12 Die Messung von Frequenz und Zeit In der modernen Meßtechnik werden in zunehmendem Maße die Zeit und Frequenz als informationstragende Parameter genutzt. Einer der Hauptvorzüge dieser Codierungsart liegt in der sehr hohen Genauigkeit, mit der Zeitintervalle und Frequenzen gemessen werden können. Ein weiterer Vorteil besteht darin, daß sich die im allgemeinen in analoger Form vorliegenden Meßsignale auf einfache Weise mit Hilfe von Zählerschaltungen digitalisieren lassen. Zeit- und Frequenzmessungen sind eng miteinander verknüpft, da beide mit Hilfe von Zählern durchgeführt werden. Man kann erreichen, daß der Meßfehler bei der Zeit- bzw. Frequenzmessung im wesentlichen auf die Ungenauigkeit der eingesetzten Zeitbasis beschränkt bleibt, deren Genauigkeit wiederum von dem dort verwendeten frequenzbestimmenden Element definiert wird. Dieses Frequenznormal basiert standardmäßig auf einem Schwingquarz, der zur Erhöhung der Genauigkeit temperaturstabilisiert betrieben werden kann. Selbst mit einfachen nicht temperaturstabilisierten Uhrenquarzen sind relative Frequenzfehler von weniger als 10−5 möglich. Durch geeignete Temperaturregelungen lassen sich die relativen Fehler bezüglich der Temperaturdrift sogar noch um drei bis vier Größenordnungen reduzieren. Präzisionsfrequenzzähler hingegen enthalten Rubidium-Elemente, die Genauigkeiten im Bereich 10−10 bis 10−11 ermöglichen. In speziell eingerichteten Laboratorien, wie z. B. der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig, werden bei der Zeitmessung sogar Genauigkeiten von 5 · 10−15 erzielt [16]. Wenn zeitlich äquidistante Impulse (Pulsfolgefrequenz f ) eines Signals in einem Zähler während eines Zeitintervalls T summiert werden (Abb. 12.1), ergibt sich der Zählerstand NX aus dem Produkt dieser beiden Größen NX = f T . (12.1) Bei der Zeitmessung wird die Anzahl NX der Impulse eines frequenzstabilen Referenzsignals mit der Taktfrequenz fref mit Hilfe eines Zählers während der zu messenden Zeit TX gezählt. Damit berechnet sich die Zeit TX zu NX TX = . (12.2) fref R. Lerch, Elektrische Messtechnik, Springer-Lehrbuch DOI 10.1007/978-3-642-22609-0_12, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012 396 12 Die Messung von Frequenz und Zeit Abb. 12.1. a) Prinzipschaltbild der digitalen Zeit- bzw. Frequenzmessung, b) Zeitdiagramm Bei der Frequenzmessung hingegen werden die während der Referenzzeit Tref (Torzeit) einlaufenden Impulse des Meßsignals gezählt. Aus dem Zählerstand NX und der mit hoher Genauigkeit vorgegebenen Torzeit Tref kann die Frequenz fX bestimmt werden NX . (12.3) fX = Tref 12.1 Mechanische Frequenzmessung Zur Messung der Netzfrequenz mit Hilfe mechanischer Meßwerke befinden sich teilweise noch die zur Kategorie der Vibrationsmeßwerke zählenden Zungenfrequenzmesser im Einsatz. Diese Meßwerke besitzen bewegliche Komponenten, die infolge elektromagnetischer Anregung in resonante Schwingungen versetzt werden. Nennenswerte Auslenkungen treten nur bei der jeweiligen (mechanischen) Resonanzfrequenz der Zungen auf. Beim Zungenfrequenzmesser ist vor den Polschuhen eines Elektromagneten ein Kamm aus weichmagnetischen Stahlzungen angeordnet, welche sich in bezug auf ihre Resonanzfrequenz unterscheiden (Abb. 12.2). Diese Meßwerke dienen der Überwachung eines schmalen Frequenzbandes, typischerweise 47 - 53 Hz bzw. 46 - 54 Hz, in dem die Netzversorgungsspannung liegt. Die Frequenzunterschiede der einzelnen Zungen liegen bei 0,5 Hz. Daneben gibt es auch Ausführungsformen für andere Frequenzbereiche, z. B. 10 Hz - 2 kHz. 12.2 Digitale Frequenzmessung 397 Abb. 12.2. Aufbau eines Zungenfrequenzmessers [158] 12.2 Digitale Frequenzmessung Bei der digitalen Frequenzmessung wird das Meßsignal zunächst in einem als Impulsformer dienenden Schmitt-Trigger in eine Folge von Rechteckpulsen gewandelt. Diese Pulse werden während einer definierten Meßzeit Tref , die durch einen Referenztakt, einen Frequenzteiler mit Teilerverhältnis Nref sowie ein Toggle-Flip-Flop vorgegeben wird, von einem Vorwärtszähler zu einem Zählerstand NX summiert. Die prinzipielle Schaltung zur digitalen Frequenzmessung wird in Abb. 12.3 gezeigt. Die zu messende Frequenz fX ergibt sich zu NX fref = NX . (12.4) fX = Tref Nref Der Zähler muß zu Beginn jeder neuen Meßperiode zurückgesetzt werden. Es sei darauf hingewiesen, daß dieser Rücksetzvorgang von der in Abb. 12.3 gezeigten Prinzipschaltung noch nicht automatisch vorgenommen wird. Soll das Verhältnis zweier Frequenzen gebildet werden, so ist dies mit Hilfe einer leicht modifizierten Schaltung (Abb. 12.4) ebenfalls möglich. Analog zur einfachen digitalen Frequenzmessung kann das Frequenzverhältnis abgeleitet werden. Dazu ist in Gl. (12.4) fX durch f1 /N1 und Tref durch N2 /f2 zu ersetzen Abb. 12.3. Digitale Frequenzmessung 398 12 Die Messung von Frequenz und Zeit f1 N1 = NX . f2 N2 (12.5) Abb. 12.4. Messung eines Frequenzverhältnisses 12.3 Digitale Zeitmessung 12.3.1 Zeitintervallmessung (Zeitdifferenzmessung) Bei der digitalen Zeitintervallmessung werden die von einem Taktsignal mit bekannter Referenzfrequenz während der zu messenden Zeit TX in einen Zähler einlaufenden Impulse gezählt (Abb. 12.5). Der konstante Referenztakt wird von einem Rechteckoszillator geliefert, der sich durch hohe Frequenzstabilität auszeichnet. Seine Pulse werden gezählt, solange der zweite Eingang des UND-Gatters auf 1 liegt. Dieses zweite Eingangssignal entspricht dem Ausgangssignal eines RS-Flip-Flops, dessen Setzen und Rücksetzen mit der jeweils ansteigenden Flanke des Start- bzw. Stopsignals erfolgt. Wird das RS-FlipFlop zurückgesetzt, sperrt das Gatter und der Zähler wird gestoppt. Aus dem Zählerstand NX und der bekannten Referenzfrequenz fref kann das Zeitintervall TX gemäß 1 TX = NX (12.6) fref ermittelt werden. Für den Fall, daß Start- und Stop-Signal auf ein und derselben Leitung einander folgen, wird anstatt des RS-Flip-Flops ein T-Flip-Flop eingesetzt (Abb. 12.6). Infolge eines anfänglichen Resetsignals erscheint am Eingang des ersten T-Flip-Flops ein 1 -Signal. Daraufhin wird mit der nächsten ansteigenden Flanke des Meßsignals (Start-Marke) der Ausgang des ersten T-Flip-Flops auf 1 gesetzt und bewirkt damit über das UND-Gatter das Durchschalten des Referenztaktsignals auf den Zähler. Die nächste ansteigende Flanke des Meßsignals (Stop-Marke) stoppt den Zählvorgang durch Rücksetzen des ersten T-Flip-Flops und das damit einhergehende Sperren des UND-Gatters. 12.3 Digitale Zeitmessung Abb. 12.5. Digitale Zeitintervallmessung mit getrennten Signalleitungen: a) Prinzipschaltbild, b) Zeitdiagramm 399 Start-/Stop- Das gleichzeitige Rücksetzen von T1 = Q2 = 1 auf T1 = Q2 = 0 bewirkt, daß das erste T-Flip-Flop bis zum nächsten Resetimpuls verriegelt wird und nur noch Speicherwirkung hat, woraufhin die Schaltung auf keine weiteren Startbzw. Stopimpulse mehr reagiert. Aus Genauigkeitsgründen sollte die Taktfrequenz möglichst hoch liegen, da die unweigerlich vorhandene Unsicherheit des Zählerstandes bei ±1 liegt. Dieser sog. Quantisierungsfehler ist stets vorhanden, weil die Phasenlage zwischen Takt und den Intervallgrenzen des Zeitintervalls TX i.allg. nicht kohärent ist, was zu einer absoluten Meßzeitunsicherheit ΔTX führt. Der daraus resul- Abb. 12.6. Signalleitung Digitale Zeitintervallmessung mit gemeinsamer Start-/Stop- 400 12 Die Messung von Frequenz und Zeit tierende relative Meßfehler beträgt ΔTX ±1 1 1 = TX NX = NX = fref TX . (12.7) Gleichung (12.7) sagt aus, daß der Fehler umso kleiner wird, je höher die Taktfrequenz fref und je länger das Zeitintervall TX ist. Bei der Messung kleinerer Zeitintervalle werden daher oft sog. Zeitexpander eingesetzt. Ein Zeitexpander führt analog zu einem Frequenzteiler eine Zeittransformation durch, d. h. ein kurzes Zeitintervall wird in ein längeres überführt. Beim Schwebungsfrequenz-Zeitexpander werden zwei phasenstarr verbundene Rechteckoszillatoren G1 und G2 mit den Pulsfolgefrequenzen f1 = 1/T1 und f2 = 1/T2 vom Start- bzw. vom Stop-Signal des zu messenden Zeitintervalls TX gestartet (Abb. 12.7). Dabei wird vorausgesetzt, daß das Zeitintervall TX kürzer ist als die Periodendauer T1 . Da die Pulsfolgefrequenz f2 geringfügig größer ist als f1 , wird nach einer Zeit TKoinzidenz erstmalig die Phasenkoinzidenz der beiden Oszillatoren erreicht sein. Wenn man von Rundungsfehlern absieht, kann die Koinzidenzzeit TKoinzidenz wie folgt berechnet werden (12.8) TKoinzidenz = TX + NX T2 = NX T1 . Abb. 12.7. Zeitdiagramm eines Schwebungsfrequenz-Zeitexpanders (Rundungsfehler außer acht gelassen) Das zu messende Zeitintervall TX und das Zeitexpansions-Verhältnis dt ergeben sich zu TX = NX (T1 − T2 ) TKoinzidenz T1 dt = = . TX T1 − T2 (12.9) (12.10) Abbildung 12.8 zeigt eine entsprechende Schaltung mit den dazugehörigen 12.3 Digitale Zeitmessung 401 Signalverläufen. Nach einem anfänglichen Resetsignal ist die Schaltung vorbereitet, die Start- und Stop-Marke des zu messenden Zeitsignals TX in Form einer ansteigenden bzw. abfallenden Flanke eines Rechteckpulses über die Leitung uE zu empfangen. Das T1 -Flip-Flop startet daraufhin den Generator G1 , während das T2 -Flip-Flop nach Ablauf des Zeitintervalls TX den Generator G2 in Gang setzt. Der Schaltung kommt nun noch die wesentliche Aufgabe zu, zu erkennen, wann die erste ansteigende Taktflanke des G2 -Signals (geringfügig) früher eintrifft als die korrespondierende Flanke des G1 -Signals. Dann nämlich Abb. 12.8. Schwebungsfrequenz-Zeitexpander: a) Prinzipschaltung, b) Signalverläufe 402 12 Die Messung von Frequenz und Zeit ist der Zähler, der die G1 -Pulse zählt, zu stoppen und der Zählerstand zur Auswertung nach Gl. (12.9) heranzuziehen. Schaltungstechnisch wird dies durch die Rückkopplung der Q3 - und Q4 -Ausgänge erreicht. Dadurch kann das T4 -Flip-Flop erstmals kippen (dazu muß T4 = 1 sein und gleichzeitig eine positive Taktflanke am Takteingang anliegen), wenn die ansteigende G2 Taktflanke früher eintrifft als die korrespondierende des G1 -Signals. Dies wird möglich, da diese (korrespondierende) G1 -Taktflanke jedesmal das T3 -FlipFlop auf Q3 = 1 bzw. Q3 = 0 schaltet, sodaß das T4 -Flip-Flop wegen T4 = 0 gegen ein Umschalten verriegelt wird. Erst bei einem früheren Eintreffen findet die ansteigende G2 -Flanke ein mit T4 = 1 umschaltbares T4 -Flip-Flop vor. Durch diesen Schaltvorgang wird der Zähler über das UND-Gatter an seinem Eingang gestoppt. Gleichzeitig kann anhand des Q4 -Signals erkannt werden, wann die Messung zu Ende ist. 12.3.2 Periodendauermessung Bei der Periodendauermessung wird das Meßsignal uE (t) von einem SchmittTrigger zunächst in ein Rechtecksignal mit derselben Periodendauer umgeformt. Die beiden T-Flip-Flops der in Abb. 12.9 gezeigten Schaltung bewirken, daß bei einer ansteigenden Flanke der Signalspannung uSt das Q1 -Signal auf 1 geht, wenn vorher beide Flip-Flops zurückgesetzt waren. Über das am UND-Gatter anliegende Q1 -Signal (Q1 = 1) wird der Zähler dadurch für genau eine Periode der Dauer TX geöffnet (Abb. 12.9b). Aus dem während dieser Abb. 12.9. Periodendauermessung: a) Prinzipschaltbild, b) Zeitdiagramm 12.4 Digitale Phasenwinkelmessung 403 Periode erhaltenen Zählerstand NX kann die zu messende Periodendauer TX ermittelt werden NX . (12.11) TX = fref Nach Ablauf dieser Periode wird das T1 -Flip-Flop über das Q2 -Signal (Q2 = 0) für weitere Messungen gesperrt, bis die beiden T-Flip-Flops über ein gemeinsames Resetsignal wieder zurückgesetzt werden. 12.4 Digitale Phasenwinkelmessung Bei der digitalen Phasenwinkelmessung soll die Phasenwinkeldifferenz ϕX zwischen zwei Sinusspannungen u1 (t) und u2 (t) derselben Frequenz Abb. 12.10. Digitale Phasenwinkelmessung: a) Prinzipschaltbild, b) Zeitdiagramm 404 12 Die Messung von Frequenz und Zeit u1 (t) = û1 sin ωt u2 (t) = û2 sin(ωt + ϕX ) (12.12) (12.13) bestimmt werden. Eine solche Phasendifferenzmessung kann auf die Messung der Zeitdifferenz ϕX , (12.14) TX = ω die zwischen zwei gleichsinnigen Nulldurchgängen der beiden Sinusspannungen vergeht, zurückgeführt werden. Die Zeitdifferenz TX kann mit Hilfe der in Abb. 12.10a gezeigten Schaltung gemessen werden. Abbildung 12.10b soll die prinzipielle Funktionsweise anhand der Signalverläufe erläutern. Der Phasenwinkel ϕX ergibt sich aus dem Zählerstand NX und der Kreisfrequenz ω des Eingangssignals 1 ϕX = ωTX = ω NX . (12.15) fref 12.5 Rechnender Zähler Rechnende Zähler enthalten zwei Zählwerke, welche die Pulse vom Referenztaktsignal und Meßsignal getrennt zählen (Abb. 12.11). Die Steuerfunktion sowie die numerische Auswertung übernimmt ein Mikrocomputer. Der rechnende Zähler mißt Frequenz und Periodendauer auf die gleiche Weise, wobei bei beiden Messungen die Eingangsimpulse und die Pulse des Referenztaktsignals gezählt werden. Anschließend wird die Frequenz fX des Meßsignals aus dem Quotienten der beiden Zählerstände NX und NY berechnet fX = NX fref . NY (12.16) Der Kehrwert 1/fX entspricht der Periodendauer des Eingangssignals. Wenn die Messung mit dem Meßsignal uE synchronisiert wird, bezeichnet man die Messung als eingangssynchronisierte oder reziproke Messung; erfolgt die Synchronisierung hingegen mit dem Referenztakt der Zeitbasis, spricht man von taktpulssynchronisierter oder konventioneller Messung. Abb. 12.11. Rechnender Zähler 12.7 Frequenz-Spannungs-Umsetzer (f/U-Umsetzer) 405 12.6 Zeit-Spannungs-Umsetzer (t/U-Umsetzer) Wenn die Impulsdauer der Informationsträger eines Meßsignals ist (Pulsdauermodulation, Kap. 1.6), kann der Meßwert mit Hilfe eines Zeit-SpannungsUmsetzers (t/U-Umsetzer), der im einfachsten Fall aus einem RC-Tiefpaß besteht, in eine analoge Spannung zurückgewandelt werden. Wenn nämlich das pulsdauermodulierte Signal uE (Rechteckpulsfolge mit konstanter Taktfrequenz 1/T0 und konstanter Amplitude U0 ) einem RC-Tiefpaß zugeführt wird, kann an dessen Ausgang eine Spannung abgegriffen werden, deren zeitlicher Mittelwert ūA proportional der Pulslänge TX ist (Abb. 12.12) T0 TX TX 1 1 uE (t) dt = U0 dt = U0 . (12.17) ūA = ūE = T0 0 T0 0 T0 Bezüglich der Zeitkonstanten des RC-Gliedes ist ein Kompromiß zu schließen zwischen dem Auflösungsvermögen, das von der Restwelligkeit begrenzt wird, und der Anzeigegeschwindigkeit, d. h. der Trägheit beim Einstellen auf neue Meßwerte. Abb. 12.12. RC-Tiefpaß als einfacher Zeit-Spannungs-Umsetzer 12.7 Frequenz-Spannungs-Umsetzer (f/U-Umsetzer) Wenn die Frequenz der Informationsträger des Meßsignals ist (Frequenzmodulation, Kap. 1.6), wird zur analogen Weiterverarbeitung der Meßwerte eine Frequenz-Spannungs-Umsetzung notwendig. Zur Analoganzeige drehzahlproportionaler Frequenzsignale wird beispielsweise oft ein mittelwertbildender Frequenz-Spannungs-Umsetzer (f/U-Umsetzer) eingesetzt (Abb. 12.13). Nach eventueller Pulsformung durch einen Schmitt-Trigger wird auf die Eingangsflanke eines jeden Pulses hin ein Rechteckpuls definierter zeitlicher Länge T0 und Amplitude U0 erzeugt. Dies geschieht mit Hilfe einer monostabilen Kippstufe (Kap. 11.4). Der zeitliche Mittelwert der Ausgangsspannung uA ist proportional der momentanen Puls-Frequenz fX der Eingangsspannung uE TX T0 1 1 ūA = uAM (t) dt = U0 dt = U0 T0 fX . (12.18) TX 0 TX 0 406 12 Die Messung von Frequenz und Zeit Die zeitliche Mittelwertbildung erfolgt wiederum mit Hilfe eines RC-Tiefpasses. Abbildung 12.13 zeigt das entsprechende Blockschaltbild der Gesamtschaltung, bestehend aus Impulsformer (Schmitt-Trigger), monostabiler Kippstufe (Monoflop) und RC-Tiefpaß, sowie den Spannungsverlauf uAM (t) für verschiedene Zeitverläufe der Eingangsspannung uE . Ein solcher FrequenzSpannungs-Umsetzer wird in der Meßtechnik auch oft als Zählratenmesser verwendet. Die Welligkeit der Ausgangsspannung kann bei geringen Zählraten bzw. kleiner Zeitkonstante sehr ausgeprägt sein. Die Zeitkonstante läßt sich allerdings nicht beliebig erhöhen, da sich die Schaltung sonst unter Umständen nicht mehr schnell genug auf die aktuelle Zählrate einstellen kann. Abb. 12.13. Frequenz-Spannungs-Umsetzer: a) Prinzipschaltbild, b) Signalverläufe für zwei verschiedene Eingangsspannungen 12.8 Oszillatoren 12.8.1 Grundlagen Unter dem Begriff Oszillator versteht man in der Elektrotechnik eine Schaltung, die der Erzeugung ungedämpfter Schwingungen mit definierter Frequenz und konstanter Amplitude dient. Der Schwingungserzeuger (Oszillator) erscheint dabei in einem elektrischen Netzwerk als ein aus aktiven und passiven Bauelementen bestehender Zwei- oder Vierpol. Der Begriff Oszillator ist aber nicht auf das Gebiet der Elektrotechnik beschränkt. So bezeichnet ein Oszillator allgemein ein schwingendes Gebilde, wie z. B. das einfache MasseFeder-System, welches einen typischen mechanischen Oszillator repräsentiert. Man unterscheidet zwischen harmonischen Oszillatoren und Relaxationsoszillatoren. Harmonische Oszillatoren erzeugen Schwingungen mit harmonischem 12.8 Oszillatoren 407 (sinusförmigem) Zeitverlauf, während die Relaxationsoszillatoren zur Generierung von Schwingungen mit nicht-sinusförmigem Zeitverlauf, z. B. Rechteckspannungen, herangezogen werden. Zur Erzeugung harmonischer Schwingungen ist eine Rückstellkraft erforderlich, die proportional mit der Auslenkung (Schwingungsgröße) zunimmt. Beim mechanischen Masse-Feder-Oszillator ergibt sich diese Rückstellkraft aus dem Hookeschen Gesetz F = cx . (12.19) Dabei bezeichnen F die mechanische Kraft, die stets zur Gleichgewichtslage hin gerichtet ist, c die Federkonstante und x die Auslenkung. In Verbindung mit dem Newtonschen Gesetz ergibt sich die Schwingungsdifferentialgleichung für das Masse-Feder-System wie folgt m d2 x + cx = 0 . dt2 (12.20) Dabei bezeichnen m die Masse des Schwingers und t die Zeitvariable. Die Lösung von Gl. (12.20) liefert die harmonische Schwingung in Form einer zeitlich sinusförmigen Auslenkung x(t) = X̂ sin(ω0 t + ϕ) (12.21) mit den Konstanten X̂ und ϕ sowie der Schwingkreisfrequenz ω0 (Resonanzkreisfrequenz) c . (12.22) ω0 = m Analog dazu ergibt sich folgende Differentialgleichung für den elektrischen LC-Schwingkreis (Parallelkreis) C d2 u 1 + u=0. dt2 L (12.23) In Gl. (12.23) bezeichnen C die Kapazität, L die Induktivität und u die Spannung an den beiden (parallelgeschalteten) Elementen. Die Lösung ergibt sich analog zu Gl. (12.21) (12.24) u(t) = Û sin(ω0 t + ϕu ) mit ω0 = √ 1 . LC (12.25) Harmonische Oszillatoren werden oft auch direkt als Sinusgeneratoren bezeichnet. Im Gegensatz zu den harmonischen Oszillatoren dienen die Relaxationsoszillatoren der Erzeugung periodischer Signale mit nicht-sinusförmigem Verlauf, insbesondere werden sie zum Generieren von periodischen Rechteck- und Dreiecksignalen herangezogen. Die Schaltungen von Relaxationsoszillatoren 408 12 Die Messung von Frequenz und Zeit besitzen als zentrale Komponente einen Komparator mit Hysterese, der im gleichmäßigen zeitlichen Wechsel seine beiden Ausgangsspannungszustände +UAmax bzw. −UAmax annimmt und damit eine periodische Rechteckspannung erzeugt (Kap. 12.8.4). 12.8.2 Harmonische Oszillatoren Harmonische Oszillatoren bestehen aus einem Verstärker mit der komplexen Übertragungsfunktion V (ω) und einer Rückkopplungsschleife (Mitkopplung) mit der komplexen Übertragungsfunktion K(ω) (Abb. 12.14). Die Gesamtübertragungsfunktion des rückgekoppelten Systems lautet UA V = . UE 1−V ·K (12.26) Abb. 12.14. Prinzip einer harmonischen Oszillatoranordnung Die Schwingbedingung ist erfüllt, wenn sich für ein verschwindendes Eingangssignal (U E → 0) eine harmonische Ausgangsspannung U A mit konstanter Amplitude einstellt. Die Schwingbedingung ergibt sich aus der Polstelle der Gesamtübertragungsfunktion nach Gl. (12.26) V ·K =1. (12.27) Wenn man Gl. (12.27) nach Betrag und Phase aufspaltet, ergeben sich zwei Bedingungen, nämlich die Amplitudenbedingung | V |= | K | −1 (12.28) und die Phasenbedingung ϕV + ϕK = 2πk , (12.29) wobei k eine ganze Zahl ist. Als Beispiel für einen typischen Vertreter eines harmonischen Oszillators wird im folgenden Abschnitt der LC-Oszillator besprochen. 12.8 Oszillatoren 409 12.8.3 LC-Oszillator Abbildung 12.15 zeigt einen mit einem Operationsverstärker aufgebauten LC-Oszillator, der im eingeschwungenen Zustand eine sinusförmige Ausgangsspannung mit konstanter Frequenz und Amplitude liefert. Im weiteren wird ein idealer Operationsverstärker mit verschwindender Eingangsdifferenzspannung (uD = 0) angenommen. Der Oszillator besteht also aus einem Elektrometerverstärker mit der reellen Verstärkung V = V V = UA , UC (12.30) die sich aus dem Verhältnis der beiden Widerstände R2 und R3 des Ausgangsspannungsteilers ergibt R2 + R3 . (12.31) V = R3 Abb. 12.15. Operationsverstärker-Schaltung eines LC-Oszillators Andererseits bilden der LC-Parallelschwingkreis, dessen Zweipol-Impedanz mit Z LC bezeichnet werden soll, und der ohmsche Widerstand R1 einen Spannungsteiler, welcher die Übertragungsfunktion K des Rückkoppel-Netzwerkes definiert K= UC Z LC 1 = = UA Z LC + R1 1 + ZR1 LC 1 = 1+ R1 (1−ω 2 LC) jωL . (12.32) Entsprechend der Schwingbedingung V · K = 1 nach Gl. (12.27) folgt aus Gl. (12.32) 1 R2 + R3 =1. (12.33) R1 (1−ω02 LC) R3 1+ jω0 L Gleichung (12.33) ist erfüllt, wenn der Realteil des Ausdruckes auf der linken Seite gleich Eins wird und der Imaginärteil verschwindet. 410 12 Die Messung von Frequenz und Zeit Daraus folgt R2 + R3 =V =1 R3 und die Resonanzkreisfrequenz ω0 des Oszillators ω0 = √ 1 . LC (12.34) (12.35) Wenn also der Widerstand R2 zur Erfüllung von Gl. (12.34) R2 = 0 gewählt wird, stellt sich eine stabile harmonische Schwingung mit konstanter Amplitude ein. Die Frequenz f0 (Resonanzfrequenz) dieser Spannung beträgt gemäß Gl. (12.35) 1 1 1 √ ω0 = . (12.36) f0 = 2π 2π LC Die diese Schwingung beschreibende allgemeine (d.h. die Schwingbedingung muß nicht erfüllt sein) Differentialgleichung erhält man, wenn man die Knotengleichung am nicht-invertierenden Eingang des Operationsverstärkers aufstellt, d. h. es müssen die drei in den Knoten einfließenden Teilströme von Kondensator C, Spule L und Widerstand R1 in Summe Null ergeben. Damit erhält man die folgende Differentialgleichung t 1 uA (t) − uC (t) duC (t) − −C uC (t ) dt − iL (t0 ) = 0 . (12.37) R1 dt L t0 Mit dem (reellen) Verstärkungsgrad V = uA (t) uC (t) (12.38) folgt aus Gl. (12.37) nach Differentiation d2 uC 1 1 − V duC · + · uC = 0 . + dt2 R1 C dt LC (12.39) Der für den Oszillatorbetrieb relevante Fall α2 < ω02 führt zu folgender Lösung der Differentialgleichung ω02 − α2 · t + ϕuC , (12.40) uC (t) = Û e−αt sin wobei gilt 1−V . 2R1 C Demnach hat man die folgenden drei Fälle zu unterscheiden: α= (12.41) 1. V < 1, d. h. α > 0 Die Amplitude der Ausgangsspannung nimmt exponentiell mit der Zeit ab, d. h. die Schwingung ist gedämpft. 12.8 Oszillatoren 411 2. V = 1, d. h. α = 0 Dies ist der bereits oben behandelte Fall einer Sinusschwingung mit konstanter Amplitude und der Frequenz f0 . Mit diesem Wert für α bzw. V ist die Schwingbedingung exakt erfüllt. 3. V > 1, d. h. α < 0 Bei Verstärkungsgraden V > 1 steigt die Amplitude der Ausgangsspannung exponentiell an. Dieser Zustand ist lediglich in der Einschaltphase (Anschwingphase) erwünscht. Der exponentielle Anstieg wird automatisch durch die daraus resultierende Übersteuerung des Verstärkers beendet, woraufhin sich stets automatisch der gewünschte stabile Zustand (Verstärkungsgrad V = 1) einstellt. 12.8.4 Relaxationsoszillatoren Relaxationsoszillatoren sind auch unter den Namen Multivibratoren bzw. astabile Kippstufen bekannt. Sie sind in der Lage, eine Folge von Dreieck- oder Rechteckpulsen zu liefern. Die frequenzbestimmenden Komponenten sind Widerstände, Kapazitäten oder auch Spannungen. Daher werden Relaxationsoszillatoren oft auch zur Messung dieser Größen eingesetzt, insbesondere in der Sensortechnik bei der Messung nicht-elektrischer Größen. Abbildung 12.16 zeigt zwei prinzipielle Schaltungsvarianten von Funktionsgeneratoren zur gleichzeitigen Erzeugung von Dreieck- und Rechtecksignalen. Bei der Schaltungsvariante nach Abb. 12.16a wird je nach Schalterstellung ein Kondensator mit dem Konstantstrom +Iref bzw. −Iref aufgeladen. Die am Kondensator anliegende Spannung uC (t) kann am Ausgang des nachgeschalteten Impedanzwandlers abgegriffen werden. Für das Zeitintervall 0 ≤ t ≤ T /4 folgt 1 t 1 Iref dt = Iref t . (12.42) uC (t) = C 0 C Nach Erreichen der Schaltschwelle +ÛA1 des Komparators zur Zeit t = T /4 (Abb. 12.16c) wird die Polarität des Ladestromes gewechselt und der Kondensator wird bis auf den negativen Schwellwert −ÛA1 entladen. Der Komparatorausgang liefert infolge dieser ständigen Polaritätswechsel eine Rechteckspannung uA2 mit der Frequenz f , welche mit der der Dreieckspannung identisch ist Iref f= . (12.43) 4C ÛA1 Bei der Schaltungsvariante nach Abb. 12.16b sind die zwei Stromquellen durch Spannungsquellen ersetzt worden, die alternierend an den Eingang eines integrierenden Verstärkers angeschlossen werden. Dadurch ergibt sich das gleiche Verhalten wie das der Schaltungsvariante nach Abb. 12.16a. Ein einfacher Multivibrator läßt sich bereits mit Hilfe eines mit einem RCGlied rückgekoppelten Operationsverstärkers realisieren (Abb. 12.17). Wenn wir annehmen, daß zum Zeitpunkt t = 0 die Spannung am Kondensator 412 12 Die Messung von Frequenz und Zeit Abb. 12.16. Prinzipieller Aufbau von Multivibratoren (Generatoren zur Erzeugung von Dreieck- und Rechteckspannungen): a) Schaltung mit Konstantstromladung eines Kondensators, b) Schaltung mit Integrator, c) Ausgangssignalverläufe uC = UK2 und die Ausgangsspannung uA = +UB sind, lädt sich der Kondensator C über den Widerstand R auf. Zum Zeitpunkt t = T /2 wird die Umschaltschwelle UK1 erreicht UK1 = UB R2 . R1 + R2 (12.44) Dabei kippt der Operationsverstärkerausgang infolge der Mitkopplung auf uA = −UB , woraufhin der Kondensator entladen wird. Zum Zeitpunkt t = T Abb. 12.17. Multivibrator mit Operationsverstärker: a) Schaltbild, b) Spannungsverläufe 12.8 Oszillatoren 413 wird die negative Schwellenspannung UK2 = −UK1 erreicht und die Komparatorausgangsspannung springt wieder auf uA = +UB . Auf diese Weise entsteht ein Rechtecksignal mit den Amplituden ±UB . Die Periodendauer T dieser Rechteckspannung läßt sich anhand des Zeitverlaufes der Kondensatorspannung uC (t) errechnen, welche sich für den Aufladevorgang wie folgt ergibt (Abb. 12.17) R1 + 2R2 − t uC (t) = UB 1 − e RC . (12.45) R1 + R2 Weiterhin gilt T = UK1 uC 2 T R2 R1 + 2R2 −T /2RC e . uC = UB = UB 1 − 2 R1 + R2 R1 + R2 (12.46) (12.47) Da die beiden Schwellenspannungen UK1 und UK2 betragsmäßig gleich sind, kann aus Gl. (12.47) die Periodendauer T abgeleitet werden 2R2 . (12.48) T = 2RC ln 1 + R1 Für R2 = R1 vereinfacht sich Gl. (12.48) zu T = 2RC ln 3 ≈ 2, 2RC . (12.49) Eine alternative Realisierung eines Multivibrators basiert auf zwei Digitalinvertern und einem RC-Glied. Die entsprechende Schaltung mit Signalverläufen ist in Abb. 12.18 dargestellt. In dieser Schaltung repräsentieren die Spannungen u2 und uA Digitalsignale, wobei die Ausgangsspannung uA stets dem u2 1 R uA 1 u1 3 2 U0 U0 USW = 2 - U0 2 C t u2 u1 t uA a) b) Τ/2 Τ/2 t Abb. 12.18. Multivibrator mit Invertern: a) Schaltbild, b) Signalverläufe (USW bezeichnet die Schaltschwelle des Komparators (ohne Hysterese) am Eingang.) 414 12 Die Messung von Frequenz und Zeit logisch negierten Wert von u2 entspricht (Abb. 12.18b). Demzufolge wird der Kondensator über den Widerstand abwechselnd geladen und entladen. Wenn die Schaltschwelle USW des Komparators genau in der Mitte zwischen den beiden Ausgangspegeln liegt, ergibt sich die Schwingungsdauer wiederum zu T = 2RC ln 3 ≈ 2, 2RC . (12.50) 12.8.5 Quarzoszillator Die Genauigkeit bei der digitalen Zeit- bzw. Frequenzmessung hängt neben dem Quantisierungsfehler im wesentlichen von der Genauigkeit der verwendeten Referenzfrequenz bzw. Referenzzeit ab. Der bei einer Messung erhaltene Zählerstand N = f T ist sowohl proportional der Meßzeit T als auch proportional der Meßfrequenz f . Bei der digitalen Zeitmessung muß also die Referenzfrequenz fref und bei der digitalen Frequenzmessung die Referenzzeit Tref konstant gehalten werden. Im Rahmen praktischer Schaltungen wird dies in beiden Fällen im allgemeinen durch einen Quarzoszillator gewährleistet, an dessen Frequenzkonstanz demzufolge hohe Anforderungen gestellt werden. Dafür geeignete piezoelektrische Resonatoren bestehen üblicherweise aus natürlichen Quarzkristallen (SiO2 ) mit bestimmter Kristallorientierungsrichtung und definierten geometrischen Abmessungen. z (optische Achse) z Q AT Q BT j y x = y (mechanische Achse) x (elektrische Achse) > Abb. 12.19. Quarzkristallschnitte: a) Quarzkristall (SiO2 ) mit seinen Achsen und Darstellung der Orientierung des AT- sowie des BT-Schnittes, b) Schnittwinkel θ und ϕ zwischen Schwingquarz und optischer (z) Achse bzw. elektrischer (x) Achse 12.8 Oszillatoren 415 Schwingquarze sind dünne Plättchen, die mit bestimmter Orientierungsrichtung aus einem einkristallinen piezoelektrischen Quarzmaterial herausgeschnitten und mit Elektroden versehen werden (Abb. 12.19). Die Winkel, unter denen die Quarzplättchen in bezug auf die optische, mechanische und elektrische Achse aus dem natürlichen Quarzkristall herausgeschnitten werden, legt die für eine Anwendung als frequenzbestimmendes Element relevanten Eigenschaften des Quarzschwingers fest. Solche Quarzschwinger sind spezielle piezoelektrische Wandler, die im interessierenden Frequenzbereich eine scharfe Resonanzstelle aufweisen, bei welcher der Schwinger in mechanische Resonanz gerät. Genauer gesagt, handelt es sich dabei infolge des piezoelektrischen Effektes (und der daraus resultierenden Verkopplung von mechanischer und elektrischer Energie) um ein Resonanzstellenpaar, welches aus einer sog. Parallelresonanz (mit fp bezeichnet) und einer sog. Serienresonanz (mit fs bezeichnet) besteht. In der Serienresonanz schwingt das Quarzplättchen, wenn seine Elektroden elektrisch kurzgeschlossen werden, während es in Parallelresonanz angeregt wird, wenn die beiden elektrischen Kontakte unbeschaltet bleiben bzw. sehr hochohmig abgeschlossen werden, d. h. wenn der Schwinger im elektrischen Leerlauf betrieben wird. Man kennt verschiedene Standard-Quarzschwingertypen, die sich in Kristallrichtung sowie geometrischer Gestalt und damit auch in bezug auf ihre charakteristische Schwingungsform und Schwingfrequenz unterscheiden. So setzt man beispielsweise Biegeschwinger (NT-Schnitt) im Frequenzbereich zwischen 1 und 80 kHz ein, während die Flächenscherschwinger (CT- oder DT-Schnitt) den daran anschließenden Frequenzbereich von 100 kHz bis knapp unterhalb 1 MHz abdecken (Abb. 12.20b). Die Längsschwinger (GT-Schnitt) arbeiten, in dem diese Frequenzbereiche überlappenden Intervall von etwa 50 - 200 kHz. Der am häufigsten verwendete Quarzschwinger ist der Dickenscherschwinger (AT-Schnitt), dessen Grundmode-Schwingungsform in Abb. 12.20a gezeigt (n) wird. Er führt Dickenscherschwingungen aus, deren Resonanzfrequenzen fp (Parallelresonanz) näherungsweise durch Abb. 12.20. Schwingungsformen von Standard-Quarzschnitten: a) AT-Schnitt (Dickenscherschwinger, b) CT-Schnitt und DT-Schnitt (Flächenscherschwinger) 416 12 Die Messung von Frequenz und Zeit fp(n) n nc = = 2d 2d cD 66 n = 1, 2, 3, . . . (12.51) gegeben ist. Dabei bezeichnen d die Dicke des Quarzplättchens, seine Dichte, cD 66 den maßgebenden elastischen Schermodul und c die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Scherwelle und n die Ordnung der Harmonischen. Das (1) Produkt aus Grundwellenresonanzfrequenz fp und Schwingerdicke d ist eine Konstante, die sog. Frequenzkonstante N , deren Wert sich aus den Materialdaten des verwendeten Schwingquarzes ergibt ⎧ ⎨ 1, 67 MHz mm für AT-Schnitt . (12.52) fp(1) d = N = ⎩ 2, 50 MHz mm für BT-Schnitt Der typischerweise genutzte Frequenzbereich von Dickenscherschwingern reicht von einigen hundert Kilohertz bis zu etwa 25 MHz in der Grund- und etwa 200 MHz in der 9. Oberwelle. Detaillierte Beschreibungen des mechanischen und elektrischen Verhaltens von Schwingquarzen findet man in der einschlägigen Literatur [29], [174], [97], [98], [99], [162]. Das vereinfachte elektrische Ersatzschaltbild eines Quarzschwingers sowie der Verlauf der elektrischen Impedanz Z Q (ω) = R(ω) + jX(ω) werden in Abb. 12.21 gezeigt. In diesem Ersatzschaltbild, welches das Verhalten des Schwingquarzes in der Umgebung der Grundschwingung (Grundwellenreso(1) nanz) fp = fp approximativ beschreibt, bedeuten C0 die statische Parallelkapazität (Kapazität, wenn der Quarz nicht schwingt), C1 die dynamische Kapazität, L1 die dynamische Induktivität und R1 den dynamischen Verlustwiderstand. Die komplexe Eingangsadmittanz Y Q (ω) zwischen den Eingangsklemmen ergibt sich aus dem Schaltbild Abb. 12.21. Schwingquarz: a) Schaltzeichen, b) Elektrisches Ersatzschaltbild (Typische Werte für einen 1-MHz-Schwingquarz sind: C0 = 60 pF, C1 = 0, 016 pF, L1 = 1, 5 H, R1 = 60 Ω), c) Wirk- und Blindanteil der Eingangsimpedanz eines Schwingquarzes mit den unter b) angegebenen Werten der Ersatzschaltbildelemente C0 , C1 und L1 . Der Widerstandswert R1 wurde, um die Details des Impedanzdiagrammes besser auflösen zu können, mit R1 = 600 Ω angenommen, was zu einer um den Faktor 10 reduzierten Güte führt. 12.8 Oszillatoren Y Q (ω) = G(ω) + jB(ω) Y Q (ω) = R12 + ωL1 − (12.53) ⎞ ⎛ R1 1 ωC1 417 ⎜ 2 + j ⎝ωC0 − 1 ωL1 − ωC ⎟ 1 2 ⎠ . 1 R12 + ωL1 − ωC 1 (12.54) Der Verlustwiderstand R1 kann bei Schwingquarzen aufgrund ihrer hohen Güte i. allg. vernachlässigt werden, so daß sich die Eingangsimpedanz des Quarzes Z Q wie folgt vereinfacht Z Q ≈ jX = ω 2 L1 C1 − 1 j . ω C0 + C1 − ω 2 L1 C1 C0 (12.55) Bei der Parallelresonanzfrequenz fp des Quarzes strebt der Reaktanzanteil der Eingangsimpedanz gegen unendlich (X → ∞). Damit läßt sich fp aus der Polstelle der Funktion Z Q (Gl. (12.55)) ermitteln 1 √ fp = 2π L1 C1 1+ C1 . C0 (12.56) Bei der Serienresonanzfrequenz fs des Quarzes verschwindet hingegen der Reaktanzanteil (X = 0) (Abb. 12.21c). Dementsprechend ergibt sich fs aus der Nullstelle des Zählers von Gl. (12.55) fs = 1 1 √ . 2π L1 C1 (12.57) Der relative Frequenzabstand zwischen Parallel- und Serienresonanz ergibt sich unter Berücksichtigung der in der Praxis gegebenen Kapazitätsverhältnisse (C1 C0 ) zu fp − fs 1 C1 ≈ . (12.58) fs 2 C0 Die Güte Q, die dem Reziprokwert des tan δs = R/X entspricht, läßt sich ebenfalls aus den Elementen des elektrischen Ersatzschaltbildes bestimmen. L1 1 1 = . (12.59) Q= tan δs R1 C1 Sie liegt bei Schwingquarzen typischerweise zwischen 5 · 103 und 5 · 105 . 12.8.6 Operationsverstärker-Schaltung eines Quarzoszillators Abbildung 12.22 zeigt die Schaltung eines Quarzoszillators, bei welcher der Quarz im Mitkopplungszweig eines Operationsverstärkers liegt. Nur bei der Serienresonanzfrequenz des Schwingquarzes ist die Schwingbedingung erfüllt 418 12 Die Messung von Frequenz und Zeit und die Impedanz Z Q des Quarzzweipols betragsmäßig so gering, daß bei dieser Frequenz eine ungedämpfte harmonische Schwingung zustandekommt. Für alle anderen Frequenzen stellt der Quarz aufgrund seiner hohen Impedanzwerte ein Sperrfilter dar. Der LC-Schwingkreis am Eingang dient dabei lediglich dem sicheren Anschwingen der Oszillatorschaltung auf der Grundwelle bzw. auf der gewünschten Oberwelle. Abb. 12.22. Operationsverstärker-Schaltung eines Quarzoszillators 12.8.7 Fehler von Schwingquarzen Als wesentlicher Fehler von Schwingquarzen macht sich deren Temperaturabhängigkeit bemerkbar, insbesondere bei Oszillatoranwendungen mit hohen Forderungen an die Frequenzstabilität. Die Temperaturabhängigkeit der Resonanzfrequenz läßt sich bei Quarzen wie folgt approximieren f (ϑ) = f (0◦ C)(1 + αϑ + βϑ2 + γϑ3 ) . (12.60) Für bestimmte Schnittwinkel, so z.B. auch den meist verwendeten AT-Schnitt, verschwindet der lineare Temperaturkoeffizient α. Da außerdem der kubische Temperaturkoeffizient γ i. allg. bereits um einige Zehnerpotenzen unter dem linearen und quadratischen liegt, fällt dann nur der quadratische Temperaturkoeffizient β ins Gewicht. Abbildung 12.23 zeigt die Abhängigkeit des linearen Temperaturkoeffizienten α vom Schnittwinkel sowie die relative Frequenzänderung eines AT-Schnitt-Dickenscherschwingers als Funktion der Temperatur ϑ. Der Temperatureinfluß ist insbesondere bei den AT-Schnitten sehr gering. Er läßt sich um weitere ca. drei Zehnerpotenzen reduzieren, wenn die Quarze in einem temperaturstabilisierten Gehäuse betrieben werden. Neben dem parasitären Temperatureinfluß sind Schwingquarze einem Alterungsprozeß unterworfen, welcher sich in Form eines relativen Frequenzfehlers bemerkbar macht, der mit der Zeit einem asymptotischen Endwert zustrebt. Dieser Endwert liegt bei etwa Δf /f = 10−9 /Tag und wird bereits nach einigen Wochen erreicht (Tab. 12.1). Schwingquarze lassen sich auch als sehr präzise 12.8 Oszillatoren a (K-1) 10-4 -10 1 HT DT 0 BT AT CT 2 -4 a) 419 -90° -60° -30° 0° 30° 60° 90° Schnittwinkel Q Df f 2·10-5 J0 0 -2·10-5 b) -20 0 20 40 60 80 100 J (°C) Abb. 12.23. Temperaturabhängigkeit von Schwingquarzen [12, 52]: a) Linearer Temperaturkoeffizient α als Funktion des Schnittwinkels; 1: Dickenscherschwinger; 2: Flächenscherschwinger, b) Relative Frequenzabweichung eines AT-SchnittDickenscherschwingers als Funktion der Schwingquarztemperatur arbeitende frequenzanaloge Temperatursensoren einsetzen. Für diese Anwendung wird der sogenannte HT-Kristallschnitt verwendet, der recht große Temperaturkoeffizienten aufweist α = 90 · 10−6 (K −1 ), β = 60 · 10−9 (K −2 ) und γ = 30·10−12 (K −3 ) (Gl. (12.60)). Die relativen Frequenzänderungen sind zwar sehr gering, aber aufgrund der präzisen Fertigungstechnik und der Stabilität des Quarzmaterials der Meßgröße sehr exakt zuzuordnen bzw. andererseits auch wiederum mittels elektronischer Zählerschaltungen sehr genau meßbar. Wesentlich bessere Genauigkeiten erhält man mit atomaren Frequenz-StanTabelle 12.1. Typische Werte für Kurzzeitkonstanz, Temperaturdrift und Alterungsrate von Schwingquarzen ohne Temperaturregelung Kurzzeitkonstanz < 3 · 10−9 (1 Sekunde) Temperaturdrift < 10−5 (0◦ C - 50◦ C) Alterungsrate < 10−8 /Tag mit Temperaturregelung < 10−11 < 10−8 < 10−9 /Tag 420 12 Die Messung von Frequenz und Zeit dardelementen, bei denen die Atomresonanz zur Frequenzstabilisierung genutzt wird. So weisen beispielsweise Rubidium-Normalelemente relative Abweichungen von nur 10−11 im Kurzzeitbereich (Sekundenbereich) auf. Die Alterungsraten liegen bei 10−11 /Monat. Bei Cäsium-Elementen sind keine Alterungseinflüsse meßbar. Aufgrund ihres hohen Anschaffungspreises und ihres hohen Gewichtes werden sie jedoch nur in Labors für Präzisionsmeßtechnik sowie als Frequenznormal für Zeitzeichensender eingesetzt. Die Gesamtunsicherheit der beiden CäsiumNormaluhren CS1 und CS2 der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig wird mit 3 · 10−14 bzw. 1, 5 · 10−14 angegeben [17]. So wurde ein mittlerer Gangunterschied der beiden Uhren von 0,76 μs pro Jahr, entsprechend einem relativen Fehler von 2, 5 · 10−14 , ermittelt. Wenn auch die Kurzzeitkonstanz der Normalfrequenzaussendung des bekannten Zeitzeichensenders DCF-77 (s. Kap. 12.10.2) die eines sorgfältig aufgebauten temperaturgeregelten Quarzoszillators (OCXO) nicht wesentlich übersteigt, so ist doch die Langzeitstabilität des DCF-77 um Größenordnungen besser. Es bietet sich also an, temperaturgeregelte Quarzoszillatoren einzusetzen und deren Langzeitstabilität mit Hilfe einer DCF-77-Synchronisation zu erhöhen. Ein entsprechendes hard- und softwaremäßiges Realisierungskonzept wird in [91] vorgestellt. Detaillierte Angaben über die Genauigkeit von Zeit- und Frequenznormalen finden sich in [17]. 12.9 Fehler bei der digitalen Zeitintervall- bzw. Frequenzmessung Fehler bei der Messung eines Zeitintervalls Der absolute Fehler ΔTX bei der Messung eines Zeitintervalls TX ergibt sich aus der Anwendung des Fehlerfortpflanzungsgesetzes auf Gl. (12.2) zu ΔTX = ∂TX ∂TX Δfref + ΔNX . ∂fref ∂NX (12.61) Daraus läßt sich leicht der entsprechende maximale relative Fehler ableiten ΔTX Δfref ΔNX = + (12.62) TX fref NX . In Gl. (12.62) beziffert der Term ΔNX /NX den bereits in Kap. 12.3.1 angesprochenen Quantisierungsfehler (Zählfehler), der sich wie folgt angeben läßt ΔNX ±1 1 1 = (12.63) NX NX = NX = fref TX . Der Term Δfref /fref in Gl. (12.62) hingegen beschreibt den Fehler der Zeitbasis, d. h. die relative Frequenzabweichung des Quarzoszillators. Dieser Fehler 12.9 Fehler bei der digitalen Zeitintervall- bzw. Frequenzmessung 421 liegt bei praktischen Zählern in der Größenordnung 10−7 ≤ Δfref /fref ≤ 10−5 . Abbildung 12.24 (TX -Achse) zeigt den gesamten relativen Fehler bei der Zeitmessung für den beispielhaften Fall, daß die Frequenz des Referenzsignals fref = 1 MHz und der relative Fehler der Zeitbasis 10−6 betragen. Fehler bei der Frequenzmessung Der maximale relative Fehler bei der Frequenzmessung ergibt sich analog zu Gl. (12.61) ΔfX ΔTref ΔNX ΔTref = + = + 1 = ΔTref + 1 fX Tref NX Tref NX Tref Tref fX . (12.64) Der Ausdruck ΔTref /Tref entspricht dabei wiederum dem relativen Fehler der Zeitbasis. Damit ergibt sich im Prinzip wieder derselbe relative Meßfehler wie bei der Zeitintervallmessung Gl. (12.62). Er kann aus Abb. 12.24 abgelesen werden, wenn die fX -Achse verwendet wird. Für die Berechnung des relativen Fehlers bei der Frequenzmessung wurden eine Torzeit von Tref = 1 s sowie ein Zeitbasisfehler von ΔTref /Tref = 10−6 angenommen. Fehler bei der Periodendauermessung Die großen Meßfehler bei der Messung tiefer Frequenzen (Abb. 12.24) lassen sich umgehen, wenn man eine Reziprokmessung durchführt, d. h. anstatt der Frequenz die Periodendauer mißt und den Kehrwert bildet. Abb. 12.24. Relativer Fehler bei der Zeitintervall- bzw. Frequenzmessung. TX Achse: Fehlerdiagramm für die Messung eines Zeitintervalles TX . Es wurde fref = 1 MHz und ein Zeitbasisfehler Δfref /fref von 10−6 angenommen. fX -Achse: Fehlerdiagramm für die Frequenzmessung. Es wurde eine Torzeit von Tref = 1 s und ein Zeitbasisfehler ΔTref /Tref von 10−6 angenommen. 422 12 Die Messung von Frequenz und Zeit Wenn man den Fehler der Zeitbasis zunächst vernachlässigt, ergibt sich durch Anwendung des Fehlerfortpflanzungsgesetzes auf Gl. (12.11) der relative Meßfehler bei der Periodendauermessung zu ΔTX 1 1 fX = = = . TX NX fref TX fref (12.65) Der relative Fehler hängt also lediglich vom Verhältnis Meßfrequenz fX zu Referenzfrequenz fref ab. Wenn man beispielsweise fref = 1 MHz annimmt, so wird der Fehler einer Standardquarzzeitbasis von 10−6 erst bei einer Frequenz von 1 Hz erreicht. Für höhere Frequenzen dominiert der Quantisierungsfehler. Von praktischer Bedeutung ist noch die Meßfrequenz fXeq , bei der die Periodendauermessung (Reziprokmessung) und die direkte Frequenzmessung auf den gleichen relativen Fehler führen. Das Gleichsetzen der relativen Fehler führt unter Vernachlässigung der Zeitbasisfehler zu 2 = fXeq fref , Tref (12.66) wobei fref die Taktfrequenz bei der Periodendauermessung und Tref die Torzeit bei der Frequenzmessung bedeuten. Wenn beispielsweise diese Taktfrequenz zu fref = 1 MHz und die Torzeit zu Tref = 1 s gewählt werden, ergibt sich für beide Meßprinzipien der gleiche Fehler bei fXeq = 1 kHz. Unterhalb dieser Frequenz führt die Periodendauermessung (reziproke Frequenzmessung) zu geringeren Meßfehlern, während sich im Frequenzbereich oberhalb fXeq die direkte Frequenzmessung als günstiger erweist (Abb. 12.25). Abb. 12.25. Relativer Meßfehler bei der digitalen Frequenzmessung (direkte Messung und Reziprokmessung). Es wurde eine Taktfrequenz fref = 1 MHz für die Periodendauermessung sowie eine Torzeit Tref = 1 s für die Frequenzmessung angenommen. Der relative Fehler der Zeitbasis liegt bei 10−6 . 12.10 Atomuhren, Zeitzeichensender und Funknavigation 423 Meßfehler durch überlagertes Rauschen Dem Meßsignal überlagerte Störspannungen führen zu Fehlern bei der Zeitund Frequenzmessung, die zum Teil erheblich sein können. Diese Fehler werden durch zu frühe bzw. zu späte Triggerauslösung verursacht. Der so entstandene Triggerfehler addiert sich zu den oben bereits diskutierten Fehlern (Quantisierungsfehler und Zeitbasisfehler). Zur Abschätzung des Triggerfehlers wollen wir annehmen, daß das Meßsignal um (t) sinusförmigen Zeitverlauf aufweist (12.67) um (t) = Ûm sin(ωt) . Die maximale zeitliche Steigung dum /dt der Spannung wird im Nulldurchgang erreicht und beträgt dum = Ûm ω . (12.68) dt max Eine Störspannung mit der Amplitude Ûr kann den Zeitpunkt des Nulldurchganges, der gleichzeitig Triggerzeitpunkt ist, um die Zeit ΔTtrigg verschieben Ûr ΔTtrigg = ΔT = dum dt max = Ûr Ûm ω = Ûr Ûm 2πfX . (12.69) Diese zeitliche Verschiebung des Triggerzeitpunktes wird als der absolute Triggerfehler bezeichnet. Der entsprechende relative Triggerfehler ergibt sich bei der einfachen Periodendauermessung (Messung einer einzelnen Periode TX ) zu Ûr ΔTtrigg 1 1 Ûr = = . (12.70) TX 2πfX TX Ûm 2π Ûm Um diesen Fehler zu reduzieren, geht man zur sog. Mehrfachperiodendauermessung über, bei der anstatt der Dauer einer einzigen Periode nunmehr die Dauer von m Perioden bestimmt wird. Bei diesem integrierenden Meßverfahren reduziert sich sowohl der Triggerfehler als auch der Quantisierungsfehler um den Faktor m. Wie bei der Frequenzmessung ist auch hier eine größere Genauigkeit nur auf Kosten der Meßzeit zu erzielen. 12.10 Atomuhren, Zeitzeichensender und Funknavigation 12.10.1 Atomuhren Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) [123] in Braunschweig hat die Aufgabe übernommen, für die Bundesrepublik Deutschland die absolute (amtliche) Zeit festzulegen. Dies geschieht mit Hilfe einer sog. Atomuhr, welche im konkreten Fall eine Cäsium-Normaluhr ist. Das Bureau International des Poids et Mesures (BIPM) in Paris wiederum legt aus den Werten von solchen über 260 weltweit verteilten Atomuhren die sog. Internationale Atomzeit (TAI) als Referenzzeit fest. 424 12 Die Messung von Frequenz und Zeit Eine Atomuhr ist eine Uhr, deren Zeittakt aus atomaren Schwingungszuständen abgeleitet wird. Für die genauesten Uhren verwendet man das nicht-radioaktive Isotop 133 des Elements Cäsium. Die Resonanzfrequenz beim Übergang (sog. Hyperfeinstruktur-Übergang) zwischen zwei ausgewählten Energiezuständen dieses Cäsium-Atoms ist temperaturunabhängig, sehr langzeitstabil und beträgt 9 192 631 770 Hz. Im Jahre 1967 wurde die SI-Einheit ’Sekunde’ über diesen Wert festgelegt (sog. SI-Sekunde). Um die Resonanzfrequenz des Hyperfeinstruktur-Übergangs messen zu können, muß zunächst einer der beiden besagten Energiezustände selektiert werden, was entweder durch optisches Pumpen mit Laserlicht bewerkstelligt werden kann oder indem man den Atomstrahl durch ein starkes inhomogenes Magnetfeld schickt. Die Hyperfeinstruktur-Übergänge und die Messung der o. g. Resonanzfrequenz finden schließlich in einem speziellen Mikrowellenresonator statt. Näheres zu dieser Technik findet der interessierte Leser beispielsweise in folgenden Referenzen: [123], [113]. Auf dieser Basis arbeiten derzeit die vier Cäsium-Atomuhren CS1 bis CS4 bei der PTB. Es handelt sich hierbei um Zeitnormale, die weltweit zu den genauesten Uhren zählen. So weicht die von der in Braunschweig installierten Atomuhr CS2 bestimmte Sekunde mit einer Wahrscheinlichkeit von 67% um nicht mehr als ±1, 2·10−14 von der idealen SI-Sekunde ab. Dies entspricht einer Abweichung von einer Sekunde in 2,5 Millionen Jahren. Als 5. Zeitnormal betreibt die PTB eine noch genauere Uhr, eine sog. Cäsium-Fontäne. Bei ihr werden die Cäsium-Atome auf eine Temperatur sehr nahe dem absoluten Nullpunkt abgekühlt. Dadurch werden die Atome in ihrer Fortbewegungsgeschwindigkeit sehr stark verlangsamt, was im weiteren zu einer längeren Beobachtungszeit (ca. 1 Sekunde) bei der Frequenzmessung genutzt werden kann. Somit sind exaktere Messungen der o. g. Resonanzfrequenz möglich. Die Gangunsicherheit der Cäsium-Fontäne ist um den Faktor 10 geringer als der einer (Standard-)Cäsium-Uhr. Auch das amerikanische Pendant zur Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, das National Institute of Standards (NIST) in Boulder, Colorado, entwickelt und betreibt Atomuhren mit hoher Ganggenauigkeit. So wurde auch dort eine Cäsium-Fontäne mit dem Namen NIST-F1 entwickelt. Sie arbeitet mit 6 Infrarot-Lasern, welche die Cäsium-Atome in Form eines kleinen lokalen Clusters (Ball) zusammendrängen, was zu der bereits oben erwähnten Abkühlung in den Bereich des absoluten Nullpunktes und infolgedessen zu einer Verlangsamung der Atombewegungen führt. Infolge kontinuierlicher technischer Verbesserungen konnte die Ungenauigkeit der NIST-F1 im Sommer 2005 auf ±5 · 10−16 abgesenkt werden, was einer Abweichung von 1 Sekunde in 60 Millionen Jahren gleichkommt. Weitere Einzelheiten und neuere Entwicklungen findet der interessierte Leser auf der Homepage der PTB [123] unter der Rubrik Zeitnormale - Arbeitsgruppe 4.41 sowie auf der Homepage des National Institute of Standards [113]. Von der letztgenannten Homepage aus läßt sich auch eine Videoanimation zur Arbeitsweise einer Cäsium-Fontäne starten. 12.10 Atomuhren, Zeitzeichensender und Funknavigation 425 Der Nachteil der oben beschrieben Cäsium-Atomuhren ist, daß sie technisch sehr aufwendig sind und daher nur in einem speziellen Labor installiert werden können. So sind sie nicht geeignet, in einem Satelliten betrieben zu werden. Hierfür verwendet man aber ebenfalls Atomuhren. Anstatt des Elementes Cäsium nutzt man Resonanzen von Rubidium. Diese Rubidium-Uhren sind wesentlich kleiner, leichter und preiswerter als Cäsium-Uhren. Moderne Rubidium-Uhren erreichen bei einem Volumen von 40 cm3 und einem Leistungsbedarf von 1 Watt eine Gangunsicherheit von nur ±3 · 10−12 , was einer Abweichung von 1 Sekunde in 10.000 Jahren entspricht. Damit sind sie immer noch um den Faktor 105 genauer als herkömmliche Quarzuhren. Aufgrund dieser Eigenschaften eignen sie sich in hervorragender Weise für den Einsatz in mobilen Systemen, wie beispielsweise Satelliten. 12.10.2 DCF-77 Zeitzeichensender Um die amtliche Normalzeit landesweit verfügbar zu machen, benutzt man einen Längstwellensender mit einer Trägerfrequenz unterhalb des vom öffentlichen Rundfunk genutzten Langwellenbereiches. Dieser Frequenzbereich erlaubt in aller Regel das problemlose Eindringen der elektromagnetischen Wellen in Gebäude. Die von der PTB mit Hilfe der Uhrennormale bestimmte Normalzeit (MEZ (=UTC + 1h) bzw. MESZ (=UTC + 2 h)) wird nach dem BCD-Code codiert und über den Zeitzeichensender DCF-77 in Mainflingen bei Frankfurt/Main ausgestrahlt. Seine Reichweite beträgt, je nach Empfangssituation, bis zu 2000 km. Der Träger von DCF-77 wird dazu auf zwei Arten moduliert, nämlich zum einen mit einer Amplitudenmodulation und zum anderen in Form einer pseudozufälligen Umtastung der Trägerphase. Bei der im Jahre 1970 eingeführten Amplitudenmodulation wird die Amplitude der 77,5-kHz-Trägerschwingung zu Beginn einer jeden Sekunde bei einer zu übertragenden digitalen 0 für 0,1 s und bei einer digitalen 1 für 0,2 s auf 25 % des normalen Wertes abgesenkt (Abb. 12.26). Die pseudozufällige Umtastung der Trägerphase (Binary Phase Shift Keying BPSK) wurde erst im Jahre 1988 eingeführt [73]. Abb. 12.26. Modulation einer log. 0 bzw. einer log. 1 beim Zeitzeichensender DCF-77 426 12 Die Messung von Frequenz und Zeit Mit Hilfe beider Modulationsformen werden einmal pro Minute die Zahlen übertragen, welche die aktuellen Werte für Minute, Stunde, Tag, Wochentag, Monat und Jahr repräsentieren, und zwar bei der Amplitudenmodulation durch Impulsdauermodulation der Sekundenmarken und bei der BPSK durch Invertieren einer Pseudozufallsfolge. Abbildung 12.27 zeigt das Kodierschema und die Zuordnung zwischen übertragener Information und den einzelnen Sekundenmarken. Die Sekunden innerhalb einer Minute sind über diese Amplitudenänderungen inkremental zu zählen. Das Fehlen der 59. Sekunde weist auf den Beginn der folgenden Minute hin. Dabei werden Prüfbits zur Störerkennung verwendet [73]. Abb. 12.27. Minutenprotokoll beim Zeitzeichensender DCF-77. Bits 17 und 18: Zeitzonenbits (MEZ: 0, MESZ:1); Bit 20: Startbit für Zeitinformation (stets 1); Bit 28: ergänzt Bits 21-27 auf gerade Parität; Bit 35: dto. für Bits 29-34; Bit 58: dto. für Bits 36-57. 12.10.3 NAVSTAR/GPS-Satellitennavigation Bereits in den sechziger Jahren war erkennbar, daß die herkömmliche Funknavigation den künftigen Anforderungen nicht mehr genügen würde. Zu diesen Anforderungen gehört die weltweite dreidimensionale und hochpräzise Positionsbestimmung in Echtzeit, wobei das System wetterunabhängig 24 Stunden am Tag zur Verfügung stehen muß. Darüber hinaus sollen die Empfänger leicht zu handhaben sein. Unter Federführung der US Air Force entwickelten die amerikanischen Streitkräfte ab 1973 das NAVigation Satellite Timing ” And Ranging/Global Positioning System (NAVSTAR/GPS)“, welches auch für die zivile Nutzung freigegeben ist. Systemaufbau Das Gesamtsystem besteht aus drei Segmenten: 24 von der Firma Rockwell entwickelte Satelliten, welche verteilt auf sechs Kreisbahnen in circa 20 000 Ki- 12.10 Atomuhren, Zeitzeichensender und Funknavigation 427 lometern Höhe die Erde in ungefähr 12 Stunden je einmal umlaufen, bilden das Raumsegment. Auf der Erdoberfläche befindet sich das Kontrollsegment, bestehend aus fünf weltweit verteilten Monitorstationen zur Satellitenbeobachtung und einer Master Control Station, um die Bahndaten der Satelliten vorauszuberechnen und das Verhalten der Satellitenuhren zu extrapolieren, sowie Bodenantennen, um die ermittelten Werte an die Satelliten zu senden. Das Benutzersegment wird von allen militärisch und zivil genutzten GPSEmpfängern gebildet (Abb. 12.28). Jeder Satellit strahlt permanent ein kodiertes Signal ab (Frequenzen 1575,42 bzw. 1227,60 MHz), welches unter anderem die genaue interne Satellitenzeit und die aktuellen Bahndaten des Satelliten, insbesondere seine aktuelle Position, enthält. Zu diesem Zweck sind die Satelliten mit jeweils vier hochgenauen Atomuhren ausgestattet. Die absolute Genauigkeit der in den GPS-Satelliten im Einsatz befindlichen RubidiumUhren wird mit 3 · 10−9 Sekunden angegeben. Ein Benutzer empfängt die Signale und mißt die Laufzeit zwischen dem Zeitpunkt des Sendens am Satelliten und dem Empfangszeitpunkt. Wird nun die gemessene Laufzeit mit der Ausbreitungsgeschwindigkeit der elektromagnetischen Wellen multipliziert, so erhält man die Entfernung zwischen dem Empfänger und dem Satelliten, dessen Signal empfangen wurde. Im Idealfall läßt sich mit einer Messung eine Kugelstandfläche ermitteln, das heißt, der Empfänger befindet sich auf einer Kugeloberfläche mit dem angepeilten Satelliten im Mittelpunkt. Aus diesem Grund werden die genauen Positionsdaten des Satelliten mitgesendet. Mißt man gleichzeitig die Signale zweier Satelliten, so befindet man sich auf der Schnittlinie der beiden zugehörigen Kugelstandflächen, also einer Kreisstandlinie. Bei einer dritten Messung erhält man den genau definierten Standort des Empfängers. Da jedoch die Empfänger aus Kostengründen anstatt mit Abb. 12.28. Funktionsprinzip des Global-Positioning-Systems (GPS) 428 12 Die Messung von Frequenz und Zeit Atomuhren nur mit Quarzuhren ausgerüstet sind, entsteht ein Meßfehler, so daß das Signal eines vierten bzw. auch die Signale von weiteren NAVSTARSatelliten herangezogen werden müssen, um eine entsprechende Fehlerkorrektur durchführen zu können. Minimale Zeitfehler entstehen zwangsläufig auch aufgrund der sich zeitlich ändernden Wellenausbreitung in Iono- und Stratosphäre. Es gibt zwar Modelle, die diesen Einfluß zu beschreiben versuchen, ihre Anwendung kann aber die existierenden Fehler nicht vollständig eliminieren. Jeder Satellit sendet seine Signale auf zwei Frequenzen im L-Band, wobei für den zivilen Nutzer nur das L1-Signal (1575,42 MHz) wichtig ist. Dazu wird diesem Signal zunächst der C/A-Code (Clear/Access-Code)“ in Form ” einer Pseudo-Random-Noise-Sequenz aufmoduliert. Dabei handelt es sich um eine scheinbar zufällige Sequenz, die sich jedoch im Intervall von einer Millisekunde ständig wiederholt. Benutzt wird die Methode der Phasenmodulation mit einem Modulationstakt von 1,023 MHz. Zusätzlich wird dem Signal - ebenfalls durch Phasenmodulation - mit einem Takt von 50 Bit/s die Navigationsnachricht aufmoduliert, welche die Satellitenzeit und die Bahndaten des sendenden Satelliten enthält. Die für die zivile Navigation wichtigen Daten sind in Blöcken von 150 Bit enthalten, die sich ständig wiederholen. Die Navigationsnachricht wird innerhalb von 30 Sekunden empfangen. Am Empfänger wird mit einem Signalprozessor die Laufzeit des Signals gemessen, indem zunächst intern pseudo-gleichzeitig“ ein ebenfalls mit dem ” C/A-Code versehenes Vergleichssignal erzeugt wird. Dann wird durch Kreuzkorrelation eine Übereinstimmung der Bitmuster des empfangenen und des intern erzeugten Signals herbeigeführt. Die eigentliche Meßgröße ist also die Phasenverschiebung, die notwendig ist, um eine Übereinstimmung der Signale zu erzeugen und die proportional zur Laufzeit der Signale zwischen Satellit und Empfänger ist. Diese Information wird an einen Navigationscomputer weitergegeben, der aus mindestens vier Laufzeiten unter Zuhilfenahme der demodulierten Navigationsnachrichten ein System aus (mindestens) vier Gleichungen löst. Berücksichtigt man die Tatsache, daß sich der C/A-Code jede Millisekunde wiederholt, so erhält man alle 300 Kilometer eine Mehrdeutigkeit, welche jedoch in der Praxis durch weitere Informationen eindeutig zu klären ist. Der militärische P-Code (Protected-Code) benutzt eine PRN-Sequenz von 266 Tagen Dauer, wobei mit einem Modulationstakt von 10,23 MHz gearbeitet wird. Daraus resultiert nicht nur eine zehnmal so große Genauigkeit sondern auch eine erheblich kompliziertere Entschlüsselbarkeit. Die Betreiber des GPS sind auch in der Lage, die den zivilen Nutzern zugänglichen Signale und Daten bestimmter Satelliten künstlich zu verschlechtern. Dazu wird der Lauf der Satellitenuhren moduliert bzw. kleinere Fehler in die Bahndaten eingearbeitet. Eine Eliminierung dieser Fehler ist nur mittels geheimer Verfahren möglich. Diese mit Selective Availability bezeichnete Einschränkung der Genauigkeit wurde im Jahr 2000 von den Vereinigten Staaten aufgehoben, so daß fortan für die zivile Nutzung Genauigkeiten in der Positionsbestimmung von weniger als ± 10 Metern zur Verfügung stehen. Vor der Aufhebung der Beschränkung betrug die Genauigkeit lediglich ± 100 Meter. Es ist dem Ver- 12.10 Atomuhren, Zeitzeichensender und Funknavigation 429 teidigungsministerium der Vereinigten Staaten jedoch weiterhin möglich, die für zivile Nutzer zugänglichen Daten und Signale beispielsweise in Kriegsgebieten gezielt zu verfälschen bzw. abzuschalten, was dann mit dem Begriff Selective Deniability bezeichnet wird. Differential GPS - DGPS Um die Genauigkeit des GPS-Satellitennavigationssystem weiter zu verbessern, wurde das Differential Global Positioning System (DGPS) entwickelt. Dabei wird an einem Ort, dessen exakte geographische Lage bekannt ist, die Position mittels GPS bestimmt. Aus der Differenz zwischen der dabei errechneten Position und der bekannten tatsächlichen geographischen Lage ergibt sich der lokale Fehler des GPS-Systems. Es ist möglich, den Fehler jedes in Reichweite befindlichen Satelliten zu errechnen und diesen Fehler an DGPS-Empfänger zu übermitteln. Zur Übertragung der Fehler an geeignete Empfänger werden FM-Frequenzen sowie Satelliten benutzt. Da der Fehler der einzelnen GPS-Satelliten in der jeweiligen Region nun bekannt ist, ist eine genauere Berechnung der aktuellen Position möglich. DGPS-Empfänger können die Position metergenau bestimmen, typischerweise werden Genauigkeiten von unter ± 5 Metern erreicht. SBAS - Satellite Based Augmentation Systems Bei den SBA-Systemen handelt es sich um ein satellitengestütztes Differential GPS (DGPS). Die Korrekturdaten werden hier im Gegensatz zum StandardDGPS von geostationären Satelliten ausgesandt, was den Vorteil mit sich bringt, daß weder weitere terrestrische Sendestationen noch ein separater (Korrektursignal-)Empfänger beim Nutzer benötigt werden. Es gibt hier vier, für unterschiedliche Regionen entwickelte Systeme, die untereinander weitestgehend kompatibel sind. Das sog. Wide Area Augmentation System (WAAS) (Erweiterungssystem für einen großen Bereich), ist in USA und Kanada verfügbar und wird speziell in der Luftfahrt verwendet. Dabei kontrollieren 25 Bodenstationen das GPS-Signal und schicken entsprechende Korrekturdaten an zwei geostationäre WAAS-Satelliten, die ihrerseits wiederum die entsprechenden Empfänger versorgen. Das MSAS (Multi-Functional Satellite Augmentation System) wurde in Japan entwickelt und deckt ein Teil des asiatischen Raums ab. Das GAGAN-System (GPS Aided Geo Augmentation Navigation) wurde in Indien entwickelt und befindet sich in einer Experimentierphase. In Europa wird derzeit ebenfalls ein solches System unter dem Namen EGNOS (European Geostationary Navigation Overlay Service) aufgebaut. Es sind 34 über ganz Europa verteilte Bodenmeßstellen, sog. RIMS (Ranging and Integrity Monitoring Station = Entfernungsmeß- und Integritätsbeobachtungs-Stationen), und 3 geostationäre Satelliten geplant. Bei 430 12 Die Messung von Frequenz und Zeit den Satelliten handelt es sich um sog. Inmarsat-Satelliten (International Maritime Satellite), die infolge geschickter örtlicher Anordnung über dem Atlantik, Zentralafrika und östlich von Afrika den gesamten europäischen Raum abdecken. Zu Problemen kann es allenfalls im nordeuropäischen Raum kommen, da hier die geostationären Satelliten unter einem Winkel von nur 20 Grad zu sehen sind, was leicht zu Abschattungen und damit zu entsprechenden Empfangsproblemen führt. Die jeweilige Position der RIM-Stationen ist exakt bekannt (wenige Zentimeter Abweichung). Sie sind mit GPS-Empfängern und Auswerterechnern ausgestattet, die beim Empfang bzw. der Auswertung des GPS-Signals die Abweichung bestimmen. Außerdem kann aufgrund der Tatsache, daß die Stationen sowohl das L1- als auch das L2-Band empfangen, die Laufzeitverzögerungen durch die Ionossphäre für jeden einzelnen Satelliten ermittelt werden. Da beim Empfang von mehr als vier Satelliten die Auswertung des GPS-Signales überbestimmt ist, kann man auch auf Fehler (Uhrenfehler bzw. Positionsfehler) der einzelnen Satelliten schließen. Diese Informationen werden an ein sog. Central Processing Centre weitergeleitet, wo sie zur GesamtKorrektur weiterverarbeitet werden. Die Hauptfehlerquelle von Ein-FrequenzEmpfängern, so wie sie von privaten Nutzern verwendet werden, liegt bei der in der Ionossphare stattfindenden Signalverzögerung. Hier hilft das von den SBA-Systemen errechnete aktuelle Korrekturgitter (IONO-Korrekturgitter) weiter, das größte positive Auswirkung auf die Korrektur der GPS-Signale hat. So kann die maximale Abweichung von EGNOS bei der horizontalen Ortsbestimmung auf etwa 2 Meter heruntergedrückt werden. Damit ist es beispielsweise hervorragend geeignet, dem Luftverkehr eine Exaktheit bei der Positionsbestimmung zu gewährleisten, die prinzipiell ausreichen würde, ein Flugzeug ohne Landestrahl zu landen. Allerdings wird das EGNOS nicht in der Lage sein, die höchste Stufe (CAT III, d. h. Minimum-Sichtweite bei Nebel ca. 100 m) des derzeit im Luftverkehr verwendeten ILS (Instrumentenlandesystem) zu ersetzen. Dennoch wird es in hervorragender Weise die Navigation im Luft- und Schiffsverkehr ergänzen und bestehende erdgebundene Navigationsysteme ablösen [117]. Voraussichtlich wird EGNOS bereits Anfang des Jahres 2011 zur Verfügung stehen. Finanziert wird das Projekt von der EU. Die europäische Raumfahrtagentur ESA hat die Koordination übernommen. 12.10.4 Galileo-Satellitennavigation Aufgrund fehlender Alternativen zu dem US-amerikanischen GPS oder dem russischen GLONASS Satellitennavigationssystem beschloß die Europäische Union (EU) in den 90er Jahren ein unabhängiges Satellitennavigationssystem zu entwickeln. Dies wurde notwendig, da keines der bestehenden Systeme aus militärischen Gründen eine uneingeschränkte Funktions- bzw. Verfügbarkeitsgarantie gewährt. Außerdem ist so bei einem technischen Ausfall eines Systems noch ein weiteres vorhanden, was einen wesentlichen Sicherheitsaspekt darstellt. 12.10 Atomuhren, Zeitzeichensender und Funknavigation 431 Systemaufbau Das derzeit im Aufbau befindliche Navigationssystem soll im endgültigen Ausbaustadium 30 Satelliten umfassen, von denen 27 dem Betrieb des Systems dienen und drei weitere sich als Ersatzsatelliten im Orbit befinden. Die Satelliten werden in ca. 24.000 km Höhe auf drei verschiedenen Kreisbahnen fliegen und benötigen für eine Erdumrundung etwa 14 Stunden. Sie bilden das Raumsegment“ , das in Abb. 12.29 dargestellt ist. Dabei werden jeweils ” 10 Satelliten auf einer Bahn gleichmäßig verteilt. Davon fungiert jeweils ein Satellit, also insgesamt drei, als Reserve für eventuell ausfallende Satelliten. Auf der Erde werden weltweit vernetzte Bodenstationen die Überwachung der Satelliten übernehmen und Echtzeit-Übertragungen von Diagnose- und Fehlermeldungen steuern. Es wird zwei gleichberechtigte Haupkontrollzentren (GCC = Galileo Control Center) geben, eines in Deutschland (Oberpfaffenhofen) und eines in Italien (Fucino). Ein weiteres Kontrollzentrum, welches das Safety-of-Life-Signal (s. u.) überwacht und Redundanzzwecken dient, wird in Spanien errichtet. Daneben werden die von den Galileo-Satelliten ausgesendeten Signale von 30 Signalkontroll-Empfangsstationen (GSS Galileo Sensor Station) überwacht. Fünf Satelliten-Kontrollstationen (TTC Telemetry, Tracking and Command) übernehmen die Bahnverfolgung und -steuerung der Satelliten. Es soll 9 Uplink-Stationen (ULS = Up-Link Stations) geben, von welchen aus die im Betrieb notwendigen Korrektur-, Kontroll- und Steuerdaten im C-Band (5 GHz) zu den einzelnen Satelliten gesendet werden können. Das Bodensegment wird komplettiert durch ein sog. Performance-Center, das Abb. 12.29. Satellitennavigationssystem Galileo [44] 432 12 Die Messung von Frequenz und Zeit permanent die Qualität der zur Erde gesendeten Satellitensignale auswertet. Die übergeordneten, administrativen Aufgaben des Galileo-Systems werden einer zivilen Galileo-Betreibergesellschaft (Galileo Operating Company) übertragen, deren Sitz auf Frankreich (Toulouse) und England (London) aufgeteilt wurde. Insgesamt stellt das System 11 Navigationssignale zur Verfügung, wobei eines davon ausschließlich dem Search and Rescue Service“ zugeteilt ist. Es ” werden insgesamt drei Frequenzbänder für die Signalübertragung verwendet: 1164 − 1215 MHz, 1260 − 1300 MHz und 1559 − 1593 MHz. Das Galileo-Navigationssystem befindet sich derzeit noch immer in der Entwicklungsphase, obgleich mit den Planungen für Galileo schon im Jahre 1994 begonnen wurde. Am 28. Dezember 2005 wurde ein erster Test-Satellit (Name: GIOVE-A1; Masse: 600 kg; Abmessungen: 1,3 m × 1,8 m × 1,65 m; Leistung: 700 W) mit einer Sojus-Trägerrakete in den Orbit transportiert, ein zweiter folgte am 26. April 2008 (Name: GIOVE-B; Masse: 520 kg; Abmessungen: 1 m × 1 m × 2,4 m; Leistung: 950 W). Er verfügt über eine WasserstoffMaser-Atomuhr und ist somit in der Lage, hochgenaue Navigationssignale zu senden. Zum Probetrieb des Galileo-Systems sind 4 Satelliten notwendig, die allerdings nicht vor dem Jahr 2012 im All sein werden. Nach dem erfolgreichen Abschluß der Testphase werden weitere 28 Satelliten folgen. Die EU-Kommission hat im Januar 2010 die erste Tranche von Aufträgen zur Fertigung der Satelliten sowie für die Systemunterstützung und die Startdienstleistungen vergeben. Die ersten 14 Satelliten werden vom deutschen Raumfahrtkonzern OHB System GmbH für ca. 600 Mio. Euro geliefert. Ein weiterer Anbieter für die Satellitentechnik ist EADS-Astrium. Der Auftrag für die Systemunterstützung wurde an die italienische ThalesAleniaSpace vergeben. Die französische Arianespace wird die Satelliten mit Sojus-Trägerraketen ins All befördern (Kosten: 400 Mio Euro). Am 21. Oktober 2011 wurden die ersten beiden IOV-Satelliten (IOV = In Orbit Validation) von einer Sojus-Trägerrakete in ihre Umlaufbahn (in 23.222 km Höhe) gebracht. Die nächsten beiden Satelliten sollen im August 2012 folgen. Das europäische Navigationssystem Galileo wird nach dem heutigen Kenntnisstand den zivilen und militärischen Nutzern in vollem Umfang (30 Satelliten) nicht vor dem Jahr 2020 zur Verfügung stehen. Die geschätzten Kosten für das Gesamtprojekt liegen derzeit bei ca. 5 Mrd. Euro, die jährlichen Betriebskosten sollen sich auf ca. 800 Millionen Euro belaufen [50]. 12.10 Atomuhren, Zeitzeichensender und Funknavigation 433 Dienstleistungen Das von der EU geplante Navigationssystem soll vor allem der zivilen Nutzung zu Gute kommen. Es sind fünf Ortungs-Dienstleistungen geplant: • Open Service: frei verfügbar Zielapplikation: Konsumergeräte • Safety of Life“ Service: sehr genaue Ortsauflösung, hohe Datenper” formance, hohe Sicherheit Zielapplikation: Navigation für Flugzeuge, Schiffe und Züge • Commercial Service: gebührenpflichtig, Ortsauflösung lokal angeblich bis zu 10 cm [44], verschlüsselter Datentransfer Zielapplikation: Daten-, Zeit- und Hochpräzisionsdienstleistungen • Public Regulated Service: garantierte Verfügbarkeit unter schwersten Bedingungen; verschlüsselter Datentransfer Zielapplikation: Dienste für öffentliche Organe, beispielsweise Polizei • Search and Rescue Service: Echtzeitübertragung von Notsignalen, genaue Ortsauflösung von wenigen Metern Zielapplikation: humanitäre Hilfs- und Rettungsdienstleistungen internationaler Vereinigungen. Kompatibilität zu GPS In einem Vertrag zwischen der EU und USA wurde im Jahre 2004 vereinbart, daß Galileo zu GPS kompatibel sein wird. Die Frequenzbänder L1 bei 1575, 42 MHz und L5 bei 1176, 45 MHz werden von beiden Systemen gemeinsam benutzt. Das L2-Band (1227, 6 MHz) ist für GPS reserviert, während Galileo das Band E6 (1278, 75 MHz) allein nutzt. Wenn das Galileo-System vollständig ausgebaut ist, werden sich also 60 zur Navigation nutzbare Satelliten im All befinden. Die im Durchschnitt erreichbare Genauigkeit der Ortsbestimmung läßt sich mit einer solche hohen Anzahl an Satelliten prinzipiell erhöhen, da im Mittel mehr Satellitensignale an einem Ort gleichzeitig empfangen werden können. 12.10.5 Störfaktoren bei der Satellitennavigation Um eine Postionsbestimmung zu ermöglichen, ist der gleichzeitige Empfang von mindestens 4 Satelliten erforderlich. Für eine Fehlerkorrektur jedoch ist man auf die Überbestimmung des mit vier Unbekannten (Länge, Breite, Höhe, Zeit) versehenen Gleichungssystems angewiesen, die mindestens den Empfang eines 5. Satelliten notwendig macht. Dies bringt Probleme bei der Navigation in Städten mit hohen Gebäuden mit sich, wo sich diese Forderung nicht immer erfüllen läßt. In den meisten Fällen ist auch eine Satellitennavigation im Inneren massiver, z. B. in Stahlbetonbauweise errichteter Bauwerke so gut wie ausgeschlossen. 434 12 Die Messung von Frequenz und Zeit Folgende, aus physikalischen Gründen unabwendbare Einflüsse führen in der Regel zu Fehlern bei der Positionsbestimmung: • Witterungsbedingte Änderungen bei der Ausbreitung elektromagnetischer Wellen, z. B. Ionosphäreneinflüsse: Fehler bis ca. 0,5 Meter • Gangungenauigkeit der verwendeten Uhren: Fehler bis ca. 2 Meter • Fehler durch Mehrwegeausbreitung der elektromagnetischen Wellen: Fehler bis ca. 0,5 Meter • Abweichung von der geplanten Satellitenbahn infolge Graviation: Fehler bis ca. 2,5 Meter Gezielte Beeinflussung durch Störsender Leider gibt es die Möglichkeit, gezielt Störsender gegen Satellitennavigationssysteme, wie GPS oder Galileo, einzusetzen. Die Frequenzen dieser Störsender sind mit denen der Satelliten identisch. Sie arbeiten außerdem mit den gleichen Codefolgen, die allerdings in aller Regel unsinnige Nutzdaten übermitteln. Solche Störsender werden als GPS-Jammer bezeichnet, solange sie nicht gezielt falsche Postionsdaten vortäuschen. In dieser Funktionalität jedoch werden sie als GPS-Faker bezeichnet. GPS-Faker erfordern allerdings eine entsprechend genaue Zeitbasis (Atomuhr), was deren Realisierung aufwendig macht. Es ist geplant, für das Galileo-System eine Authentifizierung zur Erkennung gefälschter Positionsdaten anzubieten.