Referat Asymptomatische proximale tiefe Venenthrombosen bei internistischen Patienten: Mortalitätsraten und Risikofaktoren SUBGRUPPEN-ANALYSE PREVENT VON VAITKUS PT ET AL. Unter Dalteparin konnte die Gesamtthromboserate bis Tag 21 signifikant um 45% gegenüber der Plazebo-Gruppe gesenkt werden. In der PREVENT-Studie (Prospective Evaluation of Dalteparin Efficacy for Prevention of VTE in Immobilized Patients Trial) wurden erstmals die Wirksamkeit und Sicherheit einer Thromboseprophylaxe bei einem akut erkrankten internistischen Patientengut anhand klinisch relevanter Endpunkte und unter kompressionssonografischer Kontrolle untersucht. Einer der Studienendpunkte waren asymptomatische proximale tiefe Venenthrombosen (TVT). Ihre klinische Relevanz war bisher noch nicht überprüft worden. VAITKUS und Mitarbeiter analysierten in einer Subgruppen-Auswertung der PREVENT-Daten, ob die proximalen TVTs mit einer erhöhten Mortalitätsrate assoziiert sind und welche Risikofaktoren zu einer Entwicklung solcher proximalen Thrombosen beitragen. In die Primäranalyse der PREVENT-Studie wurden 1.518 Patienten der Dalteparin-Gruppe und 1.473 Patienten aus dem Plazebo-Kollektiv einbezogen. Die in die Studie aufgenommenen Patienten waren 40 Jahre oder älter und litten unter einer der in Tabelle 1 aufgeführten Erkrankungen. Zusätzlich musste mindestens einer der genannten Thromboembolie-Basisrisikofaktoren vorliegen (dies galt nicht für Patienten mit Herz – oder akuter Ateminsuffizienz). Der voraussichtliche Aufenthalt im Krankenhaus betrug mindestens vier Tage, die vorangegangene Immobilisierung dauerte höchstens drei Tage. Die Wirksamkeitskriterien der PREVENT-Studie sind in Tabelle 2 zusammengefasst. Tabelle 2: Wirksamkeitskriterien in der PREVENT-Studie Primäre Endpunkte symptomatische proximale oder distale tiefe Venenthrombose asymptomatische proximale tiefe Venenthrombose in der Kompressionssonografie an Tag 21 letale oder symptomatische Lungenembolie plötzlicher Tod Unter Dalteparin konnte die Gesamtthromboserate bis Tag 21 signifikant um 45% gegenüber der Plazebo-Gruppe gesenkt werden (2,77% vs. 4,96%; p = 0,0015). Das bedeutet, dass durch eine 14-tägige Thromboseprophylaxe mit Dalteparin (5.000 I.E.) 22 thromboembolische Ereignisse pro 1.000 Patienten verhindert werden können. Tabelle 1: Patientencharakteristika; außer bei den Patienten mit akuter Herz- oder Ateminsuffizienz musste zur Aufnahme in die Studie zusätzlich mindestens eines der aufgeführten Basisrisiken vorliegen. Akutrisiken Zusätzliche Basisrisiken akute Herzinsuffizienz (NYHA III oder IV) Alter ≥ 75 Jahre nicht beatmungspflichtige akute Ateminsuffizienz Krebserkrankung Infektion ohne septischen Schock vorausgegangene venöse Thromboembolie akute rheumatische Erkrankung Adipositas entzündliche Darmerkrankung Varikosis und/oder chronische Veneninsuffizienz Hormonersatztherapie Anamnese mit chronischer Herzinsuffizienz chronische Ateminsuffizienz myeloproliferatives Syndrom 40 VASCULAR CARE 1/2006 VOL. 10 Die klinische Bedeutung asymptomatischer proximaler tiefer Venenthrombosen Der größte Anteil der stattgehabten thromboembolischen Ereignisse im untersuchten Patientengut waren asymptomatische proximale TVTs (Tab. 3). Tiefe Venenthrombosen und Lungenembolien verlaufen bei hospitalisierten Patienten häufig asymptomatisch und bleiben unentdeckt. Dabei sind proximale tiefe Venenthrombosen (TVT) häufiger mit Lungenembolien assoziiert als distale TVTs. Die klinische Relevanz asymptomatischer proximaler und distaler tiefer Venenthrombosen hinsichtlich einer möglicherweise erhöhten Mortalität ist jedoch immer noch heftig umstritten. In der vorliegenden Post-hoc-Analyse wurden daher die Mortalitätsraten in den Subgruppen der PREVENT-Patienten (n=1.738) ermittelt, die keine symptomatischen Thrombosen bis Tag 21 erlitten hatten. Bei ihnen wurde an Tag 21 eine komplette Kompressionssonografie der proximalen und distalen Venen durchgeführt. 80 Patienten hatten asymptomatische proximale tiefe Venenthrombosen (TVT) (Gruppe 1), bei 118 waren asymptomatische distale TVTs (Gruppe 2) und bei 1.540 keine Thrombosen (Gruppe 3) feststellbar (Tab. 4). Ziel dieser Analyse war es, die Mortalitätsraten nach 90 Tagen in diesen Subgruppen der PREVENT-Studie zu bestimmen und die Risikofaktoren für asymptomatische proximale TVTs zu ermitteln. Die 90-Tage-Mortalitätsraten betrugen 13,8%, 3,4% bzw. 1,9% in den genannten Gruppen (Tab.5). Der Unterschied der Mortalitätsraten zwischen Gruppe 1 und Gruppe 2 war signifikant (p < 0,0001). Keine Signifikanz wurde zwischen Gruppe 2 und 3 erreicht. Nach Anpassung an demografische und klinische Variablen blieb der Zusammenhang zwischen erhöhter Mortalität und asymptomatischen proximalen TVTs hochsignifikant. Die Multivariat-Analyse ergab, dass nur zwei Riskofaktoren mit einer erhöhten Mortalität in Zusammenhang standen: asymptomatische proximale TVT (p < 0,0001) und Alter über 75 Jahre (p=0,0051). Die hohe Mortalitätsrate in Gruppe 1 unterstreicht die klinische Bedeutung einer asymptomatischen proximalen TVT. Als Risikofaktoren für die Entwicklung einer asymptomatischen proximalen TVT konnten fortgeschrittenes Alter (p=0,0005), frühere TVT (p=0,001) und Varikosen (p=0,04) identifiziert werden. Die hohe Mortalitätsrate in Gruppe 1 unterstreicht die klinische Bedeutung einer asymptomatischen proximalen TVT. Tabelle 3: Anteil der proximalen TVTs an der Gesamtthromboserate (gerundet) DalteparinKollektiv PlazeboKollektiv 1,8% 3,7% Andere TVTs 1,0% 1,3% Gesamtrate TVT 2,8% 5% Asymptomatische TVTs VASCULAR CARE 1/2006 VOL. 10 41 Referat Tabelle 4: Ergebnisse der Kompressionssonografie an Tag 21, PREVENT-Subgruppen-Analyse Asymptomatische proximale TVT (Gruppe 1) Asymptomatische distale TVT (Gruppe 2) Keine TVT (Gruppe 3) Gesamtzahl Patienten 80 118 1540 Dalteparin-Patienten 27 54 778 Plazebo-Patienten 53 64 762 Tabelle 5: Mortalitätsraten an Tag 90 in den PREVENT-Subgruppen Asymptomatische proximale TVT (Gruppe 1) Asymptomatische distale TVT (Gruppe 2) Keine TVT (Gruppe 3) 11 (13,8%) 4 (3,4%) 30 (1,9%) Verstorbene Dalteparin-Patienten 2 (7,4%) nb nb Verstorbene Plazebo-Patienten 9 (17%) nb nb Gesamt-Mortalität 42 VASCULAR CARE 1/2006 VOL. 10 Entscheidend für das Überleben: proximale TVT Die Ergebnisse dieser Post-hoc-Analyse machen deutlich, welch hohe klinische Bedeutung asymptomatischen proximalen tiefen Venenthrombosen gegenüber asymptomatischen distalen TVTs zukommt. Die Mortalitätsrate von 13,8% in Gruppe 1 ist vergleichbar mit der Mortalitätsrate der Hochrisikopatienten mit symptomatischen proximalen TVTs in der PREPIC-Studie sowie mit den 90-Tage-Mortalitätsraten von Lungenembolie-Patienten aus einer kürzlich veröffentlichten großen Studie. In der PREVENTStudie waren asymptomatische distale TVTs nicht signifikant mit einer erhöhten Mortalität assoziiert. Die Daten dieser Subgruppen-Auswertung bestätigen auch, dass asymptomatische proximale TVTs als klinische Endpunkte für Thromboseprophylaxe-Studien geeignet sind. Außerdem, so betonen die Autoren der Analyse, weisen die Ergebnisse darauf hin, wie wichtig die Prävention von tiefen Venenthrombosen ist, da derzeit asymptomatische Patienten nicht routinemäßig sonografiert werden. Die Daten sollten andererseits nicht dazu verleiten, die distale TVT als benigne anzusehen, nur weil hier keine Signifikanz erreicht worden ist. Weitere Untersuchungen an einem größeren Patientengut sind notwendig, um zu klären, welche klinische Bedeutung den asymptomatischen distalen TVTs zukommt. Fazit Asymptomatische proximale Die Risikoreduktion für Thromboembolien bei akut erkrankten internistischen Patienten durch die Prophylaxe mit Dalteparin (5.000 I.E.) beträgt 45%. Damit werden durch die Gabe von Dalteparin 22 thromboembolische Ereignisse pro 1.000 internistische Patienten verhindert (PREVENT). Risikofaktoren für die Entwicklung einer asymptomatischen proximalen TVT waren fortgeschrittenes Alter, frühere TVT und Varikosen. Asymptomatische proximale TVTs sind mit einer signifikant erhöhten Mortalität assoziiert. Eine Thromboseprophylaxe bei internistischen Patienten ist daher schon deshalb anzustreben, weil bei dem betreffenden Patientengut Kompressionssonografien der distalen und proximalen Venen nicht routinemäßig durchgeführt werden. TVTs sind mit einer signifikant erhöhten Mortalität assoziiert. Literatur: Vaitkus, PT, Leizorovicz A, Cohen AT, Turpie AGG, Olsson CG, Goldhaber SZ for the PREVENT Medical Thromboprophylaxis Study Group: Mortality rates and risk factors for asymptomatic deep vein thrombosis in medical patients. Thromb Haemost 93 (2005) 76–79 VASCULAR CARE 1/2006 VOL. 10 43