Semantische Netzwerke Zur Erklärung der kognitiven Vorgänge bei der Nutzung einer Website lassen sich Netzwerkmodelle heranziehen, da Menschen das Bedürfnis haben, Objekte der sinnlichen Wahrnehmung und der Gedankenwelt zu kategorisieren. Netzwerkmodelle beschreiben die Form und den Ablauf der Speicherung von Informationen. Mit diesen Modellen können vorhandene Wissensstrukturen, ihr Zustandekommen und ihre Veränderungen veranschaulicht werden. Diese Wissensstrukturen können auf diese Weise verdeutlichen, welche Assoziationen im Bezug auf ein Objekt vorliegen und wie sie miteinander zusammenhängen. Ein so genanntes semantisches Netzwerk besteht aus Objekten und deren Verbindungen. Die Objekte sind die Darstellung faktischen Wissens und bilden Eigenschaften, Begriffe oder Ereignisse ab. Die Verbindungen weisen auf Beziehungen und Assoziationen zwischen den Objekten hin. Aus den Verbindungen von Objekten ergeben sich Wissensstrukturen. Die Bedeutung eines Objekts ergibt sich aus der Stellung im Netzwerk, also Art und Anzahl der Verbindungen. Ein Gedächtnisinhalt besteht beispielsweise aus einem Gegenstand mit spezifischen Eigenschaften wie: Ein Auto kann fahren. Jede Eigenschaft existiert innerhalb des Netzwerkes nur einmal, ebenso müssen die Verbindungen eindeutig sein. So werden mit dem Begriff Auto verschiedene Automarken assoziiert, denen wiederum unterschiedliche Eigenschaften zugeordnet werden. In diesem semantischen Netzwerk werden die Beziehungen der Objekte zueinander abgebildet. Aus dem Gefüge können Rückschlüsse über Gemeinsamkeiten, Unterschiede oder Ähnlichkeiten gewonnen werden. Die Stärke der Assoziationen wird durch die räumliche Nähe oder die Stärke der Verbindungen ausgedrückt. So ist die Eigenschaft "deutsch" stärker als die Eigenschaft "komfortabel". Das Unternehmen erhält durch ein semantisches Netzwerk einen Eindruck, wie das Produkt im Bewusstsein des Kunden positioniert ist, welche Eigenschaften wichtiger, welche weniger wichtig sind. Sie bieten nicht nur Differenzierungsmöglichkeiten gegenüber Konkurrenzangeboten, sondern zeigen Erwartungen hinsichtlich der Eigenschaften auf. Für die Gestaltung einer Website können semantische Netzwerke auf verschiedenen Ebenen eingesetzt werden: 1. als Abbildung der Assoziationen bezüglich der gesamten Branche. Hinsichtlich einer Branche bestehen immer bestimmte gemeinsame Assoziationen. Wie das Objekt Schokolade immer mit der Assoziation "süß" verbunden wird, wird die Branche Pharma immer mit Forschung in Verbindung gebracht werden. je nach Bedeutung der Assoziation müssen die Eigenschaften auch auf der Website eines Pharmaunternehmens wieder zu finden sein. Andererseits werden Defizite in der Vermittlung von Eigenschaften deutlich. Wenn sich nur die Verbindung zur Genforschung findet, aber der helfende Aspekt fehlt, wird ein Defizit im Branchenimage erkennbar. Das Unternehmen kann auf seiner Website nun ausdrücklich diese Eigenschaft vermitteln. 2. als Abbildung von Produkt- und Unternehmensassoziationen. Bezogen auf einzelne Angebote lassen sich die damit verbundenen Werte und Assoziationen darstellen. Dies kann sowohl für das gesamte Unternehmen geschehen als auch für einzelne Produkte. Die Vielfältigkeit und Bedeutung der Assoziationen kann auch entscheidungsunterstützend wirken, indem deutlich wird, dass eher das Unternehmen oder das Produkt mit den gewünschten Eigenschaften verbunden wird. Entsprechend sollte die Produkt oder die Unternehmens-Site im Mittelpunkt der Internet-Aktivitäten stehen. 3. als Abbildung von Markenassoziationen. Unternehmens- oder Produktmarken sind mit einer Vielzahl von immateriellen und emotionalen Eigenschaften besetzt. Gerade bei einer Fülle von Markenbotschaften lässt sich durch semantische Netze eine Auswahl treffen. Signifikante Erlebnisfaktoren lassen sich so deutlicher darstellen. Gerade das interaktive Markenerlebnis sollte nur mit den wichtigsten Markeneigenschaften arbeiten, damit bei einem User keine Reaktanz entsteht. So kann sich zeigen, dass vom Unternehmen als dominant eingeschätzte Markeneigenschaften eine eher untergeordnete Rolle spielen und der Erlebnischarakter im Netz nicht erfolgreich vermittelt werden könnte. 4. als Grundlage für die Initiierung von Lernprozessen. Durch kognitives Lernen kommt es zu einer Veränderung des semantischen Netzwerkes. Bestehende Objekte werden ergänzt, neue Objekte kommen hinzu, und andere Objekte fallen weg. Gleichzeitig 'beeinflusst das vorhandene Wissen die Aufmerksamkeit und Schnelligkeit des Lernens. Jeder Lernprozess benötigt einen bekannten Anknüpfungspunkt im Gedächtnis. Informationen, die nicht eingeordnet werden können, werden auch nicht gespeichert. Die Speicherung gelingt umso besser, je einfacher die Einordnung in das bestehende Netzwerk möglich ist. So lässt sich auf diese Weise der Erfolg eines Web-Events überprüfen: Nach Durchführung wird evaluiert, ob neue Assoziationen zu den bereits vorhandenen dazugekommen sind oder das semantische Netz unverändert geblieben ist. So bilden semantische Netze eine wirksame Unterstützung bei der Gestaltung von Websites. Sie können sowohl Hinweise auf den erwarteten Content liefern als auch Anregungen für das Design geben, z. B. die Bedeutung der Unternehmens- und Branchenfarben klären. Auch die Struktur der Website kann mit ihrer Hilfe verbessert werden. Wichtige Bereiche sollten von der Homepage aus leicht und direkt zu erreichen sein. Auch hinsichtlich allgemeiner Erwartungen an eine Website besteht ein semantisches Netzwerk, das ermittelt werden kann. Dabei ist aber auch hier zu beachten, dass zielgruppenspezifisch unterschiedliche semantische Netzwerke bestehen. Sie stellen nur ein sinnvolles Hilfsmittel dar, das es erleichtert, die relevanten Ausprägungen der Usability-Kriterien zu ermitteln.