Einführung in die Astronomie und Astrophysik II Teil 12 Jochen Liske Hamburger Sternwarte [email protected] ANdW + Quiz: WuwiaWid? ANdW + Quiz: WuwiaWid? Kommentar zum 20. Januar Themen Sternentstehung Sternentwicklung Das Interstellare Medium Die Milchstraße Spezielle Relativitätstheorie Allgemeine Relativitätstheorie Galaxien Kosmologie Strukturentstehung Galaxien Galaxienhaufen Unser Universum Beste Messungen: 0.7 M 0.3 (b 0.05) rad 10-5 Das Universum ist flach ist unendlich expandiert beschleunigt! expandiert für immer ist 13.8 x 109 yr alt besteht zu 95% aus uns unbekannten Energiekomponenten! Planck Collaboration (2015) Das CDM Standard-Modell der Kosmologie Klarstellungen Der “Urknall” ist eine hypothetische Singularität bei t = 0. Über ihre tatsächliche Existenz oder Natur können keine belastbaren Aussagen gemacht werden, da die bekannte und verifizierte Physik bei t 10-43 s ihre Gültigkeit verliert. Dementsprechend weiß niemand, was vor dem Urknall war (man kann aber natürlich auf der Grundlage von Erweiterungen der bekannten Physik darüber spekulieren). Der Urknall hat an keinem bestimmten Ort im Universum stattgefunden, sondern überall. Er bezeichnet einen Zeitpunkt, nicht einen Punkt im Raum. Der Urknall war keine Explosion. Die ART liefert keinen Grund für die Ausdehnung des Universums. Die Ausdehnung ist eine „Anfangsbedingung“, die durch zusätzliche Physik erhellt werden muss (z.B. Inflation). Klarstellungen Das Universum ist unendlich groß. Der theoretisch beobachtbare Teil des Universums ist endlich groß. Der tatsächlich beobachtbare Teil des Universums ist noch etwas kleiner. Das Universum war im Moment des Urknalls schon unendlich groß. Jedoch war jedes heute endliche Volumen unendlich klein. Das Universum dehnt sich nicht in irgendetwas hinein aus. Das frühe Universum FLRW-Modelle: Singularität bei t = 0 Vergleichbar mit dem Zentrum eines Schwarzen Lochs Physikalische Beschreibung (derzeit) nicht möglich, dafür benötigt man eine Quantengravitationstheorie Physikalische Beschreibung erst ab (= Planck-Zeit) möglich Jedenfalls: das heutige Universum entstand aus einer dichten, heißen, energiereichen Anfangsphase 5 x 10-44 s “Urknall” (Big Bang, Begriff geprägt von Fred Hoyle, einem Gegner dieser Theorie) Fred Hoyle Das frühe Universum Strahlungsdominiertes Universum ρrad ∝ (1 + z)4 und ρM ∝ (1 + z)3 ρrad dominiert im frühen Universum Ab wann? ρrad = ρM bei zeq 3500 (radiation-matter equality) t(zeq) 8 x 104 yr T(z) = 2.73 K (1 + z) T(zeq) 104 K Bei z >> zeq gilt: a(t) ∝ t1/2 T(t) 1.5 x 1010 K (t / 1 s)−1/2 Das frühe Universum Je früher desto höher T und E Strukturen brechen auf: t 3.8 x 105 yr, T 3000 K, E 1 eV Atome brechen auseinander t 1 s, T 1010 K, E 1 MeV Atomkerne brechen auseinander t 10-6 s, T 1013 K, E 1 GeV Nukleonen brechen auseinander Die Entwicklung des Universums Die Entwicklung des Universums Die Entwicklung des Universums Die Entwicklung des Universums Inflation Paul Steinhardt Andrei Linde Alan Guth Hypothetische, kurze Periode exponentieller Expansion am Ende der GUT Ära Löst mehrere Probleme: Warum ist das Universum flach? Warum ist das Universum homogen und isotrop? Woher stammt die Struktur des Universums? Die Entwicklung des Universums Die Entwicklung des Universums Warum gibt es Baryonen? Es müsste eigentlich nQuark = nAnti-Quark Es muss also einen Prozess geben, der eine Asymmetrie erzeugt: CP-Symmetrie-Brechung? Wenn Asymmetrie erstmal vorhanden: winziger Überschuss an Materie bleibt nach Zerstrahlung der meisten Teilchen-AntiTeilchen-Paare übrig Die Entwicklung des Universums Quark-Hadronen Übergang bei T < ~1 GeV: Einschluss von Quarks in Hadronen Protonen und Neutronen “frieren aus” Anfänglich: nn 1/5 np Protonen stabil: p > 1032 yr! Freie Neutronen zerfallen: n p + e− + νe n 880 s nn/np 1/6 bei T 0.06 MeV Die Entwicklung des Universums Big-Bang-Nukleosynthese Elemententstehung mit A > 1 läuft über Deuterium (2H) Bindungsenergie: ΔE = 2.2 MeV Für T > 2.2 MeV 1011 K ist die Reaktion p + n ↔ D + γ im Gleichgewicht Für T < 1010 K (t 1s ) können sich leichte Elemente bilden: D + D → 3He + n → T + p (T = Tritium = 3H) T + D → 4He + n 4He + T → 7Li Die Entwicklung des Universums Big-Bang-Nukleosynthese Elemententstehung mit A > 1 läuft über Deuterium (2H) Bindungsenergie: ΔE = 2.2 MeV Für T > 2.2 MeV 1011 K ist die Reaktion p + n ↔ D + γ im Gleichgewicht Für T < 1010 K (t 1s ) können sich leichte Elemente bilden: D + D → 3He + n → T + p (T = Tritium = 3H) T + D → 4He + n 4He + T → 7Li Die Entwicklung des Universums Big-Bang-Nukleosynthese Reaktionen frieren schnell aus Prozess nach wenigen 100 s abgeschlossen Fast alle n in 4He „gefangen“ Robuste Vorhersage der 4He Häufigkeit Erklärt 4He in alten Pop II Sternen Die Entwicklung des Universums Big-Bang-Nukleosynthese Reaktionen frieren schnell aus Prozess nach wenigen 100 s abgeschlossen Fast alle n in 4He „gefangen“ Robuste Vorhersage der 4He Häufigkeit Erklärt 4He in alten Pop II Sternen Primordiale D Häufigkeit abhängig von B Die Entwicklung des Universums Big-Bang-Nukleosynthese Reaktionen frieren schnell aus Prozess nach wenigen 100 s abgeschlossen Fast alle n in 4He „gefangen“ Robuste Vorhersage der 4He Häufigkeit Erklärt 4He in alten Pop II Sternen Primordiale D Häufigkeit abhängig von B Messung von D in QuasarSpektren B Die Entwicklung des Universums Big-Bang-Nukleosynthese Reaktionen frieren schnell aus Prozess nach wenigen 100 s abgeschlossen Fast alle n in 4He „gefangen“ Robuste Vorhersage der 4He Häufigkeit Erklärt 4He in alten Pop II Sternen Primordiale D Häufigkeit abhängig von B Messung von D in QuasarSpektren B Die Entwicklung des Universums Rekombination Ionisationsgrad x = ne / nHI gegeben durch Saha-Gleichung: a 3.8, η = nB / nγ 6 x 10−10 Für x = 0.01 T 3000 K, E 0.3 eV, z 1100, t 4 x 105 yr Vorher: Gas vollständig ionisiert, Photonen und Baryonen gekoppelt, Universum opak Nachher: Gas neutral, Photonen und Baryonen entkoppelt, Universum durchsichtig e- Rekombination Kosmische Hintergrundstrahlung Vorhersage der Existenz der Hintergrundstrahlung (CMB) durch G. Gamow (1946): Schwarzkörperstrahlung Korrektur der vorhergesagten T durch Alpher & Herman (1948): Kosmische Hintergrundstrahlung David Wilkinson Robert Dicke Jim Peebles 1960er in Princeton: Erneute Vorhersage der Existenz der Kosmischen Hintergrundstrahlung und ihrer Temperatur Erste Nachweisversuche Nur 60 km entfernt in Holmdel, New Jersey… Penzias & Wilson (1965) Arno Penzias und Robert Wilson Penzias & Wilson (1965) Kosmische Hintergrundstrahlung Erste eingehende Beobachtung 1998 durch Cosmic Microwave Explorer (COBE) CMB ist perfekte Schwarzkörperstrahlung mit TCMB = 2.725 K Kosmische Hintergrundstrahlung Erste eingehende Beobachtung 1998 durch Cosmic Microwave Explorer (COBE) CMB ist perfekte Schwarzkörperstrahlung mit TCMB = 2.725 K Entdeckung winziger Temperaturfluktuationen T/T 10-5 Kosmische Hintergrundstrahlung John Mather George Smoot Kosmische Hintergrundstrahlung 2009 – 2013: Sehr genaue Vermessung durch den Planck Satelliten der ESA Kosmische Hintergrundstrahlung Planck: Messungen bei 9 Frequenzen Kosmische Hintergrundstrahlung Planck: Messungen bei 9 Frequenzen Wichtig für zuverlässige Subtraktion störender Vordergrundstrahlung: Credit: NASA / WMAP Science Team Kosmische Hintergrundstrahlung Winzige Temperaturfluktuationen von T/T 10-5 Vergleichbare Dichtefluktuationen: Statistische Verteilung am Himmel kann in Abhängigkeit von kosmologischen Parametern berechnet werden Abgleich zwischen Daten und Modellen Parameter Planck Collaboration (2015) Das CDM Standard-Modell der Kosmologie Strukturentstehung Strukturentstehung Lineares Anwachsen von Dichtefluktuationen so lange << 1: ∝ (1 + z)−1 ∝ t2/3 Kleinste Fluktuationen werden mit der Zeit verstärkt Nichtlineares Wachstum Überwindung der Expansion Kollaps Strukturentstehung Reionisation Bildung der ersten (Pop III) Sterne Bisher noch nicht beobachet ( JWST, E-ELT) t 150 Myr??? Primordiale Gaszusammensetzung Ineffiziente Kühlung Große baryonische Jeansmasse Entstehung in DM Minihalos mit MMH 105 − 108 Mʘ Hohe Akkretionsrate Pop III Sterne sehr massereich: MPopIII 100 − 1000 Mʘ? Sehr intensive UV-Strahlung Reionisierung des Universums (end of dark ages) Credit: M. Alvarez, R. Kähler & T. Abel Quasarspektrum Reionisation Strukturentstehung Reionisation Bildung der ersten (Pop III) Sterne Bisher noch nicht beobachet ( JWST, E-ELT) t 150 Myr??? Primordiale Gaszusammensetzung Ineffiziente Kühlung Große baryonische Jeansmasse Entstehung in DM Minihalos mit MMH 105 − 108 Mʘ Hohe Akkretionsrate Pop III Sterne sehr massereich: MPopIII 100 − 1000 Mʘ? Sehr intensive UV-Strahlung Reionisierung des Universums (end of dark ages) Sehr kurze Lebensdauer Typ II / core-collapse SN (auch Hypernova) Metallanreicherung des Universums Verändert nachfolgende Sternentstehung Strukturentstehung Lineares Anwachsen von Dichtefluktuationen so lange << 1: ∝ (1 + z)−1 ∝ t2/3 Kleinste Fluktuationen werden mit der Zeit verstärkt Nichtlineares Wachstum Überwindung der Expansion Kollaps Kalte Dunkle Materie (CDM) Fluktuationen auf kleinen Skalen werden nicht “ausgewaschen” Kein Gasdruck Kleinere Strukturen entstehen zuerst, größere erst später durch die Verschmelzung der kleineren Hierarchische Strukturentstehung Credit: Springel et al. (2005) Strukturentstehung Entstehung und Eigenschaften großskaliger DM-Strukturen mit Hilfe von N-body Simulationen gut verstanden Brauche noch: Entwicklung baryonischer Strukturen (Galaxien) innerhalb der DM-Strukturen simuliertes Universum Galaxien als Tracer des “Cosmic Web” Abgleich mit 3D Galaxien-Durchmusterungen: Strukturentstehung Entstehung und Eigenschaften großskaliger DM-Strukturen mit Hilfe von N-body Simulationen gut verstanden Brauche noch: Entwicklung baryonischer Strukturen (Galaxien) innerhalb der DM-Strukturen simuliertes Universum Galaxien als Tracer des “Cosmic Web” Abgleich mit 3D Galaxien-Durchmusterungen: Relativistische Kosmologie