen) angestoßen werden können: Auch Elektronen, die sich durch einen Kristall bewegen, sogenannte BLOCH-ELEKTRONEN, haben eine periodische Energie-Impuls-Beziehung, die sogenannte BANDSTRUKTUR: In ferromagnetischen Kristallen tragen die Kristallgitterplätze ein magnetisches Moment, das im Ruhezustand an allen plätzen in die gleiche Richtung zeigt. Die Quanten der Anregungswellen dieser Momente sind die MAGNONEN: E Magnon im isotropen Magneten E P E Magnon im anisotopen Magneten P Plasmon P Außer diesen lange bekannten Quasiteilchen im Festkörper wurden in letzter Zeit viele exotische gefunden. Als Beispiel sei hier die Trennung von Spin und Ladung in nicht besetzten Bloch-Elektronenzuständen, sogenannten LÖCHERN, antiferromagnetischer Atomketten dargestellt, die zu SPINONEN und HOLONEN führen: antiferromagnetische Spinkette Spinon Holon Resümee • Objekte unserer Welt sind nicht beliebig fein teilbar. • Im Nanometerbereich tritt die Quantennatur der Materie zutage. • Elementarteilchen haben nur noch Bewegungsenergie (und im relativistischen Fall Ruhenergie M c2, die der Ruhmasse M entspricht); sie haben kein Spektrum innerer Anregungsenergien mehr. • Elementarteilchen haben eine eindeutig festgelegte Energie-Impuls-Beziehung. • Quasiteilchen im Festkörper sind im selben Sinne elementar; ihre Energie-Impuls-Beziehung ist periodisch im Impuls und von größerer Komplexität.