Lixisenatid (Lyxumia®)

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Pharmazeutische Chemie - Lixisenatid
Lixisenatid (Lyxumia
)
Nach Exenatid (Byetta, Bydureon) und Liraglutid (Victoza) steht mit Lixisenatid
(Lyxumia) nunmehr der dritte GLP-1-Rezeptoragonist zur Therapie des Typ-2Diabetes mellitus zur Verfügung (s. Tabelle 1). Lyxumia ist zugelassen in
Kombination mit oralen Antidiabetika und/oder Basalinsulin, sofern durch diese
Medikamente sowie Bewegung und Diät der Blutzucker nicht ausreichend gesenkt
werden kann. Die Therapie beginnt mit einer täglichen Injektion von 10 µg
Lixisenatid, nach 15 Tagen wird die Dosis erhöht, und die Erhaltungsdosis beträgt
dann einmal täglich 20 µg. Die Injektion von Lyxumia erfolgt entweder in der
Stunde vor der ersten Mahlzeit des Tages oder aber in der Stunde vor dem
Abendessen (Fachinformation Lyxumia 2013).
Lixisenatid ist ein GLP-1-Agonist. Das Peptidhormon GLP-1 (glucagon-like peptide 1)
zählt zusammen mit GIP (gastric inhibitory peptide) zu den Inkretinen. GLP-1 wird als
Antwort auf einen Anstieg der Blutglucose-Konzentration von den endokrinen LZellen im Dünndarm produziert und bindet an speziellen GLP-1-Rezeptoren auf den
β-Zellen des Pankreas. Die Bindung von GLP-1 an seinen Rezeptor führt zu einer
Verstärkung der Insulinsekretion (Doyle und Egan 2007).
Arzneistoff
Fertigarzneimittel
Markteinführung
Deutschland
Applikation
Häufigkeit
Applikation
Exenatid
Byetta
2007
subkutan
2 x täglich
Exenatid
Bydureon
2011
subkutan
1 x wöchentlich
Liraglutid
Victoza
2009
subkutan
1 x täglich
Lixisenatid
Lyxumia
2013
subkutan
1 x täglich
Tabelle1:
In Deutschland zugelassene GLP-1-Rezeptoragonisten
Es bietet sich natürlich an, Inkretine bzw. Inkretin-Mimetika zur Behandlung eines
relativen Insulinmangels beim Typ-2-Diabetes mellitus einzusetzen. GIP fördert die
Aufnahme von Fettsäuren sowie die Lipogenese in Adipozyten und kann somit zu
einer Gewichtszunahme führen. Zudem scheinen die glykämischen Effekte von GIP
bei Typ-2-Diabetikern verringert zu sein, so dass man sich bei der Entwicklung von
Inkretin-Mimetika schon frühzeitig auf GLP-1 fokussierte (Pratley und Gilbert 2008,
Brubaker 2010, Olokoba et al. 2012). Allerdings wird GLP-1 durch die u.a. im
Gefäßendothel vorkommende Dipeptidylpeptidase 4 (DPP-4) zu schnell inaktiviert,
als dass es therapeutisch eingesetzt werden könnte. Nach subkutaner Injektion
erreichen nur 10 % aktives, nicht abgebautes GLP-1 das Plasma (Deacon et al.
1995), und die Halbwertszeit von intravenös appliziertem GLP-1 liegt im Bereich von
ein bis zwei Minuten (Deacon 2000 und 2004, Mentlein 2009, Werner et al. 2010,
Olokoba et al. 2012).
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Hier haben sich orale DPP-4-Inhibitoren wie Sitagliptin (Januvia, Xelevia),
Saxagliptin (Onglyza), Vildagliptin (Galvus) und Linagliptin (Trajenta, s. Neue
Arzneistoffe 2011 → Linagliptin) als indirekte Inkretin-Mimetika etabliert. Sie hemmen
den GLP-1- sowie den GIP-Abbau, führen zu einem Anstieg der InkretinPlasmakonzentration und verstärken so die Inkretinwirkung (Nicholson und Hall
2011).
Eine andere Möglichkeit, die Instabilität des physiologischen GLP-1 zu umgehen,
besteht in der Entwicklung direkter Inkretin-Mimetika, d.h. GLP-1-Agonisten, die eine
wesentlich höhere Stabilität aufweisen.
Das inaktive GLP-1 ist ein Polypeptid bestehend aus 37 Aminosäuren (GLP-1(1-37).
Zur Aktivierung werden N-terminal sechs Aminosäuren abgespalten, so dass letztlich
zwei pharmakologisch wirksame und gleiche Aktivität aufweisende, aktive GLP-1Strukturen im Plasma vorkommen - das mengenmäßig dominierende Amid GLP-1(736-Amid) sowie GLP-1(7-37) mit 31 Aminosäuren. Bei GLP-1(7-36-Amid) liegt die
freie Carbonsäure des carboxyterminalen Arginins maskiert als Carbonsäureamid (CONH2) vor, GLP-1(7-37) trägt zusätzlich ein carboxyterminales Glycin (Abbildungen
2a und 2b) (Holst 2007).
Die DPP-4 katalysiert die N-terminale Abspaltung eines Dipeptids aus den aktiven
GLP-1-Formen. Die DPP-4 bevorzugt solche Peptide, die an Position 2 des Nterminalen Endes ein Alanin (oder ein Prolin) enthalten, was sowohl bei GLP-1(7-37)
als auch bei GLP-1(7-36-Amid) der Fall ist (Abbildung 1) (Mentlein et al. 1993,
Havale und Pal 2009).
Dipeptidylpeptidase-4
His
Ala
Glu
Gly
Thr
Phe
Thr
Ser
Asp
Val
N-Terminus
Ser
Lys
Ala
Ala
Gln
Trp
Leu
Gly
Glu
Leu
Tyr
Ser
Arg
Gly
Arg
Gly
Glu
Phe
Ile
Ala
Val
C-Terminus
Abbildung 1:
Inaktivierung des GLP-1(7-37) durch die DPP-4,
Angriff an einem Alanin und Abspaltung eines N-terminalen Dipeptids
(nach Havale und Pal 2009)
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Der erste GLP-1-Agonist, der zugelassen wurde, war Exenatid (Byetta) im Jahr
2007. In 2011 folgte mit dem FAM Bydureon eine Depotform von Exenatid.
Exenatid kommt natürlich als Exenidin-4 im Gift von Heloderma suspectum, einer
Krustenechse, vor. Allerdings wird Exenatid durch Festphasensynthese mit
anschließender Aufreinigung synthetisch gewonnen. Das Polypeptid bestehend aus
39 Aminosäuren zeigt eine 53%-ige Homologie zu GLP-1(7-37). Es besitzt am NTerminus anstelle eines Alanins ein Glycin (Position 8), der Abbau durch die DPP-4
wird dadurch erschwert. Die C-terminale Carbonsäure des abschließenden Serins
liegt als Carbonsäureamid vor. Nach i.v.-Applikation wird eine Halbwertszeit von 26
Minuten beobachtet, nach subkutaner Injektion beträgt sie 2,4 Stunden. Das
auffälligste Unterscheidungsmerkmal zu GLP-1 ist die zusätzliche, neun
Aminosäuren umfassende C-terminale Sequenz. Die Entfernung dieses C-Terminus
reduziert die Aktivität drastisch, allerdings scheint diese Sequenz nicht an der
Bindung am GLP-1-Rezeptor beteiligt zu sein (Abbildungen 2a und 2b) (Furman
2012, Parkes et al. 2013).
Liraglutid (Victoza) war in 2009 der zweite Vertreter aus dieser Arzneistoffklasse,
der in Deutschland zugelassen wurde. Es besteht aus 32 Aminosäuren und wird
gentechnisch in Saccharomyces cerevisiae hergestellt und ist quasi ein modifiziertes
GLP-1 mit 97%iger Homologie zu GLP-1(7-37) (Liraglutid = N26-(Hexadecanoyl-γglutamyl)-[34-arginin]GLP-1-(7-37)-peptid). 36 von 37 Aminosäuren sind beim
Liraglutid identisch zum natürlichen Hormon, lediglich an Position 34 ist die
Aminosäure Lysin durch Arginin ersetzt. Zusätzlich hat man an der Seitenkette des
Lysins an Position 26 ein Glutamin mit einer C16-Fettsäure eingeführt, was zu einer
deutlich verlängerten Wirkdauer von Liraglutid führt. Dies kommt dadurch zustande,
dass die Fettsäure eine stärkere, reversible Bindung an Plasmaalbumin und damit
eine verringerte Absorption und Clearance bedingt. Zusätzlich bildet Liraglutid an der
Injektionsstelle Selbstassoziate (Heptamere). Daneben muss aber auch noch
erwähnt werden, dass diese strukturellen Modifikationen einen langsameren Abbau
durch die DPP-4 hervorrufen. Die Halbwertszeit nach subkutaner Injektion liegt bei
13 Stunden. Nach i.v.-Applikation liegt sie bei 8 Stunden (vgl: natürliches GLP-1: 1-2
Minuten; Exenatid: 26 Minuten) (Abbildungen 2a und 2b) (Rossi und Nicolucci 2009,
Bode 2011).
7
37
GLP-1(7-37)
H2N-H A E G T F T S D V S S Y L E G Q A A K E F I A W L V K G R G-COOH
H2N-H A E G T F T S D V S S Y L E G Q A A K E F I A W L V K G R-CONH2
GLP-1(7-36-Amid)
E
Liraglutid
H2N-H A E G T F T S D V S S Y L E G Q A A K E F I A W L V R G R G-COOH
Exenatid
H2N-H G E G T F T S D L S KQ M E E E A V R L F I E W L K N G G P S S G A P P P S-CONH2
H2N-H G E G T F T S D L S KQ M E E E A V R L F I E W L K N G G P S S G A P P S K K K K K K-CONH2
Strukturunterschiede
GLP-1(7-36-Amid) zu
GLP-1(7-37)
Abbildung 2a:
Strukturunterschiede
Lixisenatid zu
Exenatid
Lixisenatid
Strukturunterschiede
Exenatid, Liraglutid und
Lixisenatid zu GLP-1(7-37)
Aminosäuresequenzen der aktiven GLP-1-Formen sowie der bisher zugelassenen GLP-1-Agonisten (Aminosäuren sind mit Einbuchstaben-Code
angegeben) (nach Werner et al. 2010).
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7
7
His
H2N
Ala
Glu
Gly
Thr
Phe
Thr
Ser
His
H2N
Asp
Ala
Glu
Thr
Gly
Phe
Thr
Asp
Ser
Val
Val
Ser
Ser
Lys
Ala
Gln
Ala
Gly
Leu
Glu
Tyr
Lys
Ser
Ala
Gly
Gln
Glu
Leu
Ser
Tyr
Glu
Glu
Phe
Ile
Ala
Trp
Leu
Val
Lys
Gly
36
37
Arg
Gly
Phe
36
Ile
COOH
Ala
7
His
Trp
Leu
Val
Lys
Gly
Arg
Thr
Ser
CONH2
GLP-1(7-36-Amid)
GLP-1(7-37)
H2N
Ala
7
Gly
Glu
Thr
Gly
Phe
Thr
Ser
Asp
His
H2N
Ala
Glu
Gly
Thr
Phe
Asp
Leu
Val
Glu
Ser
Arg
Val
Ala
Glu
Glu
Glu
Met
Gln
Lys
Ser
Lys
Leu
Glu
Phe
Glu
Trp
Leu
Lys
Asp
Gly
Gly
Ala
Gln
Gly
Glu
Pro
Ala
Trp
Leu
Val
Arg
Leu
Tyr
Ser
26
Phe
37
Ile
Ala
34
Ile
37
Gly
Arg
Gly
COOH
Ser
Liraglutid
H2NOC
45
44
43
Ser
Pro
Pro
Ser
Pro
Ala
Gly
Exenatid
7
His
H2N
Gly
Glu
Gly
Thr
Phe
Thr
Ser
Asp
Leu
Ser
Arg
Val
Ala
Glu
Glu
Glu
Met
Gln
Strukturunterschiede
Exenatid, Liraglutid und
Lixisenatid zu GLP-1(7-37)
Lys
Leu
Phe
37
Glu
Ile
Trp
Leu
Lys
Asp
Gly
Gly
Pro
Ser
H2NOC
Lys
Lys
Lys
Lys
Lys
45
44
43
Lys
Ser
Pro
Strukturunterschiede
GLP-1(7-36-Amid) zu
GLP-1(7-37)
Strukturunterschiede
Lixisenatid zu
Exenatid
Ser
Pro
Ala
Gly
Lixisenatid
Abbildung 2b:
Aminosäuresequenzen der aktiven GLP-1-Formen sowie der bisher zugelassenen GLP-1-Agonisten (Aminosäuren sind mit Dreibuchstaben-Code
angegeben) (nach Werner et al. 2010).
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Der neue GLP-1-Agonist Lixisenatid zeigt große strukturelle Ähnlichkeit zu Exenatid
bzw. Exenidin-4 und wird wie Exenatid ebenfalls synthetisch hergestellt. Das
Polypeptid besteht aus 44 Aminosäuren, der gesamte N-terminale Anteil beginnend
von Histidin-7 bis zu Prolin-43 ist identisch mit Exenatid (Abbildung 2). Die Cterminalen Modifikationen beinhalten den Austausch eines Prolins beim Exenatid
durch ein Serin beim Lixisenatid an Position 44 sowie die Verlängerung des CTerminus um sechs Lysine. Die freie Carbonsäure des abschließenden Lysins liegt
als Carbonsäureamid vor (Abbildungen 2 a und 2b). Die C-terminalen Modifikationen
zusammen mit dem auch beim Exenatid erfolgten N-terminalen Austausch von
Alanin an Position 8 des GLP-1 durch ein Glycin erschweren den Abbau durch die
DPP-4. Die Halbwertszeit des Lixisenatids beträgt nach wiederholter Applikation ca.
3 Stunden (subkutane Applikation) (Barnett 2011). Lixisenatid wird demzufolge
zusammen mit Exenatid als kurzwirksamer GLP-1-Agonist eingestuft im Gegensatz
zum langwirksamen GLP-1-Agonisten Liraglutid (Tabelle 2) (Barnett 2011).
Tabelle 2:
GLP-1-Agonist
Halbwertszeit / h
(subkutane Applikation)
Exenatid
2,4
Liraglutid
13
Lixisenatid
3
Halbwertszeiten der zugelassenen GLP-1-Agonisten
Trotz dieser kurzen Halbwertszeit wird Lixisenatid nur einmal täglich appliziert, was
mit seiner starken Bindung an den GLP-1-Rezeptor erklärt werden kann. RezeptorBindungsstudien haben gezeigt, dass Lixisenatid ca. viermal stärker an GLP-1Rezeptor bindet als das physiologische GLP-1 (Thorkildsen et al. 2003, Barnett
2011).
Literatur:
Barnett, A.H. Core Evid 2011, 6,67
Bode, B. Am J Manag Care 2011, 17(2 Suppl), S59
Brubaker, P.L. Endocrinology 2010, 151, 1984
Deacon, C.F. et al. Diabetes 1995, 44, 1126
Deacon, C.F. et al. J Clin Endocrinol Metab 2000, 85, 3575
Deacon, C.F. Horm Metab Res 2004, 36, 761
Doyle, M.E. und Egan, J.M. Pharmacol Ther 2007, 113, 546
Fachinformation Lyxumia 2013 Sanofi-Aventis Groupe
Furman, B.L. Toxicon 2012, 59, 464
Havale, S.H. und Pal, M. Bioorg Med Chem 2009, 17, 1783
Holst, J.J. Physiol Rev 2007, 87, 1409
Mentlein, R. et al. Eur J Biochem 1993, 214, 829
Mentlein, R. Best Pract Res Clin Endocrinol Metab 2009, 23, 443
5
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Nicholson, G. und Hall, G.M. Br J Anaesth 2011, 107, 65
Olokoba, A.B. et al. Oman Med J 2012, 27, 269
Parkes, D.G. et al. Expert Opin Drug Discov 2013, 8, 219
Pratley, R.E. und Gilbert, M. Rev Diabet Stud 2008, 5, 73
Rossi, M.C. und Nicolucci, A. Acta Biomed 2009, 80, 93
Thorkildsen, C. et al. J Pharmacol Exp Ther 2003, 307, 490
Werner, U. et al. Regul Pept 2010, 164, 58
6
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