BUSINESSART 4/2014, P.b.b., Erscheinungsort St. Pölten, Verlagspostamt 3100, Zulassungsnummer: 13Z039642M Ö: € 6,20 WAS BRINGT ETHIK? Warum Unternehmen Werte leben. ETHIK IN DER PRAXIS: Szenen aus dem Wirtschaftsalltag. WELTRELIGIONEN: Ihre Gebote für eine verantwortungsvolle Wirtschaft. NACHHALTIGE GESTALTERINNEN 2014: Mit CSR zum Erfolg. UNBEQUEME WAHRHEITEN: Gastkommentar von Fred Luks. Held der Energiewende werden ist super-einfach. Danke, Super-Wasserkraft! Editorial UNTER NEHMENS ETHIK Das Thema kam auf leisen Sohlen – immer wieder tauchte Ethik in Diskussionen oder Publikationen auf. Oft als Basis von CSR (so verstand ich es zumindest immer), manchmal aber auch als „die bessere/richtige/wahrhaftige CSR“. Jetzt muss ich gestehen, dass bei mir eine Art Warnglocke im Ohr bimmelt, wenn ich Worte wie „die richtige“ oder „die wahre“ höre. Zu oft habe ich (glücklicherweise) erfahren, dass es viele Wahrheiten gibt und die meisten Wahrheiten ihre Berechtigung haben. Oder wie es Heinz von Foerster pointiert ausdrückt: „Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners.“ Ein guter Grund also, Unternehmensethik als Schwerpunktthema für diese Ausgabe zu wählen und uns von Barbara Coudenhove erklären zu lassen, warum Unternehmensethik sehr wirksam sein kann. Obwohl – für mich war noch eine zweite Hürde zu überwinden. Ethik klingt unglaublich theoretisch, abstrakt und irgendwie abgehoben. Das ändert sich schlagartig, sobald ganz konkrete ethische Dilemmata angesprochen werden. Dann wird es richtig spannend: Jede Managerin und jeder Manager ist laufend mit ethischen Fragen konfrontiert. Es tut gut zu lesen, dass vieles probiert wird – auch, wenn manches nicht gleich klappt – und wo bereits gute Lösungen gefunden wurden. Hier Film ansehen! Energieträger: Wasserkraft 100 % Stromkennzeichnung gem. § 78 Abs.1 und 2 ElWOG 2010 und Stromkennzeichnungs-VO 2011 für den Zeitraum 1.1.2013 bis 31.12.2013. Durch den vorliegenden Versorgermix fallen weder CO2-Emissionen noch radioaktive Abfälle an. 100 % der Nachweise stammen aus Österreich. * Einmaliger, verbrauchsabhängiger Bonus – max. 4.667 kWh bzw. 350,00 Euro brutto – bezogen auf den Jahresverbrauch und den reinen Energiepreis (exkl. Grundpreis) ohne Netzkosten, Steuern und Abgaben für den Hochtarif des gewählten Produktes bei Erstanmeldung bis 31.1.2015. Anteilige Verrechnung bei einer Belieferungsdauer von unter 12 Monaten. Foto: Herfert Mit sauberem Strom aus Wasserkraft gelingt die Energiewende, weil damit Schwankungen bei Sonnen- und Windkraft flexibel ausgeglichen werden können. Machen auch Sie jetzt die Energiewende. Mehr auf www.verbund.at Über Ethik in der Praxis reden sie nicht nur – sie leben sie auch: die Stars dieser Ausgabe, die Nachhaltigen GestalterInnen 2014. Knapp 50 ExpertInnen haben jene ManagerInnen und Projekte gewählt, die in Österreich entscheidend zu einer nachhaltigeren Wirtschaft beitragen. Über die Top 30 berichten wir. Bei dieser Gelegenheit haben wir auch gefragt, ob sie „nur“ pragmatisch handeln oder ob sie ihre Entscheidungen bewusst auch auf Basis einer ethischen Grundhaltung treffen. Lesen Sie selbst! Das Team der BUSINESSART wünscht Ihnen einen guten Jahresabschluss, ein wunderbares Weihnachtsfest und viel Gesundheit, Erfolg und Glück im neuen Jahr! Roswitha M. Reisinger [email protected] BUSINESSART 04/14 | 3 BIERGENUSS IM ZEICHEN DER NACHHALTIGKEIT Inhalt 03 EDITORIAL 06 WAS BRINGT UNTERNEHMENSETHIK? GRÜNES BRAUEN IN DER STEIERMARK „Wir versuchen natürlich in all unseren Brauereien Initiativen zu setzen, als Leuchtturmprojekt sehen wir derzeit eine unserer Brauereien in der Steiermark: Die Brauerei Göss ist das Paradebeispiel für unser Nachhaltigkeitsengagement“, erzählt Brau Union Österreich Generaldirektor Markus Liebl. Rund 40 % des Wärmebedarfs der Brauerei werden aus der Abwärme des benachbarten Betriebs Mayr-Melnhof gedeckt, 90 % der während des Brauprozesses entstehenden Abwärme werden genutzt, um damit Wasser aufzuheizen. Außerdem wird ein neuartiges Kochsystem während des Brauprozesses verwendet, das dabei hilft, Strom und Wasser zu sparen. Eine neue, rund 1500 Quadratmeter große Solaranlage hilft zusätzlich bei der Gewinnung umweltfreundlicher Energie. Das finale Ziel ist die Umwandlung der Brauerei in einen gänzlich CO2-neutralen Betrieb. PRAXISBEISPIELE 12 WÜRDEVOLLE BILDER VOM ALTERN UND STERBEN WERBEANALYSE 14 LÄSST SICH ETHIK MANAGEN? INTERNATIONALE AUSZEICHNUNG FÜR BESTE NACHHALTIGKEITSKOMMUNIKATION Einmal jährlich vergibt der Heineken-Konzern Kommunikationspreise in fünf Kategorien. Für das beste Nachhaltigkeitsmanagement wurde heuer die PR-Abteilung der Brau Union Österreich für das Schwerpunktprojekt „die grüne Brauerei Göss“ geehrt. Der Preis geht erstmalig nach Österreich, unter 85 Einreichungen aus allen Teilen der Erde wurde die heimische Kommunikationsstrategie zum Sieger gekürt. „Das Projekt Göss ist aus Kommunikationssicht sehr komplex, da die unterschiedlichsten Anspruchsgruppen berücksichtigt werden müssen. Wir haben uns daher intensiv mit Stakeholder Mapping beschäftigt und versucht, die richtigen Botschaften für alle Zielgruppen zu finden. Ich bin stolz, dass das nun auch international anerkannt worden ist“, freut sich Brau Union Österreich Kommunikationsleiterin Gabriela Maria Straka. FACTS Rund 4.800 THL setzt die Brau Union in Österreich in einem Jahr ab – mit dreizehn führenden Biermarken und über 100 Biersorten. Die Brau Union Österreich ist Marktführer und steht sowohl für internationale Premium-Brands wie Heineken, Desperados und Affligem, als auch für nationale Top-Marken wie Gösser oder Zipfer und für regionale Marken wie Puntigamer, Kaiser, Schwechater, Schladminger, Reininghaus oder Wieselburger. Seit 2003 ist die Brau Union Österreich Teil der internationalen Heineken-Familie. www.brauunion.at INTERVIEW MIT PROF. DR. MARKUS SCHOLZ 16 RELIGION & WIRTSCHAFTSETHIK EIN RUNDBLICK 20 IN 7 SCHRITTEN ZUM STRATEGISCHEN SPONSORING METHODE 1 23 DIE ETHIC MAP METHODE 2 24 NACHHALTIGE GESTALTERINNEN 2014 CSR-ERFOLGE Coverillustration: Tom Mackinger Bier ist mehr als nur ein Getränk – Bier ist ein wichtiger Teil der Lebenskultur. Als größtes Brauereiunternehmen Österreichs ist es für die Brau Union Österreich selbstverständlich, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachzukommen. Die österreichische Bierkultur soll in Einklang mit den modernen sozialen und ökologischen Herausforderungen gebracht werden. Vom Feld bis zur Flasche, vom Korn bis zum Kunden, werden Maßnahmen gesetzt, die die Umwelt schützen, Abfälle reduzieren, österreichische Landwirte fördern, die Gesundheit und Sicherheit der Mitarbeiter unterstützen und den bewussten Genuss der vielfältigen Produkte in den Vordergrund stellen. Die Brau Union Österreich konzentriert sich dabei auf Projekte in den Bereichen Energieverbrauch, Reduktion von CO2 , österreichische Rohstoffe, Wasserverbrauch und soziale Verantwortung. 09 SO GEHT ETHIK Coverfoto: Patricia Weisskirchner Genuss ist unsere Tradition. SCHWERPUNKT Foto: Brau Union Österreich HEIMISCHE ROHSTOFFE Für den besonderen Biergenuss setzt die Brau Union Österreich vor allem auf beste heimische Rohstoffe und kontrollierte Qualität. Über 80 % des Malzes werden aus österreichischer Braugerste hergestellt, rund 70 % des verwendeten Hopfens stammen ebenfalls aus Österreich. Das Brauwasser stammt zur Gänze aus geschützten Quellen, ebenso wie die Hefe, die unter höchsten hygienischen Bedingungen vermehrt wird. Mit dem Zurückgreifen auf lokale Lieferanten und Anbieter soll Kunden und Konsumenten einerseits die beste Qualität angeboten werden, andererseits soll aber auch sichergestellt sein, dass durch kurze Liefer- und Transportwege die Umwelt geschont und österreichische Arbeitsplätze erhalten werden. Entgeltliche Einschaltung BRAU UNION ÖSTERREICH SETZT AUF UMWELTFREUNDLICHE PRODUKTION 32 KONSEQUENTE SYSTEME RAHMENBEDINGUNGEN 2014 33 IMPRESSUM 34 UNBEQUEME WAHRHEITEN GASTKOMMENTAR VON DR. FRED LUKS BUSINESSART 04/14 | 5 UNTER NEHMENS ETHIK Schwerpunkt WAS BRINGT DAS? ein gutes oder gerechtes Zusammenleben ist. Offenbar muss man also darüber nachdenken, was gut ist – und es begründen. Das war die Geburtsstunde der Ethik im heutigen Verständnis. Der Moralbegriff spielt in der Ethik eine entscheidende Rolle. Ethik reflektiert die Moral – und zwar kritisch. Nicht alles, was als moralisch richtig gilt, ist auch gut, und sollte daher hinterfragt bzw. sogar revidiert werden. Während Moral mit dem Sein zu tun hat, geht es der Ethik um das Sollen. BEGRIFFSVERWIRRUNG ZWISCHEN ETHIK UND MORAL ZUNEHMENDE FORDERUNG NACH ETHIK IN DER WIRTSCHAFT Ethik hilft, Antworten auf diese Fragen zu finden. Um zu verstehen wie, ist es wichtig, die grundlegenden Begriffe zu kennen, denn die ersten Schwierigkeiten tauchen auf, wenn etwas als ethisch oder moralisch bezeichnet wird, nach dem Motto: eines der beiden wird schon passen. Ethik und Moral bedeuteten ursprünglich mehr oder weniger dasselbe: einen Ort, an dem bestimmte Gewohnheiten gelten, die guten Sitten in einer Gesellschaft. Mit der Zeit stellte man aber fest, dass das, was faktisch für eine gute Sitte gehalten wird, nicht unbedingt gut für Gerade in der Wirtschaft erlebt Ethik heute eine Renaissance. Kaum ein Tag vergeht, an dem von Unternehmen oder deren ManagerInnen nicht ethisch richtiges Verhalten eingefordert wird. Das hat gute Gründe: Wirtschaftsskandale, die wachsende Ungleichheit von Einkommen, das Faktum, dass Arbeit nicht mehr automatisch ein Auskommen sichert, Globalisierung, Klimawandel, Umweltverschmutzung, Bevölkerungswachstum – und der ganze Rattenschwanz an komplexen Auswirkungen dieser Phänomene. 6 | BUSINESSART 04/14 Foto: istockphoto.com/PeskyMonkey „Wer A sagt, muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war.“ Berthold Brecht bringt auf den Punkt, was mit Ethik gemeint ist. Es geht um Reflexion. Auch wenn vielen Ethik als abstrakt und nicht unbedingt alltagstauglich erscheint: Die meisten von uns betreiben jeden Tag Ethik. Einfach, indem wir uns die Frage stellen „Wie soll ich handeln?“, „Wie soll ich mich in gewissen Situationen richtig oder verantwortlich, gerecht und fair verhalten?“. Gleichzeitig müssen wir unser Handeln auch immer wieder rechtfertigen und werden gefragt: „Wieso hast du das getan?“ Grafik: LIGA: graphic design Ethik und Moral. Diese beiden Begriffe machen so manchen ManagerInnen Gänsehaut. Zu unrecht. Ethik hilft, Vertrauen in Unternehmen aufzubauen und macht Entscheidungen effizient. BARBARA COUDENHOVE BUSINESSART 04/14 | 7 Das führt zu einem Gefühl von Ungerechtigkeit und Machtlosigkeit und mündet in ein zunehmendes Misstrauen den Institutionen gegenüber, die das mit zu verantworten haben. Das kann auch schon mal in Wut umschlagen, siehe Occupy Bewegung. Und es führt dazu, sich fundamentale Fragen zu stellen: Was ist fair? Wie soll eine gerechte Verteilung aussehen? Was ist die Rolle der Unternehmen für die Gesellschaft? Das sind ethische Fragen mit Sprengkraft. Sie gehen an die Wurzeln des kapitalistischen Systems, das auf den Paradigmen Wachstum und Profitmaximierung aufbaut – mit denen wir alle groß geworden sind. UNTERSCHIEDLICHE ETHIK-STRÖMUNGEN ALS ANTWORT Im deutschsprachigen Raum versuchen vor allem zwei ethische Strömungen darauf Antworten zu finden: Die integrative Wirtschaftsethik von Peter Ulrich, ehemaliger Leiter des Ethikinstituts der Universität St. Gallen, und der Institutionen-ökonomische Ansatz von Karl Homann, ehemaliger Inhaber des Lehrstuhls Philosophie und Ökonomik der Ludwig-Maximilian-Universität München. Praxisbeispiele lität und Engagement von Führung, MitarbeiterInnen und allen anderen Stakeholdern – das bedeutet nicht mehr oder weniger als die viel zitierte Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens. ETHIK IN UNTERNEHMEN UMSETZEN In den vergangenen Jahren haben viele Unternehmen auf CSR als Strategie gesetzt, um Image und Reputation zu erhöhen und (verlorenes) Vertrauen (wieder) aufzubauen. CSR ist heute in seiner operativen Ausprägung in Form von Reporting, Corporate Citizenship-Programmen, Umweltmanagementsystemen, CSR-Projekten bis hin zu Shared-Value-Strategien ein mächtiges Werkzeug-Set, das Unternehmen bedienen – mal besser, mal schlechter. Das Problem dabei: CSR bleibt oft nur Symptom-Bekämpfung. Wird CSR rein strategisch oder wirtschaftlich motiviert angegangen, fehlt ein wichtiger Teil: die normative Dimension des Sollens, die Beantwortung der Frage „Wie soll ich in meiner Geschäftstätigkeit handeln?“. Diese kommt erst durch Unternehmensethik ins Spiel. SO GEHT ETHIK WERTE ALS ORIENTIERUNGSHILFE ETHIK ALS BASIS FÜR VERTRAUEN IN UNTERNEHMEN Mag. Barbara Coudenhove begleitet Organisationen dabei, ManagementKompetenzen um Ethik- und Wertemanagement zu erweitern und durch strukturierte Reflexionsprozesse effiziente Positionen zu Verantwortung zu entwickeln. www.responsiblemanagement.at. Lange wurden Ethik und Wirtschaft als zwei Welten gesehen, die nichts miteinander zu tun haben. Der Begriff des Ehrbaren Kaufmanns spielte in der boomenden Wirtschaft keine Rolle, Wirtschaftskriminalität, Korruption und ethisches Fehlverhalten führen seit Jahren zu sinkenden Vertrauenswerten in Unternehmen. Das kann fatale Folgen für das Unternehmen haben. Die Bandbreite reicht vom Anrainerprotest über mangelnde Mitarbeitermotivation bis hin zu Reputationsverlust. Wird dem Unternehmen das Vertrauen entzogen, kann es im schlimmsten Fall seine Legitimation am Markt verlieren. Das zeigt: Unternehmen sind kein wertfreier Raum. Zu den zentralen Managementaufgaben gehört nicht nur das Management von materiellen, sondern auch das Management von ideellen, also moralischen, Werten. Sie bilden das Fundament für das notwendige Vertrauen zwischen den Beteiligten innerhalb und außerhalb des Unternehmens. Damit sind sie Voraussetzung für Loya- 8 | BUSINESSART 04/14 Wenn das Unternehmen seine Werte und somit seine Wertvorstellungen kennt, regelmäßig reflektiert – und auch lebt, dann beginnt Ethik, Unternehmensentscheidungen und -prozesse effizient zu machen. Transparenz, soziale Verantwortung, Ehrlichkeit und Fairness schreiben sich Unternehmen gerne auf die Fahnen. Diese Ideale dann auch wirklich bis ins Detail umzusetzen braucht Durchhaltevermögen und manchmal die Fähigkeit, nein zu sagen – Szenen aus dem Alltag der Wirtschaftsethik. SIGRUN SAUNDERSON Werte sind Orientierungen und Verhaltensweisen, die als wichtig, gut und damit erstrebenswert angesehen werden. Sie spielen deshalb eine besondere Rolle für Unternehmen, weil sie die Handlungen und Entscheidungen auch über eine konkrete Situation hinaus beeinflussen – sie bestimmen permanent die unterschwellige Motivation der unternehmerischen Aktivitäten. Vor jeder Management-Entscheidung steht – unbewusst – ein Werturteil. Das sollte allerdings nicht individuell getroffen werden, sondern den gemeinsam bestimmten Werten des Unternehmens folgen. Sie haben damit ein enormes Potenzial zur Risikoprävention aus menschlichen Fehlentscheidungen und bauen Vertrauen und Glaubwürdigkeit nach innen und außen auf. Die entstehende Integrität wird so zu einem unverzichtbaren Wettbewerbsfaktor. DIE FORMEL: ETHISCHE HALTUNG + COMPLIANCE + WERTEMANAGEMENT INKL. CSR = ZUKUNFTSFÄHIGES UNTERNEHMEN Letztlich ist es eine einfache Formel, die zur Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens führt: Eine ethische Haltung als Basis, plus Compliance – also die Beachtung von Gesetzen – plus Wertemanagement, d.h. die Umsetzung der moralischen Werte in allen Prozessen, inklusive CSR. Somit ist Ethik unverzichtbar, damit die Gesellschaft und ihre Systeme – also auch das wirtschaftliche System – erfolgreich funktionieren können. Foto: istockphoto.com/Liuser Homann geht u.a. davon aus, dass nur Institutionen die Rahmenbedingungen für ethisch richtiges Handeln von Unternehmen setzen können, da moralisches Handeln meist zu Nachteilen im Wettbewerb führt. Es braucht also die richtigen Steuerungs- und Anreizsysteme. Peter Ulrich hingegen begreift Ethik als tragende Grundlage legitimen unternehmerischen Erfolgsstrebens: Wer moralisch handelt, baut Reputation auf und wird so auch erfolgreich sein. Profitmaximierung ist aus Ulrichs Sicht unlogisch. Es würde bedeuten, dass alle anderen Marktteilnehmer zu reinen Produktionsfaktoren verkommen. MitarbeiterInnen, LieferantInnen, KundInnen, Umwelt würden als Mittel zum Zweck der Profitmaximierung eingesetzt. Eine ethische Haltung verlangt aber, dass die Rechte aller Stakeholder berücksichtigt werden sollen – und nicht nur vom ökonomischen Eigeninteresse ausgegangen werden kann. Seine Antwort lautet daher: Profitorientierung statt Profitmaximierung. Schauplatz Textilindustrie: Die meisten westlichen Markenhersteller lassen ihre T-Shirts, Hosen, Schuhe und Jacken in China, Indien, Bangladesch oder Kambodscha produzieren. Hier ist die Arbeit billig. Und hier sind die ArbeiterInnen-Rechte mickrig. Wer sich gewerkschaftlich organisiert, fliegt. Und damit Namen wie Adidas, H&M und Gap nicht in den Geruch der Ausbeutung kommen, ist ein schwer durchschaubares weltumspannendes Netz an Zulieferfirmen dazwischengeschaltet, an denen man sich im Zweifelsfall abputzen kann. Wen soll man da zur Verantwortung ziehen für die Massenohnmachtsanfälle in Kambodschas Textilbetrieben? Für schlecht belüftete Produktionsräume, in denen chemische Dämpfe austreten? Für mangelernährte Arbeiterinnen, die dort 70 oder mehr Stunden in der Woche hart arbeiten und ihre Familien dennoch nicht ernähren können? Dass eine solche Unterbezahlung überhaupt möglich ist, liegt nicht nur an den Zulieferfirmen, sondern auch an den Regierungen der einzelnen Länder. Sie legen oft einen extrem niedrigen gesetzlichen Mindestlohn fest, um ausländische Investoren anzuziehen. GETEILTE VERANTWORTUNG Aber die Schuld nur auf „die im Süden“ zu schieben, ist Andrea Reitinger von EZA-Fairer Handel zu einfach: „Für uns ist es wichtig, die Verantwortung zu verteilen. Es genügt nicht, dass westliche Auftraggeber von ihren Lieferanten verlangen, bestimmte Kriterien zu erfüllen. Es müssen auch bei den Auftraggebern die Weichen entsprechend gestellt werden. Davon spricht selten jemand. Das heißt, dass die Besteller zum Beispiel keinen Preis- oder Lieferdruck ausüben.“ Der in der Modebranche übliche Zeitdruck ist nämlich unter anderem dafür verantwortlich, dass die NäherInnen enorme Überstunden machen müssen. Und wenn der europäische oder amerikanische Modehändler bei seinen Lieferanten den Preis drückt, wirkt sich das vor allem auf die Schwächsten in der Kette aus: die ArbeiterInnen. Dass es auch anders geht, beweist EZA Fairer Handel bereits seit beinahe vier Jahrzehnten. In den letzten Jahren verstärkt auch mit einem Angebot an Bekleidung unter der Marke Anukoo. Die Fair-Trade-Importorganisation unterhält Handelsbeziehungen zu rund 160 Organisationen in Lateinamerika, Afrika, Asien und dem Nahen Osten gemäß den von der internationalen World Fair Trade Organisation festgelegten Prinzipien. Statt Profitmaximierung auf Kosten der ProduzentInnen zählen faire Preisgestaltung und Handelspraktiken sowie Transparenz in Produktion und Handel. Das motivierte auch das Modelabel „Göttin des Glücks“ zur Kooperation mit EZA. Das Label bringt anstatt der branchenüblichen sechs neuen Kollektionen pro Jahr nur zwei heraus und gibt sich zugunsten der ArbeiterInnen mit einer niedrigeren Handelsspanne zufrieden. BUSINESSART 04/14 | 9 Diese Verantwortung auch zu den großen westlichen Modehändlern zu tragen, das hat sich die weltweite Clean-Clothes-Kampagne zur Aufgabe gemacht. Die Organisation fordert Europas große Modemarken zum Beispiel dazu auf, sich für existenzsichernde Löhne bei ihren Zulieferern einzusetzen. Wer das tut und in welchem Maß, das können KonsumentInnen auf der Kampagnen-Website nachlesen. Zumindest ein Signal an die Modehändler, dass ihre Praktiken nicht mehr im Dunkeln bleiben. Und für KonsumentInnen eine Entscheidungshilfe beim nächsten Shopping-Exzess … SAUBERE ELEKTRONIK … SCHWIERIG In der Elektronik-Industrie scheint es vergleichsweise beinahe unmöglich zu sein, Produkte nach ethischen Grundsätzen herzustellen. Die Schweizer Organisation „Brot für alle“ veröffentlichte dieses Jahr einen detaillierten Einblick in die Umstände, unter denen Smartphones produziert werden. Auch hier stehen die HANNES MARTSCHIN ES ZÄHLT DIE REDLICHKEIT IN DER KOMMUNIKATION, ZU DER MAN SICH SELBST VERPFLICHTET. – hauptsächlich chinesischen – FarbriksarbeiterInnen unter unmenschlichem Druck und erhalten für bis zu 15 Stunden harter Arbeit täglich einen Lohn, von dem sie meist nicht leben können. Auch „Brot für alle“ trägt die Verantwortung zurück zu den Herstellern: Sie sollen sich für die Bildung von Gewerkschaften einsetzen und von ihren Zulieferern die Bezahlung von Existenzlöhnen verlangen. Im „Ethik-Ranking“ können KonsumentInnen nachlesen, wie die einzelnen Hersteller bei den Kriterien Arbeiterrechte, Umweltschutz und Krisenrohstoffe abschneiden, egal was ihre PR-Broschüren sagen. Dass es auch in dieser Branche etwas Bewegung in Richtung Wirtschaftsethik gibt, beweist das Fairphone, das ein kleines niederländisches Unternehmen heuer auf den Markt gebracht hat. Doch zu wirklich fairen Bedingungen produzieren kann der Hersteller noch nicht. Als kleines Unternehmen muss er sich zunächst in die bestehenden Lieferketten – mit ihren bestehenden Arbeitsbedingungen – eingliedern. Daher verspricht der Hersteller auf seiner Website auch nur, sich für bessere Arbeitsbedingungen vor Ort einzusetzen: „Wir werden mit unseren Produktionspartnern die Bedingungen in den Fabriken bewerten und dann Schritt für Schritt gemeinsam an Verbesserungen arbeiten.“ – Immerhin eine ehrliche Ansage anstatt schönfärberischer PR. 10 | BUSINESSART 04/14 PFUSCH AM BAU Einen Auftrag aus ethischen Gründen abzulehnen ist schwierig, wenn unethische Praktiken einfach zur Branche gehören: Vom Privatpfusch für kleine Häuselbauer über den organisierten Pfusch inklusive Finanzund Sozialversicherungsbetrug bis hin zum Geldkoffer, der unauffällig im Kofferraum des Bürgermeisters landet, um einen Bauauftrag an Land zu ziehen, ist am Bau alles üblich – oder üblich gewesen? „Korruption ist bei uns kein großes Thema, ganz im Gegenteil“, meint Manfred Katzenschlager, Geschäftsführer der Bundesinnung Bau in der Österreichischen Wirtschaftskammer. „Die Baufirmen haben sich strikte Compliance Richtlinien auferlegt, die selbstverständlich auch gegen Korruption ausgerichtet sind. Das ist oft dafür ausschlaggebend, bestimmte Auslandsmärkte nicht zu bearbeiten, bei denen die Usancen nicht mit den gesetzlichen oder firmeninternen Antikorruptionsbestimmungen vereinbar sind.“ Auch andere betrügerische Praktiken konnten in den letzten Jahren durch verschiedene Maßnahmen eingeschränkt werden. Im Kampf gegen den „Pfusch am Bau“ ist die Kommunikation zwischen den Behörden – wie Sozialversicherungen und Finanzpolizei – um einiges besser geworden. Besonders effektiv ist die 2009 eingeführte Auftraggeberhaftung: Der Auftraggeber wird zur Verantwortung gezogen, wenn seine Subunternehmer keine Sozialversicherungsbeiträge oder Lohnsteuer abliefern. Bis dahin war es nämlich häufige Praxis, dass Subunternehmer ihre ArbeitnehmerInnen illegal beschäftigten, um Leistungen möglichst billig anbieten zu können. Bevor sie von den Krankenkassen zur Zahlung aufgefordert werden konnten, gingen solche Unternehmen einfach in die Insolvenz. Zeigen die Maßnahmen Wirkung? „Es gibt heute eklatant weniger Einbußen aufgrund betrügerischer Insolvenzen“, so Katzenschlager. „Seriöse Firmen nehmen die zusätzliche Administration in Kauf, weil dadurch Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden. Denn wenn problemhaftes Verhalten Schule macht, können jene, die anständig bleiben, im Wettbewerb nicht bestehen und müssen zusperren.“ MITMACHEN ODER ZURÜCKZIEHEN? Einer, der schon zweimal nicht mitgemacht hat, ist KR Viktor Wagner, Geschäftsführer der REIWAG Facility Services GmbH. Kurz nachdem sein Unternehmen in der Ukraine einen Auftrag zur Gebäuderenovierung erhalten hatte, wurde der dort verantwortliche Manager mit Schmiergeldforderungen konfrontiert. Als er sich weigerte zu zahlen, wurde ihm nahe gelegt, das Land zu verlassen, da sonst er oder seine Kinder einen Unfall haben würden. „Ich bin dann mit einem Rechtsanwalt zu den Verantwortlichen gegangen“, erzählt Wagner. „Aber auch das hat nichts genützt. Daher haben wir uns aus der Ukraine zurückgezogen.“ Und auch in Ungarn greift die REIWAG inzwischen keine Aufträge mehr an, seit die Schwarzarbeit dort so zugenommen hat. „Wir wollen legal arbeiten und haben 2014 keine Chance mehr gesehen, Geld zu verdienen. Daher haben wir Ungarn verlassen. Für uns war das kein großes Problem. Viel schwieriger ist die Situation für ungarische Kollegen, die korrekt arbeiten wollen. Das ist praktisch unmöglich.“ TRANSPARENZ FÖRDERT INTEGRITÄT Wenn sich eine ganze Branche ethischen Verhaltensregeln unterwirft, wird es leichter für jedes einzelne Unternehmen, sich daran zu halten. Die Kunst- und Antiquitätenhändler bemühen sich geschlossen um eine verantwortliche Unternehmensführung. Auch deshalb, weil immer mehr internationale Richtlinien das vorschreiben. Wer für ein Gemälde oder eine Perlenkette mehr als € 14.900 in bar auf den Tisch legt, muss sich vor dem Händler ausweisen. Das soll verhindern, dass Schwarzgeld durch den An- und Verkauf von Wertgegenständen weißgewaschen wird. Umgekehrt muss der Händler bei jedem Ankauf eines Kunstwerks dessen Herkunft peinlich genau prüfen. „Man kann nicht einfach einen Schiele kaufen, der vielleicht unter das Restitutionsgesetz fällt“, erzählt Alexander Jesina, Obmann des Wiener Fachausschusses der Kunst- und Antiquitätenhändler. Zusätzlicher Bonus: Je genauer der Weg wertvoller Kunstwerke dokumentiert wird, desto unwahrscheinlicher werden Diebstähle, denn dokumentiertes Diebesgut lässt sich kaum verkaufen. Auch die Pharmazeutische Industrie bemüht sich um mehr Transparenz: Im aktuellen Verhaltenscodex verpflichten sich Arzneimittelhersteller dazu, ab 2016 alle Zuwendungen an Ärzte offen zu legen. „Wir beginnen 2015 alle Unterstützungsleistungen systematisch zu dokumentieren“, erzählt Claudia Hajdinyak, Communication Manager bei Pfizer Österreich. Dazu gehören z. B. Tagungsgebühren und Reisekosten im Zusammenhang mit Veranstaltungen. Diese Kosten dürfen Arzneimittelhersteller weiterhin für eingeladene Ärzte übernehmen, solange sie öffentlich dazu stehen. Gleichzeitig verzichten die Unternehmen darauf, Werbehilfsmittel an Ärzte zu verteilen. „Seit Anfang dieses Jahres produzieren wir keine Notizblöcke und Kugelschreiber mehr“, so Hajdinyak. Werbung für ihre Produkte wird es weiterhin geben, allerdings immer schon stark eingeschränkt durch gesetzliche Vorgaben: objektive Darstellung ist Pflicht, übertreiben verboten. Arzneimittel sind schließlich keine Konsumartikel. KEINE LÜGEN, SONDERN AUSGEWÄHLTE WAHRHEITEN Schönfärberei gibt es genug, wenn es darum geht, das eigene Unternehmen als ethisch einwandfrei darzustellen. Lässt sich das aber auch ethisch vertreten? Und wie geht eine Kommunikationsagentur mit dem Thema Ehrlichkeit um? „PR hat in meinen Augen viel Ähnlichkeit mit der Arbeit eines Rechtsanwalts. Beide vertreten die Interessen ihrer Klienten“, meint Hannes Martschin, Geschäftsführer der Wiener PR-Agentur Martschin & Partner. „In der Kommunikationsbranche kann nie alles gesagt werden. Welche Informationen man weitergibt und welche nicht, ist bereits eine strategische Frage.“ Die PR-Branche hat dabei einen strengen ethischen Kodex (Athener Kodex), zu dem sich praktisch alle Agenturen bekennen. Dieser verbietet unter anderem, „die Wahrheit anderen Ansprüchen unterzuordnen“ und sich für Vorhaben einzusetzen, „die gegen die Moral verstoßen“. Was genau moralisch ist und was nicht, ist jedoch auch eine Frage der persönlichen Auslegung. „Rein moralisch zählt für mich die Redlichkeit in der Kommunikation, der man sich selbst verpflichtet“, meint Hannes Martschin. „Das wird in keinen Kodex zu gießen sein.“ Er selbst hat schon Aufträge abgelehnt, die mit seinem persönlichen Ethikverständnis unvereinbar waren. Und für gewisse Bereiche, wie zum Beispiel die Rüstungsindustrie, würde er sich generell nicht einsetzen lassen. SEILTANZ RUND UMS BIER Dabei haben es auch manche Hersteller von Konsumartikeln gar nicht leicht, wenn sie ihre Produkte ethisch einwandfrei bewerben wollen. Einen regelrechten Seiltanz zwischen moralisch bedenklichen Abgründen hat sich zum Beispiel die Brau Union auferlegt und dafür das Pro-Ethik-Siegel des Österreichischen Werberats kassiert. „Wir müssen uns immer wieder die Frage stellen, wie kann ich Frauen, Männer und jüngere Konsumenten ansprechen, ohne Grenzen zu überschreiten“, sagt Andreas Stieber, Marketingleiter der Brau Union Österreich. Als Teil der Heineken-Gruppe hat sich das Unternehmen einem eigenen, streng definierten Kommunikationscode unterworfen, der über die allgemein für Alkoholwerbung geltenden Bestimmungen hinausgeht: Jede ansatzweise Diskriminierung von Frauen ist tabu, die Verbindung mit Auto- oder Motorradfahren ebenso, Kinder und Jugendliche kommen ohnehin nicht vor und es darf nie der Eindruck entstehen, dass Biertrinken soziales Ansehen brächte. Die Bierwerbung der Brau Union verwöhnt ZuseherInnen stattdessen gerne mit großartigen, definitiv unverfänglichen Landschaftsaufnahmen und einem herzhaften „Prost!“. LINKS: www.cleanclothes.at Europäische Kampagne für faire Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie. www.asiafloorwage.org Ein Zusammenschluss von Gewerkschaften und AktivistInnen in Asien, die sich für eine faire Entlohnung der TextilarbeiterInnen einsetzen. www.brotfueralle.ch Evangelische Entwicklungsorganisation der Schweiz. www.suedwind.at Verein für soziale Gerechtigkeit. www.menschenrechte-im-tourismus.net/de/leitfaden.html Leitfaden des „Roundtable Menschenrechte im Tourismus“ für Reiseveranstalter. BUSINESSART 04/14 | 11 Würdevoll altern und sterben Werbeanalyse Verantwortungsvolle Bilder Caritas Socialis Hospiz und das Haus der Barmherzigkeit haben in den vergangenen Jahren immer wieder mit auffallenden und teils provokanten Bildern auf sich aufmerksam gemacht. Prof in. Dr in. Monika SchwärzlerBrodesser, Department of Media Communications, Webster Vienna Private University www.webster.ac.at Mann schickt 06 spiz, Herbst 20 Kuss © CS Ho Mann m it Kaug ummib lase © Haus d er Barm herzigk eit, Frü hjahr 2 12 | BUSINESSART 04/14 011 Prof. Dr. Monika Schwärzler-Brodesser von der Webster Vienna Private University hat die Bilder analysiert: „Die Kampagnen beider Einrichtungen bewegen sich auf einem schmalen Grat: Zum einen muss durch auffallende Werbekampagnen die Aufmerksamkeit von Spendern und Sponsoren geweckt werden, zum anderen will man pietätvoll mit dem Thema Alter und Tod umgehen. Gleichzeitig geht es beiden Institutionen darum, an einer Revision der bestehenden gesellschaftlichen Haltung zu Alter und Tod mitzuwirken. Das gelingt natürlich auch über eine Bildsprache, die Gewohntes infrage stellt und provoziert, um neue Bilder entstehen zu lassen." Ein starkes Stilmittel von CS Hospiz und Haus der Barmherzigkeit sind Groß- und Nahaufnahmen von alternden Gesichtern mit ungeschönter Wiedergabe aller körperlichen Erscheinungsformen vom Altern und Sterben, ein Sujet, das in krassem Kontrast zur allgegenwärtigen ewigen Jugend konventioneller Werbekampagnen steht. SchwärzlerBrodesser: „Solche Bilder gezeichneter Gesichter stehen in einer langen Tradition humanistisch geprägter Porträtaufnahmen." Eine andere Strategie beider Einrichtungen geht dahin, Zuschreibungen aufzulösen und den Fokus auf Lebensfreude und ein positiv besetztes Altern zu legen. So entstanden beispielsweise Kampagnen mit HospizbewohnerInnen, die feierten und damit das herkömmliche Bild von Alter, Krankheit und Tod als „spaßfreie" Zone infrage stellten. Gerade diese Strategie zeigt die Bereitschaft der beiden Einrichtungen, sich gegen gesellschaftliche Tabus zu richten. CS Hospiz versucht beispielsweise mit seiner StilllebenSerie, Momente des sinnlichen Genusses seiner PatientInnen aufzuzeigen – die kleine Campari Flasche auf dem Nachttisch oder auch die Massagebürste neben anderen Behelfen sollen das verdeutlichen. Die enorme Ausdruckskraft der Kampagnen ist auch auf die Kooperation der karitativen Einrichtungen mit Walther Salvenmoser (Lowe GGK) zurückzuführen. Dieser arbeitete unentgeltlich an den Kampagnen, bestand aber auch auf kreativer Freiheit, was offenbar häufig zu erheblichen Diskussionen in den Gremien der Organisationen, aber auch zu Preisen und öffentlicher Anerkennung führte. BUSINESSART 04/14 | 13 Interview LÄSST SICH ETHIK MANAGEN? INTERVIEW MIT PROF. DR. MARKUS SCHOLZ, FH WIEN Entsprechende Ansätze wurden von Michael Porter prominent aufgegriffen. Er nennt diese Art des strategischen CSR-Managements „Creating Shared Value“ (CSV). Indem Unternehmen systematisch ihre Wertschöpfungskette nach bspw. ökologischen Optimierungsmöglichkeiten überprüfen und sich gleichzeitig möglichst regional in nachhaltigen Clustern organisieren, können Werte für die Gesellschaft und für die Unternehmen geschaffen werden. Ich befürworte diese strategische Denkweise, da sie Unternehmen dazu anhält, ihr ökologisches und gesellschaftliches Engagement besser zu überdenken. Gleichzeitig halte ich den CSV-Ansatz für unzureichend. Wo greift das Shared-Value-Konzept nicht? SCHOLZ: Alle Shared-Value Initiativen sind so genannte „A-Cases“, also Beispiele für Win-win-Situationen. Coca Cola unterstützt bspw. Frauen in Entwicklungsländern 14 | BUSINESSART 04/14 mit Mikrokrediten, damit diese möglichst ökonomisch nachhaltige kleine Geschäfte aufbauen können, in denen dann auch Coca Cola-Produkte vertrieben werden. Es gibt aber auch unzählige „B-Cases“, also Win-LoseSituationen – eine Seite gewinnt, die andere verliert. Das passiert, wenn beispielsweise ein Unternehmen in Ländern produziert, in denen unter dem Existenzminimum bezahlt werden kann. Diese Beispiele werden durch den Ansatz von Porter nicht adressiert – der CSVAnsatz enthält keine normative Dimension außer der altbekannten Formel: Tue Gutes, wenn es hilft den Profit zu erhöhen. Um B-Cases zu adressieren, benötigen wir mehr. Hier beginnt für mich der Bereich der Business Ethics. Wie können Win-Lose-Entscheidungen vermieden werden? SCHOLZ: Unternehmen müssen sich fragen, welche Verantwortung sie in der globalen Wertschöpfungskette (z.B. Kinderarbeit, Umweltschutz, Komplizenschaft bei Menschenrechtsverletzungen etc.) übernehmen wollen, können und müssen. Eine Antwort darauf bietet die in einem internationalen Kontext weit beachtete Integrated Social Contract Theory (ISCT). Dieser normative und in wesentlichen Teilen auf einer Version des Rawlsschen Kontraktualismus basierende Ansatz gibt konkrete Anweisungen, wie ManagerInnen sich in einem internationalen Kontext hinsichtlich ethisch relevanter Fragen verhalten sollen. Dieser Ansatz wurde primär von Un- ihre Mitbewerber einwirken und gemeinsame Normen entwickeln (Corporate Citizenship), kann eine ganze Branche verändert werden. Sie arbeiten gerade ebenfalls an einem einfach umzusetzenden Tool, der SWONT-Analyse. Was kann sie? SCHOLZ: Wir erweitern mit KollegInnen aus den USA die bekannte SWOT-Analyse (Stärken, Schwächen, Chancen, Risiken) um ein N (Normen) zur SWONT-Analyse. Bei der Analyse einer neuen Geschäftsidee wird nach der Stärken-Schwächen-Analyse die Frage nach den Normen gestellt: Ist die Idee im Einklang mit den internen Werten, dem internen Code of Conduct sowie mit den externen Reglements, z.B. der ONR 192500 oder FSC? Stellt sich ein unüberwindbares Problem heraus, wird diese Geschäftsidee nicht mehr weiter entwickelt, sondern ad acta gelegt. Wichtig ist, dass dieser Schritt passiert, bevor die Geschäftsidee fertig entwickelt ist, also bevor die eigentliche SWOT-Analyse abgeschlossen ist. Wir wollen damit vermeiden, dass Werte und ein erwarteter Profit in einen direkten Trade-off geraten. Unternehmen als Citizen, die ihre Regeln selbst gestalten – das macht ein wenig misstrauisch. SCHOLZ: Ja, diese Vorgangsweise eröffnet die Debatte, welche politische Rolle Unternehmen spielen sollen. Es ist nicht unmittelbar klar, dass sich Unternehmen in massiv politische Prozesse wie dem der Normerarbeitung einbringen sollen. Klar hingegen ist, dass es auch keinen globalen gesetzgebenden Souverän gibt (bspw. eine Weltregierung), welcher globale Arbeitsschutzrichtlinien oder Umweltschutzstandards festlegen kann. Gibt es schon praktische Erfahrung mit diesem Konzept? SCHOLZ: Derzeit testen wir das Konzept mit StudentInnen und im kommenden Jahr mit Unternehmen. Wir nehmen an, dass SWONT sich insbesondere bei Fragen der „Corporate Complicity“ (Komplizenschaft) sehr gut einsetzen lässt. Von „Corporate Complicity“ sprechen wir bspw. dann, wenn durch die unternehmerische Tätigkeit entweder Menschenrechte direkt verletzt werden, oder Menschenrechtsverletzungen billigend in Kauf genommen werden. Ich erlebe in meiner täglichen Arbeit immer wieder, dass MangagerInnen nicht wissen, wie sie mit ethischen Fragen umgehen und auch nicht, wie sie getroffene Entscheidungen nach außen begründen sollen. Wenn wir ihnen einen Weg zeigen, wie sie systematisch und in anwendbarer Form interne und externe Werte in ihren Strategiebildungs- und Evaluierungsprozess implementieren können, wird das hoffentlich dazu führen, dass diese künftig zumindest reflektiertere Entscheidungen treffen. Wir bekommen starke Signale aus der Praxis, dass an einem solchen Verfahren großes Interesse besteht. Foto: FH Wien_WKW CSR und Nachhaltigkeit sind in aller Munde – jedes Unternehmen muss sich heute dazu äußern. Ist es nur mehr eine Frage der Zeit, bis die Welt rundum nachhaltig ist? SCHOLZ: Vielfach führen Unternehmen Projekte durch, die nicht in ihr Kerngeschäft eingebettet sind. Diese Projekte werden von den Stakeholdern häufig als Greenwashing oder Zynismus verstanden. Viele große, international operierende Unternehmen haben das erkannt und gehen mittlerweile strategischer vor, indem sie CSRAktivitäten mit der Wertschöpfungskette verbinden. ternehmensethikern an US-amerikanischen Business Schools (insb. an der Wharton Business School) entwickelt und ist entsprechend gut in der Praxis anwendbar. Sind Theorien wie die ISCT oder Ihre SWONT-Theorie alleine schon ausreichend? SCHOLZ: Meiner Ansicht nach nicht. ISCT und auch unsere SWONT-Analyse geben zwar Hinweise darauf, wie sich Unternehmen und ManagerInnen verhalten sollen, beide Ansätze verkennen aber mitunter den ökonomischen Druck unter dem die Proponenten agieren müssen. Ethisches Verhalten in der Wirtschaft kann mitunter – zumindest kurzfristig betrachtet – auch ziemlich teuer sein. Hier sehe ich dann insbesondere Branchenführer in der Pflicht, den ersten Schritt zu tun und fragwürdige Praktiken zu unterlassen. Wenn diese dann noch auf Als Lösungsansatz bietet sich der „grüne Tisch“ an, an dem diese Normen verhandelt werden und all jene teilnehmen, die von einer bestimmten Vorgangsweise betroffen sind. Im Wesentlichen sind das VertreterInnen von Unternehmen, NGOs und Regierungen. Das klingt gut – die Erfahrung zeigt aber, dass sich da sehr ungleiche Partner gegenüber sitzen. SCHOLZ: Das stimmt. In den konkreten Gesprächen treffen dann aufgrund unterschiedlicher finanzieller und organisationaler Ressourcen häufig schlecht vorbereitete RegierungsvertreterInnen und NGOs auf top-vorbereitete UnternehmensvertreterInnen. Diese unterschiedlichen Kapazitäten, und die auch daraus resultierende unterschiedlich verteilte bargaining-power der Proponenten, spiegeln sich dann auch in den Ergebnissen wider. Ich sehe eine Aufgabe der Unternehmensethik darin, diese neuen Normentwicklungsprozesse zu untersuchen und Vorschläge zu erarbeiten wie sie, und letztendlich auch die daraus resultierenden Normen, fairer und gerechter werden können. Prof. Dr. Markus Scholz Markus Scholz leitet das Center for Business Ethics and Corporate Governance an der FH Wien der WKW. Zusammen mit international führenden Partneruniversitäten und Unternehmen werden Forschungsprojekte im Bereich strategische und politische Unternehmensethik durchgeführt. www.ccgbe.at twitter.com/MSC_ CGBE Haben Sie ein Positivbeispiel für uns? gutes Beispiel für den Erfolg eines derartigen Prozesses ist die Entwicklung der ISO 26000. Sie wurde in einem Multistakeholderprozess entwickelt, bei dem sehr viel Wert darauf gelegt wurde, dass möglichst viele Stakeholder, unabhängig von ihrer unterschiedlich verteilten bargainig power, miteinander arbeiten konnten. SCHOLZ: Ein Die ISO 26 000 ist wichtig und eine gute Basis. Aber die konkrete Umsetzung über die ONR 192500 verläuft mehr als schleppend. Wie finden Normen tatsächlich Eingang in die Praxis? SCHOLZ: Manche Normen funktionieren hervorragend, zum Beispiel der FSC oder die GRI. Die ISO 26000 hat viele Unternehmen zum Nachdenken gebracht. Für die konkrete Umsetzung braucht es vermutlich einfachere, branchenspezifische Tools bzw. solche, die auf mittelständische Unternehmen zugeschnitten sind, die – gerade in Österreich – die größte Rolle spielen. BUSINESSART 04/14 | 15 Ein Rundblick Wie soll der Mensch leben? Wie soll er Entscheidungen treffen? Wie kann ein gutes Zusammenleben gelingen? Mit diesen Fragen haben sich die großen Weltreligionen seit über 2000 Jahren beschäftigt. Haben die Lehren der Weltreligionen heute dennoch Gewicht? Auch wenn es ums Wirtschaftsleben geht? Ein Rundblick. Ich glaube … WIRTSCHAFTSETHIK IN DEN RELIGIONEN 16 | BUSINESSART 04/14 Fotos: istockphoto.com/g-stockstudio GEORG BAUERNFEIND Im Vorjahr veröffentlichte Papst Franziskus sein apostolisches Schreiben Evangelii Gaudium und schrieb für viele überraschend scharf: „Diese Wirtschaft tötet.“ Allerdings: „Man muss auch die Absätze vorher und nachher lesen", erklärt der Sozialethiker Klaus Gabriel. „Dann wird klar, dass der Papst eine Wirtschaft ablehnt, die auf Ausgrenzung und Marginalisierung großer Teile der Bevölkerung beruht.“ Dadurch wird die Würde des Menschen verletzt und aus Sicht der katholischen Soziallehre darf genau das nicht passieren. „Der Mensch ist nicht nur Arbeitskraft, nicht nur Konsument, sondern er besitzt als Ebenbild Gottes eine unantastbare Würde.“ Folglich hat die Wirtschaft auch dem Menschen zu dienen und nicht umgekehrt, Wirtschaften ist kein Selbstzweck. Die katholische Soziallehre steht für eine sozial-ökologische Marktwirtschaft. Sie entstand Ende des 19. Jahrhunderts als im Zuge der Industrialisierung ganze Bevölkerungsschichten verarmten. Insbesondere in den Städten waren Arbeiter und ihre Familien von Armut, Hunger und Obdachlosigkeit betroffen. Das Ausmaß war auch für die katholische Kirche neu. Papst Leo XIII reagierte darauf mit der 1891 erschienen Enzyklika „Rerum norarum“. Der Markt wird heute positiv gesehen, aber er brauche eine Rückbindung an den Menschen und klare Regeln, welche die Gesellschaft zu formulieren hat. Es wird auch das Leistungsprinzip bejaht, aber nicht grenzenlos. Klaus Gabriel: „Es geht um das rechte Maß und das ist eine Frage der Gerechtigkeit.“ Lassen sich daraus Leitlinien für Ethik in der Wirtschaft ableiten? Neben den klassischen Prinzipien der katholischen Soziallehre – das Personalitäts-, das Solidaritäts-, das Subsidiaritäts- und das Gemeinwohlprinzip – wird von manchen katholischen Ethikern auch die Nachhaltigkeit als Prinzip eingefordert. Für Klaus Gabriel ist das aus dem Solidaritätsprinzip begründbar: „Es geht um Solidarität mit den Menschen auf der ganzen Welt und um Solidarität zwischen den Generationen. Für das Funktionieren der Gesellschaft muss die ökologische Frage unbedingt gelöst werden.“ Die katholische Soziallehre versuchte immer, die alte biblische Botschaft in die Gegenwart zu übertragen. Für die evangelische Theologin Barbara Rauchwarter wurde die Bibel zu oft entschärft. Dabei bietet diese ganz konkrete Vorschläge, um eine Verelendung der Massen zu verhindern: Nach 7 mal 7 Jahren sollen die ursprünglichen Besitzverhältnisse an Grund und Boden wiederhergestellt werden. Für Rauchwarter wurde das Wirtschaftsrecht des Alten Testaments von den Christen nie wirklich wahrgenommen. Dabei habe Jesus dieses Gesetz als Toralehrer in seinen Gleichnissen deutlich ausgelegt. In der Bergpredigt sagt er: „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon (= dem Geldsystem)“. Auch in der Zeit Jesu waren die Besitzverhältnisse ungerecht, eines der Hauptprobleme war die Verschuldung. Die biblischen Texte machen klar, dass Gerechtigkeit eine Umverteilung von Privilegien erfordert, denn es gäbe „genug für alle“. Verknappung, eines der urkapitalistischen Prinzipien, verstößt für Rauchwarter massiv gegen die Bibel. Unverhältnismäßigkeit führe oft zur Armut. Sind diese Ansätze nicht zu radikal? Für Rauchwarter wäre ein wichtiger Schritt, wenn sich ManagerInnen und PolitikerInnen wirklich informieren und nicht ungläubig den Kopf schütteln, wenn sie einen Bericht der Armutskonferenz lesen. Wenn sich mehr Unternehmen verpflichten, die Differenz zwischen den geringsten und den höchsten Gehältern nach einem transparenten Modus zu gestalten und wenn kluges Maßhalten wieder als Tugend gilt. Wie schwierig es ist, biblische Gebote in der Realität umzusetzen, zeigt das Zinsverbot. Der Zins ist aus Sicht der Bibel abzulehnen. In der Zeit des Frühkapitalismus delegierte die Kirche daher das Zins- und Bankwesen an die Juden. Die biblische Begründung: „Du darfst von deinem Bruder keine Zinsen nehmen“ wurde so ausgelegt: „Die Juden sind nicht unsere Brüder. Also sollen sie dieses Geschäft übernehmen“. Wie interpretiert das heutige Judentum die Bibel? Keine leichte Frage, denn es gibt viele jüdische Richtungen und Gemeinden. Der Rabbiner der jüdisch-liberalen Gemeinde in Wien, Dr. Walter Rothschild, sieht Wirtschaftsethik als sehr wichtigen Teil der Bibel: „Im Buch Leviticus heißt es: ‚Gerechtigkeit sollst Du suchen‘ oder ‚Du sollst den Lohn pünktlich bezahlen‘. Ganz konkrete Anweisungen zum Wirtschaftsleben enthält der Talmud, die zweite wichtige jüdische Quelle: ‚Man soll in kein Geschäft gehen, wenn man nicht die ehrliche Absicht hat, ein Produkt zu kaufen‘. Auch jemanden mit einem falschem Versprechen zu locken, wird abgelehnt.“ BUSINESSART 04/14 | 17 KLAUS GABRIEL, SOZIALETHIKER ES GEHT UM SOLIDARITÄT MIT DEN MENSCHEN AUF DER GANZEN WELT UND UM SOLIDARITÄT ZWISCHEN DEN GENERATIONEN. letzte Hemd zu nehmen.“ Wichtig ist für ihn das Grundverständnis: „Wir sind Pächter, wir sind nicht Eigentümer. Und wenn man nur Pächter ist, muss man besonders gut auf das anvertraute Gut achten.“ Dieser Gedanke verbindet das Judentum mit dem Islam. „Auch im Islam ist Gott der eigentliche Besitzer von allem und der Mensch ein Verwalter von Gottes Gaben. Das bedeutet aber nicht, dass Eigentum abgelehnt wird“, sagt Dr. Mohamed Bassam Kabbani, der akademische Leiter des Privaten Hochschullehrgangs für Islamische Religionspädagogische Weiterbildung in Wien: „Eigentum ist gut, wenn es korrekt erworben wird. Das ist dann der Fall, wenn die Umwelt nicht geschädigt wird und wenn niemand ausgebeutet wird. Darüber hinaus gibt es ein klares Verbot für Geschäfte mit Alkohol, Tabak (nicht bei allen Rechtschulen), 18 | BUSINESSART 04/14 Schweinefleisch, Glücksspiel und Pornographie – diese sind im Islam nicht erlaubt.“ Die Grundlage für ethisches Wirtschaften ist im Islam Gerechtigkeit. Hier beruft man sich auf den Koran, die heilige Schrift der Muslime. Gerechtigkeit bedeutet, dass es in der Gesellschaft keine unüberbrückbare Kluft zwischen Arm und Reich geben soll. In einer prophetischen Überlieferung heißt es: „Jener hat nicht an mich geglaubt, der schlief, während sein Nachbar neben ihm hungerte“. Es soll immer ein Gleichgewicht innerhalb der Gesellschaft geben. Deshalb sind Muslime verpflichtet, den so genannten Zakat zu bezahlen. Dabei handelt es sich um Spenden, die für Hilfsprojekte oder auch innerhalb der Großfamilie gegeben werden. Gibt es im Islam auch Richtlinien für ethisch korrektes Handeln von Unternehmen? Herr Kabbani wird sehr konkret: „Neben der angemessenen Bezahlung ist auch ein respektvoller Umgang mit den Angestellten sehr wichtig. Es geht darum, die Würde des Menschen nicht zu verletzen.“ Arbeit wird im Islam sehr hochgeschätzt. „Der Mensch soll durch Fleiß und Anstrengung seinen Lebensunterhalt verdienen. Nicht indem er von den Zinsen auf der Bank lebt.“ Wie in der Bibel, gibt es auch im Koran ein Zinsverbot. „Der Sinn davon ist, dass das Geld in Umlauf bleibt. Geldhorten ist nicht im Sinne des Islam.“ Geld in Aktien zu investieren ist aus seiner Sicht allerdings richtig, weil dadurch Geld im Umlauf bleibt, Arbeitsplätze werden geschaffen. Ablehnend steht Herr Kabbani Rohstoff-Spekulationen gegenüber, durch die Menschen in den Entwicklungsländern zu Schaden kommen. Klar ist: Das Wohl der Allgemeinheit, darf nicht durch die Maßlosigkeit Einzelner zerstört werden. Der Begründer des Islam, der Prophet Mohammed, lebte im 6. bzw. 7. Jahrhundert nach Christus ursprünglich als Kaufmann. Er machte ganz konkrete Erfahrungen im Wirtschaftsleben – auch wenn damals vieles anders war als heute. Etwa 1000 Jahre früher lebte Siddhartha Gaut- ama, besser bekannt als Buddha. In seiner Zeit, waren viele Probleme der heutigen Wirtschaftswelt vollkommen unbekannt. „Aber Buddha entwickelte fünf generelle ethische Prinzipien, die man auch auf das heutige Wirtschaftsleben anwenden kann“, erklärt Gerhard Weissgrab, Präsident der österreichischen buddhistischen Religionsgesellschaft. Der Buddhismus hat keine Gebotsethik, sondern eine Einsichtsethik. Er versteht sich als Erfahrungs- und Erkenntnisreligion. Das bedeutet aber keine Beliebigkeit, sondern: Wenn ich das Richtige erkenne, ist klar, dass ich danach handle. Ich bemühe mich recht zu handeln, weil die Konsequenzen meines Handelns auch wieder auf mich zurückfallen. Weissgrab: „Wenn es etwa heißt: Ich übe mich darin, keine fühlenden Wesen zu töten oder zu verletzten. Oder: Ich übe mich darin, nicht Gegebenes nicht zu nehmen. Das sind ganz klare Richtlinien für Gewaltlosigkeit und Mitgefühl.“ Als Beispiel nennt er unseren Umgang mit Tieren: „In der industriellen Fleischproduktion passiert viel Leid. Es wäre schon ein erster großer Schritt, wenn durch artgerechte Tierhaltung weniger Qual entstünde.“ In Buddhas Lehre gibt es drei große Gifte: Gier, Hass und Verblendung. Weissgrab: „Alle drei sind in den Auswüchsen unseres Systems zu beobachten. Das derzeitige Wirtschaftssystem beruht auf ständigem Wachstum. Das gibt es in der Natur nirgends. Grenzenloses Wachstum, z. B. von Zellen heißt dort Krebs.“ Für ihn als Buddhisten ist auch das panische Krisengerede seit 2008 unverständlich: „Die Veränderlichkeit von allem ist ein Grundprinzip der buddhistischen Lehre. Auf und ab gehört zum Kreislauf des Lebens!“ Wie kann man Gewaltfreiheit und Mitgefühl umsetzen, wenn man in der Wirtschaft tätig ist? Achtsamkeit sei da ein erster Schritt: „Ein Bremsen des heutigen Tempos wäre wohl der Anfang.“ BUCHTIPP: Barbara Rauchwarter „Genug für alle" Wieser Verlag, Klagenfurt Werte schaffen. Eine Gesellschaft ist stärker, wenn man jedem die gleiche Chance gibt. Unabhängig von Geschlecht, Religion oder sozialem Hintergrund, bei Raiffeisen gilt eine Unternehmenskultur der gleichen Chancen – und das für alle. Dabei verbinden wir kulturelle Vielfalt mit lokaler Tradition, fördern aktiv die internationale Vernetzung und schaffen so eine einzigartige Gemeinschaft in mehr als 20 Ländern Europas. www.rzb.at 3/28/2014 8:07:12 AM ETHIK IN DER FINANZWELT Interview mit Richard Lernbass, Geschäftsführer von software-systems.at Kann ich mit meinem Geld zu einer besseren Welt beitragen? Ja, das ist heute sehr gut möglich, weil Finanzprodukte in der ganzen Tiefe durchleuchtet werden und Investments entsprechend ausgerichtet werden können. Wie können die Kunden Einfluss nehmen? Private Kunden zeichnen üblicherweise einzelne Finanzprodukte. Die Kunden- betreuer der Banken stehen vor der Herausforderung, ein ausreichend diversifiziertes, erfolgreiches Finanzprodukt anzubieten, das auch den Wertvorstellungen der Kunden entspricht. Viele Kapitalanlegegesellschaften bemühen sich darum, trotzdem braucht es noch mehr Angebot. Im Bereich des Private Banking, Family Office und im institutionellen Bereich steht das gesamte Portfolio im Mittelpunkt und nicht das einzelne Finanzprodukt. Hier können Investoren Unternehmen stark beeinflussen. Gibt es dazu schon messbare Resultate? Ja, immer mehr Unternehmen aus allen Branchen setzen sich auch mit ihren negativen Randerscheinungen auseinander und ändern ihre Prozesse, weil der Druck der Investoren immer größer wird. Mit FER und EDA haben Sie ein Instrumentarium für nachhaltige Investoren entwickelt. Wie unterstützt es Ihre KundInnen? Vielfach wird bei Investments nur Performance & Risiko berücksichtigt, ohne zu beachten, wie die Performance zustande kommt. Unsere Abteilung Finance & Ethic Research (FER) beurteilt neben den wirtschaftlichen auch Umwelt- und soziale Aspekte. Sie fließen dann in die Kennzahl EDA (Ethisch-dynamischer Anteil) ein, nach der ein Investment nach den individuellen Werten und Präferenzen der Anleger, wie etwa Tierschutz oder Gentechnik beurteilt werden kann. Für unsere Kultur haben wir einen Österreich-Standard entwickelt, der positive Kriterien wie Einsatz erneuerbarer Energien, Umweltschutz und Ausschlusskriterien wie Atomstrom, Rüstung oder Menschenrechtsverletzungen enthält. Entgeltliche Einschaltung Aber prinzipiell sieht die jüdische Tradition das Wirtschaftsleben positiv, oder? „Ja“, meint Rothschild, „man soll gut verdienen, Armut ist kein Gebot Gottes. Aber jeder ist verpflichtet Tzedaka, also Spenden für wohltätige Zwecke zu geben – je reicher man ist, desto mehr soll man geben.“ Die Gemeinschaft darf nicht außer Acht gelassen werden. Wie interpretiert er das Zinsverbot? Rabbiner Rothschild weist auf das Dilemma zwischen Theorie und Praxis hin. Der Grundgedanke ist für ihn: „Es soll keine Wucherei geben. Es ist nicht in Ordnung, jemandem das Methode 1 IN SCHRITTEN ZUM STRATEGISCHEN SPONSORING ERFOLG UND NUTZEN DURCH KOOPERATION GÜNTER GOLDHAHN ERSTER SCHRITT VIERTER SCHRITT UNTERNEHMENSSTRATEGIE RECHERCHE UND IDENTIDas Unternehmen beschäftigt sich dabei mit strate- FIKATION DER PARTNER gischen Fragen: – – – Wonach streben wir? Was ist unsere Vision? Welche Herausforderungen kommen auf uns zu? Wie wollen wir unsere Stakeholder einbeziehen, wo werden Partnerschaften für unsere Zukunftsfähigkeit hilfreich sein? ZWEITER SCHRITT ANALYSE DES KERNGESCHÄFTS Steuerung braucht einen Orientierungspunkt. Dazu wird der Ist-Zustand, das Kerngeschäft der Organisation analysiert. Fragen zur Mission und dem Nutzen der Organisation begleiten uns dabei: – – – Wer sind wir, welchen Nutzen stiften wir und bei wem? Was ist unser Aufgabe? Welche Produkte, Dienstleistungen erstellen wir? DRITTER SCHRITT WERTE UND WERTEENTWICKLUNG Nachhaltigkeit und verantwortungsvolles Unternehmertum sichert die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen, bindet die relevanten Stakeholder mit ein und stiftet Nutzen im Bereich Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft. Viele Unternehmen investieren vor allem in Rohstoffeinsparung, Prozessoptimierung oder dem Wissensaufbau bei ihren Mitarbeitern. Diese Maßnahmen sind mit einfachen Kennzahlen leicht zu berechnen. Schwieriger wird es bei der Betrachtung gesellschaftlichen Engagements einer Organisation. Die Wirkungen sind oft nicht direkt messbar bzw. fehlen die notwendigen 20 | BUSINESSART 04/14 Indikatoren. Es wird zu wenig auf Messbarkeit und Nutzen für das Unternehmen geachtet, als durch „Gutes zu tun“ vielleicht das Image zu verbessern. Oft wird aus der Unterstützung ein gefühltes „verlorenes Investment“. Eine gesunde soziale Wohlstandsentwicklung gelingt durch Kooperation und gemeinsame Verantwortung, so entsteht Nutzen auf beiden Seiten – dem Sponsor und dem Gesponserten. Also weg vom Geber-Empfänger-Modell, hin zum Modell der Kooperation, d. h. gemeinsame Strategie, Verantwortung, Ziele und Nutzen. Folgendes Modell kann dazu eine Hilfestellung bieten. Sind Sie ein kleines regional tätiges Unternehmen und wollen das auch weiterhin sein, dann ist die Identifikation der Partner meist regional sinnvoll. In anderen Fällen ist ein großflächiges Suchen zweckmäßiger. Oft kann ein Kenner der sozialen Einrichtungen oder Berater helfen, einen Partner zu finden, mit dem eine Win-WinWin-Situation, also Gewinn und Nutzen für das Unternehmen, den Partner und die Gesellschaft erreicht werden kann. Verantwortungsvolle Unternehmenssteuerung wird von Werten getragen. Besonders gesellschaftliche Veränderungen und Megatrends wie Generationenmanagement, Diversität, neue Arbeitszeitmodelle, technologische Entwicklung, Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Klimawandel, Ressourcenverknappung usw. verändern die Werte der Gesellschaft und somit die Werte der Wirtschaft. Welche Werte fließen in unsere Vision und Mission, also ins Unternehmensleitbild, ein? – – – Welche Werte leben wir und welche unsere Partner? Sind diese Werte auch in der Zukunft wichtig? Welche Werte müssen wir (gemeinsam) entwickeln, um in Zukunft zu bestehen? – Wohin wollen wir? In welchen neuen Märkten, welchen Ländern wollen wir aktiv werden? – Welche NPO/NGO gibt es und wer sind deren Klienten? – Welche dieser Organisationen lebt und zeigt ähnliche Werte wie wir? – Ist diese Organisation an Partnerschaften interessiert? – Kann diese Organisation unsere Strategie mittragen, mitentwickeln? FÜNFTER SCHRITT PARTNERSCHAFTSVERTRAG Die Zusammenarbeit muss vereinbart werden. Damit wird für alle klar kommuniziert, dass es sich nicht um eine Spende handelt, sondern ein gemeinsames Arbeiten zum Nutzen aller Beteiligten ist. – Wie sieht unsere gemeinsame Zielrichtung, unsere Strategie aus? – Welche Bedingungen, welchen Rahmen braucht unsere Partnerschaft? – Welche Indikatoren für das Controlling brauchen wir, welche Kennzahlen? – Wie sind Rollen und Aufgaben zu verteilen? –Was passiert, wenn etwas passiert? TIPP: SPENDENGUIDE FÜR UNTERNEHMEN Der Guide des Fundraising Verbandes Austria informiert über gemeinnützige Anliegen und Projekte von 50 gemeinnützigen Organisationen. www.wirtschaft-hilft.at BUSINESSART 04/14 | 21 DIE ETHIC MAP GLAUBWÜRDIGKEITS-SPIEGEL UND ROADMAP SIEBENTER SCHRITT ERFOLGSKONTROLLE Für die Erfolgskontrolle einer strategischen Partnerschaft im gesellschaftlichen Bereich der CSR bietet sich die so genannte IOOI-Methode der Bertelsmannstiftung an. Dabei steht für I – Input, also die eingesetzten Ressourcen, O – Output, die Aktivitäten und Leistungen, die erbracht werden, O – Outcome, das unmittelbare Ergebnis des Engagements und I – Impact, die Veränderung, die in der Gesellschaft durch dieses Engagement eintritt. Ing. Günter Goldhahn, DSA Inhaber der G-GROUP Unternehmensund Prozessberatung. Technische Ausbildung im Ingenieurwesen und Diplomstudium für soziale Arbeit. Systemischer Organisationsentwickler und Assessor Unternehmensqualität EFQM EN ISO17024. Goldhahn ist akkreditierter CSR-Experte und Landessprecher der CSR-ExpertsGroup Niederösterreich, Entwickler eines Nachhaltigkeits Quick-Checks in Zusammenarbeit mit der FH Wieselburg, Aufbau sowie Verwaltung eines Gemeinwohlfonds für strategisches Sponsoring. www.g-group.at 22 | BUSINESSART 04/14 Ein Baustofferzeuger stellt Produkte zur Verfügung – sie sind der Input. Der Output ist die Aktivität der NGO – in diesem Fall ein gemeinnütziger Verein, der Unterkünfte baut und saniert. Der Outcome, das Ergebnis beim Kunden der NGO – das sind Menschen, die sich keine Wohnung leisten können – bekommen eine Unterkunft. Der Impact wäre, dass Menschen, nun wieder einen festen Wohnsitz haben, auf Arbeitssuche gehen können, durch eine feste Behausung weniger krank werden, nicht mehr auf der Straße leben müssen, es einfach weniger Obdachlose mit all den sozialen Auswirkungen und Folgen für die Gesellschaft gibt. Möglicherweise ist die NGO sogar ein Beschäftigungsprojekt, wo Menschen ohne Wohnsitz und Arbeit sich ihre Unterkunft selbst bauen oder sanieren können und so einen Beruf erlernen, oder eine Höherqualifizierung erfahren, die es ihnen am Arbeitsmarkt leichter macht, eine Beschäftigung zu finden. Ein enormer Impact, der hier generiert werden könnte – der leider allzu oft dem sponsernden Unternehmen gar nicht im vollen Umfang bewusst und somit auch nicht verwertet wird. 7 SCHRITTE ZUR ETHIK-LANDKARTE 1. Ethik-Analyse der Branche 2. Ethik-Analyse des Unternehmens Ein zentraler Schlüssel zur Verbesserung der Glaubwürdigkeit und der Reputation von Unternehmen ist die angewandte Business Ethik. Diese erfordert einen systematischen Reflexionsprozess auf allen Ebenen. 1. ETHIK-ANALYSE DER BRANCHE Auf Seiten des Unternehmens werden folgende Nutzenfaktoren sichtbar: Das Unternehmen erreicht mit seinen Baustoffen einen neuen Markt und baut dort Image auf. Mit den gebauten Wohnungen kann die Verarbeitung und Qualität präsentiert werden, eventuell Prüfzertifikate und Zulassungen erworben werden (hier kann die Aufgabe der NGO sein mitzuhelfen, Kontakte herzustellen etc. – siehe Partnervertrag). Durch die Unterstützung der NGO werden öffentliche Interessen befriedigt (z.B. weniger Obdachlose, mehr Menschen in Beschäftigung) – das verhilft zu Kontakten zu Regierungsorganisationen, was wiederum hilft, die Handelsbeziehungen auszubauen usw. All diese Überlegungen sollten in der Planung zu einer strategischen Partnerschaft einfließen und mit Kennzahlen versehen werden, damit Steuerung möglich wird. So gestalten verantwortungsvolle engagierte Unternehmen die Gesellschaft und somit ihre Märkte mit und sichern obendrein ein gesundes soziales Gefüge zum Nutzen aller. Es kommt zur Win- (für das Unternehmen), Win- (für die gemeinnützige Organisation), Win-Situation (für die Gesellschaft). Im ersten Schritt wird das Branchenumfeld nach ethischen Kriterien und Problembereichen analysiert. Diese werden mit den vorhandenen CSRMaßnahmen und deren strategischer Ausrichtung bzw. Qualität verglichen. Ergebnis ist eine Branchen-Map, die dem Unternehmen interessante strategische Nischen eröffnet. Grafik: LIGA: graphic design – Was wollen wir gemeinsam umsetzen, was erreichen? – Was brauchen wir, wer stellt welche Ressourcen? – Wie setzen wir die geplanten Maßnahmen um? – Wer übernimmt welche Aufgaben und Rollen im Projekt? – Wie gehen wir mit kritischen Situationen um, welche kritischen Wege gibt es? – Wie feiern wir unseren Erfolg? BEISPIEL: Foto: Philipp Naderer Planung und Umsetzung gemeinsamer nutzenbringender Maßnahmen in Projektform. In diesem Schritt begleiten die üblichen Fragen und Anforderungen des Projektmanagements, u. a.: Welchen Stellenwert haben Ethik und Verantwortung im Unternehmen? Wie glaubwürdig ist die CSR-Strategie – und die CSR-Kommunikation? Die Ethic Map des Center for Responsible Management zeigt, wo das Unternehmen steht und gibt eine klare Richtung für die Zukunft vor. GABRIELE FABER-WIENER, BARBARA COUDENHOVE Foto: Ing. Günther Goldhahn SECHSTER SCHRITT PROJEKTMANAGEMENT Methode 2 2. ETHIK-ANALYSE DES UNTERNEHMENS Dann folgt eine kritische Analyse der Aktivitäten des Unternehmens in Bezug auf Ethik und zentrale Werte. Ethische Dilemmata werden identifiziert, die Kommunikation wird durchleuchtet und so der Grad der Glaubwürdigkeit festgelegt. Die Ergebnisse beruhen auf objektiven und nachvollziehbaren, wissenschaftlich anerkannten Kriterien. 3. GlaubwürdigkeitsAnalyse inkl. Greenwashing-Check 4. StakeholderBefragung 3. GLAUBWÜRDIGKEITS-ANALYSE Der dritte Schritt ist eine umfangreiche Recherche sowie Sekundäranalyse des Außenbildes (Online-Recherche, Pressespiegel, Werbung/Außenauftritt, Positiv-/Negativreaktionen etc.). Dies wird ergänzt mit der Untersuchung nach den Parametern der verschiedenen Greenwashing-Indikatoren sowie der Basis-Indikatoren für Glaubwürdigkeit und Vertrauen. 4. STAKEHOLDER-BEFRAGUNG In Form von qualitativen Interviews wird das erhobene Bild vervollständigt bzw. hinterfragt und ergänzt. Die Auswahl der Stakeholder erfolgt qualitativ. Insbesondere kritische Stakeholder werden eingeladen, offen ihre Meinung zu sagen. 5. IDENTIFIKATION DER ZENTRALEN HERAUSFORDERUNGEN Erstes Ergebnis ist eine Auflistung der verschiedenen Schlüsselfragen und Dilemmata, vor denen das Unternehmen steht. 6. SZENARIEN FÜR DIE LÖSUNG Im finalen Schritt der Analyse werden darauf aufbauende Szenarien er- 5. Identifikation der zentralen Herausforderungen 6. Szenarien für die Lösung 7. Vergleich mit Innensicht, Erstellung Roadmap stellt und deren Konsequenzen skizziert. Mögliche Handlungsstränge und Lösungsansätze werden erarbeitet und analysiert, was auf welcher Ebene angegangen werden soll – als Unternehmen, auf Branchen-Ebene oder gemeinsam mit der Zivilgesellschaft oder Politik. 7. ETHIC MAP In einem Workshop werden alle Ergebnisse dem Unternehmen zurückgespiegelt – unter gezielter Einbindung der Innensicht. Den Output bildet die Ethic Map des Unternehmens: eine Roadmap mit konkreten Zielen, Inhalten und Zeitvorgaben. Gabriele FaberWiener und Barbara Coudenhove Gabriele Faber-Wiener und Barbara Coudenhove haben 2011 das Center for Responsible Management in Wien gegründet und bieten Wissen und Beratung in angewandter Unternehmensethik. Die Bandbreite reicht von Ethik- und Wertemanagement-Prozessen über Dilemma-Management bis zu ethisch korrektem Stakeholder Engagement und Responsible Communication inklusive Ethical Reporting. Beide verfügen über Studien der Business Ethik und Responsible Management sowie langjährige Management- und Kommunikationserfahrung und lehren und publizieren an Universitäten im In- und Ausland. www.responsible-management.at BUSINESSART 04/14 | 23 CSR-Erfolge BELLAFLORA GARTENCENTER GMBH MAG. ALOIS WICHTL, GESCHÄFTSFÜHRER MAG. ISABELLA HOLLERER, NACHHALTIGE ENTWICKLUNG Nach der Auslistung aller chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel 2013 wurden 2014 die chemischsynthetischen Düngemittel aus den Regalen verbannt und zu 100 % durch natürliche, biologische Produkte ersetzt. 2014 beginnt der Ausstieg aus dem Handel mit Torferden. WICHTL: Wir hatten damals großes Bauchweh! Wir hatten BUSINESSART: Gratulation – Sie sind zum zweiten Mal Nachhaltige Gestalter des Jahres. Das gab es bisher noch nie. Wie hat diese Reise begonnen? BUSINESSART: Wie schwierig war es, die neuen Produkte überhaupt zu bekommen? WICHTL: Wir haben uns gefragt, wo die Firma in Zukunft stehen soll und eine rege Debatte geführt, wie wir unseren Namen „die grüne Nummer eins“ stärken können. Wir hatten bis dahin viel getan – zum Beispiel gibt es seit 2004 eine eigene Biolinie – aber nicht fokussiert und koordiniert. Dazu kommt, dass unsere Eigentümerin KR Hilde Umdasch großen Wert auf Umwelt, Mensch und Natur legt. Sie unterstützt nicht nur – sie gab auch den Anstoß für eine verstärkte grüne Positionierung. Zu Beginn war uns nicht bewusst, wohin die Reise geht bzw. vor allem nicht, wie viele Facetten mitspielen und wie umfangreich das Thema ist. Wir haben vor ein paar Monaten den Sprung geschafft, dass alles was in der Firma passiert aus der Perspektive „Nachhaltigkeit“ betrachtet wird. Nachhaltigkeit ist kein Thema mehr, sondern eine Grundhaltung geworden. HOLLERER: Deutlich wird das auch durch die Verzahnung der Nachhaltigkeitsstrategie mit der Unternehmensstrategie. Heuer haben wir erstmals eine Symbiose geschaffen – es gibt nur mehr ein Papier. Die wesentlichen Punkte der GRI finden sich darin. NACHHAL TIGE GESTAL TER INNEN 2014 ROSWITHA M. REISINGER, CHRISTIAN BRANDSTÄTTER WICHTL: Wesentliche Auslöser waren die negativen Auswirkungen, die Glyphosate auf Mensch und Umwelt haben. Die Pestizide sind allgegenwärtig – sie beherrschen uns bereits. Aus einer heftigen Debatte mit unserer Eigentümerin ist ein riesiger Schwung für eine nachhaltige Entwicklung entstanden. Es war nur noch die Frage, ob wir den Ausstieg schleichend machen, also ein Produkt nach dem anderen, oder alles sofort umstellen. Wir haben uns für Letzteres entschieden. Foto: Bellaflora/Weissinger Bereits zum sechsten Mal haben wir im Herbst 2014 zur Wahl der Nachhaltigen GestalterInnen geladen. Neben den GestalterInnen haben wir dieses Jahr auch nach neuen Regelungen und Rahmenbedingungen gefragt, die Unternehmen nachhaltiges Wirtschaften leichter machen. BUSINESSART: Warum haben Sie die chemischsynthetischen Pestizide als Erstes ausgelistet? BUSINESSART: War das nicht ein großes Risiko? HOLLERER: Ja, wir haben 52 Produkte ausgelistet, darunter einige Bestseller, wie round up. Aber hätten wir damals diese Entscheidung nicht so getroffen, würde uns der Mut, den wir heute haben, fehlen. zwar die Rückendeckung der Eigentümerin, wir haben das Risiko kalkuliert und sind es aktiv eingegangen. Die Firma wäre bei einem Absturz nicht zugrunde gegangen, aber es hätte sich ausgewirkt. 1 WICHTL: Das war eine erfreuliche Überraschung: Wenn man fragt, bekommt man Antworten. Es gab ja bereits Produkte. Firmen, die bis dahin nichts anbieten konnten, haben mit unserer Nachfrage und etwas Zeit neue Produkte entwickelt. Unsere Lieferanten sind im Wesentlichen die gleichen geblieben, einige kleinere, spezialisierte sind hinzugekommen. Geholfen hat, dass bellaflora einen guten Namen in der Branche hat, und immer Leitfunktion übernommen hat. HOLLERER: Die Umstellung hat darüber hinaus ein vollkommen neues Feld eröffnet, das es in dieser Form, in dieser Menge, Vielfalt und Kontinuität noch nicht gegeben hat: das Angebot von Pflanzenstärkungs- und Pflanzenhilfsmitteln, auch homöopathischer Mittel. Das wird toll angenommen. BUSINESSART: Veränderung bedeutet immer Verunsicherung. Wie haben Sie Ihre MitarbeiterInnen für den Weg gewonnen? WICHTL: Die größte Sorge unserer MitarbeiterInnen galt unseren KundInnen. Wie argumentieren wir, dass wir diesen Weg gehen? Wie funktionieren die neuen Produkte? Bevor wir unser Produktangebot umgestellt haben, haben wir sie in unseren Märkten selbst angewendet. Da haben die MitarbeiterInnen gemerkt, dass es funktioniert. HOLLERER: Dazu kamen natürlich Schulungen zur Philosophie und den neuen Produkten. BUSINESSART: Ist die Eigenanwendung im Markt nicht eine große Herausforderung? Wir fangen ja nicht an, wenn der Schädling da ist, wir stärken unsere Pflanzen von Beginn an, mit effektiven Mikroorganismen, mit homöopathischen Mitteln, Schachtelhalmextrakt etc. Dadurch sind die Pflanzen kräftiger, stärker und schauen besser aus. Erst wenn wirklich ein Schädling auftritt, setzen wir ein Mittel ein – und das wirkt dann natürlich auch. Das begeistert die MitarbeiterInnen. HOLLERER: BUSINESSART 04/14 | 25 WICHTL: Wir haben jedes Jahr eine Fülle von Veranstaltungen mit unseren Stammkunden. Bei einer Abendveranstaltung habe ich erzählt, was wir vorhaben und die Leute haben spontan applaudiert. Das war sehr beeindruckend. Da war klar, unsere Kunden verstehen unseren Weg. HOLLERER: Wir haben unzählige berührende Briefe und Mails bekommen. In diesen Momenten spürt man, dass in der Gesellschaft ein Umdenken stattfindet. Alois Wichtl und Isabella Hollerer BUSINESSART: Wie hat sich Ihr Weg wirtschaftlich ausgewirkt? Es war ein großer Erfolg. Wir konnten 17,9 % Umsatzsteigerung im Bereich Pflanzenschutzmittel verzeichnen. Wir hatten eigentlich gerechnet, dass wir die ersten beiden Jahre Umsatzeinbußen haben werden. Genau das Gegenteil ist passiert. Ich bin überzeugt, dass wir auch Kunden in diesem Bereich verloren haben. Aber offensichtlich haben wir mehr neue gewonnen. HOLLERER: Das schöne ist, dass wir Kunden gewonnen haben, die sich für Nachhaltigkeit interessieren. WICHTL: Es ist eigentlich ein Klassiker: Wenn du merkst, dass du mit deinen Schritten wirklich etwas bewegen kannst, macht das Mut, in vielen anderen Dingen neue Wege zu gehen. Da muss ich nicht mehr über Nachhaltigkeit nachdenken, sie passiert und funktioniert. HOLLERER: Genau dadurch unterscheiden wir uns auch von anderen Unternehmen. Wir wollen etwas verändern und sind selbst die Veränderung, indem wir im Kerngeschäft ansetzen. WICHTL: Fakt ist, dass wir lernen und gespannt zusehen, wie wir uns verändern. Das geht rasch. Man merkt gar nicht mehr, dass man sich verändert hat. Es fällt erst auf, wenn man reflektiert. WICHTL: BUSINESSART: Heuer haben Sie die nächsten Schritte eingeleitet: Dünger und torffreie Erde. Diese beiden Schritte sind schon deutlich komplizierter. Bei Pflanzenschutzmitteln wirkt meist ein einzelner Stoff. Das heißt, ich kann – etwas vereinfacht gesagt – ein Produkt durch das andere ersetzen. Dünger wirken über ein Zusammenspiel von verschiedensten Bestandteilen. Es ist viel kompli- HOLLERER: 26 | BUSINESSART 04/14 2 ISS MICH! TOBIAS JUDMAIER, MSC DIIN. SABINE SCHELLANDER PAUL STRELI iss mich! verkocht Lebensmittel, die aufgrund ihrer Form, Größe oder ästhetischer Mängel nicht handelstauglich sind. Der Großteil der Speisen ist vegetarisch, saisonal, regional und bio, wird im wieder verwendbaren Glas serviert und per Fahrradboten geliefert. iss mich! beschäftigt junge Frauen, die erschwerten Zugang zum Arbeitsmarkt haben. BUSINESSART: Haben Sie eine Exit-Strategie überlegt? Tobias Judmaier, Coach und Mediator, Sabine Schellander, Kommunikationsberaterin und Eventmanagerin, und Paul Streli, Tontechniker und DJ, eint die Lust am guten Essen und vor allem eine Vision: Lebensmittel, die durch ihre Form nicht in den Handel dürfen, sollen dennoch hochwertig verwendet werden. Judmaier ist Koch der Kochshow wastecooking, die seit Jahren auf das Thema Lebensmittelverschwendung aufmerksam macht. Bei Dreharbeiten zur Show im Marchfeld, bei der er das erste Mal mit den ungeheuren Mengen an übriggebliebenen Gemüsen konfrontiert wurde, kam ihm auch die Idee zu „iss mich!“. Wie immer, wenn eine Idee klare Konturen erhält, hilft der Zufall und bringt die richtigen Menschen zusammen. In diesem Fall waren das Sabine Schellander, die ihr Kommunikations- und InnovationsKnow-how einbrachte, und Paul Streli, der mittlerweile das Lokal „Zum schwarzen Schaf“ aufgemacht hatte. WICHTL: Ich kann mir den Punkt nicht vorstellen, an dem wir gesagt hätten, dass wir es lassen. Wir hätten uns viele zusätzliche Gedanken gemacht und Maßnahmen gesetzt. Das gilt auch für die Erden. Ich bin sicher, dass das funktionieren wird, obwohl sich die Anwendung ändert. Unsere Kunden werden das mitmachen. Sie sind informierter als wir geglaubt haben. BUSINESSART: Im Gespräch gewinnt man den Eindruck, dass der Prozess Sie auch persönlich verändert hat. Die CSR-Beauftragte argumentiert wirtschaftlich, der Geschäftsführer ökologisch. Ja, das ist spannend. Ich habe ein neues Weltbild bekommen. Ich kann nicht sagen, dass mich Umweltthemen vor 10 Jahren so beschäftigt haben. Durch die Branche, durch die Firma hat sich das stark geändert. HOLLERER: Ich war sehr nachhaltig orientiert. Jetzt erlebe ich, dass ich auch wirtschaftlich etwas bewegen kann. Das ist befriedigend und macht mutig. WICHTL: Das Interessante ist, dass sich Ökologie und Ökonomie verbinden lassen. Wir sind ein gewinnorientiertes Unternehmern, mit ganz klaren, harten wirtschaftlichen Vorgaben. Ich kann mich noch gut an den Beginn der Umweltbewegung vor 20 Jahren erinnern. Da haben wir sehr bezweifelt, dass das funktionieren kann. Wir leben in einer Zeit, in der Profit zählt und nicht irgendwelche Spinnereien. Das Tolle ist, dass wir erleben, dass es funktioniert: Ich kann locker gewinnorientiert sein und gleichzeitig nachhaltig. Vielleicht ist es sogar umgekehrt. Vielleicht ist es gerade diese Ausrichtung, die mir als Unternehmen hilft. Das hat sich sicher in den letzten Jahren geändert. WICHTL: Dafür bieten wir Gerichte in Einweckgläsern an, die jederzeit erwärmt werden können.“ Judmaier ist laufend in Kontakt mit der EOM und erstellt auf Basis des vorhandenen Gemüses eine Menüliste, die aus drei Suppen und drei Hauptspeisen (Fleisch, vegan, glutenfrei) besteht. Die KundInnen bestellen bis zu einer bestimmten Deadline ihr gewünschtes Menü für die folgende Woche. „Diese ‚iss mich!’-Deadline ist notwendig, um auf Punkt produzieren zu können und nicht selber Lebensmittelabfälle zu generieren“, so Judmaier. Nach Ender der Bestellphase wird das Gemüse geholt und die fehlenden Zutaten zugekauft. Danach geht’s ans Schälen und Schnipseln. Drei Frauen aus dem Mutter-Kind-Haus der Caritas erarbeiten sich so ein eigenes (Teilzeit-)Einkommen. Danach wird gekocht und per FahrradbotInnen jeweils Montag und Mittwoch ausgeliefert. Wie kreativ muss man sein, um aus doch immer relativ gleichem Gemüse vielfältige Gerichte zu kochen? Judmaier: „Ich habe lange in Athen gelebt, die mediterrane Küche bietet eine große Vielfalt mit ihren Gewürzen und wir sind sehr experimentierfreudig. Einfach, aber gut – das ist unsere Devise.“ Das kommt offensichtlich an. Mittlerweile wird auch ein gut gebuchtes Catering in 100 % Bioqualität angeboten. Finanziert wurde der Aufbau bisher vom Cashflow und vom Engagement des Teams. Schellander: „Typisch start up: Alle machen alles und jeder packt überall mit an.“ Was sind die nächsten Schritte? Schellander: „Wir sind auf der Suche nach einer Gastroküche und einem Lager. Dann können wir auch unser Sortiment erweitern und uns neue Zielgruppen erschließen.“ Tobias Judmaier, Sabine Schellander, Paul Streli Die „iss mich!“-Partner, die EOM, die Marchfelderzeugungsgesellschaft, die Gemüse mit Mängeln zur Verfügung stellt, und das Mutter-KindHaus Emanuel der Caritas Wien kannte Judmaier von seinen vorangegangenen Projekten. Foto: Stefan Csaky BUSINESSART: Wie haben Ihre KundInnen auf die neue Positionierung reagiert? Wie haben Sie sie erreicht? zierter, diese Rezepturen anzupassen. Torffreie Erde ist wirklich die große Herausforderung. Torf ist im Prinzip eines der besten Substrate im Gartenbau: Es speichert Wasser perfekt, der pH-Wert ist genau einstellbar, man kann ihn ganz speziell aufdüngen. Das ist zwar unnatürlich für die Pflanze, aber sehr praktisch. WICHTL: Vor einem halben Jahr war mir die Dimension dieses Themas nicht bewusst. Torf ist ein riesiger CO2-Speicher. Nur 3 % der Erdoberfläche sind Moore, aber 30 % des Kohlenstoffvorkommens auf dem Festland sind dort gespeichert – und damit mehr als in allen Wäldern auf der Erde. In Österreich unterliegt der Abbau ganz strengen Bedingungen, daher importieren wir den Torf aus Deutschland, der Ukraine oder Russland – wir exportieren das Problem! Auch BioErden können zum Beispiel bis zu 70 % Torf enthalten! HOLLERER: Das Problem ist, dass man Torf nicht durch ein einzelnes Substitut ersetzen kann – es bedarf Mischungen. Die Erzeuger basteln gerade an massentauglichen Lösungen, mit Holzfasern, Spelzen von Reis oder Mais, Mineralien oder Elefantengras. 10 – 15 Produkte werden gerade getestet. 2015 können wir alle Erden mit weniger als 50 % Torf anbieten. Das ist ein Riesenschritt. Fotos: Businessart WICHTL: Die Schulungen haben zudem einen wunderbaren Nebeneffekt gehabt: Die Konzentration auf die richtige Kundenansprache hilft im Verkauf enorm. Schellander: „Der Lebensrhythmus der Menschen hat sich geändert. Essen muss heute jederzeit verfügbar sein – im Büro, aber auch, wenn man am Abend müde nach Hause kommt. BUSINESSART 04/14 | 27 5 MAG. FRANZ STUDENER, GESCHÄFTSFÜHRER Der Frosch Citrus Dusche & Bad-Reiniger wurde als erstes Produkt der Reinigungsbranche in Europa mit Cradle to Cradle CertifiedCM Gold ausgezeichnet. Das Vertrauen der Kunden ist für Studener die wichtigste Währung. „Seit der Gold-Sticker die Flasche ziert, verzeichnen wir zweistellige Zuwachsraten.“ Für die Zukunft will man den Recyclinganteil in der Verpackung erhöhen und in den Frosch-Rezepturen Palmkernöl schrittweise durch Raps- und Olivenöl aus dritter Pressung ersetzen. „Das ist ein Megaprojekt und wird uns noch lange beschäftigen. Aber vielleicht ist das in 20 Jahren auch selbstverständlich.“ LANDHOTEL YSPERTAL DIETHOLD SCHAAR, EIGENTÜMER & GESCHÄFTSFÜHRER Schaar belebt mit unglaublicher Energie ein „verlorenes“ Eck im Waldviertel, mit konsequent nachhaltigen Konzepten: vom Schaukochen mit Gemüseraritäten und Biofleisch, über Unternehmerworkshops bis hin zu den Tagen der Zukunft. 25 Jahre lang war Diethold Schaar selbstständiger Medienunternehmer, seit 2010 führt er das Landhotel Yspertal. „Geplant war das so nicht. Vieles, was wir heute machen, ist das Ergebnis eines spannenden Prozesses“, erklärt Schaar auf die Frage nach dem Warum. Ihm ist aufgefallen, dass das Waldviertel ein innovativer Boden ist, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Nicht nur bei den bekannten Pionierunternehmen, sondern auch bei vielen kleinen Betrieben, die diese Werte und Grundhaltungen leben. VÖSLAUER DR. ALFRED HUDLER, VORSTANDSVORSITZENDER Vöslauer investiert 4,5 Millionen Euro in die Wiedereinführung der 1-Liter-Glasmehrwegflasche. Glasmehrwegflaschen sind wieder befüllbar und ressourcenschonend, bei entsprechend kurzen Transportwegen werden CO2Emissionen eingespart. 52 Prozent der österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten wünschen laut Umfragen Mehrweg-Glasflaschen, trotzdem haben in den vergangenen Jahren immer weniger nach diesem Gebinde gegriffen. Grund ist das höhere Gewicht der Glasflasche im Vergleich zu PET. Vöslauer hat nach einer praktikablen Lösung gesucht und sie in der Kombination einer leichteren Glasflasche und einer teilbaren Kiste gefunden. Die 8x 1 Liter Splitkiste ist mit 14 Kilogramm um 40 Prozent leichter als herkömmliche 12x 1 Liter-Kisten. Sie lässt sich einfach in zwei 4x 1 Liter Kisten teilen und ist bequem zu tragen. Bedenken bei der Wiedereinführung der Glas-Pfandflasche gab es hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit. „Neben den Investitionskosten in Höhe von 4,5 Millionen Euro sind auch Produktion und Handling teurer als bei PETFlaschen. Dennoch bieten wir dem Handel die neue Glasmehrwegflasche zum gleichen Preis wie die PETPfandflasche an“, schildert Dr. Alfred Hudler, Vorstandsvorsitzender Vöslauer die Herausforderung. Ob die Innovation erfolgreich sein wird, kann Hudler zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. „Die ersten Rückmeldungen sind jedoch positiv. Wir glauben daran, dass die Einführung der neuen 1-LiterGlasmehrwegflasche dem Markt nachhaltig Impulse verleihen wird.“ 3 Fotos: KhFessl; Sonnentor; Austria Glas Recycling/Fotostudio Helmreich; Johannes Felsch „Als ich als junger Produktmanager bei Erdal begonnen habe, wollten wir lieber ein ökologisches Produkt verkaufen als eines, das für die Schaumkronen auf den Flüssen verantwortlich ist“, erzählt Mag. Franz Studener, Geschäftsführer von Erdal. Damals, 1986, galt es, die schädlichen Inhaltsstoffe aus den Rezepturen zu verbannen. „Dieses Thema ist weitgehend erledigt. Heute stellt sich die Frage, wie wir in Zukunft mit knapper werdenden Ressourcen gut wirtschaften können. Auf der Suche nach neuen Wegen sind wir auf das Prinzip ‚Cradle to Cradle‘ gestoßen.“ ‚Cradle to Cradle‘ heißt, dass alle Materialien kreislauffähig sind. Das beginnt bei den Inhaltsstoffen und geht bis zur Druckerfarbe auf den Etiketten. Hunderte chemische Elemente wurden im Zuge einer sehr aufwendigen Zertifizierung untersucht: Die Inhaltsstoffe sind weitestgehend pflanzlich, wachsen in Europa und werden im Naturkreislauf wieder abgebaut, die Flaschen sind zu 80% aus dem Recycling alter PET Flaschen, die Energie stammt zu 100% aus Ökostrom. Studener: „Die größte Herausforderung war es, die gesamte Lieferkette einzubinden. Und die geht weit über die eigene Produktion hinaus.“ Fotos: Piel; Voeslauer 3 ERDAL Begonnen hat er mit Businessseminaren. Im Laufe der Zeit ist er auf zwei große Themen gestoßen: Veränderung und Vernetzung. „Wir leben in einem Veränderungsprozess auf allen Ebenen: persönlich, politisch, gesellschaftlich, wirtschaftlich. Alles, was neu ist, verunsichert zunächst einmal. Es braucht Menschen, die sich darauf einlassen. Mit meinem Haus biete ich ihnen einen Rahmen.“ Gezielt bringt Schaar Menschen zusammen, die in einer offenen Atmosphäre arbeiten und sich vernetzen können. Bei seinen mehrtägigen „Stammtischen“ erzählen sie in lockerer Urlaubsatmosphäre, was sie tun und vor welchen Herausforderungen sie stehen. Bei den „Tagen der Zukunft“ werden „Best-Practice-Beispiele“ von Start Up‘s und Social Entrepreneurs vorgestellt und diskutiert. Schaar: „Es geht mir vor allem darum, dass die Gäste Informationen abholen und weitergeben, damit sie ins Tun kommen.“ Die Speisekarte im Nichtraucherhotel hat er übrigens letztes Jahr auf biologische, regionale und fair gehandelte Produkte umgestellt. Alte Sorten und Raritäten liebt er besonders. Gut statt schnell kochen ist sein Beitrag zur Entschleunigung. 6 SONNENTOR JOHANNES GUTMANN GRÜNDER & GESCHÄFTSFÜHRER Unermüdlich aktiver Unternehmer, baut das „Sonntor-Erlebnis“ mit dem Restaurant Leibspeis und Seminaren im Waldviertel weiter aus. Hat einen Betriebskindergarten installiert. 6 AUSTRIA GLAS RECYCLING DR. HARALD HAUKE, GESCHÄFTSFÜHRER MONIKA PIBER-MASLO, CSR Mit dem „Grünbuch Glas“ blickt das Unternehmen über die eigenen System- und Landesgrenzen und thematisiert die wichtigsten Faktoren einer gelingenden Kreislaufwirtschaft. 8 GREEN BUSINESS SOLUTIONS GMBH MAG. ROLAND HASLAUER, GESCHÄFTSFÜHRER Aufbau der weltweit ersten freien Solarroute. Entlang einer 200 Kilometer langen Strecke in Salzburg wurden Ladestationen für Elektroautos bei 12 Unternehmen errichtet. Diese stellen kostenlos Strom zur Verfügung, der entweder von der firmeneigenen PV-Anlage kommt oder als Sonnenstrom zertifiziert ist. BUSINESSART 04/14 | 29 8 GERHARD ZOUBEK EIGENTÜMER Führt Österreichs größtes Gemeinwohlökonomieunternehmen mit 550 Mitarbeitern. Pionier nachhaltiger Logistik in CEE. Errichtete 2013 neue Logistikhalle in Passivhaus-Standard, die 5-fach ausgezeichnet wurde. Kunden sollen eine größere Vielfalt an regionalem Wintergemüse erhalten. 2013/2014 haben der Biohof und die Gartenbauschulen Schönbrunn und Langenlois den Ausbau von frostfesten Asia-Salaten ausprobiert. Der nächste Schritt ist die praktische Erprobung in fünf Biobetrieben österreichweit. 13 8 MAG. MICHAEL MARTINEK VORSTAND Der neu geschaffene Konzern-Ethikbeirat – er ist einzigartig in Österreich – berät das Bankhaus bei der Definition von Kriterien und Rahmenbedingungen für ethisch-nachhaltige Finanzgeschäfte. Darüber hinaus wurde ein Online-Ethik-Sparkonto eingerichtet. 30 | BUSINESSART 04/14 13 SIMACEK FACILITY MANAGEMENT GROUP MAG.A URSULA SIMACEK, CEO INA PFNEISZL, HEAD OF CSR STRICKWERK DI(FH) SONJA HAGERVEDADINEJAD GESCHÄFTSFÜHRERIN CO2-Bindung durch Humusaufbau nun auch im Waldviertel: Die Ökoregion Kaindorf hat die Basis geschaffen, die Druckerei Janetschek aus Heidenreichstein baut darauf ihre Kooperation mit Waldviertler Biobauern auf: Durchschnittlich 130 Tonnen CO2 kompensiert das Unternehmen pro Jahr. SCHELHAMMER & SCHATTERA STEFAN BÖCK, ÖST. WIRTSCHAFTSVERLAG implementiert, als zweiter österreichischer Verlag nach dem Lebensart Verlag, CSR konsequent in sein Geschäftskonzept. DR. WALTER EMBERGER, TEACH FOR AUSTRIA Kinder entdecken ihre Stärken MAG. PETRA GALLAUN, TELEKOM AUSTRIA GROUP UND A1 Einführung eines CO2 neutralen Netzes für A1 MAG. BARBARA MUHR, HOLDING GRAZ KOMMUNALE DIENSTLEISTUNGEN GMBH GRI G4 Bericht – Vorreiter im öffentlichen Sektor MAG. GEROLD PERMOSER, ERSTE SPARINVEST Hat neuen nachhaltigen Publikumsfond aufgelegt. DI CHRISTIAN PURRER (VORSTAND), DR. CHRISTIAN HOLTER, ENERGIE STEIERMARK / SOLID errichteten die größte thermische Solaranlage Österreichs mit 7.000 m². ULLI RETTER, SEMINAR HOTEL RESTAURANT RETTER Neubau nach höchsten ökologischen Kriterien ADAMAH BIOHOF Einrichtung eines alternativen Maturareiseangebotes, bei der SchülerInnen Land, Menschen und Kultur kennen lernen können. Jährlich werden neue Photovoltaikanlagen errichtet, um CO2 zu kompensieren. MANFRED ERGOTT KOMMUNIKATION IN ALPHABETHISCHER REIHENFOLGE MAXIMILIAN SCHACHINGER GESCHÄFTSFÜHRER 8 DRUCKEREI JANETSCHEK WEITERS UNTER DEN TOP 30 SCHACHINGER LOGISTIK HOLDING GMBH Das 2014 eröffnete Strickwerk bietet nur Garne an, die 100 % tierfreundlich und ökologisch erzeugt wurden. Zudem werden Recycling- und Upcyclinggarne, Bio-Fairtrade-Stofftaschen und ausnahmslos ökologische Strick-Accessoires (Holznadeln statt Plastik, ...) angeboten. Das Unternehmen wurde nach der neuen ONR192500 zertifiziert. Darüber hinaus wurden betriebliche SozialarbeiterInnen engagiert. Sie helfen MitarbeiterInnen aus unterschiedlichsten Kulturkreisen, denen alltägliche Herausforderungen, wie eine passende Kinderaufsicht zu finden oder Amtsbesuche, schwer fallen. 13 ZOTTER SCHOKOLADE JULIA ZOTTER GESCHÄFTSFÜHRERIN ZOTTERSCHOKOLADEN SHANGHAI Zotter goes Shanghai – das Schokoladentheater wurde im Mai 2014 eröffnet. Produziert wird die Bio- und Fairtrade-Schokolade nach wie vor in Österreich. „Wir tragen den Gedanken der Mitarbeiterwertschätzung bzw. Fairtrade nach China – als Samenkorn, das wachsen wird." DR. SIMONE RUFF, SIMONE MELDA, MAG. NIKOLAUS HUTTER, RUFFBOARDS Aus ausgedienten Snowboards werden individuell designte Longboards gebaut. Und zwar mit Menschen, die am Arbeitsmarkt kaum Chancen haben. MAG. HUBERT SAUER, BIPA Produktlinie bi good aus nachwachsenden Rohstoffen aus Österreich KARL-HEINZ SCHIRNHOFER, SCHIRNHOFER GmbH. Bereits 30 Prozent gentechnikfreies, regionales Donau-Soja GERALD SIMON, MSC, WEB / ELLA AG Aufbau eines Schnellladenetzes für Österreich DR. GEORG STEINER, HAGLEITNER HYGIENE INTERNATIONAL GMBH Erster Kompaktreiniger (Konzentrat) mit dem Österreichischen Umweltzeichen und dem EU-Ecolabel ausgezeichnet DI WALTER WIEDENBAUER, STO GES.M.B.H. Bereits drei Produkte werden CO2 neutral produziert. DI MAG. JOHANN ZIMMERMANN, NAKU Natürlicher Kunststoff als Pflanzenbinder DIE WAHL DER NACHHALTIGEN GESTALTERINNEN ÖSTERREICHS – DAS PROCEDERE 47 Expertinnen und Experten haben 50 Unternehmen und die verantwortlichen GestalterInnen nominiert und anschließend gereiht. Die Kriterien für eine Wahl waren: 1. Es handelt sich um ein Unternehmen. 2. Das Unternehmen hat CSR in seiner Strategie verankert und kommuniziert das auch öffentlich. 3. Es hat einen wesentlichen Schritt im Kerngeschäft 2013/2014 umgesetzt. Die Top 30 sind in diesem Bericht vorgestellt. Die Expertinnen & Experten (alphabetisch gereiht) Monika Auer, ÖGUT; Christian Brandstätter, LEBENSART; Michael BauerLeeb, The good tribe; Mag.a Cornelia Dankl, CSR-Circle; Denkstatt-Team (Dr. Christian Plas, Mag.a Silke Foerster-Kugler); Dr. Michael Fembek, Essl Foundation; Mag. Stephan Fickl, klima:aktiv; Mag.a Cornelia Frank, Amt der Burgenländischen Landesregierung; Mag.a Elisabeth Freytag-Rigler, BMLFUW; Mag.a Karin Gastinger, MAS, PwC Österreich; Mag.a Leonore Gewessler, GLOBAL 2000; Ing. Günter Goldhahn, DSA, G-Group Unternehmens& Prozessberatung; DI Dr. Markus Graggaber, Land Salzburg; Dr. Herbert Greisberger, ENU; DIin Karin Hartl-Hubmann, Amt der Tiroler Landesregierung, Mag.a Annemarie Harant, brainbows, Leo Hauska, Hauska & Partner, Reinhard Herok, Berater, DI Dr. Wilhelm Himmel, Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Dr. Thomas Hruschka, MAS, Öko Business Plan Wien, DI Günther Humer, Amt der OÖ Landesregierung, Dr.in Christine Jasch, Institut für Ökolog. Wirtschaftsforschung, Mag.a. Nunu Kaller, Greenpeace, Daniela Kitzberger, MA, Amt der NÖ Landesregierung, Mag. Daniela Knieling, respACT, Christian Köberl, Ökosoziales Forum Steiermark, Mag.a Veronika Kotzab, IV, Mag. Johannes Lindner, Initiative für Teaching Entrepreneurship, Dr. Fred Luks, WU Wien, Mag. Roman Mesicek, IMC FH Krems, Mag. Peter Molnar, Klimabündnis Österreich, Dr.in Marisa Mühlboeck, Julius Raab Stiftung, Willi Nowak, VCÖ, DI Michael Paula, BMVIT, Plenum – Team (Dr. Alfred Strigl, Dr. Florian Heiler, Mag.a Sylvia Brenzel), DI Dr. Klaus Reisinger, ClimatePartner Austria, Roswitha M. Reisinger, MBA, BUSINESSART, Dr. Michael Schaller, Berater, Mag.a Annemarie Schallhart, MBA, Beraterin, Dr. René Schmidpeter, CSR Experte, Mag. Andreas Schneider, BM für Familien und Jugend, Prof. Dr. Markus Scholz, FH Wien der WKW, DI Thomas Steiner, Amt der NÖ Landesregierung, Dr. Wolfram Tertschnig, BMLFUW, DI Andreas Tschulik, BMLFUW, Thomas Walker, walk-on, DI Dr. Heinz Peter Wallner, Wallner & Schauer GmbH. BESTES KUNDENSERVICE UND NACHHALTIGES INVESTMENT Die BONUS Vorsorgekasse gewinnt den MVK Service Award. Das engagierte Team der BONUS überzeugte auch 2014 als einzige Vorsorgekasse die Jury von Telemark Marketing sowohl am Telefon als auch bei der Beantwortung von E-Mails. Aber auch in der Veranlagung hat die BONUS Auszeichnungen vorzuweisen. Bei der Veranlagung der ihr anvertrauten Gelder setzt die BONUS auf das nachhaltige Investmentkonzept BONUS21. Ausschlussund Positivkriterien sind dabei ebenso relevant wie Transparenz, Nachvollziehbarkeit und die Einbindung von Stakeholdern. Dafür wurde die BONUS Vorsorgekasse mit dem Gold Label der ÖGUT (österr. Gesellschaft für Umwelt und Technik) ausgezeichnet. Entgeltliche Einschaltung REISEBÜRO FÜR KULTURUND SPRACHREISEN DR. HEINRICH HOCHEGGER GESCHÄFTSFÜHRER Fotos: Sissy Furgler; Christina Sazma ; Thomas Topf; ADAMAH BioHof/Manfred Klimek; Haffertography; Schachinger Logistik; Simacek; Zotter 8 13 COOLTOURS BUSINESSART 04/14 | 31 Rahmenbedingungen 2014 KONSE QUENTE SYSTEME IMPRESSUM: Eigentümer & Verleger: Lebensart VerlagsGmbH, Wiener Straße 35, 3100 St. Pölten, Tel: 02742/70855, Fax: DW 20, [email protected]; Herausgeberin und Chefredakteurin: Roswitha M. Reisinger; Mitarbeit an dieser Ausgabe: Georg Bauernfeind; Christian Brandstätter; Mag. Barbara Coudenhove; Mag. Gabriele Faber-Wiener; Ing. Günter Goldhahn, DSA; Dr. Fred Luks; Sigrun Saunderson; Anzeigen: Christian Brandstätter; Tamara Graf; Gestaltung/Produktion: LIGA: graphic design; Lektorat: Cornelia Kühhas; Geschäftsführung: Christian Brandstätter; Aboservice: Tamara Graf; ISSN 2307-4744; Druck: NÖ Pressehaus, NP-Druck, Gutenbergstr. 12, 3100 St. Pölten. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen. Das BUSINESSARTRedaktionsbüro bezieht seine Energie aus Ökostrom. Der Lebensart Verlag wurde 2013 mit dem Nachhaltigkeitspreis TRIGOS ausgezeichnet. BUSINESSART wurde 2013 von der UNESCO als Dekadenprojekt „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ ausgezeichnet. Gedruckt nach der Richtlinie „Druckerzeugnisse“ des Österreichischen Umweltzeichens, NP DRUCK, UW-Nr. 808 2 EU-SAATGUTVERORDNUNG ABGELEHNT Verantwortlich: Mag. Iga Niznik (Arche Noah), Heidemarie Porstner (Global 2000) Inhalt: Die EU-Kommission hatte im Mai 2013 einen Vorschlag für eine neue Saatgut-Verordnung vorgelegt, der Industriesaatgut begünstigt und das Saatgut alter und seltener Sorten abgedrängt hätte. Der Vorschlag wurde vom EU-Parlament im März 2014 abgelehnt. Kommentare: Die GärtnerInnen und LandwirtInnen können weiter ungestraft altes Saatgut anbauen und vermehren. Diese Aktion ist essentiell für das Überleben auf diesem Planeten. Ein bewusstseinsbildendes Projekt! DER ÖKOBUSINESSPLAN: SAUBERE GEWINNE FÜR UNTERNEHMEN UND UMWELT Der ÖkoBusinessPlan Wien wurde 1998 von der Wiener Umweltschutzabteilung – MA 22 ins Leben gerufen, mit dem Ziel, Wiener Betriebe bei der Umsetzung umweltrelevanter Maßnahmen zu unterstützen und gleichzeitig Betriebskosten zu sparen. Wir haben unsere ExpertInnen gefragt, welche Gesetze, Leitfäden, Zertifizierungen oder andere Regelungen 2013/2014 verabschiedet wurden, die nachhaltiges Handeln von Unternehmen positiv unterstützen. Die Bewertung wurde hier nicht nach Punkten, sondern nach Anzahl und Inhalt der Kommentare durchgeführt. 1 ERSTER ÖSTERREICHISCHER SACHSTANDSBERICHT ZUM KLIMAWANDEL Verantwortlich: Dr. Nebojsa Nakicenovic (TU Wien), Dr. Helga Kromp-Kolb (BOKU), Dr. Karl Steininger (Karl Franzens-Universität Graz), Laura Morawetz u.a. Inhalt: Der Bericht bringt erstmals Fakten rund um den Klimawandel in Österreich, seine Folgen, Minderungsund Anpassungsmaßnahmen sowie zugehörige politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Fragen auf den Tisch. Kommentare: Tatsächlich ein einzigartiges Unterfangen, das Aufmerksamkeit auf dieses wichtige Thema lenkt und eine richtungsweisende Sammlung zum Thema bietet. 32 | BUSINESSART 04/14 mas Walker (Berater), Dr. Karl Grün (Österr. Normungsinstitut) Inhalt: Mit der neuen Regel ONR 192500 bietet sich für Unternehmen und Organisationen erstmals die Möglichkeit, die in der ISO 26000 formulierten Leitlinien und Grundsätze gesellschaftlicher Verantwortung systematisch in die Praxis umzusetzen und ihre Einhaltung nachzuweisen. Kommentare: Das ist eine europaweit führende Initiative in Österreich. Die ONR 192500 ist eine tolle Möglichkeit für Unternehmen, ihr CSR-Management weiter zu entwickeln! Für eine erfolgreiche Einführung in Österreich sind noch ein Leitfaden zum Standard sowie ein System zur Qualitätssicherung notwendig! Kritik: Die ISO hat die ISO 26000 explizit als nicht zertifizierungsfähige Leitlinie und nicht als Anforderungsdokument definiert. Die Schnittstellen zu den zertifizierungsfähigen Normen wie ISO 14001 sind unklar. Gemeinsam mit erfahrenen UmweltberaterInnen werden Einsparpotenziale identifiziert, um Schritt für Schritt den Energiebedarf, das Abfallaufkommen oder den Ressourceneinsatz zu reduzieren. Auch das Thema soziale Nachhaltigkeit spielt eine immer wichtigere Rolle. Seit dem Start der Initiative haben mehr als 1.000 Unternehmen am ÖkoBusinessPlan Wien teilgenommen. In 16 Jahren wurden allein 121,5 Millionen Euro Betriebskosten eingespart. Infos über teilnehmende Betriebe, Anmeldung: http://unternehmen.oekobusinessplan.wien.at Entgeltliche Einschaltung Neben Werten steuern Rahmenbedingungen wie Gesetze, Richtlinien oder Zertifizierungen Unternehmen sehr 3 nachhaltig. Von ihnen hängt ab, wie umfassend oder tief greifend ManagerInnen nachhaltige Kriterien in ihre ONR 192500 Entscheidungen einbeziehen (können). Verantwortlich: Dr. Wolfram Tertschnig (BMLFUW), Tho- WEITERS WURDEN GENANNT: Energieeffizienzgesetz, EU Richtlinie zur Offenlegung nichtfinanzieller Informationen, GRI/G4, Umweltzeichen für Green Events, die Einrichtung des Kompetenzzentrums für Nachhaltigkeit an der WU Wien, die Novelle der Elektroaltgeräte-Verordnung, die Weiterentwicklung der Biorichtlinien und der Leitfaden für Antiquitätenhändler. Einsparungen der ÖkoBusinessPlanBetriebe seit 1998. Gastkommentar Unbequeme Wahrheiten Über das komplizierte Verhältnis von Ethik, Gestaltung und Populismus FRED LUKS und unter aufbrandendem Gesinnungsapplaus über universitäre Bildung lustig machen, hat das wenig mit verantwortungsvoller Gestaltung und viel mit verantwortungslosem Populismus zu tun. Ähnlich verhält es sich, wenn Schuhhersteller im Fernsehen als Finanzmarktexperten durchgehen, und wenn Weltrettungsplanhersteller am Schreibtisch eine neue Wirtschaftsordnung entwerfen, die historisches wie fachliches Wissen gelinde gesagt unzureichend berücksichtigt. Denn Ethik heißt wesentlich: Reflexion. Was uns zu den Gestalterinnen und Gestaltern der „Nachhaltigkeit“ bringt: Denn manche agieren bisweilen, so scheint mir, recht unreflektiert. Nach meiner Auffassung sollten sie keine Gutmenschen sein, die das staunende und nach Orientierung lechzende Publikum mit einfachen Sinnangeboten abspeisen. Gestalterinnen und Gestalter sollten ihrer Verantwortung gerecht werden – und das schließt ein: den eigenen Standpunkt hinterfragen und im Ringen über „Nachhaltigkeit“ unbequeme Wahrheiten aussprechen. Stattdessen werden heute, wenn es um die „Nachhaltigkeit“ geht, immer öfter einfache „Lösungen“ präsentiert. Das ist populistisch. Bei diesen Beispielen geht es nicht um Personen, sondern um Positionierungen. Wer die Freiheit zur Gestaltung hat, muss sich auch der Verantwortung stellen, die mit dieser Freiheit einhergeht. Wer im öffentlichen Diskurs Gehör findet, sollte entsprechend agieren, und das heißt ganz wesentlich: den Leuten die Erkenntnis zumuten, dass „Nachhaltigkeit“ nicht „einfach“ zu haben ist, sondern Meinungsunterschiede, Paradoxien und mühsame Aushandlungsprozesse impliziert. Es kann nicht oft genug betont werden – die Originalfassung des Sinowatzschen „Es ist alles sehr kompliziert“ enthält eine wichtige Botschaft für das Ringen um „Nachhaltigkeit“: „Ich weiß schon (…), das alles ist sehr kompliziert so wie diese Welt, in der wir leben und handeln, und die Gesellschaft, in der wir uns entfalten wollen. Haben wir daher den Mut, mehr als bisher auf diese Kompliziertheit hinzuweisen; zuzugeben, dass es perfekte Lösungen für alles und für jeden in einer pluralistischen Demokratie gar nicht geben kann.“ Genau: Perfekte Lösungen gibt es nicht, und einfache auch nicht. Wer den Leuten etwas anderes verkauft, kann nicht verantwortungsvoll gestalten, sondern agiert populistisch. Dieser Populismus hat viele Formen. Bildungsbashing ist eine davon. Ich finde es unerträglich, wenn man vor jungen Leuten ein Universitätsstudium als verschwendete Zeit schlechtredet. Gewiss: Nicht alle müssen studieren. Aber dass Menschen mit Hochschulabschluss in der Regel sehr hohe Chancen auf einen guten Arbeitsplatz haben, sollte sich herumgesprochen haben – und auch, dass man im Studium durchaus nachhaltigkeitsrelevante Kompetenzen erlernen kann. Mit Verlaub: Wenn Kräuterhersteller sich öffentlich und abschätzig 34 | BUSINESSART 04/14 Ich finde, das musste mal gesagt werden. w w w. s c h i n e r. a t Foto: Nick Albert Dr. Fred Luks ist Leiter des Kompetenzzentrums für Nachhaltigkeit an der Wirtschaftsuniversität Wien. Zu seinen Publikationen zählen die Bücher „Endlich im Endlichen“ und „Irgendwas ist immer. Zur Politik des Aufschubs.“ Vor kurzem ist bei Metropolis sein neues Buch „Öko-Populismus“ erschienen. Es ist alles sehr kompliziert. Ethik zum Beispiel. Oft hört man die Forderung nach „ethischem Verhalten“. Was dabei kaum thematisiert wird: welche Ethik hier eigentlich gemeint ist. Es kann ja auch eine Ethik rücksichtsloser Profitmaximierung oder der monomanischen Befriedigung eigener Bedürfnisse geben. Auch das ist dann eine Ethik, die aus Sicht der „Nachhaltigkeit“ vielleicht keine gute ist – aber eben dennoch eine Ethik bleibt. Daumen hoch … Bezahlte Anzeige … gegen Handverletzungen! Hände gut, alles gut! Handverletzungen sind die häufigste Folge von Unfällen – fast jeder zweite Arbeitsunfall betrifft die Hand. Dabei könnten viele von ihnen vermieden werden! Es gibt viele Möglichkeiten, das Unfallrisiko zu senken: Die Einhaltung der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen sowie höchste Konzentration bei jedem Handgriff stehen dabei an erster Stelle! Eine Initiative der AUVA für mehr Sicherheit und Gesundheit. www.händegut-allesgut.at