Untersuchungen zur klinischen Diagnostik der puerperalen

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Untersuchungen zur klinischen Diagnostik der puerperalen Intoxikation
bei Mutterschafen
Projektarbeit 2014
angefertigt
von cand. med. vet. Niss-Bernhardt Stien,
betreut von Herrn Prof. Dr. Axel Sobiraj und Frau Tierärztin Ulrike Seidel,
Ambulatorische und Geburtshilfliche Tierklinik,
Veterinärmedizinische Fakultät, Universität Leipzig
1. Zusammenfassung
In der vorliegenden Arbeit wurden Untersuchungen bei klinisch auffälligen Mutterschafen im
Frühpuerperium durchgeführt. Es wurden hierfür in Frage kommende Einflussgrößen, wie die
Fütterung, geleistete manuelle Geburtshilfe und Anzahl der Früchte erfasst. Die Studie fand in
mehreren norddeutschen Betrieben in Eiderstedt / Schleswig-Holstein statt.
2. Literatur
2.1 Puerperium
Das klinische Puerperium ist beim Schaf mit etwa 30 Tagen abgeschlossen.
Der physiologische Nachgeburtsabgang soll beim Schaf bis acht Stunden post partum (p.p.) erfolgt
sein. An ein zunächst dünnflüssiges, blutiges Lochialsekret kurz nach der Ausstoßung der Eihäute
schließt sich eine trüb-schleimige, abbindende, teils mit Gewebsfetzen durchsetzte Sekretion aus
der Scham an. Dies kann bis zum achten Tag p.p. der Fall sein (Behrens et al 2001).
2.2 Puerperale Intoxikation und Septikämie
Die puerperale Toxämie und Septikämie lassen sich klinisch nicht voneinander unterscheiden
(Bostedt und Dedié 1996). Bei beiden Erkrankungen des Frühpuerperiums tritt eine Störung des
Allgemeinbefindens auf, verbunden mit Fieber bis 41°C und Apathie. Die Ursachen für die
Entstehung einer Sepsis bzw. Toxämie im Frühpuerperium liegen in unhygienischer Geburtshilfe,
Schwergeburten, übergangenen Geburten mit toten Früchten und Nachgeburtsverhaltungen. Das
Krankheitsgeschehen wird durch warme, schwüle Witterung begünstigt (Behrens et al. 2001).
Zugrunde liegt eine Entzündung und Toxämie (durch fetale, von den Eihautresten stammende
Anteile im Uterus) in Verbindung mit aufsteigenden Infektionen mit ubiquitären Bakterien in das
Cavum uteri (Endometritis puerperalis) mit nachfolgender Resorption von Gewebs- und
Bakterientoxinen sowie von vitalen Bakterien in die maternale Lymph- und Blutzirkulation.
Klinisch ist vor allem bei der Vaginoskopie solcher Tiere eine vermehrte Ansammlung von
veränderten Lochien im Vaginalkanal darstellbar, mit meist geruchsabweichendem, dünnflüssigem,
häufig auch blutigem Sekret.
Unsaubere Geburtshilfe, aber allein schon eine verzögerte Uterusinvolution, beispielsweise durch
eine Nachgeburtsverhaltung hervorgerufen, können eine Endometritis puerperalis und Lochiometra
mit Allgemeinstörungen mit teils schwerwiegender Intoxikation bei Schafmuttern hervorrufen.
3. Durchführung der eigenen Untersuchungen
3.1 Betriebe
An der Studie waren neun schafhaltende Betriebe beteiligt; dabei handelte es sich um zwei
Berufsschäfereien, um fünf Gemischtbetriebe mit Rindern sowie um zwei Hobby-Schafhaltungen.
Die Herdengröße variierte demzufolge zwischen 34 und 1000 Muttern.
Die Untersuchungen wurden zwischen dem 11.03. und 13.04.2014 durchgeführt. In diesem
Zeitraum standen in den Betrieben noch ca. 1000 Ablammungen an.
Die Schafhalter waren im Vorfeld gebeten worden, beim Auftreten eines oder mehrerer folgender
Symptome innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Geburt den Untersucher möglichst umgehend
zu unterrichten:
Schmerzäußerungen (Zähneknirschen), vermehrtes Liegen, reduzierte Futteraufnahme, Fieber,
Apathie, Milchrückgang (unruhige, hungrige Lämmer), veränderte und/oder vermehrte Sekretion
aus der Scham.
Alle Muttern wurden mit ihren neugeborenen Lämmern gleich nach der Geburt aus dem
Herdenverband heraus zunächst in Einzelbuchten verbracht. Die Halter markierten alle die Schafe,
bei denen sie Geburtshilfe geleistet hatten, mit einem Farbstift, so dass diese Information
zweifelsfrei zur Verfügung stand.
Nach erfolgter Benachrichtigung wurden die vermeintlich an puerperaler Intoxikation erkrankten
Muttern noch am Tag der Meldung klinisch und gynäkologisch untersucht (Erstuntersuchung =
1.US) sowie zwei Tage später, also ca. 3 Tage p.p., nochmals (= 2.US).
Zum Vergleich mit den erkrankten Tieren wurde eine Kontrollgruppe gebildet. Diese setzte sich aus
zufällig ausgewählten Mutterschafen zusammen, die einen Tag nach der Geburt keine Anzeichen
einer Puerperalstörung aufwiesen, sondern klinisch und gynäkologisch gesund erschienen.
3.2. Klinische Untersuchungsbefunde
Die klinische Untersuchung wurde durch dieselbe Einzelperson durchgeführt und fand bei allen
Schafen erstmalig einen Tag p.p., wie oben erwähnt, statt.
Dabei wurden alle verfügbaren Informationen zum Vorbericht, wie Geburtsverlauf, Anzahl und
Zustand der Früchte, etwaige Vorerkrankungen während der Trächtigkeit, Futter- und
Wasseraufnahme etc., beim Tierhalter erfragt und dokumentiert.
Die Vorstellung der Muttern zur 1.US erfolgte ausnahmslos in Einzelbuchten. Sie wurden, nachdem
ihr Allgemeinzustand, ihr Sensorium und die Atemfrequenz durch Adspektion erfasst worden
waren, anschließend angebunden (Abb. 1) , sodass die weiteren klinischen Untersuchungen durch
eine Person ohne zusätzliche Hilfestellung erfolgen konnten.
Abbildung 1: Mutterschaf in Einzelbucht, ausgebunden für die Untersuchung
Anamnestische Angaben zur Fütterung der Muttern, zu ihrem Impfstatus etc. wurden betriebsweise
erfasst. Die Untersuchungsergebnisse wurden noch vor Ort in eine vorher für die Studie angefertigte
Datenliste übertragen (Tab. 1).
Tabelle 1: Liste für die Dokumentation der Befunde
Schaf
K1
K1
K2
Ohrmarke
Besitzer
Lamm- Untersuchungs- Rasse Anzahl Früchte
Geburtshilfe
datum
ja
datum
lebend
tot
nein
Nachkontrolle
Der Ernährungszustand der Muttern wurde palpatorisch auf Höhe ihrer Lendenwirbelquerfortsätze
ermittelt. Angewandt wurde die Gradeinteilung (Grad 0 bis Grad 5) für Rinder (nach Rosenberger
1964):
Grad 0: kein Unterhautfett fühlbar, Lendenwirbelquerfortsätze deutlich sichtbar
Grad 1: Enden und Dorsalfläche der Fortsätze scharfkantig fühlbar
Grad 2: Querfortsatzenden abgerundet, Dorsalflächen nur unter Druckausübung tastbar
Grad 3: deutliche Fettabdeckung, Fortsätze nur unter starkem Druck fühlbar
Grad 4: Querfortsätze nicht fühlbar
Grad 5: Fettansammlung auf den Querfortsätzen, Knochen nicht fühlbar
Nach der Vervollständigung der Allgemeinuntersuchung (Messung der Rektaltemperatur, der
Pulsfrequenz etc.) wurde im Rahmen der speziellen gynäkologischen Untersuchung zunächst das
Euter und die Milch auf Auffälligkeiten untersucht (Tab. 2), vor allem, um eine akute klinische
Mastitis differenzialdiagnostisch von einer Pueperalintoxikation abzugrenzen.
Tabelle 2: Untersuchungskriterien und -dokumentation der Euteruntersuchung
Rötung
Temperatur
Schmerzhaftigkeit
Konsistenz
Schwellung
Milchsekret
keine
physiologisch
ja
weich-elastisch
physiologisch
ggr
ggr erhöht
nein
knotig
milchig-flockig
mgr
mgr erhöht
derb-hart
wässrig
hgr
hgr erhöht
blutig
eitrig
ggr = geringgradig; mgr = mittelgradig; hgr = hochgradig
Tabelle 3: Äußere gynäkologische Untersuchungsbefunde (Adspektion der Schamgegend)
Retentio
Schwellung
secundinarum
Rötung
Verletzung Schamschluss Ausfluss
ja
keine
keine
keine
vollständig
serös
nein
ggr
ggr
ggr
unvollständig
mukös
unvollständig
mgr
mgr
mgr
eitrig
hgr
hgr
hgr
blutig
Krusten
An die Euteruntersuchung schloss sich die übrige äußere gynäkologische Untersuchung an. Diese
beruhte in der Adspektion der Schamgegend mit Befunddokumentation (Tab. 3).
Außerdem wurden weitere Kommentare hinzugefügt, wenn dies nötig war. So wurden
Vulvaeinrisse zunächst in Worte gefasst, bis schließlich der Einfachheit halber die „ggr Verletzung“
für Verletzungen des dorsalen Schamwinkels genutzt wurde, da diese quasi ausschließlich auftraten.
Besonderes Augenmerk wurde auf Verkrustungen oder Ausfluss aus der Scham gelegt, bevor diese
im Zuge der Vaginoskopie und der damit verbundenen Reinigung der Scham entfernt wurden.
Ein verzögerter Nachgeburtsabgang war zum Untersuchungszeitpunkt nicht mehr beurteilbar, so
dass außer dem Vorbericht die Vaginoskopie genutzt werden musste, um etwaige Teile der
Nachgeburt in den Muttermund ziehen zu sehen, sofern nicht schon bei der äußeren Untersuchung
sichtbare Eihäute aus der Schamspalte hingen.
Vorbereitend auf die Vaginoskopie wurden die Schamlippen der Tiere zunächst mit Zellstoff
gründlich trocken und anschließend mit Alkohol gereinigt. Zur inneren Untersuchung standen drei
30 cm lange Röhrenspekula aus verchromtem Messing (Hauptner-Herberholz, Solingen) zur
Verfügung. Sie wurden mit viel Gleitgel außen schlüpfrig gemacht, um sie ohne Verletzungen
einsetzen zu können. Die vaginoskopisch erfassten Befunde orientierten sich am UntersuchungsSchlüssel des Rindes (Grunert u. Berchtold 1982), weil detaillierte Beschreibungen für das Schaf in
der zugänglichen Literatur nicht gefunden wurden.
Tabelle 4: Befunddokumentationen bei der Vaginoskopie
Farbe
Schwellung Feuchtigkeit
Vag.schleim- Vag.schleim- Vag.schleimhaut
haut
haut
Läsionen
Form der
Öffnungsgrad der
Vag.kanal Portio vaginalis Portio vaginalis
cervicis
cervicis
blass
ggr
trocken
zapfenförmig
geschlossen
blassrosa
mgr
wenig feucht
rosettenförmig
strohhalmstark
hyperämisch
hgr
mäßig feucht
breit verlaufend
bleistiftstark
deutliche
Rötung
sehr feucht
schlaff-lappig
überhängend
einfingerstark
schmutzig –
verwaschene
Rötung
Sekretionsmenge u -charakter
vergrößert
zweifingerstark
dreifingerstark
Zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung (2.US) waren die meisten Muttern mit ihren Lämmern
bereits wieder in der Gruppenhaltung. So erfolgte die Bewertung des Allgemeinzustands und der
Atemfrequenz vor dem Einfangen.
4. Ergebnisse
4.1 Tiermaterial
Während des Untersuchungszeitraums wurden zehn Schafe mit Puerperalerkrankung durch die
Tierhalter gemeldet. Die Tiere stammten aus fünf Betrieben, wobei zwei Betriebe mit drei und vier
betroffenen Mutterschafen den Großteil dieser Gruppe stellten.
Impfungen beschränkten sich bei allen Herden auf polyvalente Clostridienvakzinen, die bei acht der
Betriebe als Mutterschutzimpfung und in einer Schäferei als einmalige Injektion bei den Lämmern
eingesetzt wurden.
Die Fütterung der Muttern unterschied sich zwischen den Betrieben nur unwesentlich. Sie wurden
mit Kraftfutter mit 10,4. bis 11,2 MJ ME gefüttert. Sie erhielten davon zirka 0,5 kg vor und 1 kg
nach dem Ablammen. Das Grundfutter bestand aus Wiesenheu oder Silagen verschiedener
Qualitäten.
Von den zehn untersuchten Schafen fielen zwei der Schafe aus dem Versuch, da sie keine
entsprechenden Krankheitssymptome zeigten : Ein Mutterschaf wurde wegen Fressunlust gemeldet,
zeigte aber gleichzeitig keine Entzündungs- oder Intoxikationserscheinungen auf. Die
Körpertemperatur lag außerdem mit 38,5°C im Normalbereich. Alle weiteren Parameter sowie der
Euter- und Milchbefund waren unauffällig. Lediglich die Vaginoskopie zeigte einen bräunlichen,
mukösen Faden, der in die Zervix zog und auf einen eventuellen unvollständigen Abgang der
Secundinae hinwies. Eine fehlende Schwellung und Rötung der Vaginalschleimhaut sowie keinerlei
Eiterflocken oder Geruchsabweichungen sprachen ebenfalls gegen eine pathologische Veränderung
im Uterus.
Das zweite Schaf wurde kurz nach der Geburt mit Milchrückgang auffällig, wies aber keine
weiteren Symptome einer akuten Puerperalerkrankung auf. Die Vitalparameter waren im
Referenzbereich , wobei eine mit drei Sekunden lediglich geringgradig verlängerte Kapilläre
Füllungszeit auffiel. An der Rima vulvae war ein hämorrhagisches Sekret zu finden. Dieser Befund
bestätigte sich durch die Vaginoskopie, bei der eine Ansammlung frischen Blutes in der Vagina
sichtbar wurde. Der Milchrückgang war offensichtlich durch anhaltende Blutungen aus dem
Uterus / aus der Zervix begründet. Das Tier wurde von weiteren Untersuchungen ausgeschlossen.
Zu den verbliebenen acht Schafen kam ein weiteres, ursprünglich der Kontrollgruppe zugehörig,
hinzu: Es fiel bereits zur 1.US mit einer erhöhten Körpertemperatur von 40,1°C und 40,2°C und
einer übelriechenden, Eiterflocken enthaltenden Sekretansammlung in der Vagina auf.
So standen 20 Kontrolltiere und neun erkrankte Tiere für die Auswertungen zur Verfügung.
Vier der neun puerperalkranken Schafe waren reingezogene Texelherdbuchschafe. Die fünf übrigen
wiesen vom Phänotyp auf Kreuzungen zwischen Texel und Suffolks mit mehr oder weniger großem
Anteil einer der beiden Rassen hin. Die Kontrollgruppe bestand aus Kreuzungstieren der Rassen
Texel, Suffolk und Weißkopf sowie aus acht reinrassigen Texel-Mutterschafen.
4.2. Vorbericht und Befunde der Allgemeinuntersuchung
Tabelle 5: Anzahl geborener Lämmer
Anzahl Lämmer
Einlinge
Zwillinge
Drillinge
Wurfgröße
Erkrankte Tiere
4
3
2
1,78
Kontrolltiere
8
11
1
1,65
Die Anzahl der geborenen Lämmer je Geburt (Wurfgrößen) zeigte zwischen den kranken und den
gesunden Kontrollschafen kaum Unterschiede (Tab. 5). Auch hinsichtlich der Körperkonditionen
waren keine Unterschiede zu sehen (Tab. 6)
Tabelle 6: Körperkondition der Muttern im Versuch
Grad 0
Grad 1
Grad 2
Grad 3
Grad 4
Grad 5
Erkrankte Tiere
0
1
8
0
0
0
Kontrolltiere
2
5
12
1
0
0
Die Futter- und die Wasseraufnahme waren bei den Tieren der Kontrollgruppe ungestört. Bei den
erkrankten Tieren erwies sich die Fressunlust als ein Hauptmerkmal. Die Wasseraufnahme ebenso
wie der Kot- und der Harnabsatz waren im Allgemeinen nicht zu beurteilen, wenn dieser nicht
zufällig während der Untersuchung beobachtet werden konnte oder Kot in der Einstreu zu finden
war. Geburtshilfe wurde bei den klinisch erkrankten Tieren bei acht der neun Tiere, in der
Kontrollgruppe bei fünf der 20 Tiere geleistet.
Das Allgemeinbefinden der erkrankten Tiere war bei acht der neun Schafe zur Erstuntersuchung
maximal mittelgradig gestört (Tab. 7). Im Vergleich dazu war die Kontrollgruppe von Beginn an bis
auf eine Mutter ohne klinische Auffälligkeiten. Zu diesem Tier sei erwähnt, dass es neben einer
knotigen Veränderung des Eutergewebes und einer reduzierten Milchmenge ein chronisches
Lungenleiden aufwies. Das Schaf ist wenige Tage später verendet.
Tabelle 7: Allgemeinbefinden
Allgemeinbefinden
ungestört
ggr gestört
mgr gestört
hgr gestört
1.US
2.US
1.US
2.US
1.US
2.US
1.US
2.US
Erkrankte Tiere
1
9
6
0
2
0
0
0
Kontrolltiere
19
20
1
0
0
0
0
0
Die rektal gemessene Körpertemperatur der puerperalkranken Schafe betrug bei der 1.US im Mittel
40,1°C, damit lag der Mittelwert 0,5°C über der Durchschnittstemperatur der Kontrollgruppe
(39,6°C). Bei der 2.US wies erstere Gruppe eine durchschnittliche Körpertemperatur von 39,5°C
auf und hatte damit wieder Normalwerte erreicht.
Hierzu sei angemerkt, dass alle Schafe während des Untersuchungszeitraumes nicht geschoren
waren, also lange Wolle trugen. Zahlreiche Muttern wiesen eine schweißnasse Wolloberfläche auf,
was auf die milden Temperaturen und die schlecht belüfteten Ställe zurückzuführen ist. So konnte
bei einem Kontrolltier, das ansonsten keinerlei auffälligen Befunde aufwies, eine
Körperinnentemperatur von 41,1°C gemessen werden.
Abbildung 2: gerötete Lidbindehaut eines an Puerperalintoxikation
erkrankten Tieres
Die Pulsfrequenz lag mit 121 Schlägen/min bei den kranken Tieren um 21 Schläge höher als bei der
Kontrollgruppe, was sich aber bei der zweiten Untersuchung mit 101 bzw. 99 Schlägen pro Minute
bei beiden Gruppen annäherte.
Die Atemfrequenz variierte innerhalb beider Gruppen sehr stark, so dass Werte von bis zu 184
Zügen/min gemessen werden konnten. Zudem lag die Atemfrequenz der erkrankten Tiere mit 87
Zügen/ min unter der der Kontrollgruppe mit 97 Atemzügen/min.
Die Kapilläre Füllungszeit war bei drei puerperalkranken Schafen geringgradig verlängert, sie lag
bei der Kontrollgruppe bei allen Tieren unter 3 sec.
Auffällig zeigten sich die Kopfschleimhäute bei sechs der erkrankten Schafe, indem eine Rötung
vorlag (Abb. 2)
4.3 Euter- und Milchuntersuchungsbefunde
Die Euter und die Hälftengemelke waren bei allen neun erkrankten Muttertieren ohne besonderen
Befund. Wie oben erwähnt, zeigte lediglich eines der Schafe eine Mastitis und ein weiteres ein
anfänglich blutiges Milchsekret (Abb. 3 und Abb. 4). Beide Tiere gehörten zur Kontrollgruppe.
Abbildung 4: Blutmelken kurz p.p.
Abbildung 3: physiologisches Milchsekret einer
Euterhälfte
4.4.1 Äußere gynäkologische Untersuchungsbefunde
Bei der äußeren gynäkologischen Untersuchung stellten sich beide Gruppen ohne große
Unterschiede dar. So lag in der Regel bei der 1.US eine geringgradige Schwellung der Schamlippen
mit vollständigem Schluss der Rima vulvae vor, zudem eine geringgradige Rötung und häufig auch
eine Verletzung des dorsalen Schamwinkels (Abb. 5, 6). Dabei bestand kein Zusammenhang mit
geleisteter Geburtshilfe.
So wiesen elf Schafe der Kontrollgruppe Verletzungen der Scham auf, von denen aber nur drei
Geburtshilfe erfahren hatten.
Abbildung 6: mittelgradige Schwellung der Scham,
insbesondere der Labien, verletzter dorsaler Schamwinkel
und Rötung, krustöse Auflagerungen auf den Labien
Abbildung 5: mittelgradig geschwollene Scham mit
geringgradiger Verletzung des dorsalen Schamwinkels,
blutige Krusten, geringgradig seröser Ausfluss aus der
Rima vulvaae
Abbildung 6: geringgradige Schwellung der Scham,
geringgradige Verletzung des dorsalen Schamwinkels,
Ausfluss blutigen Sekrets
Bei sechs der erkrankten Tiere und zehn der Kontrollgruppe zeigte sich geringgradiger bis
mittelgradiger Ausfluss. Dieser hatte in der Regel einen serösen Charakter (Abb. 7) , wobei eine
klare Abgrenzung hier schwer fiel. Krusten zeigten meist einen dem Sekret ähnlichen Charakter.
Dabei war eine genaue Zuordnung zur Geburt oder dem Puerperium oft schwierig.
Abbildung 7: mittelgradige Schwellung der Scham, insbesondere der Labien; verletzter dorsaler Schamwinkel mit
Rötung; krustöse Auflagerungen auf den Labien
Als physiologisches Sekret ist hier ein klarer, abbindender Schleim zu nennen (Behrens, Ganter,
Hiepe, 2001), den sechs Tiere aufwiesen. Diese lagen von den Vitalparametern im physiologischen
Bereich und fielen auch sonst durch keine sichtbaren Anzeichen einer Puerperalstörung auf. Zu
diesen Tieren zählte auch eines der erkrankten Schafe bei der 2.US, welches im Gegensatz zur
Erstuntersuchung mit seromukösem, rötlichem Ausfluss dann einen klaren, abbindenden Schleim
zeigte. Die innere Körpertemperatur des Tieres sank innerhalb der 48 Stunden von 40,8°C auf
39,3°C und die Atemfrequenz von 140 auf 56 Atemzüge/min.
4.4.2 Vaginoskopische Untersuchungsbefunde
Bei den vaginoskopischen Untersuchungen im Anschluss an die äußere Befundung stellte sich
heraus, dass die für die Untersuchung herangezogenen Befunde der inneren gynäkologischen
Untersuchung des Rindes weniger gut auf das Schaf übertragbar sind. So waren zwar Rötung,
Schwellung und Verletzung der Vaginalschleimhaut beurteilbar, aber die Form des Muttermundes
und dessen Passierbarkeit waren keineswegs mit denen des weiblichen Rindes vergleichbar.
Seitens der Schleimhautfarbe wiesen sechs der neun puerperalkranken Tiere zeigten eine blassrosafarbene Schleimhaut, wobei eines eine deutliche Rötung des äußeren Muttermundes aufwies. Ein
Schaf aus dieser Gruppe zeigte eine schmutzig-verwaschene Schleimhaut, die mit einer
mittelgradigen Schwellung der Vaginalschleimhaut und einer tief-roten Färbung um den äußeren
Muttermund einherging.
Hierbei handelte es sich um einen Jährling nach Zwillingsgeburt mit großen Früchten, die nur unter
starker Zughilfe entwickeln waren. Zwei weitere Mutterschafe zeigten eine gering- bis
mittelgradige Rötung und beide eine mittelgradige Schwellung der Schleimhaut (Tab. 8).
Zur 2.US wiesen drei der Tiere eine schmutzig-verwaschene Rötung auf, allerdings handelte es sich
hier um andere Tiere als zum 1.US. Diese behielten ihre anfängliche Schleimhautfarbe bei, oder die
vorhandene Rötung ging zurück. Eine umschriebene Rötung um die Portio cervicis herum blieb
aber bei all diesen betroffenen Tieren bestehen (Tab. 8, 9). Auch hier konnte kein Zusammenhang
zwischen geleisteter Geburtshilfe und Veränderungen der Schleimhaut gesehen werden: Nur bei
vier der neun Tiere der Kontrollgruppe mit deutlicher Rötung des Muttermundareals war zuvor
manuelle Geburtshilfe geleistet worden. Von den Muttern, bei denen zur Zeit der ersten oder
zweiten Untersuchung eine schmutzig-verwaschene Schleimhautfarbe festgestellt werden konnte,
erfuhren nur drei Geburtshilfe.
Tabelle 8: Farbe der Vaginalschleimhaut bei der Gruppe der erkrankten Tiere
blassrosa
davon mit
deutlicher
Rötung um
die Portio
ggr
Rötung
starke
Rötung
schmutzigverwaschene
Rötung
1.US
6
1
2
-
1
2.US
6
1
-
-
3
Tabelle 9: Farbe der Vaginalschleimhaut bei der gesunden Kontrollgruppe
blassrosa
davon mit
deutlicher
Rötung um
die Portio
ggr
Rötung
deutliche
Rötung
schmutzigverwaschen
Rötung
1.US
17
9
1
2
-
2.US
16
5
1
2
1
Eine Schwellung infolge Ödematisierung der Vaginalschleimhaut war bei allen an
Puerperalintoxikation erkrankten Muttern vorhanden. Sie wurde in der Regel dadurch beurteilt, in
wieweit die Schleimhaut die Vagina verlegt war und das Röhrenspekulum umschloss. Lediglich
zwei klinisch gesunde Tiere der Kontrollgruppe zeigten zur 1.US keine Schwellung, so dass man
die Vagina in ganzer Länge betrachten konnte.
Tabelle 10: Schwellung des Vaginalkanals in der Versuchsgruppe, ( ) davon mit manueller
Geburtshilfe
Schwellung der Vaginalschleimhaut
keine
ggr
mgr
hgr
1.US
0
2 (2)
7 (6)
0
2.US
0
6 (5)
2 (2)
1 (1)
Tabelle 11: Schwellung des Vaginalkanals in der Kontrollgruppe, ( ) davon mit manueller
Geburtshilfe
Schwellung der Vaginalschleimhaut
keine
ggr
mgr
hgr
1.US
2 (1)
12 (3)
6 (1)
0
2.US
2 (1)
16 (3)
2 (1)
0
Sieben der erkrankten Tiere zeigten bei der Erstuntersuchung eine mittelgradige Schwellung, wobei
diese bis zur 2.US bei fünf Tieren zurückging. Bei sechs dieser Tiere wurde zuvor Geburtshilfe
geleistet. Zwei Schafe wiesen bei der 1.US eine geringgradige Schwellung des Vaginalkanals auf,
die sich bei einem bis zur Nachuntersuchung zu einer hochgradigen Ödematisierung steigerte.
Dieses Tier zeigte dann auch Eiterflocken in der Vagina und eine starke Geruchsabweichung bei der
Vaginoskopie. Bei ihm war Geburtshilfe geleistet worden.
Die Kontrollgruppe wies bezüglich eines Zusammenhangs zwischen Geburtshilfe und der
Schwellung des Vaginalkanals keine Auffälligkeiten auf (Tab 10 und 11).
Der Feuchtigkeitsgrad der Vagina war durch das verwendete Gleitgel beim Vaginoskopieren nur
eingeschränkt beurteilbar. Keines der Tiere wies eine trockene Schleimhaut aufwies, und alle
zeigten eine Sekretansammlung im kranialen, portionahen Abschnitt der Vagina, teils bis in den
Muttermund hinein.
Der Charakter des in der Vagina sichtbaren Lochialsekrets war sehr heterogen. Die Farbe variierte
von farblos bis braun, wobei ein rotbraunes, abbindendes Sekret, insbesondere zur 2.US, am
häufigsten vorkam. Es zeigten sich hier keine Unterschiede zwischen den an Puerperalintoxikation
erkrankten Tieren und den klinisch gesunden Muttern. Lediglich drei kranke Tiere zeigten
Eiterflocken im Sekret und von diesen zwei mit Geruchsabweichung. Zwei Tiere dieser Gruppe
wiesen bei der 2.US noch Eiterflocken auf.
In der Kontrollgruppe zeigte jeweils ein Schaf in der Erstuntersuchung und ein anderes in der
Nachuntersuchung Flocken im Lochialsekret.
Wie zuvor erwähnt, fiel die Beschreibung des Muttermundbefundes schwer. So wurden die Befunde
als Übergänge der vorher tabellarisch festgehaltenen Zustände festgehalten. Die Bezeichnung eines
„schlaff-überhängenden Zapfens“ erwies sich als treffendste Beschreibung des am häufigsten
angetroffenen Befundes heraus.
Wie Tabelle 12 zeigt, stellt dies tendenziell im frühen Puerperium den physiologischen Zustand dar,
wobei ein breit verlaufender Muttermund kein Hinweis auf eine krankhafte Veränderung zu sein
scheint. Andere Befunde konnten trotz großer Varianz innerhalb dieser beiden Zuordnungen nicht
festgestellt werden.
Tabelle 12: Präsentation des äußeren Muttermundes bei der Vaginoskopie
schlaff-überhängender Zapfen
breit verlaufend
1.US
2.US
1.US
2.US
Kranke Tiere
5
4
4
5
Gesunde Tiere
7
14
13
6
Der Öffnungsgrad des äußeren Muttermundes wurde beim Vaginoskopieren visuell beurteilt und
stellt so einen Schätzwert dar (Tab 13).
Tabelle 13: geschätzter Öffnungsgrad des Muttermundes bei der Vaginoskopie
geschlossen
strohhalmstark
offen
bleistiftstark fingerstark zweifingerstark
offen
offen
offen
1.US
2.US
1.US
2.US
1.US 2.US 1.US 2.US 1.US
2.US
Kranke Tiere
5
5
3
3
0
0
0
1
1
0
Gesunde Tiere
16
9
3
9
0
1
0
1
1
0
Wie aus Tabelle 13 ersichtlich, wiesen 20 der 29 untersuchten Schafe bereits einen Tag nach der
Geburt schon wieder einen geschlossenen, formierten äußeren Muttermund auf. Bei der 2.US hatte
sich bei sieben Tieren der Kontrollgruppe der Muttermund wieder geringgradig geöffnet. Die
erkrankten Schafe zeigten diesbezüglich keine Veränderungen im Vergleich zur 1.US.
5. Schlussfolgerungen
Bei der Arbeit am Projekt stellte es sich heraus, dass es für die Tierart Schaf nur wenige Kenntnisse
und Bildmaterial bezüglich einer vollständigen gynäkologischen Untersuchung im Frühpuerperium
zur Verfügung stehen.
Aufgrund dessen wäre es sicherlich interessant, den physiologischen Verlauf des Puerperiums beim
Mutterschaf genauer zu verfolgen, in Bildern festzuhalten und daraus einen Befundschlüssel zu
entwickeln.
Die Fragestellung, welche zur Durchführung des Projektes führte, lässt sich wegen der geringen
Tierzahl nicht objektiv beantworten, so ergeben sich zwar bei der Kondition der Muttern zur Geburt
und bei der Wurfgröße geringe Unterschiede zwischen im Anschluss an die Geburt an
Puerperalintoxikation akut erkrankten Mutterschafen im Vergleich zu gesunden Tieren, dies könnte
sich aber durch weitere Probanden verschieben.
Eine Auffälligkeit zeigt die Geburtshilfe. Diese durch eine Einzelperson durchgeführte Tätigkeit,
bei der das Schaf von einer Person eingefangen, gehalten und untersucht wird, lässt eine Reinigung
von Scham und Geburtshelfer (Waschen der Hände und Unterarme) kaum zu. Auch der Gebrauch
von Einmalhandschuhen ist bei Schäfern unüblich.
Der unsaubere Eingriff in den Geburtskanal mit dem Einbringen von Keimen bis in die
Gebärmutterhöhle hinein scheint durchaus eine Ursache für spätere Entzündungsreaktionen im
Genitaltrakt darzustellen.
Es hat den Anschein, dass die Erkrankung noch von weiteren Faktoren abhängt. Laut Aussage eines
Schäfers waren puerperalkranke Schafe in der vorherigen Ablammsaison an der Tagesordnung
gewesen. Ob dies an dem milden Frühjahr oder dem vorhergehenden Winter lag, ist ohne
vergleichende Untersuchungen nicht möglich. Auch Schwankungen in der Grundfutterqualität
(Keimgehalt etc.) sind als Ursache für gehäuft auftretende Puerperalerkrankungen nicht
auszuschließen.
Insgesamt hat die Puerperalintoxikation bzw. die klinische frühpuerperale Endometritis bei der
Tierart Schaf offensichtlich eine wesentlich geringere Bedeutung als vergleichsweise beim Rind.
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