Wie beide Parteien mit der Krise umgehen

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14.–20. Juli 2010 | HANDELSZEITUNG | Nr. 28
Due Diligence Befindet sich das
Zielunternehmen in der Krise, sind die
involvierten Parteien mit besonderen
Herausforderungen konfrontiert.
Hier hilft ein pragmatisches Vorgehen
mit Fokus auf Restrukturierungsmassnahmen.
Lauric Barbier und Ev Müllner
D
rum prüfe, wer sich ewig bindet […]
der Wahn ist kurz, die Reue lang!» Seinerzeit als lyrische Warnung an Heiratswillige verfasst, haben Schillers Worte ihren Resonanzraum heute auch bei Unternehmensakquisitionen gefunden. Im Mittelpunkt
dieser Prüfung, der Due Diligence (gebotene
Sorgfalt), steht die Durchleuchtung des Transaktionsobjekts hinsichtlich Stärken, Schwächen, Risiken und Potenzialen. Ziel ist es, die
Treiber des (Miss-)Erfolges herauszufiltern
und zu beurteilen.
Im Allgemeinen ist eine Due Diligence geprägt von einem engen Zeitrahmen, der Zusammenarbeit verschiedener Spezialisten,
einer hohen Informationsfülle und einer
manchmal komplexen politischen Konstellation. Der Käufer muss bei alldem eine akzeptable Balance zwischen Nutzen aus Erkenntnisgewinn und Kosten finden. Ohne aktive
Führung entstehen leicht Doppelspurigkeiten, oder die Akquisitionslogik verschwindet
aus dem Blickfeld.
Herausforderungen
Bereits in einem «normalen» Kontext erweist sich eine Due Diligence oft als herausfordernd. Befindet sich das Zielunternehmen
in einer Krise, erhöhen sich die Anforderungen. Der Druckfaktor Zeit potenziert sich und
arbeitet gegen das Unternehmen. Die Interessen der Beteiligten sind zunehmend entgegengesetzt; Banken und Gläubiger werden zu
wichtigen Anspruchsgruppen. Schliesslich
erhöht sich auch die Komplexität des rechtlichen Umfeldes. Aus Käufersicht ist hier insbesondere an die Haftungs- und Anfechtungsrisiken zu denken.
So agiert der Käufer in einem sehr dynamischen Umfeld. Seine Einschätzung des
Unternehmens und von dessen Zukunft ist
aufgrund der mit Brüchen behafteten ­Historie
und der diffizilen Ist-Si­tuation mit hoher Unsicherheit behaftet.
Dem erhöhten Informationsbedürfnis des
Käufers stehen verkäuferseitig nicht selten eine suboptimale Informationsbasis, eine erodierende Ertrags- und Liquiditätslage und
stark abnehmende Handlungsoptionen gegenüber. Besteht zwischen den Parteien kein
Konsens, eine Lösung ausserhalb des Konkurses zu finden, wird die Abarbeitung jedes
Problemfeldes zum taktischen Spielzug und
ein erfolgreicher Abschluss wird unwahrscheinlich.
Erfolgsfaktoren
Zu den allgemeinen Erfolgsfaktoren einer
Due Diligence gehören die Fokussierung auf
die für Wertbestimmung, Vertragsgestaltung
und Integration wesentlichen Sachfragen, eine straffe Führung und enge Zusammenarbeit zwischen den Experten (insbesondere
operativ und finanziell) sowie der Knowhow-Transfer zum Verhand­lungsteam. Dem
hohen Zeitdruck kann durch die Auswertung
von Zwischenergebnissen teilweise be­gegnet
werden.
Häufig liegt verkäuferseitig ein Restrukturierungskonzept vor, sodass sich der Käufer
auf dessen Validierung und Anpassung konzentrieren kann. Ist dies nicht der Fall, wird
der Käufer sein eigenes Konzept entwickeln
müssen.
Vor diesem Hintergrund sind die Themenkreise Liquidität, Kapitalbindung und Profitabilität im Finanzbereich von essentieller
Bedeutung. Zu beantworten sind die Fragen:
Wie lange ist die Liquidität gesichert? Wie
sieht die bereinigte Ist-Situation und Historie
aus? Welche Zielrenditen müssen für eine
nachhaltige Gesundung erreicht werden?
Welche Massnahmen wurden bereits identifiziert, wo liegen weitere Potenziale und reichen diese aus, die Ziele zu erreichen?
fotolia
Wie beide Parteien mit
der Krise umgehen
Bereits in einem «normalen» Kontext erweist sich
eine Due Diligence oft als herausfordernd.
Massnahmen
Letztlich muss der Käufer auch zu einer
Einschätzung des Management-Teams und
von dessen zukünftiger Rolle kommen. Die
Qualität der jeweiligen Unterlagen und der
Fragenbeantwortung ergibt dafür wichtige
Anhaltspunkte. Die Analyse der Krisenursachen ist zwar unerlässlich, aber kein Selbstzweck. Sie sollte immer im Hinblick auf zukünftige Massnahmen durchgeführt werden.
Nützlich ist ein Vergleich zur Branchenentwicklung. Um Sicherheitsabschläge und Szenarien beurteilen zu können, sollte die notwendige Datenbasis, soweit möglich, in der
Due Diligence erhoben werden.
In der Regel ist es für beide Seiten nützlich, externe Unterstützung in Betracht zu
ziehen, die sich nicht nur im M&A-Umfeld sicher bewegt, sondern auch einen Fokus auf
Spezialsituationen hat – idealerweise in Kombination mit operativer Expertise. Die dokumentierte Offenlegung der Informationen erhöht die Rechtssicherheit beider Parteien
und sollte dazu führen, dass im Nachhinein
kein Grund zur Reue besteht.
Lauric Barbier, Partner und Mitglied der Geschäftsleitung
und Ev Müllner, Manager,
Helbling Corporate Finance AG, Zürich.­
Finanzielle Due Diligence bei Krisenunternehmen: Wichtige Analysefelder
Liquidität
• Werthaltigkeit und Bewirtschaftung Nettoumlaufvermögen
• Saisonalität
• Altersanalyse
• Arten: Gesetzlich geschuldete Verbindlichkeiten (Steuern),
Löhne und Gehälter, strategische Lieferanten, konzerninterne Leistungen
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