Ethik für Manager

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Ethik für Manager
von Mag. Peter Gruber
„Nahezu alles Böse, was Menschen Menschen antun, geschieht
nicht aus Bosheit oder Egoismus, sondern aus einem der folgenden
Gründe:
Menschen wähnen sich im Besitz ewig-gültiger Werte, zu deren
Beachtung sie auch noch andere verpflichten.
Menschen sind voll guter Absichten, ohne jedoch über
zureichende soziale und ethische Kompetenz zu verfügen.“
Rupert Lay SJ
Wozu Ethik?
Erlauben Sie mir, Sie mit einigen konkreten und praktischen
Beispielen zu konfrontieren, um Ihre Sensibilität für Ethik
zu schärfen:
Woran orientiert sich ein Manager, der vor die Wahl gestellt
wird, den Bestand des Unternehmens zu retten, indem er
dreitausend Mitarbeiter entlässt oder diese zu schützen und
somit das Unternehmen und Arbeitsplätze für weitere
zehntausend zu gefährden. Wie geht er dabei vor? Orientiert
er sich nur an ökonomischen Kenn-ziffern und Modellen
oder kann er auch auf ethische Prinzipien zurückgreifen?
Oder: Sie kennen die Bilder der Kinder Goebbels in ihren
weißen Kleidchen, auf einem Rasen aufgereiht. Würden Sie
meinen, dass Frau Goebbels ethisch gut gehandelt hat, als
sie entschieden hat, nicht das Angebot anzunehmen, mit
ihren Kindern aus dem von der Roten Armee umzingelten
Berlin auszufliegen, und das mit der Begründung: Meine
Kinder waren für das deutsche Volk bestimmt.
Oder: Würden Sie meinen, dass der Jesuitenpater Rupert
Lay ethisch gut gehandelt hat, als er bei einer Gesellschafterversammlung auf die Frage des Vorstandsvorsitzenden
„Finden Sie, dass Adolf Hitler böse war?!“ sagte: „Es steht
mir nicht zu, das zu beurteilen.“ Und auf die ergänzende
Frage: „Finden Sie, dass Saddam Hussein böse war?!“ ebenso
antwortete.
Welche Ethiken mögen hinter dem Verhalten von Frau
Goebbels oder dem des Jesuitenpaters stehen?
Oder: Stellen Sie sich einmal vor, Sie würden als Christ im
Kriegseinsatz gegen Partisanen einem Exekutionskommando zugeteilt werden. Und Ihr Offizier stellt Sie
vor folgende Wahl: Wenn Sie bereit sind, einen der zehn zu
Exekutierenden eigenhändig zu erschießen, so werden die
neun anderen frei gehen. Wenn nicht, dann werden alle zehn
erschossen. Was wäre Ihre pragmatische, was Ihre ethisch
verantwortete Entscheidung? Vor dieses Dilemma ist im
letzten Weltkrieg ein junger angehender Priester gestellt
worden. Er hat seine Entscheidung aufgrund seines
christlich-ethischen Wertesystems getroffen, das ihm
verbietet, einen Menschen zu töten.
Ich möchte Ihnen einen gedanklichen Weg zu den
Entscheidungen in den vier extremen Beispielen anbieten:
Wollen wir das Böse vermeiden und das Gute erreichen,
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müssen wir uns in einem Gemeinwesen in unserem Denken
und Tun nach dem ausrichten, was wir gemeinsam als
oberstes zu schützendes Gut anerkennen.
Dieses zu definieren ist Aufgabe der Ethik. Sie klärt das
Wozu unserer Gesinnungen und Handlungen.
Und sie hilft uns zu unterscheiden zwischen gut und böse.
Die Ethik hilft uns entscheiden, ob Frau Goebbels, Adolf
Hitler, Saddam Hussein böse oder gut gehandelt haben?
Was können nun die obersten ethischen Güter eines
Managers, einer Frau Goebbels, eines Jesuiten Lay oder eines
christlichen Soldaten sein?
Das oberste ethische Gut
Wollen wir mit dem Manager beginnen und annehmen, es
handle sich bei ihm um einen deutschen Bürger. „Die Würde
des Menschen ist unantastbar“ steht im Art.1,1 des
Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland zu lesen
und stellt somit das oberste zu schützende Gut dieser
Republik dar. Wenn wir diesen Satz entschlüsseln wollen,
so ist es hilfreich, den Ideengeber Immanuel Kant zu Rate
zu ziehen. Als Vorlage für Art.1 diente nämlich sein
Imperativ: „Handle so, dass Du Dich selbst und andere niemals
nur als Mittel, sondern immer und gleichzeitig auch als Zweck
behandelst.“
Im Alltag lässt sich dieser Satz schnell und einfach
runterbrechen und auch seine Einhaltung leicht beobachten:
Werden die Mitarbeiter rein instrumentalisiert und nicht als
Mensch behandelt wird. Wird ihnen die Schließung der
Firma lapidar mitgeteilt oder wird ihnen in ihrem Leid
geholfen, so wie es derzeit die Firma Infineon bei der
Schließung ihres Werkes Perlach in München tut. Ein
Psychologenteam unterstützt die Betroffenen darin, die
traumatischen Phasen zu verstehen und aufzuarbeiten: das
Erkennen der Schock-Phase und der darauf folgenden
Aggression. Üblicherweise werden Mitarbeiter darin allein
gelassen. Bei Infineon durften wir mit den SchockiertenAggressiven gemeinsam in eine dritte Phase gehen und
deren Trauer aufarbeiten um danach gemeinsam neue
Perspektiven zu erarbeiten. Diese Menschen wurden nicht
nur instrumentalisiert, sondern in einer der schwersten
Stunden als Menschen behandelt. Wer hingegen Menschen
nur als Mittel (hire and fire) behandelt, der ist – zumindest
in Deutschland – Verfassungsbrecher.
Das oberste Gebot der Bundesrepublik Deutschlands ist
die Selbstzwecklichkeit des Menschen.
Das höchste zu Schützende für einen Christen ist „Das
personale Leben“ – auch das des Feindes („Du sollst Deine
Feinde lieben“, wie uns in der Bergpredigt gesagt wurde).
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Der ethische Imperativ dazu lautet: „Handle so, dass Du Dein
eigenes und fremdes personales Leben eher mehrst denn minderst.“
Mit personalem Leben ist menschliches Leben in all seinen
Dimensionen gemeint: Das physische Leben wie das
psychische, das soziale wie das individuelle, das musische
wie das intellektuelle, das religiöse wie das mystische. Das
entsprechende ethische Prinzip ist mit einem Wort Erich
Fromms das der Biophilie. Phil steht für lieben, Bio für Leben.
Ein Mensch, der nach diesem Prinzip seine Handlungen
orientiert, ist also einer, der das Leben liebt, achtet, schützt.
Es ist ein Prinzip, dessen Befolgung unschwer in den Interaktionen eines Menschen auszumachen ist. Und es
ermöglicht einem jeden, seine tägliche Biophilie-Bilanz zu
erstellen. So kann - leichter als bei der Würde - eine
Annäherung an ein Leben erreicht werden, das den Inhalten
der Bergpredigt entspricht, was Sinn und Zweck der
Interaktionen eines Unternehmers sein muss, der human
oder christlich in seiner Selbstdefinition trägt.
Im Faschismus ist der Staat das oberste ethische Gut, den
es vor den im Staat lebenden Menschen zu schützen gilt.
Frau Goebbels handelte in diesem Sinne ethisch gut. Nicht
jedoch nach einer christlichen Ethik oder auch nicht im Sinne
der Ethik Kants.
Was hat dieses Beispiel mit Unternehmen zu tun? Manager
können sich die Frage stellen, ob der Erhalt des
Unternehmens über die darin lebenden Menschen zu stellen
ist. In diesem eindimensionalen Sinne wären sie
als faschistoid zu bezeichnen. Das oberste Gut eines
faschistoiden Unternehmens ist Erhalt und Expansion des
Unternehmens, nicht berücksichtigend die Werte, Interessen,
Bedürfnisse und Erwartungen seiner Mitarbeiter.
Braucht Wirtschaft Ethik?
Drei Positionen beherrschen die aktuelle Diskussion: Die
Vertreter der Neoklassik vertreten folgende zwei Positionen:
1. Wirtschaftsethik ist nicht nur überflüssig, sondern
schädlich
2. Wirtschaftsethik ist zwar nicht schädlich, aber
überflüssig.
Beiden gemeinsam ist also die Ansicht, dass Ethik in der
Wirtschaft überflüssig ist. Warum? Weil in einer
marktwirtschaftlichen Ordnung die Unternehmen über
Konkurrenzmechanismen gezwungen werden sollen,
effizient zu produzieren und Gewinne zu erwirtschaften –
und sonst nichts.
Der Wettbewerb zwinge die Unternehmer schon von außen
zu fairem Verhalten gegenüber den Mitarbeitern und der
Umwelt. Dieser Wettbewerbsoptimismus ist
realitätsabgelöst. Aus Platz- und Trivialitätsgründen
verzichten wir auf Begründung und Beispiele zur
Verdeutlichung.
Die Vertreter der erwähnten dritten Position gehen von
folgender Überlegung aus: Der Bestand eines
Unternehmens hängt nicht nur von seiner Marktposition
ab, sondern auch von seinen Mitarbeitern und deren
Einstellung zum Unternehmen. Diese Einstellungen sind
aber notwendig ethisch zu orientieren und können nicht
bloß dem Eigennutz eines Unternehmens entspringen.
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Braucht Ethik Philosophie?
Menschen wollen Orientierung. Wer ist dazu heute in der
Lage, diese zu geben? Ist es die Schule, ist es die „Schule der
Nation“ – das Militär, die Religion, die Kirche, das
Elternhaus, sind es die Massenmedien oder gar die
Politiker? Welche Rolle übernehmen dabei die Konzerne
mit ihren Firmenphilosophien, ihren „Visions – Missions
– Goals“, ihren mitunter klar definierten und in Leitbilder
gegossenen Wertekatalogen? Können politische Parteien
und die Kirche mit ihren Programmen da noch mit- und
dagegenhalten? Oder wird das Spiel um die res publica
zwischen NGOs, politikverdrossenen politischen Menschen
und der Macht der Konzerne gespielt werden? Wo sind die,
die „die Weisheit lieben“, die philosophisch denkenden
Menschen. Im Wort Philosophie steht Phil für lieben, sophie
für Weisheit. Die sogenannten Weisen sind jene, die über
ein entwickeltes Lebenswissen verfügen, das sie in
Entscheidungssituationen über Normen und Regeln für
sich und andere praktisch machen. Philosophen sind die,
die das allgemeine Bewusstsein denkend begleiten und zur
Sprache bringen.
Wenn Manager, traditionelle Politiker und Mitarbeiter von
Kirchen weiterhin im Spiel um die Macht – also die Fähigkeit,
zu gestalten - spielberechtigt bleiben wollen, werden sie nicht
umhin kommen, als sich mit Philosophie und Ethik
auseinander zu setzen. Um neben dem „Warum wir etwas
tun“ - dem meist pragmatischen Auslöser - auch den Sinn
und Zweck erklären zu können – das „Wozu wir etwas
tun“.
Was ist der Sinn unserer Arbeit, was der Sinn unserer
Produkte und Dienstleistungen, was der Sinn unseres
Unternehmens, was der Sinn unserer Gemeinschaft, was
der Sinn unserer Institution.
Oder mit Nietzsche gesprochen: „Wer das Wozu kennt, der ist
bereit zu fast jedem Wie.“
Geht es nicht auch ohne Ethik?
Nicht wenige vertreten die Ansicht, dass es doch ganz einfach
ausreicht, dass am Ende unserer Taten Gutes herauskommt.
Was haben wir davon, wenn wir - fein durchdacht - Gutes
zu tun beabsichtigen, Schlechtes jedoch dabei herauskommt?
Man könnte das noch – mit Erich Kästner – verstärken:
„Gut ist das Gegenteil von gut gemeint.“
Dem wird von anderen entgegnet, dass das gute Resultat
jedoch, das trotz schlechter Absichten zufällig erreicht
worden ist, ethisch auch nicht zu vertreten ist.
Es wird wohl so sein, dass die reine Gesinnung ohne Tun
allein nicht ausreicht, wie auch das Handeln ohne
Wertegefüge nicht genügt, um fest zu machen, was gut ist.
Das Ethisch-Gute kann also weder vom beabsichtigten Ziel
her, wie es eine Gesinnungsethik will, noch vom erreichten,
wie es eine Handlungsethik möchte, widerspruchsfrei
bestimmt werden.
Das Ethisch-Gute bedarf wohl eines „Sowohl-als-auch“:
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Das Edle benötigt das Heilige,
das Ziel bedarf des obersten zu Schützenden,
das „Du sollst“ braucht das „Du Mußt“,
um stabil zu sein.
Das bedeutet jedoch nicht, daß dem ethisch-gut Handelnden
stets der angestrebte Erfolg sicher sein könnte. Keine
ethische Absicht kann eine Erfolgshaftung übernehmen.
„Gut gemeint ist kein Garant für gut.“
Manager oder Führungskraft –
„Die ethische Differenz“
Ein Angebot zur Unterscheidung von Führung und
Management:
Diese beiden Begriffe Management und Führung werden in
Literatur wie Praxis häufig gleichgesetzt. Diese BegriffsIdentität wird auch von Prof. Malik vom
Managementcentrum St. Gallen verwendet. Inhaber anderer
Lehrstühle zum Thema Unternehmensführung wie auch
eine Vielzahl von Managern, Führungskräften,
Unternehmensführern verwenden in wachsender Zahl die
Begriffe Management und Führung und artverwandte Begriffe
differenzierter:
Management versus Leadership
Management versus Führung
Entrepreneurship versus Führung und Management
Personales Führen versus funktionales Managen
Berücksichtigung der Würde des Menschen versus
instrumentelles Verwenden von MitarbeiterInne.n
Rupert Lay:
Ethik für Manager
Peter Gruber:
Gewinnen können
statt siegen müssen
In Unternehmeskultur-Projekten ist Konsens über die
Verwendung dieser tragenden Begriffe zu erzielen.
Malik sieht die Kernaufgaben von Management (=
Führung) im Organisieren, Ziele setzen, Kontrollieren, Messen,
Beurteilen, Entscheiden, Fördern und Entwickeln.
Er klammert Information, Kommunikation und
Motivation bewusst aus. Er stuft Kommunikation als
Medium ein, als Instrument. Vor allem zum Thema
Kommunikation vertreten wir eine konträre Position.
Kommunikation ist nicht nur funktionales Medium
(das ist sie auch)
sondern darüber hinausgehend die oberste menschliche
Aufgabe einer Führungskraft.
Wie sollte z.B. Angst im Unternehmen reduziert werden,
ohne dass man Kommunikation als zentrale
Führungsaufgabe sieht?
Wie sollte es gelingen Vertrauen zwischen Menschen zu
etablieren und zu entwickeln, wenn man sich auf das
Organisieren, Ziele setzen, ...Entscheiden beschränkt? Malik
verkürzt Führung in seine funktionale ManagementDimension.
Mittels Management-Methoden kann zur Angstreduktion
bzw. zum Aufbau von Vertrauensfeldern höchstens peripher
bzw. marginal beigetragen werden.
Um ein alternatives Orientierungsangebot zu Managementdominierten Denkmodellen zu geben, erlaube ich mir, Ihnen
folgende Gegenüberstellungen anzubieten:
Kern- Aufgaben von Managern
Funktionale Dimensionen
Kern-Aufgaben von Führungskräften
Psycho-sozial-ethische Dimensionen
Ziele setzen
Organisieren
Kontrollieren
Fertigkeiten an Arbeiten beurteilen
Entscheiden
Projekte entwickeln
Visionen & Sinn entwickeln
Ängste abbauen
Vertrauen aufbauen
Fähigkeiten im Verhalten wertfrei beurteilen
Konflikte lösen
Menschen fördern, entwickeln, entfalten, fordern
Wesentlich ist noch klarzustellen, dass es Führungskräften „nicht schadet“, wenn sie die Aufgaben
der Manager auch erfüllen. Führungskräfte sind Manager, die fähig sind, die funktionale Dimension
um die psychosozial-ethische zu erweitern.
Mag. Peter Gruber
arbeitet als Unternehmensberater in den Feldern Unternehmenskultur, Unternehmens- und
Persönlichkeits- Diagnostik und Dialektik. An Schweizer und österreichischen Hochschulen lehrt er als
Dozent und Lektor Dialektik, Innerbetriebliche Kommunikation, Unternehmenskultur und
Wirtschaftsethik. An der Sigmund Freud PrivatUniversität lehrt er Betriebe in Grenzsituationen
(Fusionen und Schließungen), Unternehmenskultur und Sozialdiagnostik sowie Dialektik.
Veröffentlichungen: Die Kunst der Aggression, Emotionen und Energien bündeln und beherrschen
(Langen Müller Herbig, 2002). Arabische Ausgabe 2004;
Gewinnen können statt siegen müssen, Die Kunst herrschaftsfreier Problemlösung (Signum, 2003);
Dialektik für Manager von Rupert Lay, Authorisierte Überarbeitung der 20. Aufl. (Signum, 2003)
Kontakt: [email protected]
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