Werteorientierte Organisationsentwicklung und ethische

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Unsere Qualität hat Wert(e) –
Werteorientierte Organisationsentwicklung und ethische Kompetenzentwicklung
Hanswalter Bohlander
1. Leitbild – Werte – Qualität
Werte haben Konjunktur! Dieser Eindruck stellt sich relativ schnell ein, wenn man die
Qualitätsmanagementdebatte und die Umsetzung unterschiedlicher Qualitätsmanagementkonzepte in Unternehmen verfolgt. Jedes Leitbild enthält eine Vielzahl von Werten, die quasi als Grundwerte des Unternehmens eine Orientierung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bieten. Leitbilder geben erste Antworten auf die Fragen: Wofür
steht das Unternehmen oder man könnte die Frage auch anders formulieren: Worin
besteht der Sinn des Unternehmens? Welche Ziele werden angestrebt? Welche Rolle
spielt das Unternehmen im jeweiligen gesellschaftlichen Kontext?
„Wir machen unsere Kunden stark – und verschaffen ihnen Vorteile im Wettbewerb“
„Wir tragen gesellschaftliche Verantwortung und engagieren uns für eine bessere Welt“
Leitbild Siemens
Wir fühlen uns gemeinsam den folgenden Grundwerten verpflichtet: Nachhaltiger Erfolg
Innovation im Dienste unserer Kunden - Gegenseitiger Respekt und offener Dialog
BASF – Vision 2010
Man kann über die inhaltliche Substanz und Ernsthaftigkeit mancher Formulierungen
sicher ganz unterschiedlicher Meinung sein, aber, so meine These, die Leitbildarbeit im
Rahmen von Qualitätsmanagementprozessen hat in den letzten Jahren an Qualität zugenommen. Natürlich gibt es nach wie vor die wohlfeilen Formulierungen, deren Umsetzung im Unternehmensalltag schon aufgrund fehlender Konkretisierung sehr unwahrscheinlich ist.
Es gibt aber auch eine Reihe von Unternehmen, die mit ihrer Leitbildarbeit neue Impulse für eine alltagstaugliche Wertegestaltung anbieten. Dazu zählen vor allem normativ
geprägte Organisationen und Unternehmen, wie sie z.B. im Bereich sozialer Dienstleistungen tätig sind.
Qualität zeichnet unsere Einrichtungen besonders aus. Basis unseres Qualitätsmanagements ist die konsequente Ausrichtung am Evangelium und am christlichen Menschenbild. Hohe professionelle Standards sind unser Ziel. Leitbild St.ElisabethStiftung
Die Vision Bethels ist: Gemeinschaft verwirklichen
Durch:
Qualifiziert helfen - Orientierung geben -Orte zum Leben gestalten
Auf die, in diesem Zusammenhang ebenfalls interessanten, aber bisher in der Diskussion kaum wahrgenommenen, kleinen und mittelständischen Unternehmen im ökologischen Umfeld soll hier nur verwiesen werden. Viele dieser Pionierunternehmen haben
sich in den letzten 20-25 Jahren zu erfolgreichen mittelständischen Unternehmen ent-
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wickelt. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist die ausgeprägte Werteorientierung der Gründerinnen und Gründer dieser Unternehmen als Orientierung und „Kraftquelle“ für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Die dramatischen Veränderungen der gesellschaftlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen stellen insbesondere auch die Krankenhäuser vor
große Herausforderungen. Unabhängig davon, welche Positionen man in dieser komplexen gesellschaftspolitischen Diskussion um eine Reform des Sozial- und Gesundheitswesens vertritt, die bisher in Gang gesetzte Entwicklung in den Unternehmen und
ihren Trägerverbänden bieten für das Thema „Werte und Qualität“ manchen bemerkenswerten Impuls.
2. Organisationen entdecken ihre normativen Grundlagen neu
Wettbewerb ist für Unternehmen und Einrichtungen im Gesundheits- und Sozialbereich
kein Fremdwort mehr. Sie müssen heute ihren Kunden/Patienten immer stärker deutlich machen, wodurch sie sich jeweils von den anderen Einrichtungen unterscheiden. In
dieser Situation haben sich die konfessionellen Krankenhäuser unter dem Slogan „Unsere Werte machen den Unterschied“ auf die Entwicklung eines spezifischen Qualitätsmanagementkonzepts, proCumCert (pCC) verständigt (Rier 2001). Vertreter aus
katholischen und evangelischen Verbänden und Krankenhäusern haben 2000 erstmalig dieses gemeinsame QM-Konzept vorgelegt. Das Handbuch beschreibt Prozesse,
Strukturen und Ergebnisse der komplexen Dienstleistungen eines Krankenhauses, umfasst die Qualitätskriterien der Kooperation für Transparenz und Qualität (KTQ), die
grundsätzlich für alle Krankenhäuser gelten, und formuliert darüber hinaus die spezifische, wertebezogene Qualität christlicher Häuser (Groß et al.2001). Mittlerweile sind
die ersten Krankenhäuser nach pCC zertifiziert.
Ähnliche Entwicklungen haben auch die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege initiiert.
Ihr Qualitätsmanagementsystem soll ebenfalls die Anforderungen eines Qualitätsmanagementsystems nach europäischen Normen erfüllen und gleichzeitig die besonderen
Anforderungen sozialer Dienste und die Wertegebundenheit der unterschiedlichen
Verbände berücksichtigen (Brückers 2003).
Die neue Qualität in der inhaltlichen Diskussion um das Selbstverständnis konfessioneller Krankenhäuser macht sich erst dann als Wettbewerbsvorteil für diese bemerkbar, wenn es gelingt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die damit verbundenen
individuellen und organisationalen Veränderungen und Entwicklungsprozesse zu gewinnen.
3. Aspekte ethischer Kompetenzentwicklung
Die Auseinandersetzung mit Werten fördert und fordert vor allem die individuelle Bereitschaft und Fähigkeit zur Reflexion. Damit meine ich die Bereitschaft und die Fähigkeit zur rationalen Durchdringung eines Sachverhaltes oder Phänomens, wobei der Reflexionsprozess der Aktivität vorausgeht, integraler Bestandteil der Handlung ist oder in
die Auswertung von Aktivitäten einbezogen ist.
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Von der Entwicklung ethischer Kompetenz spreche ich, wenn Sachverhalte auf ihren
Wertebezug reflektiert werden, d.h. die zugrundeliegenden Werte erkannt, begründet
und ihre Wirkungen auf Handlungen, Strukturen und Regelungen bedacht werden.
Ergebnis dieser Reflexionsprozesse kann die Formulierung eines ethischen Systems
von Werten, Denkhaltungen und Handlungsregeln sein. Wir sprechen dann von dem
Ethos einer bestimmten Gruppe, wie z.B. der Ärzte, der Weiterbildner und Trainer,
Wissenschaftler oder eines Unternehmens. Die Entwicklung und „Belebung“ eines orientierenden und bindenden Wertesystems ist für die Organisation und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit unterschiedlichen Herausforderungen verbunden.
3.1. Ethische Kompetenz braucht Zeit
Alltägliches Handeln von Führungskräften in Unternehmen ist in hohem Masse aktionsorientiert, so formuliert es Minzberg (1981) als Ergebnis verschiedener empirischer
Studien. Danach sind Manager einem unerbittlichen Arbeitstempo unterworfen, ihre Aktivitäten sind kurzfristig, höchst unterschiedlich und diskontinuierlich und sie haben eine Abneigung gegen reflektierende Aktivitäten (Rüegg 1989). Reflexion unterbricht den
alltäglichen Arbeitsfluss, fordert Innehalten und Verlangsamung. Wenn man erkennen
will, wie Handeln begründet ist, an welchen Werten Handeln ausgerichtet ist, welche
Werte persönlich von Bedeutung sind bedarf es Bereitschaft und Fähigkeit, sich auf einen kognitiven und emotionalen Prozess einzulassen. Für den St.Galler Betriebswirt
Ruegg-Stürm ist rational-analytisches Denken und intuitiv-integratives Fühlen für die
Gestaltung der Unternehmensentwicklung im Spannungsfeld von Komplexität und Ethik
(Rüegg 1989) eine wesentliche individuelle Voraussetzung. Um diese Fähigkeiten zu
entwickeln, braucht es auch eine förderliche Umgebung. Ein - oder mehrtägige Seminare, die abseits des turbulenten Alltags stattfinden, sind dazu besonders geeignet.
Diese Seminare sind auch ein geeigneter Ort, um sich mit ethischen Fragestellungen
und aktuellen Konfliktfeldern im Unternehmen zu befassen.
Nicht durchführbar! Unmöglich! Dafür gibt es weder Zeit noch Geld! So oder ähnlich
stelle ich mir die Reaktion des geneigten Lesers auf diesen Vorschlag vor. Und doch
geht es auch anders! Wieder sind es die konfessionellen Einrichtungen, die ein positives Beispiel liefern. Durch Initiative der St. Elisabeth-Stiftung, Waldbreitbach, wurde in
Zusammenarbeit mit dem Institut der Orden und der Philosophisch-Theologischen
Hochschule Vallendar ein trägerübergreifendes Intervalltraining für Führungskräfte
eingerichtet. „Führungskompetenz und christliches Selbstverständnis“, so der Titel der
berufsbegleitenden Weiterbildung, umfasst ca. 560 biblische und theologische Einheiten, sowie Rollenberatung und Supervision (Degenhart 2002). Interessant an dieser
Stelle sind für mich die Erfahrungen der Hochschule, dass Führungskräfte sich durchaus auf einen erweiterten Reflexionsprozess einlassen, wenn es gelingt, Werteerfahrungen durch Teilhabe an Werten zu ermöglichen. In der ersten Phase der Weiterbildung werden die Teilnehmer z.B. mit Räumen christlicher Spiritualität in Verbindung
gebracht, die Werteerlebnisse ermöglichen. Diese Erfahrungen erleben die Menschen
sehr oft als persönliche Erweiterung, was dazu führen kann, dass einschränkende
Denkmuster aufbrechen. In der ersten Phase der Weiterbildung fragen sie Teilnehmer
noch nach dem direkten Nutzen für ihre Praxis. Diese Frage tritt immer mehr in den
Hintergrund. Die Erfahrungen in spirituellen Räumen tragen dazu wesentlich bei. Die
Teilnehmer erleben die Weiterbildung als persönliche Erweiterung, die ihnen auch ei-
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nen neuen Blick auf ihre berufliches Aufgabenfeld ermöglicht. Und daran zeigt sich
letztlich auch der konkrete Nutzen für die Praxis!
3.2 Ethische Kompetenz berührt den ganzen Menschen
Die Auseinandersetzung mit Werten, ihre Begründung und Umsetzung ist ein Prozess,
der bereits in der Kindheit einsetzt. Wenn wir uns als Erwachsener mit unseren Werten
befassen, reflektieren wir auch unsere Biographie, unser Gewordensein. Wir schauen
uns an. Diese Betrachtung des Lebensweges ist verbunden mit dem Blick in die Zukunft. Welche Werte sind heute für mich wichtig, sind orientierend für mein Handeln?
Kann ich diese Werte auch im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit leben? Welche
Konflikte ergeben sich daraus und wie kann man mit Wertekonflikten konkret umgehen?
3.3 Ethische Kompetenzbildung bewegt die Organisation
Organisationen sind als Sinnsystem aufgebaut. Daraus folgt, dass Systeme, Organisationen durch sinnhaft aufeinander bezogene Handlungen, durch Kognition, Werte und
Normen zusammengehalten werden. Bei der Gestaltung von Organisationen geht es
demzufolge nicht nur um die zweckrationale Organisation von Prozessen und Strukturen, sondern immer auch um den, ihnen individuell zuordenbaren, Sinn. Ob Dienstanweisung, Richtlinien, Geschäftsordnung, Arbeitsplatzbeschreibung und –gestaltung,
Kommunikationsinfrastruktur und –regelungen, organisatorische Leitlinien, Führungsinstrumente und –richtlinien, Kleidung und Habitus bis hin zur Spesen- und Reisekostenregelung, organisieren berührt immer die materielle, die substanzielle Ebene und
wirkt gleichzeitig auf der geistig-sinnhaften Ebene. Führungskräfte mit ethischer Kompetenz sind in der Lage, diese Komplexität zu erkennen und eine Managementphilosophie zu entwickeln. In ihrem Ergebnis stellt eine Unternehmungs- und Managementphilosophie eine alle Dimensionen der Unternehmung durchdringende Werterhellung,
Wertbekundung und Wertentwicklung dar (Bleicher 1999).
In der Konsequenz führt das zu der Anforderung an alle Organisationsmitglieder, insbesondere an die Führungskräfte, jede Handlung auf ihren Bezug zu den Werten des
Unternehmens zu reflektieren.
Das bedeutet für die Organisation und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter:
•
die Fähigkeit zur Arbeit im alltäglichen Spannungsfeld zwischen betriebswirtschaftlichen Komponenten (Ökonomie) und den latenten Wertedimensionen (Ethik) zu
entwickeln,
•
Entscheidungen mit dem Blick auf beide Aspekte in ihrer wechselseitigen Bedingtheit transparent und glaubwürdig zu kommunizieren,
•
die Grenzen für werteorientiertes Handeln innerhalb des Unternehmens deutlich zu
machen und zum Engagement für die Mitgestaltung förderlicher Rahmenbedingungen durch Politik und Gesellschaft einzuladen.
Diese Überlegungen haben dazu geführt, gemeinsam mit dem Institut für Kirche und
Gesellschaft ein Seminar –und Beratungskonzept zu entwickeln, das wir „Werteorien-
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tierte Oualitäts- und Organisationsentwicklung“ (WOQUE) nennen (Büscher / Bohlander 2002,2003).
4.
Aspekte einer „Werteorientierten Qualitäts- und Organisationsentwicklung“
Das Konzept bezieht sich in wesentlichen Punkten auf das vor allem von Peter Ulrich
(Universität St.Gallen) entwickelte Konzept der Integrativen Wirtschaftsethik, einem
Plädoyer für eine lebensdienliche Ökonomie. Danach ist die Ökonomie nicht Selbstzweck, sondern eingebunden in ethisch-praktische Legitimationsanforderungen unterschiedlich betroffener Gruppen und Personen innerhalb und außerhalb des Unternehmens, der sogenannten Stakeholder. Für Unternehmen besteht die Herausforderung
darin, die legitimen unterschiedlichen Ansprüche zu erkennen, zu akzeptieren und in
die strategische Unternehmensführung zu integrieren.
Für die Arbeit im Unternehmen müssen drei Ebenen und Ansatzpunkte unterschieden
werden:
Ebene
Ausprägung
Individuum
Persönliche Werthaltungen, Überzeugungen, Erfahrungen
Organisation
Tradition und Leitbilder der Einrichtung, gewachsene „Selbstverständlichkeiten“, interne und externe Beziehungen
Umfeld
Nationale und internationale Rahmenbedingungen, Verhältnis Politik -Gesellschaft - Unternehmen der Wohlfahrtspflege, Sozialpolitik, Gesellschaft, Partner für Corporate Citizenship/Corporate Volunteering
Die Herausforderungen insbesondere an Führungskräfte sind mehrfach. Erwartet werden von ihnen Synthesen zwischen Ethik und Erfolg (Geschäftsethik) und praktizierte
ordnungspolitische Mitverantwortung und – gestaltung. Hier besteht eine zweistufige
Konzeption von Diskurs- und Verantwortungsethik. Die Grundlage dafür ist eine Arbeitsweise, die wir bezeichnen als „Werteorientierte Organisations- und Qualitätsentwicklung“ (WOQUE). Die Umsetzung von Leitbildprozessen bleibt ohne Wirkung, wenn
sie sich außerhalb der Alltagsrealität der Einrichtung orientiert.
Werte entfalten ihre Wirkung nicht durch ständige Beschwörung, durch morgendliche
Pflichtlektüre des Leitbildes oder rituelle, quasi militärische Appelle zum Dienstbeginn,
sondern müssen immer wieder aus der konkreten Situation heraus von jedem Einzelnen kommuniziert, konstruiert und kombiniert werden. Die Soziologen sprechen da von
radikaler Reflexivität der Selbstbesinnung (Pankoke). Das bedeutet: Werte weisen nicht
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als absolute Wahrheit und „leuchtender Stern“ den Weg durch das „alltäglich Dickicht“,
sondern müssen in alltäglich Handeln sinnvoll übersetzt werden.
4.1 Werteorientierung als Prozess
Die nachfolgend beschriebenen 5 Schritte sind aus unserer Sicht geeignet, mit dem bereits genannten „Blickwechsel“ vertraut zu machen und ihn einzuüben. Das kann z.B. in
Seminaren mit Qualitätsmanagementbeauftragten, mit Führungskräften und einzelnen
Abteilungen geschehen.
Ansatzpunkte für eine werteorientierte Organisationsentwicklung können zunächst folgende systematische Schritte und diese Methodik des Ablaufs umfassen:
Phase
Aufgaben
1.Schritt
Erfassung und Beschreibung von Werten in der Organisation – (IstZustand- Bottom-up)
2. Schritt
Erfassung der Wertgrundlagen der Organisation (Soll-ZustandTop-down)
3. Schritt
Bewertung bestehender Wertedimensionen und spezifischer Wert und Zielkonflikte
(Vergleich Schritt 1 und Schritt 2)
4. Schritt
Identifikation und Beratung von strategischen Ansatzpunkten für eine systematische Werteorientierung
5. Schritt
Entwicklung einer Arbeits- und Prozessstruktur
1. Schritt: Erfassung und Beschreibung von Werten in der Organisation
Was erlebe, sehe und empfinde ich als Mitarbeiterin, Mitarbeiter und Führungskraft?
Entspricht dies meinen Vorstellungen und Überzeugungen? Was verursacht inneren
Widerstand? Wie bewerte ich die Abläufe in meinem Alltag? Werte im Alltag der Organisation, real gelebte Werte, latent erkennbare Traditionen und Wertegrundlagen der
Organisation,
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Wahrnehmung der tatsächlichen Alltagsstrukturen, Beschreibung des Ist-Zustandes,
Bottom-up-Prozess
2. Schritt: Erfassung der Wertgrundlagen der Organisation
Was sind die Werte der Organisation/des Unternehmens? Wahrnehmung der Ziele
und Wertgrundlagen einer Organisation soweit diese in Leitbildern, Grundsatzprogrammen und anderen Dokumenten erfasst sind,
b) Wahrnehmung und Erfassung der individuellen Ziele und Wertgrundlagen der Mitarbeitenden, Konzentration auf die gewünschten Werte und Ziele (Beschreibung des
Soll-Zustandes)
Konzentration auf die gewünschten Werte und Ziele, Beschreibung des SollZustandes, Top-down-Prozess
3. Schritt: Bewertung bestehender Wertedimensionen und spezifischer Wert -und Zielkonflikte
Ermittlung der Abweichungen und Spannungsfelder von Schritt 1 und Schritt 2.
Realistische Diskussion und Abwägung der einzelnen Werte: z.B. Effizienz, Menschenbild/Leitbilder, Ökonomie und ganzheitliche Betreuung, Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit, Mitarbeiterzufriedenheit, Kunden-/Patientenzufriedenheit; etc.
Diskussion und Abwägung von Wert- und Zielkonflikten
a. innerhalb der Werte eines Wertekatalogs (horizontal), z.B. Wertekonflikte zwischen
Effizienz und Gerechtigkeit, Zuwendung und Kostenbewusstsein, Leistung und
„Auftanken“
b. zwischen den Ebenen der Organisation: z.B. Person/Organisation, Führungsebenen/Mitarbeitende, Controlling/Personalentwicklung (vertikal)
Dieser Schritt gewährleistet eine gewisse Absicherung gegen die Gefahr, die Wertedimension der Organisation als Gesinnungs- oder Bekenntnisdimension zu sterilisieren.
Eine realistische und zeitgemäße Wertediskussion ist ermöglicht, wenn davon auszugehen ist, dass Werte weder von der Geschäftsleitung und auch nicht durch die Verordnung eines Leitbildes vorgeschrieben und etabliert werden können. Werte zeichnen
sich durch ihre Vielfalt, durch latente Präsenz in den meisten Ebenen des organisationalen Alltags und durch ihren Kommunikationsbedarf aus.
4. Schritt: Identifikation und Beratung von strategischen Ansatzpunkten für eine systematische Werteorientierung
Wo und nach welchen Gesichtspunkten kann strategisch angesetzt werden? In diesem
Schritt geht es um die nähere Bestimmung von Kriterien und Schwerpunkten, welche
Werte bei der Organisationsentwicklung bzw. für die Unternehmenspolitik besonders
gewichtet werden sollen. Es handelt sich um die
a. Unterscheidung von individuellen Handlungsebenen der einzelnen Mitarbeitenden
und der Organisation (persönliche oder strukturelle Ansatzpunkte): Wo liegen die
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stärksten Wertkonflikte, wo werden welche vermutet? Wo liegen die größten Erfolgspotentiale, wo werden sie vermutet?
b. Unterscheidung von Nutzen oder Kosten der Werteorientierung: Entsteht ein Beitrag zum betrieblichen Erfolg oder entstehen kaum finanzierbare Kosten? Würden
diese aus Überzeugung für die Richtigkeit in der Sache in Kauf genommen?
5. Schritt: Entwicklung einer Arbeits- und Prozessstruktur
Mit welchem zeitlichen Aufwand können in welchen Schritten die Wert- und Zielkonflikte strukturiert und abgebaut werden? Entwicklung eines Arbeitsprogrammes für die Organisation, wie die Werteorientierung auf breiter Basis bewusst gemacht, Spannungsfelder identifiziert und aufbereitet werden können.
Instrumente dieses Prozesses sind moderierte Seminare, Einzelinterviews, Workshops
zur Werteermittlung und organisatorischen Weiterentwicklung, Rückbindung an Zielvereinbarungen und Mitarbeitergespräche einerseits und an die Organisationspolitik,
Unternehmensdokumentation, Öffentlichkeitsarbeit andererseits.
Es ist von zentraler Bedeutung für ein Gelingen dieses Entwicklungsprozesses, dass
geeignete Impulse organisiert werden, um die individuelle Wahrnehmung für Verhalten
und Strukturen im Sinne der Organisationsziele dauerhaft zu fördern. Das kann geschehen in Form einer Begleitung durch externe und interne Berater und/oder Entwicklung von Methoden der Selbstevaluation. Werteorientierung mit Realitätsanspruch
ernst genommen bedeutet, einen umfassenden, organisatorisch eingebundenen und
spannungsoffenen Prozess. Dieser kann nur „vor Ort“ und kontextuell definiert und
entwickelt werden.
4.2 Ethische Kompetenz und organisationaler Wandel
Wenn sich eine Organisation entschließt, ihr normatives Selbstverständnis zu einem
wesentlichen Bezugspunkt ihrer weiteren Entwicklung zu machen, kann also nicht nur
das individuelle Verhalten der Organisationsmitglieder thematisiert und „bearbeitet“
werden. Verhalten realisiert sich in einem konkreten kulturellen, organisationalen Kontext. Organisationen haben ihre Geschichte und diese ist im organisationalen Gedächtnis und in den individuellen Erfahrungen fest verankert. Durch neue Leitbilder,
Führungsleitlinien und mehr oder weniger konkret formulierte Verhaltensregeln lässt
sich die Organisation nicht aus der Balance bringen. Die Erkenntnisse der Organisationspsychologie zeigen uns, dass die Umsetzung von Regeln bestimmte individuelle
Fähigkeiten und organisationale Bedingungen voraussetzen. Frey verweist z.B auf die
Forschung im Rahmen der Theorie des Selbstwertschutzes, die Untersuchungen zur
Selbst- und Fremdwahrnehmung und der Konfliktkultur. Sofern in einer Organisation
keine konstruktive Streit- und Konfliktkultur besteht und die Kommunikation nicht hierarchiefrei ist, wird die Proklamierung von Verhaltensregeln ohne Konsequenzen bleiben. Eine Umsetzung der Werte und Regeln bedeutet daher immer auch Berücksichtigung von Macht und Abhängigkeitsaspekten (Frey et al. 2002).
Wenn Werteorientierung zum Gegenstand unternehmerischen Handelns gemacht wird,
ist letztlich also die gesamte Organisation von ihrem ethisch-normativen Bezugsrahmen aus in den Blick zu nehmen. Dieser Bezugsrahmen besteht aus institutionalen
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Leitlinien und Regelwerken. Ohne einen personalen Führungsethos werden diese Leitlinien aber nicht wirksam umgesetzt. Gelebte Werteorientierung braucht also eine Managementethik. Diese hat wohlbegründete Werte und Normen in den Alltag der in einer
Organisation tätigen Menschen zu vermitteln und deren Handeln und Motive ethisch zu
reflektieren und zu erhellen (Ruegg 1989).
Managementethik ist als ein Instrument im organisationalen Wandelprozess zu sehen.
Damit können die Werte und Normen der Organisation zum Fokus der organisationalen Wandelprozesse werden. Der Wandelfokus beantwortet die Frage: Worin genau
besteht das Anliegen des Wandelvorhabens? Was genau soll nachher anders sein?
Für wen soll sich etwas ändern und eine spürbare Wirkung resultieren (Ruegg-Stürm
2001)?
Wie bereits erwähnt, beschäftige ich mich seit einiger Zeit mit sozialwirtschaftlichen
Organisationen. Ihre Veränderungsprozesse werden aktuell durch die Einführung von
Qualitätsmanagementkonzepten geprägt. In den konfessionellen Krankenhäusern will
man explizit die normativen Grundlagen zum Ausgangs- und Zielpunkt des QMProzesses machen. Noch ist nicht zu erkennen, wie nachhaltig dieser Anspruch in den
Organisationen wirklich umgesetzt werden wird und welche Probleme damit auf die Organisation und die in ihr tätigen Menschen zukommen werden. Ich bin davon überzeugt, dass diese Wandelprozesse gerade deshalb auch die Akteure vor neue Herausforderungen stellen wird, weil Werteorientierung heute im Kontext eines Wertewandels
zu gestalten ist, dessen zentrales Merkmal die Individualisierung ist. Damit verbunden
ist das verstärkte individuelle Bedürfnis, Subjekt des eigenen Handelns zu sein, so der
Wertewandelforscher Klages (Klages 2001). Barth (1998) hat auf der Grundlage der
Ergebnisse der Speyerer Werteforschung eine Typologie von Bindungsmustern entwickelt. Sein Ergebnis:
Der Wertewandel fördert über die Zunahme der Selbstentfaltungswerte nicht eine normative Einbindung in Organisationen (Motivation durch Sinnstiftungs- und Identifikationspotential einer starken Unternehmenskultur). Vielmehr sei eine Pluralisierung der
Bindungswünsche der Mitarbeiter festzustellen.
Was folgt daraus für die Managementethik? Wie können normativ geprägte Organisationen heute ihr werteorientiertes Profil begründen und nach Innen und Außen glaubwürdig deutlich machen? Wie können diese Wandelprozesse in Organisationen konkret gestaltet werden? Unsere nächsten Projekte werden auch dazu dienen, Antworten
auf diese Fragen zu entwickeln.
5.
Ethische Kompetenz, Werteorientierung – wo ist der Nutzen?
Die Diskussion um dem Nutzen ethischer Kompetenzentwicklung der Führungskräfte
und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für das Unternehmen soll abschließend durch
einen Blick auf die Ergebnisse die Wertewandelforschung eher grundsätzlich beantwortet werden. Der bereits zitierte Soziologe Helmut Klages, Begründer der Werteforschung in Deutschland, ist in seiner jüngsten Veröffentlichung auch folgenden Fragen
nachgegangen: Was geschieht mit nicht verwirklichten Werten? Was passiert mit Menschen, die in ihrer Werteumsetzung gehemmt oder blockiert werden? Wie verhalten
sich Menschen, die feststellen müssen, dass es ihnen nicht möglich ist, bestimmte Zie-
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le, Werte und Interessen zu verwirklichen, an denen ihnen liegt und die in der Umgebung als wichtig und wertvoll angesehen werden.
Das Ergebnis seiner Studien:
Diese Menschen resignieren, ziehen sich zurück, und suchen nach einer Möglichkeit,
sich zu arrangieren. Wie auch immer man dieses Verhalten beurteilt, für den Betroffenen, das Unternehmen und die Gesellschaft bedeutet das: Menschen schöpfen ihr Potenzial nicht aus. Das bedeutet: Wer die Dispositionen der Menschen nicht nur als etwas Privates, sondern auch als gesellschaftliche Ressource zur Bewältigung der Herausforderungen der modernen Welt ansieht, hat Anlass, an diesem Sachverhalt Anstoß
zu nehmen und von verschwendetem Humanpotenzial zu sprechen (Klages 2002).
Ich formuliere es so:
Ethische Kompetenz und Managementethik sind zwei Säulen einer gesunden und lebendigen Entwicklung. Für jeden Einzelnen, das Unternehmen und die Gesellschaft.
Wir wollen persönlich und fachlich geeignete Mitarbeiter aus allen Kulturen und Nationalitäten gewinnen, die sich engagiert für die Ziele und Werte unseres Unternehmens einsetzen.
BASF – Vision 2010
Unsere Einrichtungen werden in besonderer Weise geprägt durch die Motivationen
der Mitarbeiter/innen
Leitbild St. Elisabeth-Stiftung
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Literatur
Barth, Matthias (1998): Unternehmen im Wertewandel – Zur Bindung der Mitarbeiter
durch die Unternehmenskultur. Konstanz
Bleicher, Knut (1999): Unternehmungsphilosophie: Visionen und Missionen eines normativen Managements. In: Korff, Wilhelm (Hg.): Handbuch der Wirtschaftsethik,
Gütersloh, S. 165 - 188
Bohlander, Hanswalter / Büscher, Martin (2003): Leitbild und Werteorientierung im
Qualitätsmanagement. In: Brückers, Rainer (Hg.): Tandem QM – Das integrierte
QM-Konzept in der Sozialen Arbeit. Bonn, S. 47 - 58
Büscher, Martin / Bohlander, Hanswalter (2002): Werteorientierte Qualitäts- und Organisationsentwicklung (WOQUE). Iserlohn
Büscher, Martin / Bohlander, Hanswalter (2002): Werteorientierte Führung. In: Jahrbuch Managerseminare 2003. Bonn, S. 101 – 110
Büscher, Martin / Bohlander, Hanswalter (2003): Nachhaltigkeit und ethisches Wirtschaften – Dimensionen und Ansatzpunkte für diakonische Einrichtungen. In: Diakonisches Jahrbuch 2003. Stuttgart, S. 34 – 45
Degenhart, Jörg: In Teamarbeit tragende Werte entwickeln. In: neue caritas, 3/2002, S.
16 - 18
Frey, Dieter / Faulmüller Nadira S. / Wendt, Markus (2002): Verhaltensregeln als Voraussetzung zur Realisierung moralisch-ethischer Werte in Firmen. In: Zeitschrift
für Personalforschung, 16.Jg., Heft 2/ 2002, S. 135 – 155
Groß, Norbert / Helbig, Wolfgang / Vortkamp, Thomas: Christliches Profil zeigen – Evangelische und Katholische Krankenhäuser mit eigenem Qualitätszertifikat. In:
ku-Sonderheft Qualitätsmanagement 6/2001, S. 38 - 41
Klages, Helmut (2001): Ist der Mensch modernisierbar? In: Hill, Hermann: Modernisierung – Prozess oder Entwicklungsstrategie, Frankfurt/M./New York, S. 57 – 74
Klages, Helmut (2002): Der blockierte Mensch – Zukunftsaufgaben gesellschaftlicher
und organisatorischer Gestaltung. Frankfurt/New York, S. 4 - 30
Rier, Angela: Die spezifisch christliche Qualität – Konfessionelle Krankenhäuser mit eigener Zertifizierungsgesellschaft. In: ku-Sonderheft Qualitätsmanagement,
6/2001, S. 42
Rüegg, Johannes (1989): Unternehmensentwicklung im Spannungsfeld von Komplexität und Ethik – eine permanente Herausforderung für ein ganzheitliches Management. Bern und Stuttgart
Rüegg-Stürm, Johannes (2001): Organisation und Organisationaler Wandel – Eine
theoretische Erkundung aus konstruktivistischer Sicht, Wiesbaden
Ulrich, Peter (1997): Integrative Wirtschaftsethik. Grundlagen einer lebensdienlichen
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Wilkesmann, Uwe (2001): Unternehmensethik und organisationales Lernen – Zur theoretischen Fundierung einer pragmatischen Unternehmensethik, in: Die Unternehmung, 55, Nr. 1, 5-23
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