1. Schaltungsbeschreibung Netzwerktopologie Regeln der Schaltwerktheorie: Kirchhoffsche Spannungsregel Kirchhoffsche Stromregel + Zweig- (bzw. Element-) Funktionen Die Netzwerktopologie beschreibt die Verknüpfung von Zweigen. Mathematisches Kalkül ist die Graphentheorie. Graph Zweigfunktionen (linear / nichtlinear) Netzwerk Knoten: 1, 2, ... , n Zweige: a, b, c, ... bzw. als Knotenpaar {i,j} Graph G = {1, 2, ... , n; a, b, c, ...} ist eine Menge von Knoten und Zweigen. Kap. 1: Schaltungsbeschreibung Seite 1 V1.2 © A. B. Gilg Bei gerichteten (directed) Graphen Gd tragen die Zweige eine Orientierung (Richtung, "Pfeil"), d.h. die Reihenfolge der Knotennummern in einem Knotenpaar (Zweig) ist: (Anfangsknoten, Endknoten). Der ungerichtete (undirected, nondirected) Graph wird mit Gn bezeichnet. Eine Menge von Zweigen (branches) {b1,...,bm} in Gn heißt Pfad (path) zwischen zwei Knoten l und m, wenn 1. Alle aufeinanderfolgenden Paare von Zweigen bi und bi+1 einen gemeinsamen Knoten besitzen ["keine Lücke"] 2. Kein Knoten von Gn Knoten von mehr als zwei Zweigen dieser Menge ist ["keine Schleife"] 3. l (und m) ist Knoten von genau einem Zweig dieser Menge. Der Graph Gn heißt zusammenhängend (connected), falls zwischen je zwei Knoten ein Pfad existiert. [Analoge Bezeichnung für Gd, bzw. Netzwerke] Ein Subgraph (Teilgraph) L von Gn heißt Schleife (loop, circuit), falls 1. L zusammenhängend ist, und 2. an jedem Knoten von L genau zwei Zweige anliegen. Eine gerichtete Schleife ist eine Schleife, der (unabhängig von Zweigrichtungen) eine eindeutige 'Durchlaufrichtung' zugeordnet ist. Kap. 1: Schaltungsbeschreibung Seite 2 V1.2 © A. B. Gilg Ein Subgraph T eines zusammenhängenden Graphen Gn heißt Baum (tree), falls 1. T zusammenhängend ist, 2. T alle Knoten von Gn enthält und 3. T keine Schleifen enthält. Alle Zweige des Graphen Gn, die nicht zum Baum T gehören bilden den Co-Baum TC von Gn (bzgl. T). Satz: Sei Gn ein zusammenhängender Graph mit k Knoten: 1. Jeder Baum T in Gn hat k-1 Zweige. 2. Falls k-1 (verschiedene) Zweige von Gn keine Schleife enthalten bilden sie die Zweige eines Baumes von Gn. (Beweis: ....) Eine Menge von Zweigen eines zusammenhängenden Graphen Gn heißt Teiler (cutset), falls nach Entfernen dieser Menge 1. der Graph nicht mehr zusammenhängend ist und 2. das Hinzufügen je eines beliebigen dieser Zweige zu einem zusammenhängenden Graphen führt. Kap. 1: Schaltungsbeschreibung Seite 3 V1.2 © A. B. Gilg Es folgen Matrixdefinitionen zur kompakten Formulierung der Kirchhoffschen Regeln: 1.1 Inzidenzmatrix A Für einen gerichteten Graphen Gd mit k Knoten und z Zweigen ist die Inzidenzmatrix Aa =(aij), eine k x z -Matrix, definiert durch: aij= 1, falls der Zweig j am Knoten i anliegt, mit Orientierung weg vom Knoten i aij=-1, falls der Zweig j am Knoten i anliegt, mit Orientierung hin zum Knoten i aij= 0, falls der Zweig j nicht am Knoten i anliegt. In den elektrischen Netzwerken treten nur Zweige mit unterschiedlichen Anfangs- und Endknoten auf. Damit ist in Aa eine (beliebige) Zeile redundant. Nach Streichen einer (beliebigen) Zeile bezeichnet man A als reduzierte Indzidenzmatrix der vollständigen Inzidenzmatrix Aa [nicht eindeutige Definition!] Kap. 1: Schaltungsbeschreibung Seite 4 V1.2 © A. B. Gilg i = i(t) bezeichne den Vektor der Zweigströme im Netzwerk N, angeordnet entsprechend den z Zweigspalten der Matrix Aa. Aa· i = 0 (1.1) Kirchhoffsche Stromregel Die skalare (zeilenweise) Interpretation entspricht der Anwendung der Regel pro Knoten. Somt ist (1.1) überbestimmt. Satz: Für einen zusammenhängenden Graphen Gd sind die Zeilen (jeder) reduzierten Inzidenzmatrix A linear unabhängig. Beweis: .... Korollar: Der Maximalsatz unabhängiger Kirchhoffscher Stromgleichungen eines zusammenhängenden Netzwerks N hat die Form: (1.2) Kap. 1: Schaltungsbeschreibung A·i = 0 Seite 5 V1.2 © A. B. Gilg Satz: A sei reduzierte Inzidenzmatrix des zusammenhängenden Graphen Gd mit k Knoten: ó k -1 Spalten von A sind linear unabhängig die diesen Spalten entsprechenden Zweige bilden einen Baum in Gd . Korollar: A = [AT AC], mit AT ~ Baumzweige, AC ~ Co-Baumzweige => det AT ≠ 0. Kap. 1: Schaltungsbeschreibung Seite 6 V1.2 © A. B. Gilg 1.2 Schleifenmatrix B Für einen gerichteten Graphen Gd mit z Zweigen und s gerichteten Schleifen ist die Schleifenmatrix Ba =(bij), eine s x z -Matrix, definiert durch: bij= 1, falls der Zweig j Teil von Schleife i ist und mit deren Orientierung überein-stimmt bij=-1, falls der Zweig j Teil von Schleife i ist und mit deren Orientierung nicht über-einstimmt bij= 0, falls der Zweig j nicht Teil von Schleife i ist. Kap. 1: Schaltungsbeschreibung Seite 7 V1.2 © A. B. Gilg Kirchhoffsche Spannungsregel: Die Summe aller Spannungen entlang jeder Schleife in einem Netzwerk ist immer Null. (1.3) Ba·v = 0 , mit v = v(t) dem Vektor der Zweigspannungen entsprechend der Spaltenanordnung von Ba. Anmerkung: Die Zahl der Schleifen (Matrixzeilen) s kann sehr groß sein! Eine Teilmatrix Bb mit der Maximalzahl linear unabhängiger Zeilen heißt Basisschleifenmatrix. Man kann zeigen, dass für einen zusammenhängenden Graphen Gd mit k Knoten und z Zweigen Bb z-k +1 Zeilen besitzt. (1.4) Bb·v = 0 Kap. 1: Schaltungsbeschreibung Seite 8 V1.2 © A. B. Gilg Konstruktion von Bb: 1. Schritt: Für einen zusammenhängenden planaren Graphen bilden z-k +1 "Fenster" die Schleifen für Bb 2. Schritt: Geg. sei ein Baum T. Jeder Zweig des Co-Baumes TC formt mit dem (eindeutigen) Pfad durch den Baum T eine sog. Fundamentalschleife (für diesen Zweig). Die Orientierung der Fundamentalschleife kann willkürlich fixiert werden. Es gibt z-k +1 Co-Baumzweige und damit z-k +1 Fundamentalschleifen. Diese definieren die Fundamentalschleifenmatrix Bf. Sie ist der nichttriviale Beitrag zur Bestimmung von Bb: (1.5) Bb = [Bf 1] Kap. 1: Schaltungsbeschreibung Seite 9 V1.2 © A. B. Gilg Satz: Gegeben Aa und Ba (mit analoger Zweiganordnung): Für alle i,j gilt [Zeile i von Ba] [Zeile j von Aa]T = 0 Korollar: (1.6) Ba AaT = 0 Ba AT = 0 B AT = 0 Aa BaT = 0 A BaT = 0 A BT = 0 Satz: Für einen zusammenhängenden Graph Gd mit k Knoten und z Zweigen beträgt die Maximalzahl linear unabhängiger Zeilen in Ba z-k +1. Jede Fundamentalschleifenmatrix ist eine Basisschleifenmatrix - aber nicht umgekehrt! D.h. die "Menge" Bb umfasst Bf; aber Bf ist einfacher zu konstruieren. Kap. 1: Schaltungsbeschreibung Seite 10 V1.2 © A. B. Gilg 1.3 Teilermatrix D (zur Formulierung der verallgemeinerten Kirchhoffschen Regel) Für einen gerichteten Graph Gd mit z Zweigen und c gerichteten Teilern ist die cxz Teilermatrix Da = [dij] definiert durch dij = 1, falls der Zweig j im Teiler i enthalten ist und beide Orientierungen übereinstimmen dij = -1, falls der Zweig j im Teiler i enthalten ist und beide Orientierungen nicht übereinstimmen dij = 0, falls der Zweig j nicht im Teiler i enthalten ist. Die Basisteilermatrix Db besteht aus k-1 linear unabhängigen Zeilen von D (eines zusammenhängenden Graphen Gd) Damit ist (1.7) Db i = 0. Kap. 1: Schaltungsbeschreibung Seite 11 V1.2 © A. B. Gilg Konstruktion einer Basisteilermatrix Db : Gegeben sei ein Baum T. Jeder Zweig von T bildet zusammen mit einigen (≥ 0) Zweigen des Co-Baums Tc einen Teiler - genauer einen Fundamentalteiler. Die Orientierung des Teilers ist willkürlich. Ein zusammenhängender Graph hat k-1 Baumzweige (bei k Knoten) und damit k -1 Fundamentalteiler. Die Submatrix Df von Da bzgl. dieses Fundamentalteilers ist eine Fundamentalteilermatrix (Df =:D) (1.8) D = [1 DL] Maximalzahl linear unabhängiger Gleichungen: Satz: Geg.: Ba und Da (mit analoger Zweiganordnung) Für alle i,j gilt: [Zeile i von Ba] [Zeile j von Da]T = 0 Korollar: (1.9) Da BaT = 0 Da BT = 0 D BT = 0 Kap. 1: Schaltungsbeschreibung Ba DaT = 0 B DT = 0 Seite 12 V1.2 © A. B. Gilg Satz: Für einen zusammenhängenden Graph Gd mit k Knoten beträgt die Maximalzahl linear unabhängiger Zeilen in Da k -1. Jede Fundamentalteilermatrix D ist eine Basisteilermatrix - aber nicht umgekehrt! Vorteil von D: einfacher zu konstruieren! Kap. 1: Schaltungsbeschreibung Seite 13 V1.2 © A. B. Gilg 1.4 Beziehungen zwischen Zweigvariablen Die Kirchhoffschen Regeln sind überbestimmt (linear abhängig). Zur Bestimmung aller Zweigströme und -spannungen werden Transformationsregeln hergeleitet: Für ein zusammenhängendes Netzwerk N mit k Knoten und z Zweigen seien bzgl. eines vorgegebenen Baumes T die Matrizen folgendermaßen partitioniert: A = [ AT AL ] év ù v=ê T ú, i= ëv L û B = [BT 1µ ] [ D = 1ρ DL ] éiT ù êi ú ë Lû T: Baum, L: Verbindung [links] ρ = k − 1, µ = z − k + 1 [ Bv = B T 1 µ (1.10) ] éê vv ë T L ù ú = BT vT + v L = 0 û vL = − BT vT Kap. 1: Schaltungsbeschreibung Seite 14 V1.2 © A. B. Gilg Weiter ist [ D i = 1ρ D L ] éê ii ë T L ù ú = iT + D L i L = 0 û iT = − DL i L (1.11) Verwandtschaft von BT und DL : Aus (1.9): é BTT ù T DB = 1ρ DL ê ú = BT + DL = 0 ëê 1µ ûú T (1.12) [ ] DL = - BTT (1.13) é BTT ù éiT ù é − DL i L ù é − DL ù iL = ê ú iL = B T iL i= ê ú=ê =ê ú ú ë i L û ë i L û ë 1µ û ë 1µ û Kap. 1: Schaltungsbeschreibung Seite 15 V1.2 © A. B. Gilg Ähnlich für (1.14) év ù é v ù é 1 ù é1 ù v = ê T ú = ê T ú = ê ρ ú vT = ê ρT ú vT = D T vT ëv L û ë− BT vT û ë− BT û ë DL û (1.13) kann noch verallgemeinert werden. Diese Formulierung hat aber keine große praktische Bedeutung: Schleifentransformation (1.15) i = BbT im wobei Bb eine beliebige Basisschleifenmatrix und im eine entsprechende Menge/Vektor von µ unabhängigen Strömen bezeichnet. Einige Ströme im Vektor im sind eventuell nicht als Zweigströme lokalisierbar - aber sie können als fiktive Schleifenströme definiert werden. Kap. 1: Schaltungsbeschreibung Seite 16 V1.2 © A. B. Gilg Ähnlich ist (1.14) verallgemeinerbar zu v = DbT vp (1.16) mit vp als "Teilermengenspannungen". Zweig-/Knotentransformation: Knotenspannungen u = (v1k ,..., vk-1,k) (1.17) T o.E. k "Masseknoten" v = AT u mit reduzierter Inzidenzmatrix A und Vektor der Zweigspannungen v. Kap. 1: Schaltungsbeschreibung Seite 17 V1.2 © A. B. Gilg 1.4 Aufstellen der topologischen Matrizen A, B und D Bestimmen von A (bzw Aa) Ø Nummerieren der Knoten Ø Nummerieren der Zweige k i j aik = 1 (k,i,j) Integer-Tripel ajk = -1 - Bzgl. Speicherung ist die Tripel-Darstellung vorzuziehen (redundante Info: 0en der Matrix) -Reihenfolge ?? Dies sind zwei programmiertechnische Aspekte der effizienten Programmierung dieser Matrizen. Algorithmen < - > Datenstrukturen Kap. 1: Schaltungsbeschreibung Seite 18 V1.2 © A. B. Gilg Zur Bestimmung von B und D benötigen wir zuerst einen Baum T: Typischerweise gibt es Zusatzbedingungen zur Auswahl eines spezifischen Baums, z.B. Reihenfolge gemäß Zweigtypen (Spannungs-, Stromquellen, Widerstände, Kondensatoren, ...) Ausgangsinfo: reduzierte Inzidenzmatrix A 1. Schritt Sortieren der Spalten von A gemäß den vorgegebenen Zusatzbedingungen 2. Schritt Durch Vertauschen von Zeilen und Addition von (Vielfachen) anderer Zeilen wird eine „obere Dreiecksmatrix“ erzeugt. (vgl. Gauß-Algorithmus!) Anmerkungen: - k-1 linear unabhängige Spalten von A bilden einen Baum - per Konstruktion kann die vorgeg. Zweigreihenfolge (falls überhaupt möglich) eingehalten werden. Kap. 1: Schaltungsbeschreibung Seite 19 V1.2 © A. B. Gilg [ A=[AT AL ] B =[BT 1µ ] D = 1ρ DL ] (1.6) é BTT ù AB = AT AL ê ú = AT BTT + AL = 0 ë 1µ û [ T und somit ] BTT = − AT−1 AL (1.18) (1.19) [ ] D = 1ρ DL = AT−1 [AT AL ]= AT−1A [ B =[BT 1µ ] = − DLT 1µ ] (1.18, 19) sind Berechnungsmöglichkeiten für D und B, aber wegen der expliziten Berechnung von AT-1 sehr aufwendig. Kap. 1: Schaltungsbeschreibung Seite 20 V1.2 © A. B. Gilg Alternativen: Die Umformungen von Schritt 2. können durch sog. Elementarmatrizen E beschrieben werden: E ist eine Einheitsmatrix nach Anwendung der jeweiligen Umformung (z.B. Zeilentausch) Satz: Jede Elementarmatrix besitzt eine Inverse, die ebenfalls elementar ist. Für jede nichtsinguläre Matrix C existiert eine Folge von Elementarmatrizen E1, ...., Em, so dass bzw. EmEm-1.... E2E1 C = 1, und somit EmEm-1.... E2E1 = C-1 C = E1-1E2-1... Em-1-1Em-1. Also auch AT-1 = EmEm-1.... E2E1 Und damit (1.18): (1.20) D= AT-1 A = EmEm-1.... E2E1 A D wird aus A berechnet durch eine Folge von m Elementaroperationen – dieselbe Folge, die benötigt wird um AT zur Einheitsmatrix zu transformieren: AT-1 AT = EmEm-1.... E2E1 AT = 1 Kap. 1: Schaltungsbeschreibung Seite 21 V1.2 © A. B. Gilg Alternative Berechnung von D gemäß (1.20) statt (1.18): Wende die elementaren Operationen Ei, die nötig sind um AT auf 1 zu transformieren auf A an. Es gibt eine Reihe weiterer Alternativen zur Bestimmung der topologischen Matrizen bzw. zur Lokalisierung von Bäumen. Da diese Aufgaben typischerweise nicht zeitkritisch sind, werden diese Alternativen hier nicht vertieft. Kap. 1: Schaltungsbeschreibung Seite 22 V1.2 © A. B. Gilg