Universitätsklinik für Medizinische Onkologie Direktor und Chefarzt: Prof. Dr. med. Martin Fey Chefarzt: Prof. Dr. med. Adrian Ochsenbein Achtung: Diese initiale Version berücksichtigt nicht allfällige Protokoll-Amendments! Zusammenfassung des Studienprotokolls Titel des Gesuchs: Therapieoptimierungsstudie in der Primärtherapie des intermediären Hodgkin Lymphoms: Therapiestratifizierung mittels FDG-PET Protokoll-No.: HD17 Gesuchsteller: Prof Dr. med. Thomas Pabst Weitere Mitarbeiter/Innen: Bettina Cliffe (Study Nurse) Gesuchversion/Datum: Version 1.0 / 15.06.2012 Hintergrund der Studie: Das Hodgkin Lymphom ist eine der am besten behandelbaren Krebserkrankungen bei Erwachsenen und in den meisten Fällen heilbar. Da aber noch nicht alle Patienten mit dieser Erkrankung geheilt werden können und zudem die Behandlung oft mit Nebenwirkungen und Langzeitschäden einhergeht, wird zurzeit versucht, die Therapie hinsichtlich ihrer Wirkung weiter zu verbessern und vor allem die Nebenwirkungen zu reduzieren. Mit dieser wissenschaftlichen Studie werden neue Behandlungsansätze entwickelt, mit denen die Strahlentherapie der aktuellen Standardtherapie verbessert werden soll. Die Therapie besteht aus 4 Zyklen Chemotherapie (2x BEACOPPeskaliert und 2x ABVD) mit einer anschliessenden Bestrahlung. Nach der Chemotherapie wird mittels einer Positronen-EmmissionTomographie (PET) das Ansprechen auf die Chemotherapie überprüft. Die Standardarm der Therapie besteht aus 4 Zyklen Chemotherapie mit einer anschliesenden „Involved Field“ (IF)- Bestrahlung. Bei der „Involved Field“ Bestrahlung wird eine ganze Region bestrahlt in der man befallene Lymphknoten nachgewiesen hat. Im experimentellen Arm wird die Strahlentherapie nur bei unzureichendem Ansprechen auf die Chemotherapie (PET positiv) durchgeführt und besteht aus einer „Involved Node“ (IN) Bestrahlung. Bei der „Involved Node“ Bestrahlung werden nur die befallenen Lymphknoten mit einem kleinen Saum des umgebenden Gewebes bestrahlt, um Toxizitäten und Nebenwirkungen der Strahlentherapie zu verringern. Bei Patienten, die gut auf die Chemotherapie angesprochen haben (PET negativ), wird im experimentellen Arm auf die Strahlentherapie verzichtet, um das Risiko möglicher Langzeitschäden möglichst gering zu halten. Das Ziel dieser Studie ist, Nebenwirkungen der Therapie durch Weglassen der Strahlentherapie bzw. durch Verkleinerung des Bereiches der Strahlentherapie zu senken und die Wirksamkeit trotzdem auf dem Stand der Standardtherapie zu halten. Ein weiteres Ziel der Studie ist die Überprüfung der Effektivität der Standardtherapie in Hinsicht auf das Ansprechen des Patienten auf die Chemotherapie aufgrund der durchgeführten PET Untersuchung. Hypothese: 1. Für das progressionsfreie Überleben (PFS) soll die Nichtunterlegenheit des experimentellen Armes gegenüber dem Standardarm nachgewiesen werden. 2. Für die Untergruppe der nach Abschluss der Chemotherapie PET negativen Patienten soll der Nachweis erbracht werden, dass eine alleinige Chemotherapie im Vergleich zur kombinierten Chemo- und Radiotherapie in Bezug auf PFS nicht unterlegen ist. 3. Das PFS der Patienten aus dem Standardarm / experimentellen Arm mit positiven PET wird mit dem PFS der PET negativen Patienten des Standardarmes verglichen, um zu verifizieren, dass durch das PET ein Risikokollektiv identifiziert wird. 4. Durch die Einführung der IN-Radiotherapie soll geprüft werden, ob durch das geringere Bestrahlunsvolumen bei gleichem PFS Toxizitätreduktionen im Vergleich zum Standardarm erfolgen. Ziel dieser Studie: Ziel der Studie ist es, durch eine an das Ansprechen angepasste Therapie die Behandlung für den einzelnen Patienten zu individualisieren und somit zu optimieren. Das Ansprechen wird mittels FDG-PET nach 4 Protokollsynopsis 2/5 Zyklen Chemotherapie (2 Zyklen BEACOPPesk + 2 Zyklen ABVD) ermittelt. Für die Patienten mit gutem Ansprechen soll die Toxizität /Nebenwirkungen der Standardtherapie durch Weglassen der Strahlentherapie gesenkt werden, ohne dass dabei die Wirksamkeit der Behandlung beinträchtigt wird. In Zukunft würden somit nur diejenigen Patienten mit einer zusätzlichen Radiotherapie behandelt, die ein unzureichendes Ansprechen zeigen. Zusätzlich soll geprüft werden, ob eine schonendere Strahlentherapiemethode die Wirksamkeit im Vergleich zur Standardtherapie nicht beeinträchtigt. Sekundäre Studienziele sind Gesamtüberlebenszeit, komplette Remissionsrate (CR) und der Anteil von PET positiven und PET negativen Patienten. Daneben sollen die Langzeitschäden, Sekundärneoplasien, die Lebensqualität sowie die Lebenssituation während und nach der Therapie erfasst werden. Primärer Endpunkt: Progressionsfreies Überleben (PFS) Sekundäre Endpunkte: Komplette Remissionsrate Gesamtüberlebenszeit Anteil der Patienten mit gutem / unzureichendem Ansprechen auf 2 Zyklen BEACOPPesk und 2 Zyklen ABVD Bestrahlungsvolumina pro Patient für IF- und IN-Bestrahlung Spättoxizitäten der Therapie Sekundärneoplasien Lebensqualität: Symptomskala „Fatique“ Studiendesign: Es handelt sich um eine multizentrische, randomisierte, kontrollierte Phase III Studie Standardarm: Chemotherapie (2 Zyklen BEACOPPesc + 2 Zyklen ABVD) mit anschliessender 30 Gy Involved Field Radiotherapie. Experimenteller Arm: Chemotherpaie (2 Zyklen BEACOPPesc + 2 Zyklen ABVD ) für alle Patienten, danach Stratifizierung anhand FDG-PET. Für PET-positive Patienten: Involved Node Radiotherapie; für PET-negative Patienten: Therapieende Die Patienten werden nach Einschluss in die Studie entweder in den Standardarm oder in den experimentellen Arm randomisiert. Die Studiendurchführung erfolgt zunächst verblindet, d.h. der behandelnde Arzt wird nicht über die Armzuteilung informiert. Erst nach 4 Zyklen Chemotherapie und anschliessender FDG-PET-Untersuchung wird entblindet. Protokollsynopsis 3/5 Ein- und Ausschlusskriterien Versuchspersonen: Hodgkin Lymphom, Stadium IA, IB, IIA mit Risikofaktor a-d; Stadium IIB mit Risikofactor c, d [a: grosser Mediastinaltumor (≥ 1/3 des max. Thoraxquerdurchmessers); b: Extranodalbefall; c: hohe Blutsenkungsgeschwindigeit (≥ 50 mm/h bei A-Symptomen, ≥ 30 mm/h bei B-Symptomen); d: 3 oder mehr befallene Lymphknotenareale] Haupt-Einschlusskriterien: Erstdiagnose eines Hodgkin Lymphom Patient ist therapienaiv in Bezug auf das Hodgkin Lymphom Alter 18-60 Jahre Vorliegen der selbst und schriftlich erteilten Einwilligung zur Studienteilnahme Normale Organfunktion (ausser Hodgkin Lymphom bedingt) Lebenserwartung: 3 Monate Haupt-Ausschlusskriterien: Unvollständige Diagnostik des Krankheitsstadiums Vor- und Begleiterkrankungen, die eine protokollgerechte Therapie nicht erlauben Hodgkin Lyphom als Mischtumor (sog. Composite Lymphoma) Vorausgegangene Chemo- oder Strahlentherapie maligne Tumorerkrankung in den letzten 5 Jahren (Ausnahmen siehe Protokoll) Schwangerschaft, Stillen Mangelnde Compliance Studienablauf (Untersuchungen studienspezifisch/-unspezifisch) Untersuchungen vor der Behandlung Überprüfung der Diagnose der entnommenen Gewebeproben Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese) Körperliche Untersuchung Labordiagnostik (Blutentnahme), Untersuchung auf mögliche Viruserkrankungen wie Hepatitis B, Hepatitis C und HIV Knochenmarkbiopsie Überprüfung von Organfunktionen: Elektrokardiogramm, Echokardiogramm, Lungenfunktionsprüfung, Ermittlung der Schilddrüsen-, Herz- und Fortpflanzungsfunktion Röntgenaufnahmen des Brustraumes Protokollsynopsis 4/5 Computertomographien (CT) von Hals, Brustbereich und Bauchregion, Fakultative Untersuchungen zur Diagnosesicherung: Ultraschalluntersuchung des Halses oder des Bauchraumes, eine Kernspintomographie (MRT) bei Verdacht auf Perikard-Myokardinfiltration oder Verdacht auf Skelettbefall, oder PET Bei Frauen im gebärfähigen Alter: Schwangerschaftstest Untersuchungen während der Behandlung Während der Chemotherapie wöchentliche Blutuntersuchungen zur Bestimmung von Laborparametern Nach Beendigung der Chemotherapie und nach Abschluss der Strahlentherapie: Überprüfung des Behandlungserfolges (Restaging) durch Zwischenanamnese, körperliche Untersuchung, Blutuntersuchungen, Computertomographien (CT) aller ursprünglich befallenen Regionen, PET (nach Chemotherapie und falls Patient PET positiv nochmals 3 Monate nach Strahlentherapie). Untersuchungen nach der Behandlung vierteljährlich, halbjährlich und später in jährlichen Abständen: Anamnese und körperliche Untersuchung Blutbildkontrolle Schilddrüsendiagnostik Einmal jährlich Röntgenaufnahmen des Brustraumes (falls kein CT) Ultraschalluntersuchung des Bauches Nach dem ersten, zweiten, fünften und zehnten Jahr nach Therapieende Elektrokardiogramm und Ultraschalluntersuchung des Herzens Kontrolle der Fortpflanzungsfunktion bei Männern und Frauen Nach 12 Monaten Lungenfunktionsprüfung Je nach Befund CT-Untersuchungen (abhängig vom Befund nach der Chemotherapie, nur bei Progression) PET (nur bei positiven PET-4: drei Monate nach Therapieende) Die aufgelisteten Untersuchungen gehen in Umfang und Häufigkeit nicht über das Mass hinaus, das auch ausserhalb der Studien zur Anwendung käme. Studienmedikamente: Die in HD17 eingesetzten Medikamente ABVD Chemotherapie: Adriamycin, Bleomycin, Vinblastin und Dacarbazin BEACOPPesk Chemotherapie: Cyclophosphamid, Adriamycin, Etoposid/Etoposidphosphat, Procarbazin, Prednison, Bleomycin, Vincristin sind für die Behandlung des Hodgkin Lymphoms in der Schweiz zugelassen und in vielen Studien erprobt. Statistisches Auswertungskonzept: Das Konzept ist entworfen für eine randomisierte Phase III Studie mit Parallelgruppendesign für Nichtunterlegenheitsfragestellungen und Unterschiedstest für Überlebenszeiten. Die Auswertung der primären Endpunkte (PFS) erfolgt mittels einseitgen Logrank Test bei Nichtunterlegenheitshypothese für zensierte Überlebenszeiten auf dem Niveau α= 2,5% (einseitiges Konfidenzintervall) mit einer Power von β=80%für die Fragestellung 1 und 2 und bei Fragestellung 3 auf dem Niveau α= 5% (zweiseitigen Konfidenzintervall) mit β=80%. Die Randomisierung erfolgt zentral nach der Minimierungsmethode nach Pocock. Dabei erfolgt die Zuweisung der Patienten zu den Studienarmen im Verhältnis 1:1. Die Stratifizierung erfolgt nach Klinik, Alter, Geschlecht, B-Symptomatik, Befallslokalisation (supra/infraphragmal), Albumin und Risikofaktoren (grosser Mediastinaltumor oder initialer Bulk und Blutsenkungsgeschwindigkeit). Es werden drei Zwischenauswertungen und eine Endauswertung eingeplant, um die Grundannahmen der Studienplanung zu überprüfen und die Studienfrage ggf. vorzeitig beantworten zu können. Die Auswertung des Lebensqualität (sekundärer Endpunkt Skala „Fatique) wird bei der Endauswertung konfirmatorisch auf Äquivalenz getestet. Protokollsynopsis 5/5 Begründung der Patientenzahl: Bei einer Rekrutierungszeit von 5 Jahren und der anschliessender Nachbeobachtungszeit von 3 Jahren, können voraussichtlich 1000 Patienten insgesamt zur Beantwortung der Hypothese/Studienfrage 1 (siehe Seite 1) ausgewertet werden für den Fall gleicher Hazards mit 80% Power. Dieser Patientenzahl entsprechen 63 Ereignisse für den Nichtunterlegenheitstest. Risiken/ Belastungen/Unannehmlichkeiten: Chemotherapie Häufig ist ein Verlust des Kopfhaares zu beobachten. Nach Ende der Therapie wachsen die Haare in den meisten Fällen wieder nach. Insbesondere an den Tagen, an denen die Chemotherapie verabreicht wird, kann es häufig zu Übelkeit und Erbrechen kommen. Dem kann in den allermeisten Fällen durch Medikamente gut entgegengewirkt werden. Gelegentlich bis häufig können Appetitlosigkeit, Schlafstörungen, Fieber, grippeähnliche Symptome, Hautausschlag, Schleimhautentzündungen im Mund-, Rachen-, Speiseröhrenbereich und allergische Reaktionen auftreten. Der Schweregrad dieser Nebenwirkungen ist individuell verschieden und kann nicht vorhergesagt werden. Darüber hinaus kann es zu vorübergehenden, aber auch dauerhaften Organstörungen kommen. Hiervon können Lunge, Niere, Rückenmark, peripheren Nerven, Leber, Herz, der Fortpflanzungsorgane oder das Knochenmark betroffen sein. Solche Schäden sind jedoch selten, können aber im Einzelfall schwerwiegend sein. Die angewandte Chemotherapie kann bei Mann und Frau die Fruchtbarkeit vorübergehend oder dauerhaft beeinträchtigen. Bei der Frau (vor allem nach dem 35. Lebensjahr) kann die Regel ausbleiben; Wechseljahresbeschwerden sind möglich. Das sexuelle Verlangen ist bei Mann und Frau vorübergehend häufig vermindert. Bestimmte Medikamente können zu einem Kribbeln und Pelzigkeitsgefühl meist in den Händen und Füßen führen. Auch der Verdauungstrakt kann in Form von Durchfällen/Verstopfung in Mitleidenschaft gezogen werden. Während der gesamten Dauer der Chemotherapie besteht ein verstärktes Infektrisiko. Die verminderte Anzahl roter Blutkörperchen kann zu Belastungsatemnot und allgemeiner Müdigkeit führen. In Einzelfällen können Bluttransfusionen notwendig werden. Strahlentherapie Bei der Strahlentherapie ist von geringen Nebenwirkungen auszugehen. Unmittelbar nach der Bestrahlung sind gelegentlich Schleimhautveränderungen und Schluckbeschwerden zu beobachten, selten kommt es zu Hautreaktionen. Sehr selten kommt es in der Folge der Strahlentherapie zu Spätschädigungen in Form einer Lungenfibrose (Vernarbung des Lungengewebes und dadurch Beeinträchtigung der Atmung), Schädigungen des Herzens sowie Zweittumoren (Sekundärneoplasien). PET Eine PET-Untersuchung wird zwar mithilfe eines radioaktiven Arzneimittels (mit Fluor 18 radioaktiv markierten Zucker) durchgeführt, jedoch ist die Strahlung dieses Medikaments sehr flüchtig (kurzlebig). Nach wenigen Stunden ist der Großteil der Radioaktivität bereits zerfallen, so dass nur eine kurzfristige Strahlenbelastung besteht. Die Strahlenbelastung des Patienten bei einer PET-Untersuchung ist geringer als bei einer CT-Untersuchung. Spätfolgen Darüber hinaus ist die Behandlung mit dem Risiko von Spätfolgen belastet. Durch die eingesetzte Chemound Strahlentherapie besteht ein erhöhtes Risiko von weiteren Tumorerkrankungen, sogenannten Zweittumoren/Sekundärneoplasien z.B. Leukämien und solide Tumoren. Außerdem können langfristige Spätfolgen noch Monate bis Jahre nach dem Abklingen von akuten Nebenwirkungen an Herz, Lunge und Geschlechtsorganen auftreten. Zusätzliches Weiterhin kann es durch zusätzliche Medikamente, die während der Behandlung notwendig werden, zu weiteren Nebenwirkungen kommen. Über die Nebenwirkungen von Supportiva wird individuell aufgeklärt. Referenzen: Dies ist eine Studie der Deutschen Hodgkin Studiengruppe (GHSG) und der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK) unter Leitung von Prof. Dr. Andreas Engert (Uniklinik Köln). In der Schweiz wird die Studie von Prof. Dr. Andreas Lohri (Kantonsspital Liestal) geleitet.