Prof.Dr.PeterGallmann A A1 Jena,Sommer2017 WortbegriffundWortarten ZielderwissenschaftlichenGrammatikforschung Ziel: Rekonstruktion der menschlichen Sprachfähigkeit = das mentale Grammatiksys‐ tem oder kurz: die mentale Grammatik. Da nicht direkt beobachtbar: Rekonstruktion ausderAnalysederdamiterzeugtensprachlichenDaten: systematischeEigenschaftenderDaten→systematischeEigenschaftendesmental‐ tenGrammatiksystems VorgehenindreiSchritten: – Beobachtung,ErfassungderDaten – kohärenteBeschreibung – Erklärung Das Ergebnis dieser Bemühungen führt zu Publikationen, die den Titel »Grammatik« tragen.DiesewerdenimfolgendenAbschnittnäherbeleuchtet. A2 Grammatiken WichtigeGesichtspunkte,teilweiseüberlappend: Tiefe: – deskriptive(beschreibende)Grammatiken – explanative(erklärende)Grammatiken – synchronevs.diachroneGrammatiken GesellschaftlicheAspekte: – deskriptive(beschreibende)Grammatiken – präskriptive(normative)Grammatiken Adressaten: – SchulgrammatikenI(fürSchüler) – SchulgrammatikenII(fürLehrkräfte) – GrammatikenfürRatsuchende – Grammatikenfür»gebildeteLaien« – GrammatikenfürWissenschaftler Breite,Umfang,Aufbau: – Gesamtdarstellungen – Teildarstellungen: ·Phonologie ·Lexikologie ·Morphologie ·Syntax ·Textlinguistik – InterdisziplinäreAnsätze,zumBeispielPragmatik,kognitiveLinguistik – systematischevs.lexikonartigeDarstellung A WortbegriffundWortarten A3 2 WasisteinWort? Dudengrammatik(2016:Randnummern208–213) HinterdemWort»Wort«stehtmehralseineinzelnerBegriff–dasWort»Wort«istalso –wiesovieleandereWörter–mehrdeutig.EineharmloseFragekanndasProblemil‐ lustrieren:Wievielekursivgesetzte»Wörter«enthältderfolgendeBeispielblock? (1) a. b. c. d. e. f. g. DieTürmederBurgwarenschonvonweitemzusehen. AufdenTürmenwehtenbunteFahnen. DereineTurmwarvierzigMeterhoch. DerandereTurmwarnuretwadreißigMeterhoch. WirsindaufdenTurmgeklettert. AufdemTurmhattenwireineprächtigeAussicht. DieMauerndesTurmsbestandenausdickenQuadern. HiersindganzunterschiedlicheAntwortenmöglich: (2) a. SiebenmaldasWortTurm. b. Einmal das Wort Türme, einmal das Wort Türmen, viermal das Wort Turm… c. ZweimaldasWortTurmimNominativ,einmaldasWortTurmimDativ… d. EinmaleinWortmitsechsBuchstaben,zweimaleinWortmitfünfBuch‐ staben… Keine dieser Antworten ist falsch! Denn hinter jeder Antwort steckt eine bestimmte Vorstellungvon»Wort«.Bildhaftgesprochen:Wennmanzählenwill,mussmanzuerst definieren,worumesgenaugeht:umÄpfel,umBirnenoderumObst.Mandefiniertalso einenTyp(engl.type)undfragtdann,wievieleRepräsentanten(engl.tokens)desdefi‐ niertenTypsvorliegen. InderSprachwissenschaftspielenvorallemzweiTypenvon»Wort«bzw.zweiWortbe‐ griffeeineRolle:dassyntaktischeWortunddaslexikalischeWort(=Lexem). WennmaneinWortgenauso,wieesimSatzerscheint,imAugehat,sprichtmanvon einem syntaktischen Wort (oder auch, etwas missverständlich, von einer Wort‐ form). Man berücksichtigt dabei nicht nur die äußere Gestalt, die Form, sondern auchbestimmtegrammatischeMerkmalewieKasusundNumerus(→SkriptC): (3) DieMauerndesTurmsbestandenausdickenQuadern. → Formmerkmal:Endung‐s → GrammatischeMerkmale:Maskulinum,Genitiv,Singular (4) AufdenTürmenwehtenbunteFahnen. → Formmerkmale:Umlaut+Endung‐en → GrammatischeMerkmale:Dativ,Plural WennmansichfürdasWortineinemallgemeinerenSinninteressiert,liegtalsKon‐ zeptdaslexikalischeWortoderLexemzugrunde.InWörterbüchern(Lexika)sind WörterindiesemSinnenthalten.HintereinemLexemwieTurmstecktletztlicheine Menge von syntaktischen Wörtern. Die einzelnen syntaktischen Wörter werden in diesemZusammenhangalsFlexionsformen(einesbestimmtenLexems)bezeichnet. A WortbegriffundWortarten 3 DasshintereinemLexemwieTurmmehrereFlexionsformenstecken,kannaucheinem typischenEintragdesRechtschreibdudensabgelesenwerden: (5) Turm,der;‐[e]s,Türme DieserEintragistsozuinterpretieren: – Das Stichwort ist eine möglichst unauffällige Flexionsform, die Nennform des Le‐ xems.BeiNomen(Substantiven)istdasderNominativSingular. – Der Artikel zeigt an, dass das Nomen maskulines Genus hat – ein morphosyntakti‐ schesMerkmal,dasallenFormendesNomens(zumindestallenseinenSingularfor‐ men)eigenist. – DerEintrag‐[e]sgibtan,wiedieFlexionsformmitdenmorphosyntaktischenMerk‐ malenGenitivundSingularzubildenist:desTurmesoderdesTurms. – Als letzte Angabe wird die Flexionsform mitden Merkmalen Nominativ und Plural genannt:dieTürme. MehrAngabensindhiernichtnötig,dadieübrigenFormenbeiBedarfvondenaufge‐ führten Formen über allgemeine Regeln abgeleitet werden (siehe auch → Abschnitt A5.2).NormalerweisekönnenbeieinemNomeninsgesamtachtFlexionsformengebil‐ detwerden,dieinunterschiedlichenSätzenauftretenkönnen.Zusammenbildensieein Paradigma(eineFormenreihe): (6) Singular Singular Singular Singular Nominativ Akkusativ Dativ Genitiv (der) Turm (=NennformdesLexems) (den) Turm (dem) Turm (des) TurmsoderTurmes Plural Plural Plural Plural Nominativ Akkusativ Dativ Genitiv (die) (die) (den) (der) Türme Türme Türmen Türme Bei Verben und Adjektiven gibt es mehr Flexionsformen. Auch hier bildet jeweils eine FlexionsformdieNennform,unterderdasWortimWörterbuchaufgeführtist.BeiVer‐ benistdasderInfinitiv(7a).BeiAdjektivenistdieendungsloseForm,wiesieimprädi‐ kativen und adverbialen Gebrauch auftritt, die Nennform (7b); bei nur attributiv ver‐ wendetenAdjektivenistmeistensdieschwacheFormauf‐eNennform(8b). (7) a. b. Verb,Nennform:stell‐en AndereFlexionsformen:(ich)stell‐e,(du)stell‐st,(er/sie)stellt… Verb,Nennform:sein AndereFlexionsformen:(ich)bin,(du)bist,(er/sie)ist,(ich)war… (8) a. b. Adjektiv,Nennform:hoch(zumBeispielin:DasGebäudeistsehrhoch.) AndereFlexionsformen:hohe,hoher,höhere,höchste,höchster… Adjektiv,Nennform:vorder‐e(zumBeispielin:dervordereEingang) AndereFlexionsformen:vorderer,vorderen,vorderem,vorderster… A WortbegriffundWortarten A4 4 Wortarten Wenn »Wörter« in »Wortarten« eingeteilt werden, so kann man dies auf zwei Fragen zurückführen,dieselbstingutenGrammatikennichtimmersauberauseinandergehal‐ tenwerden: 1. WaskanndasWortimSatzleisten? 2. WasleistetdasWortimSatz? BeidererstenFragefragtmannachdemGebraucheinessyntaktischenWortesimvor‐ liegendenSatz,beiderzweitenFragenachdenmöglichenGebrauchsweisenvonLexe‐ men. Beide Fragen führen zu »Wortarten« – auch hinter diesem Terminus steckt also eineMehrdeutigkeit: 1. Lexem → Was kann das »Wort« im Satz leisten? → lexikalische Wortart = Lexem‐ klasse 2. SyntaktischesWort→Wasleistetdas»Wort«imvorliegendenSatz?→syntaktische Wortart=syntaktischeKategorie DiemeistenneuerenKlassifikationensindmehrstufig,dasheißt,siegehensowohlauf dieerstealsauchaufdiezweiteFrageein(→A4.3).Ausgangspunktistdabeigewöhn‐ lichdiezweiteFrage,alsodieFragenachderLexemklasse. A4.1 Lexemklassen(lexikalischeWortarten) BeiderKlassifikationderLexemespielenzweiZugängeeineRolle: – dieBestimmungnachdemtypischensyntaktischenKontext – die Bestimmung nach den typischen grammatischen Merkmalen, die seine Formen tragenkönnen A4.1.1 DieKlassifikationnachdemtypischensyntaktischenKontext DieFrage,waseinLexemimSatzleistenkann,wirdgewöhnlichverstandenalsdieFra‐ genachdensyntaktischdefiniertenKontexten,indenendasLexem(bzw.genauerseine Flexionsformen)auftretenkönnen.WennmankonsequentnachdiesemGesichtspunkt klassifiziert, kommt man allerdings auf sehr viele Klassen (Burkhard Schaeder kam einmalbeieinemVersuchaufmehrals50).ManbeschränktsichdaherauftypischeKon‐ texte.DieseArtKlassifikationliegtetwaderGrammatikvonHelbig/Buschazugrunde. SoistfürdieLexemklassederNomen(Substantive)besonderstypisch,dassderen Formen… – mitArtikelunddekliniertenAdjektivenkombiniertwerdenkönnen, – alsSubjektundObjekte(bzw.derenKerne)auftreten, – beiPräpositionenstehenkönnen. FürdieLexemklassederVerbenisttypisch,dassderenFormen… – densemantischenKerndesSatzes,dasPrädikat,bildenkönnen,derdieübrigenBe‐ standteiledesSatzesbestimmt(→SkriptszudenSatzgliedern). FürdieLexemklassederAdjektiveisttypisch,dassderenFormen… – zwischenArtikelundNomenstehenkönnen. A WortbegriffundWortarten 5 FürdieLexemklassederArtikelwörterundPronomenisttypisch,dasssie… – nichtmitdemdefinitenArtikel(der,die,das)kombinierbarsind. A4.1.2 DieKlassifikationnachdentypischenFlexionsmerkmalen DerNachteilderKlassifikationnachdemtypischensyntaktischenKontextist,dasssie relativabstraktist.DiemeistenGrammatikennutzendeshalbeineformaleErscheinung aus,diemitdemsyntaktischenKontextteilweisezusammenhängt.BeivielenLexemen istfestzustellen,dasssiejenachKontextunterschiedlichegrammatischeMerkmalewie KasusoderPersonerhaltenunddiesedurchbesondereFormen–ebendieFlexionsfor‐ men–mehroderwenigerdeutlichanzeigen(vondaherauchdieBezeichnungderbe‐ treffenden Merkmale als »morphosyntaktisch«). Dies führt zur Klassifikation der Le‐ xemenachihrerFlektierbarkeit.BeiZweifelsfällenmachtmaneineentsprechendePro‐ be(=Flexionsprobe;Dudengrammatik2016,Randnummer202). (9) Tabelle:Wortarten(Lexemklassen)nachdemKriteriumderFlektierbarkeit Wortart (Lexemklasse) Flexion(Veränderbarkeit) Verb Flexion(Konjugation)nachPerson,Numerus,Tempus,Modus Nomen (Substantiv) Flexion(Deklination)nachNumerusundKasus (Lexikalischfestgelegt:Genus) Adjektiv Komparation(sofernsemantischmöglich),Flexion (Deklination)nachKasus,Numerus,Genus Artikelwort/ Pronomen Flexion(Deklination)nachPerson(teilweise),Kasus,Numerus, Genus Nichtflektierbare KeineFlexionsformen(unveränderbar) Wennmannurdiebesonderstypischen,indervorangehendenTabellefettgedruckten morphosyntaktischenMerkmaleberücksichtigt,ergibtsichdiefolgendeSystematik: (10) Wortart flektierbar nicht flektierbar nachTempus nachKasus flektierbar flektierbar (konjugierbar) (deklinierbar) mitfestem mitveränderbarem Genus Genus nichtkom‐ kom‐ parierbar parierbar Verb Nomen Artikelwort Adjektiv Nichtflektierbare Pronomen A WortbegriffundWortarten A4.1.3 6 VergleichderbeidenKlassifkationen Das Resultat der beiden Klassifikationen deckt sich zwar nicht vollständig, aber doch weitestgehend. Das ist, wie schon vorangehend angedeutet, nicht völlig überraschend: Die Flexion hängt ja mit dem Gebrauch im Satz zusammen. Es ist daher keine verwir‐ rendeWillkür,wenninbeidenKlassifikationenfürdieeinzelnenLexemklassendiesel‐ benTermini(Nomen,Verb,Adjektiv…)auftreten.DiefolgendeTabelleführtdiebeiden Klassifikationenzusammen: (11) Tabelle:Wortarten(Lexemklassen) TypischesyntaktischeKontexte Lexemklasse (Gebrauchsweisen) TypischeFlexionsmerkmale Verb Prädikatsteil Tempus Modus Nomen (Substantiv) TeileinerWortgruppemit Kasus Artikelund/oder Numerus(mit vorangestelltemflektiertem Einschränkungen) Adjektiv festesGenus Subjekt,Objekt,Komplement einerPräposition,posses‐ sivesAttribut Adjektiv zwischenArtikelundNomen Komparation(mit (=attributiverGebrauch) Einschränkungen) PrädikativbeimVerbsein Kasus (mitEinschränkungen) Numerus Genus stark/schwach Artikelwort Pronomen keineKombinationmit definitemArtikel(mit Einschränkungen) Kasus Numerus Genus Nichtflektierbar ( keinfürallemöglicher Kontext) ( keine) DasKriteriumderFlektierbarkeitistnurinSprachenanwendbar,diehinreichenddeut‐ licheFlexionsformenhaben,dasistetwaimLatein,imRussischen,imUngarischenoder im Türkischen der Fall, nicht aber beispielsweise in vielen ostasiatischen Sprachen. Auch im Deutschen stößt man mit dem Kriterium zuweilen an Grenzen: Welches sind beispielsweisedieFlexionsformenvonArmutodervonprima?WiesicheristdasKrite‐ riumderKomparierbarkeit?AuchGrammatiken,dieLexemeprimärnachderFlektier‐ barkeit klassifizieren, ziehen daher gelegentlich das Kriterium des typischen syntakti‐ schen Kontextes hinzu. Als besondere hilfreich hat sich dieserwiesen bei derAbgren‐ zung der Adjektive von den Nichtflektierbaren einerseits, von den Artikelwörtern und Pronomenandererseits.Wieobenangesprochen,kannmanhierausnutzen,dassAdjek‐ tive zwischen Artikel und Nomen stehen können. Genauer formuliert: Jedes adjektivi‐ sche Lexem verfügt über Flexionsformen, die zwischen definitem Artikel und Nomen stehenkönnen. A WortbegriffundWortarten 7 In Zweifelsfällen macht man eine entsprechende Einsetzprobe (→ Dudengrammatik 2016:Randnummern201,458): (12) AllgemeinesMuster:das____Ding Beispiele: (13) a. billig→dasbilligeDing→möglich,alsoistbilligeinAdjektiv. b. umsonst→das*umsonsteDing→unmöglich,alsoistumsonstkeinAdjek‐ tiv (sondern in diesem Fall: ein nicht flektierbares Wort; syntaktische Wortart:Adverb) (14) a. viel,viele→dievielenDinge→möglich,alsoistvieleinAdjektiv b. manche→die*manchenDinge→unmöglich,alsoistmanchekeinAdjek‐ tiv(sondernindiesemFall:einLexemderKlasseArtikelwort/Pronomen) Fazit:BeidergrammatischenKlassifikationvonLexemensindzweiKonzepteverbreitet: – dieKlassifikationnachdentypischensyntaktischenKontexten – dieKlassifikationnachdentypischenFlexionsmerkmalen(Flektierbarkeit) Die daraus resultierenden Klassifikationen decken sich zwar nicht hundertprozentig, aberineinemsohohenAusmaß,dasssieinZweifelsfällenwechselseitigfruchtbarge‐ machtwerdenkönnen. A4.2 DiesyntaktischeKategorie(odersyntaktischeWortart) DieBezeichnungsyntaktischeKategoriefindetsichsehroftinwissenschaftlicherFach‐ literatur, ist aber nicht gerade glücklich gewählt – es gibt außer der syntaktischen WortartnochanderesyntaktischeBegriffebzw.syntaktischeKategorien.Wenninwis‐ senschaftlichen Darstellungen von den syntaktischen Kategorien die Rede ist, ist aber fastimmerdiesyntaktischeWortartgemeint. Wenn ein syntaktisches Wort in einem Kontext auftritt, der für das zugrundeliegende Lexem typisch ist, schließt man gewöhnlich von der Lexemklasse auf die syntaktische WortartodersyntaktischeKategorie.ManverwendetdabeisogardieselbenTermini.Im folgendenBeispielerscheinteineFlexionsformdesverbalenLexemsbellenineinemty‐ pischen Kontext – sie fungiert als Prädikat und weist auch die morphosyntaktischen Merkmale(=Flexionsmerkmale)auf,diehierzuerwartensind,nämlich(unteranderem) TempussowiePersonundNumerus: (15) DerHundbellte. → LexikalischeWortart(Lexemklasse):bellte→bellen→Verb → SyntaktischeWortart(syntaktischeKategorie):Verb EsgibtaberauchSonderfällewieetwadiePartizipien,vgl.Beispiel(16): (16) DerbellendeHundvertriebdenDieb. → LexikalischeWortart(Lexemklasse):bellende→bellen→Verb → SyntaktischeWortart(syntaktischeKategorie):Adjektiv DieFlexionsformbellendeverhältsichso,wiemanessonstvondenFlexionsformenvon Adjektiven erwartet – sie steht hier zwischen Artikelwort und Nomen. Sie weist auch entsprechendeFlexionsmerkmaleauf,hierNominativ,Singular,Maskulinum.Mankann A WortbegriffundWortarten 8 diesenSachverhaltsoumschreiben:DasPartizipbellendeisthiereinadjektivischessyn‐ taktisches Wort, das zu einem verbalen Lexem gehört. Oder kürzer: eine adjektivisch gebrauchteVerbform. EinInfinitivgiltalsnominalisiert(substantiviert),wennerineinemdersyntaktischen Kontexteauftritt,diefürNomen(Substantive)typischsind(→A4.1): (17) DieseMischungmussmanganzlangsamumrühren. → LexikalischeWortart:Verb → SyntaktischeWortart:Verb (18) LangsamesUmrührenführtzudenbestenErgebnissen. → LexikalischeWortart:Verb → SyntaktischeWortart:Nomen(=nominalisiert) Ähnlichsindnominalisierte(substantivierte)AdjektiveimVergleichzuattributivenAd‐ jektiven(Normalfall)zubestimmen: (19) DieKollegenbegrüßtendenneuenKollegen. → LexikalischeWortart:Adjektiv → SyntaktischeWortart:Adjektiv (20) DieKollegenbegrüßtendenNeuen. → LexikalischeWortart:Adjektiv → SyntaktischeWortart:Nomen(=nominalisiert) VonsolchenNominalisierungensindWortbildungsproduktezuunterscheiden,indenen mitunterschiedlichenVerfahrenauseinembestehendenLexemeinneuesLexemabge‐ leitetwird.Beispiele: (21) a. b. c. d. e. neu→derNeuling neu→dieNeuheit begrüßen→dieBegrü ßung gebrauchen→derGebrauch stechen→derStich Die in der Satzlehre vorgenommene Einteilung in Nominalphrasen, Adjektivphrasen, Adverbphrasen usw. (→ Skripts zu den Satzgliedern) beruht auf der syntaktischen Wortart (syntaktischen Kategorie). Die mit der Wortform bellende gebildete Phrase wird in der Satzlehre daher als Adjektivphrase (oder als Partizipphrase – jedenfalls nichtalsVerbalphrase)bestimmt. (22) der[APbellende]Hund EntsprechendesgiltauchfürNominalisierungen,siebildendenKernvonNominalphra‐ sen: (23) a. DieKollegenbegrüßten[NPdenNeuen]. b. Annasuchte[NPetwasNeues]. c. [NPLangsamesUmrühren]führtzudenbestenErgebnissen. Syntaktische Gesichtspunkte spielen auch bei der Untereinteilung der Artikelwörter und Pronomen sowie der Nichtflektierbaren eine Rolle. Siehe dazu den folgenden Ab‐ schnitt. A WortbegriffundWortarten A4.3 9 MehrstufigeKlassifikationen In vielen Grammatiken werden lexikalische und syntaktische Wortartklassifikationen miteinanderkombiniert.DieDudengrammatik(2016)gehthierinzweiSchrittenvor: 1. IneinemerstenSchrittwerdendieWörtereinerderfünfLexemklassenzugeordnet. Hilfsfragen: Wie heißt die Nennform des Lexems, wie kann es gebraucht werden, undwiezeigtsichdasanseinenFormen?Diesergibtdievorangehendentwickelten fünfKlassen:Verb,Nomen,Artikelwort/Pronomen,Adjektiv,Nichtflektierbare. 2. IneinemzweitenSchrittwirdderrealesyntaktischeGebraucheinbezogen.Hilfsfra‐ ge: Wie wird das Wort im Satz tatsächlich gebraucht? Dies führt zu den folgenden Unterscheidungen: – bei den Artikelwörtern/Pronomen: die Zuordnung zu einer der neun Unterarten (zumBeispieldefiniterArtikel,Relativum,Demonstrativum); – bei den Unflektierbaren: die Unterscheidung von Präpositionen, Konjunktionen, Subjunktionen,Interjektionen,AdverbienundPartikeln. (24) Wortart flektierbar nicht flektierbar nachTempus nachKasus festesGenus veränderbaresGenus nichtkom‐ kom‐ parierbar parierbar Verb Nomen Artikelwort Adjektiv Nichtflektierbare Pronomen Personalpronomen Präposition Reflexivpronomen Konjunktion. Possessivum Subjunktion Demonstrativum Interjektion definiterArtikel Adverb Relativum Partikel Interrogativum Indefinitum indefiniterArtikel DersyntaktischeKontextspieltaußerdembeiadjektivischenLexemeneineRolle,näm‐ lichbeiderUnterscheidungvonattributivem,prädikativem,adverbialemundnominali‐ siertem(nominalem)Gebrauch.ZudenEinzelheitensiehe→SkriptB. Überhaupt könnten alle syntaktischen Nominalisierungen in den unteren Teil von Schema(24)integriertwerden.Dassdiestraditionellerweisenichtgemachtwird,kann man als einen Mangelansehen (mit negativen Auswirkungenauf den Rechtschreibun‐ terricht). A WortbegriffundWortarten A5 WeitereWortbegriffe A5.1 DasphonologischeunddasgraphematischeWort 10 DassyntaktischeWortstimmtnichtimmerübereinmitdemphonologischenWort.So könnenzweisyntaktischeWörterzusammeneineinzigesphonologischesWortbilden. IngeschriebenerSpracheerscheintdannentsprechendeineinzelnesgraphematisches Wort: (25) a. DerHundsprangins(=indas)Wasser. b. Wiegehts/geht’s(=gehtes)? c. (Umgangssprachlich:)Washaste(=hastdu)gemacht? A5.2 DasmentaleWortoderListem ZurSprachfähigkeitgehörtes,dasswirüberWörterverfügen,einenWortschatzbesit‐ zen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom mentalen Lexikon. Wenn man WörterindiesemSinnmeint,wirdinderWissenschaftderFachausdruckdesmentalen Wortes oder Listems verwendet. Man nimmt an, dass von den einzelnen Wortformen einesLexemsimmentalenLexikonnurbestimmte»Schlüsselformen«gespeichertwer‐ den (minimal: eine Schlüsselform); die anderen Flexionsformen werden bei Bedarf ad hoc generiert. Es wird noch diskutiert, wie die Schlüsselformen gespeichert werden: isoliertodervernetztalseineArtMinimalparadigma;jenachdemhandeltessichbeim mentalenWortumeinÄquivalentzumsyntaktischenWortoderzumLexem. A WortbegriffundWortarten A6 11 Illustrationen Lexem(lexikalischesWort)mitseinenFlexionsformen(→Formenreihe,Paradigma) (der) Turm (die) Türme Nennform (den) Turm (die) Türme (dem) Turm (den)Türmen (des) Turmes (der) Türme DieMauerndes Turmes bestandenausdickenQuadern. Flexionsform(syntaktischesWort)mitzugehörigemLexem: (der) Turm (die) Türme Nennform (den) Turm (die) Türme (dem) Turm (den)Türmen (des) Turmes (der) Türme DieMauerndes Turmes bestandenausdickenQuadern.