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Untersuchung der Gesteine
Ferdinand Damaschun
Uwe Jekosch
Das Brandenburger Tor wurde aus Sandstein errichtet, und auch später bei den Restaurierungen
verwendete man immer wieder Sandstein, allerdings wechselte die Herkunft. Die Gründe dafür
sind heute nur noch schwer nachvollziehbar. Sicher spielten Verkehrsverbindungen, Erkenntnisse über die Beständigkeit, aber durchaus auch
politische Verhältnisse eine Rolle.
Mit einer Kartierung aller auftretenden Sandsteinvarietäten und den Untersuchungen an diesen Gesteinen sollten folgende Ziele verfolgt
werden:
- Unterstützung bei der Dokumentation der Restaurierungsgeschichte;
- Untersuchung über die Abhängigkeit zwischen
den mikroskopisch festgestellten Eigenschaften
der einzelnen Sandsteintypen und ihrem
Verwitterungsverhalten; und
- das Erkennen von Bereichen besonderer Bauwerksgefährdung im Zusammenhang mit der
Abschätzung zukünftiger Schadensanfälligkeit
der Gesteine.
Dazu wurde versucht folgende Fragen zu beantworten:
- Gesteinstyp und deren Herkunft;
- Mikroskopische und physikalische Eigenschaften der Gesteine;
- Verwitterungszustand der Gesteine;
- Abschätzung des zukünftigen Verwitterungsverhaltens.
Die eigentlich als Voruntersuchungen gedachten
Arbeiten konnten wegen des Termindruckes für
die Fertigstellung nur zeitgleich mit der
Restaurierung vorgenommen werden.
Petrographische Kartierung
Als erster Schritt wurde eine petrographische
Kartierung des Bauwerks durchgeführt. Dabei
wurde Block für Block visuell untersucht und die
Sandsteinvarietät in Meßphotos eingetragen. Es
konnten anhand dieser Untersuchungen vierzehn
Sandsteinvarietäten unterschieden werden. Die
Varietätnummernvergabe erfolgte in der Reihenfolge des Auftretens der Varietät während der
Kartierung.
Die vierzehn gefundenen, äußerlich verschiedenen Sandsteinvarietäten lassen sich nach mikroskopischen Untersuchungen den drei Fundgebie-
ten Cotta und Posta in Sachsen sowie Rackwitz
in Schlesien (heute Polen) zuordnen.
Während für das Gesamtbauwerk nur die Werksteine kartiert wurden, wurde an zwei ausgewählten Bereichen - Säulen an der Südwest- und an
der Nordwestecke - die bei Restaurierungsarbeiten eingesetzten Vierungen ebenfalls
berücksichtigt. Diese beiden Bereiche sollen in
den nächsten Jahren besonders intensiv
beobachtet werden. Sie entsprechen in ihrer
mikroklimatischen Situation zwei verschiedenen
Beanspruchungen. Wegen der Vielfalt der in
diesen Bereichen bei Bau und Restaurierung
verwendeten Gesteinstypen und Varietäten
können sie als repräsentativ für das Gesamtbauwerk angesehen werden.
Petrographische Untersuchungen
Von jeder der Gesteinsvarietäten wurde durch
eine Kernbohrung eine Probe genommen. Die
Reliefs wurden nur an wenigen Stellen unter der
Maßgabe einer minimalen Beeinträchtigung
beprobt.
Von jeder dieser Proben wurden zwei Dünnschliffe hergestellt:
- ein Schliff senkrecht zur Oberfläche, wobei
besonderer Wert auf den Erhalt der
Oberfläche gelegt wurde; und
- ein Schliff parallel zur Oberfläche in ca.
4-5 cm Tiefe.
Der erste Schliff diente zur Untersuchung des
Verwitterungszustandes, der zweite zur Untersuchung des unzerstörten Gesteins. Bei sachgerechtem Einbau der Gesteinsblöcke liegen beide
Schliffe senkrecht zur Lagerung des Sandsteins.
Insgesamt wurden 53 Dünnschliffe angefertigt.
Die Schliffe wurden polarisationsmikroskopisch
untersucht. Dabei wurden folgende Daten erfaßt
beziehungsweise gemessen:
- Struktur und Textur;
- Korngrößenverteilung und daraus abgeleitet
die mittlere Korngröße und der Sortierungsgrad;
- Rundungsgrad;
- mineralogische Zusammensetzung von Sedimentationsmaterial und Bindemittel; und
- der Grad der Zerstörung an der Oberfläche.
An den kompakten Proben wurde das Wasseraufnahmevermögen gemessen sowie der zeitliche
Verlauf der Wasseraufnahme und -abgäbe erfaßt.
Für Vergleichszwecke wurden Schliffe aus der
petrographischen Sammlung des Mineralog.-Petrographischen Instituts und Museums verwendet. In Fällen, wo diese Schliffe nicht vorhanden
waren, wurden neue Schliffe von Museums-
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207 Cottaer Sandstein, untere Bildkante ca. 15 cm.
208 Dünnschliffmikrophoto des Typ Cotta, Varietät l., gekreuzte
Polarisatoren, untere Bildkante = 2,6 mm. Deutlich zu erkennen
sind auf der einen Seite dichte Partien mit dunkler Porenfüllung von
Eisenoxiden und -hydroxiden sowie Glimmer und auf der anderen
Seite relativ locker gepackte Quarzkörner und mittelgroße
ungefüllte Poren (schwarz gepunktet).
209 Postaer Sandstein, untere Bildkante ca. 15 cm.
210 Dünnschliffmikrophoto des Typ Posta, Varietät 3', gekreuzte
Polarisatoren, untere Bildkante = 2,6 mm. Die
Korngrößenunterschiede belegen den geringen Sortierungsgrad. Als
weiteres Merkmal eines geringen Reifegrades können die angularen
Kornformen (z.B. in Bildmitte) angesehen werden. Vielfach
beobachtbar sind die Durckanlösungserscheinungen an den
Kontaktstellen der Quarzkörner. Keine bis geringe Porenfüllung
durch Fe-Minerale.
211 Rackwitzer Sandstein, untere Bildkante ca. 15 cm.
212 Dünnschliffmikrophoto des Typ Rackwitz, Varietät W 25,
gekreuzte Polarisatoren, untere Bildkante = 2,6 mm. Der Sandstein
ist frei von Porenfüllung. Die Feldspäte sind stark pigmentiert. An
Kontaktstellen treten Anwachsungen der Quarzkörner auf.
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proben hergestellt, beziehungsweise wurden Proben definierter Herkunft aus der Lehrwerkstatt
der Stuck- und Naturstein GmbH Berlin beprobt.
Das betraf insbesondere die sächsischen Sandsteine. Für jede Varietät wurden Daten der makroskopischen und der mikroskopischen Merkmale, wie Zusammensetzung (Modalbestand),
Struktur (zum Beispiel Korngröße, Kornform)
und Textur (zum Beispiel Vorzugsorientierung,
Schichtung) zusammengestellt.
Die Zahlenangaben unter »Modalbestand« stellen
Schätzwerte dar. Nach einem speziellen Verfahren von Saltikov wurde die Korngrößenverteilung berechnet und hieraus wiederum die mittlere
Korngröße abgeleitet. Die Standardabweichung
der mittleren Korngröße (in %) wurde als Maß
des Sortierungsgrades verwendet (Pettijohn).
Wichtiges Kriterium für die petrographische Typisierung war das Verhältnis der auftretenden
metamorph überprägten Quarzkörner zu den
Quarzen magmatischer Herkunft.
In der sich zur Oberen Kreidezeit senkenden Elbtalzone sedimentierte die gesamte Schichtfolge
des heutigen Eibsandsteingebirges. Als Einzugsgebiete für das Sedimentationsmaterial füngierten
im Nordosten die Lausitz und im Südwesten das
Erzgebirge. Während sich in der Lausitz die
zwischen Präkambrium und Karbon intrudierten
Granite und Granodiorite in der Kreidezeit in
Hochlage befanden und zur Abtragung kamen
und damit magmatisches Material in die sich zu
dieser Zeit senkende Elbtalzone lieferten, steuerten die im Südwesten lagernden erzgebirgischen
Gneise und Glimmerschiefer vor allem metamorph überprägte Quarze zur Sandsteinbildung
bei. An Vergleichsdünnschliffen Schlesischer
Sandsteine aus der Sammlung des Naturkundemuseums Berlin zeigte sich, daß diese stets unter
einem Prozent metamorpher Quarze führen
(Sächsische Sandsteine 3-15%). Als Quelle für
die Schlesischen Sandsteine kommen vor allem
die oberkarbonischen Granite des Iser- und Riesengebirges sowie das Lausitzer Granitmassiv in
Frage.
Typisches Kennzeichen der Cottaer Sandsteine
sind ihre Feinkörnigkeit, das Auftreten von Glaukonit (Gehalte: von Einzelkörnern bis zu 2%) und
Amphibolen, eine relativ lockere Kornpackung,
geringe Kornbindung sowie eine hohe Quote an
Porenfüllung durch Tonminerale, Glimmer, FeOxide und -Hydroxide. Nach unseren Erkenntnissen stammen die Varietäten l, l', 2, 3 und
10 aus den Brüchen des Lohmgrundes sowie
Als Beispiel seien die am meisten verwendeten Varietäten angeführt:
Typ »Cottaer Sandstein« Varietät l
Bezeichnung
Typ »Postaer Sandstein« Varietät 3
Graugelb-bräunlich geflammter Feinsand- Lichtgelber, relativ homogener, schwach
stein mit rostbraunen Einlagerungen und feinsandiger, stark grobsandiger Mittelmassiger Textur
sandstein mit wenigen Einschlüssen und
massiger Textur
Typ »Rackwitzer Sandstein« Varietät 8
Grauer, homogener, mäßig feinsandiger
Mittelsandstein mit im frischen Bruch
sichtbaren kaolinisierten Feldspäten und
massiger Textur
Modalbestand (Vol. %) Quarz 55-65 Glaukonit 1-2; Glimmer 1-2
Quarz 65-75 Feldspat <1 Amphibole <% l
Feldspat < l Rutil, Zirkon, Amphibole < l
Bindemittel 3-5 (Hydromuskowit, etwas
Bindemittel 20-30 (Ton- und
verkieselt) Poren 20-30
Glimmerminerale, teilweise chloritisiert;
Fe-Hydroxide und -oxide; wenig verkieselt)
Poren 10-20
Quarz 60-70 Feldspat 2-3 Bindemittel 2-5
(tonig) Poren 25-35
Struktur
Mittlere Korngröße 0,13 mm (+ / - 35%),
sehr gute Klassierung, angerundete
Körner, kleinporig, Bindung teilweise über
Körner, vor allem aber durch toniges
Bindemittel, an wenigen Stellen verkieselt,
polykristalline Quarzkörner sind äußerst
selten; der Plagioklas ist frisch, selten
etwas chloritisiert
Mittlere Korngröße 0,55 mm (+ / - 71%),
schlechte Klassierung, Kornform
subangular bis gerundet, Poren bis 3 mm;
Festigkeit durch Kornbindung, vereinzelt
Verrundung der Körner durch Wachstum,
keine Anwachssäume, Kontaktstellen stets
verwachsen; tonig-glimmeriges Bindemittel
ist rar; größere Quarzkörner sind
polykristallin, ca. 10% sind metamorphen
Ursprungs (suturierte Korngrenzen,
Auslängung)
Mittlere Korngröße 0,25 mm (+ / - 26%),
sehr guter Sortierungsgrad, Kornform
überwiegend gerundet, restliche Körner
angerundet, kleinporig; Stabilität durch
Kornbindung, Anwachssäume sind weit
verbreitet; kaum Bindemittel vorhanden,
lediglich einige Poren sind mit Kaolin
ausgefüllt; Quarz in sauberer und
einschlußreicher Varietät beobachtbar,
wenige metamorphe Quarze (1%), Feldspäte sind stark pigmentiert: teilweise bis
vollständige Kaolinisierung
Textur
massig
massig
schwach texturiert
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213 Korngrößenverteilung der am Brandenburger Tor verbauten
Sandsteine
die Varietät 12 aus Neundorf (südlich von Pirna),
während für die Varietäten 8' und 6 keine genaue
Herkunft ermittelt werden konnte.
Der mittelkörnige Postaer Sandstein zeichnet sich
durch eine ausgeprägte Kornbindung, große Poren, schlechten Sortierungsgrad, den bereits erwähnten relativ hohen Anteil an metamorphen
Quarzen und geringen Bindemittelgehalten aus.
Eine genauere Lokalisierung der einzelnen Varietäten (3', 4, 4', 5, 7, 9, 11) ist nicht möglich. Es ist
nicht auszuschließen, daß einzelne Werksteine
von Postelwitz (Steinbruchbetrieb bis 1907) oder
Reinhardtsdorf (1890 erstmals erwähnt) verbaut
wurden, die bei der Kartierung als Postaer Sandstein eingestuft wurden.
Die Schlesischen Sandsteine sind fein- bis mittelkörnig, haben einen einheitlich guten bis sehr guten Sortierungsgrad und eine gut entwickelte
Kornbindung. Sie enthalten kaum Tonminerale
oder Glimmer; gelegentliche Einfärbungen stammen von geringen Gehalten an Fe-Erzmineralen.
Die Feldspäte sind vollständig oder teilweise in
Kaolin umgewandelt und dadurch als weiße
»Punkte« schon mit bloßem Auge sichtbar. Als
Gewinnungsort kommen die Brüche von Rackwitz in Frage. Vergleichsschliffe anderer Schlesischer Sandsteine zeigen deutliche Unterschiede
zur hier beschriebenen Varietät 8.
An den untersuchten Proben konnten keine Oberflächenveränderungen in den Dünnschliffen
nachgewiesen werden. Auftretende Verwitterungserscheinungen an den Originalblöcken aus
Cottaer Sandsteinen (Varietäten 2,3,6, 8' und 10)
erklären wir mit deren Gehalten an Glimmern,
Tonmineralen und Fe-Erzmineralen.
Von der stark verschmutzten Westseite wurde
eine Probe der Kruste zur Klärung des
Mineralbestandes röntgenographisch untersucht.
An kristallinen Phasen konnten Gips (CaSO4 x
2H2O und Quarz (SiO2) nachgewiesen werden.
Der nachgewiesene Quarz stammt sehr wahrscheinlich aus dem Sandstein, der Gips muß als
Neubildung aus Verunreinigungen der Atmosphäre angesehen werden.
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Die Verwendung der Gesteine
Es zeigt sich, daß bei den Restaurierungen zu
verschiedenen Zeitpunkten bestimmte Gesteine
bevorzugt wurden. Während in der Errichtungsphase sächsische Sandsteine aus dem Raum Cotta
und Posta dominieren, sind die Restaurierungen
um die Jahrhundertwende im wesentlichen mit
schlesischen Sandsteinen ausgeführt worden. Der
Wiederaufbau in den 50er Jahren ist im überwiegenden Teil in Cottaer Sandstein ausgeführt worden. Zu allen Restaurierungen ist jedoch »Altmaterial« wieder verwendet worden.
Der in der Literatur beschriebene Magdeburger
Sandstein, d.h. Sandstein der Magdeburger Börde
aus den Brüchen um Ummendorf, Worms-dorf
und Velpke, konnte an keiner Stelle nachgewiesen werden. Das schließt nicht aus, daß im
At-tikabereich einzelne Blöcke Wormsdorfer
Sandsteins übersehen wurden, der sich von einer
der Cottaer Varietäten makroskopisch nur durch
das
Auftreten
großer
Sekundärglimmer
unterscheidet.
Zwei Blöcke im Attikabereich (Nordseite) bestehen aus Beton. Für die Ausführung der plastischen Arbeiten wurden zumeist ausgewählt homogene Blöcke aus den Fundgebieten von Cotta
und Rackwitz verwendet.
Die petrographischen Untersuchungen des Brandenburger Tores bestätigen den insgesamt guten
Erhaltungszustand des Bauwerks. Dieses ist sicherlich auch auf seine Lage in gewisser Entfernung von den Hauptverkehrsströmen der Stadt in
den letzten 40 Jahren zurückzuführen. Es wäre
im Sinne der Erhaltung dieses Bauwerks
wünschenswert, wenn auch in Zukunft der
Verkehr weiträumig um das Tor geführt werden
könnte.
Lit.: Dieter Beeger u.a., Geologie und Denkmalpflege (Abh. des
Staatlichen Museums für Mineralogie und Geologie zu Dresden,
Bd. 35), Leipzig 1988. - Otto Burre, Die wichtigsten an Berliner
Bauten in der Außenarchitektur verwandten natürlichen Gesteine
nach Art und Herkunft, in: Jb. der Preußischen Geologischen
Landesanstalt XL VII, 1926, S. 116-159. - Paul Dorn, Geologie von
Mitteleuropa, Stuttgart 1960. - C. und A. Gäbert, Die nutzbaren
Gesteinsvorkommen Deutschlands, Verwitterung und Erhaltung der
Gesteine, in: Karl Weiss (Hg.), Handbuch der Steinindustrie, Bd. I,
Berlin 1915. — Siegfried Grunert, Der Sandstein der Sächsischen
Schweiz (Abh. des Staatlichen Museums für Mineralogie und
Geologie zu Dresden, Bd. 34), Leipzig 1986. — 0. Herrmann,
Steinbruch-Industrie und Steinbruch-Geologie, Berlin 1916. - Arnd
Peschel, Natursteine, 2. Aufl., Leipzig 1983. - F. J. Pettijohn, Paul
Edwin Potter und Raymond Siever, Sand and Sandstone, BerlinHeidelberg-New York 1972. - Kurt Pietzsch, Geologie von Sachsen,
Berlin 1962. - S. A. Saltykov, Stereometrische Metallographie,
Leipzig 1974. - Otfried Wagenbreth und Walter Steiner,
Geologische Streifzüge, Leipzig 1982.
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214 Petrographische Karte des Brandenburger Tores, Nordseite, 1990.
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