A Wortbegriff und Wortarten - syntax

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Prof.Dr.PeterGallmann
A
A1
Jena,Sommer2017
WortbegriffundWortarten
ZielderwissenschaftlichenGrammatikforschung
Ziel: Rekonstruktion der menschlichen Sprachfähigkeit = das mentale Grammatiksys‐
tem oder kurz: die mentale Grammatik. Da nicht direkt beobachtbar: Rekonstruktion
ausderAnalysederdamiterzeugtensprachlichenDaten:
systematischeEigenschaftenderDaten→systematischeEigenschaftendesmental‐
tenGrammatiksystems
VorgehenindreiSchritten:
– Beobachtung,ErfassungderDaten
– kohärenteBeschreibung
– Erklärung
Das Ergebnis dieser Bemühungen führt zu Publikationen, die den Titel »Grammatik«
tragen.DiesewerdenimfolgendenAbschnittnäherbeleuchtet.
A2
Grammatiken
WichtigeGesichtspunkte,teilweiseüberlappend:
 Tiefe:
– deskriptive(beschreibende)Grammatiken
– explanative(erklärende)Grammatiken
– synchronevs.diachroneGrammatiken
 GesellschaftlicheAspekte:
– deskriptive(beschreibende)Grammatiken
– präskriptive(normative)Grammatiken
 Adressaten:
– SchulgrammatikenI(fürSchüler)
– SchulgrammatikenII(fürLehrkräfte)
– GrammatikenfürRatsuchende
– Grammatikenfür»gebildeteLaien«
– GrammatikenfürWissenschaftler
 Breite,Umfang,Aufbau:
– Gesamtdarstellungen
– Teildarstellungen:
·Phonologie
·Lexikologie
·Morphologie
·Syntax
·Textlinguistik
– InterdisziplinäreAnsätze,zumBeispielPragmatik,kognitiveLinguistik
– systematischevs.lexikonartigeDarstellung
A WortbegriffundWortarten
A3
2
WasisteinWort?
Dudengrammatik(2016:Randnummern208–213)
HinterdemWort»Wort«stehtmehralseineinzelnerBegriff–dasWort»Wort«istalso
–wiesovieleandereWörter–mehrdeutig.EineharmloseFragekanndasProblemil‐
lustrieren:Wievielekursivgesetzte»Wörter«enthältderfolgendeBeispielblock?
(1)
a.
b.
c.
d.
e.
f.
g.
DieTürmederBurgwarenschonvonweitemzusehen.
AufdenTürmenwehtenbunteFahnen.
DereineTurmwarvierzigMeterhoch.
DerandereTurmwarnuretwadreißigMeterhoch.
WirsindaufdenTurmgeklettert.
AufdemTurmhattenwireineprächtigeAussicht.
DieMauerndesTurmsbestandenausdickenQuadern.
HiersindganzunterschiedlicheAntwortenmöglich:
(2)
a. SiebenmaldasWortTurm.
b. Einmal das Wort Türme, einmal das Wort Türmen, viermal das Wort
Turm…
c. ZweimaldasWortTurmimNominativ,einmaldasWortTurmimDativ…
d. EinmaleinWortmitsechsBuchstaben,zweimaleinWortmitfünfBuch‐
staben…
Keine dieser Antworten ist falsch! Denn hinter jeder Antwort steckt eine bestimmte
Vorstellungvon»Wort«.Bildhaftgesprochen:Wennmanzählenwill,mussmanzuerst
definieren,worumesgenaugeht:umÄpfel,umBirnenoderumObst.Mandefiniertalso
einenTyp(engl.type)undfragtdann,wievieleRepräsentanten(engl.tokens)desdefi‐
niertenTypsvorliegen.
InderSprachwissenschaftspielenvorallemzweiTypenvon»Wort«bzw.zweiWortbe‐
griffeeineRolle:dassyntaktischeWortunddaslexikalischeWort(=Lexem).
 WennmaneinWortgenauso,wieesimSatzerscheint,imAugehat,sprichtmanvon
einem syntaktischen Wort (oder auch, etwas missverständlich, von einer Wort‐
form). Man berücksichtigt dabei nicht nur die äußere Gestalt, die Form, sondern
auchbestimmtegrammatischeMerkmalewieKasusundNumerus(→SkriptC):
(3)
DieMauerndesTurmsbestandenausdickenQuadern.
→ Formmerkmal:Endung‐s
→ GrammatischeMerkmale:Maskulinum,Genitiv,Singular
(4)
AufdenTürmenwehtenbunteFahnen.
→ Formmerkmale:Umlaut+Endung‐en
→ GrammatischeMerkmale:Dativ,Plural
 WennmansichfürdasWortineinemallgemeinerenSinninteressiert,liegtalsKon‐
zeptdaslexikalischeWortoderLexemzugrunde.InWörterbüchern(Lexika)sind
WörterindiesemSinnenthalten.HintereinemLexemwieTurmstecktletztlicheine
Menge von syntaktischen Wörtern. Die einzelnen syntaktischen Wörter werden in
diesemZusammenhangalsFlexionsformen(einesbestimmtenLexems)bezeichnet.
A WortbegriffundWortarten
3
DasshintereinemLexemwieTurmmehrereFlexionsformenstecken,kannaucheinem
typischenEintragdesRechtschreibdudensabgelesenwerden:
(5)
Turm,der;‐[e]s,Türme
DieserEintragistsozuinterpretieren:
– Das Stichwort ist eine möglichst unauffällige Flexionsform, die Nennform des Le‐
xems.BeiNomen(Substantiven)istdasderNominativSingular.
– Der Artikel zeigt an, dass das Nomen maskulines Genus hat – ein morphosyntakti‐
schesMerkmal,dasallenFormendesNomens(zumindestallenseinenSingularfor‐
men)eigenist.
– DerEintrag‐[e]sgibtan,wiedieFlexionsformmitdenmorphosyntaktischenMerk‐
malenGenitivundSingularzubildenist:desTurmesoderdesTurms.
– Als letzte Angabe wird die Flexionsform mitden Merkmalen Nominativ und Plural
genannt:dieTürme.
MehrAngabensindhiernichtnötig,dadieübrigenFormenbeiBedarfvondenaufge‐
führten Formen über allgemeine Regeln abgeleitet werden (siehe auch → Abschnitt
A5.2).NormalerweisekönnenbeieinemNomeninsgesamtachtFlexionsformengebil‐
detwerden,dieinunterschiedlichenSätzenauftretenkönnen.Zusammenbildensieein
Paradigma(eineFormenreihe):
(6)
Singular
Singular
Singular
Singular
Nominativ
Akkusativ
Dativ Genitiv
(der) Turm (=NennformdesLexems)
(den) Turm
(dem) Turm
(des) TurmsoderTurmes
Plural
Plural
Plural
Plural
Nominativ
Akkusativ
Dativ Genitiv
(die)
(die)
(den)
(der)
Türme
Türme
Türmen
Türme
Bei Verben und Adjektiven gibt es mehr Flexionsformen. Auch hier bildet jeweils eine
FlexionsformdieNennform,unterderdasWortimWörterbuchaufgeführtist.BeiVer‐
benistdasderInfinitiv(7a).BeiAdjektivenistdieendungsloseForm,wiesieimprädi‐
kativen und adverbialen Gebrauch auftritt, die Nennform (7b); bei nur attributiv ver‐
wendetenAdjektivenistmeistensdieschwacheFormauf‐eNennform(8b).
(7)
a.
b.
Verb,Nennform:stell‐en
AndereFlexionsformen:(ich)stell‐e,(du)stell‐st,(er/sie)stellt…
Verb,Nennform:sein
AndereFlexionsformen:(ich)bin,(du)bist,(er/sie)ist,(ich)war…
(8)
a.
b.
Adjektiv,Nennform:hoch(zumBeispielin:DasGebäudeistsehrhoch.)
AndereFlexionsformen:hohe,hoher,höhere,höchste,höchster…
Adjektiv,Nennform:vorder‐e(zumBeispielin:dervordereEingang)
AndereFlexionsformen:vorderer,vorderen,vorderem,vorderster…
A WortbegriffundWortarten
A4
4
Wortarten
Wenn »Wörter« in »Wortarten« eingeteilt werden, so kann man dies auf zwei Fragen
zurückführen,dieselbstingutenGrammatikennichtimmersauberauseinandergehal‐
tenwerden:
1. WaskanndasWortimSatzleisten?
2. WasleistetdasWortimSatz?
BeidererstenFragefragtmannachdemGebraucheinessyntaktischenWortesimvor‐
liegendenSatz,beiderzweitenFragenachdenmöglichenGebrauchsweisenvonLexe‐
men. Beide Fragen führen zu »Wortarten« – auch hinter diesem Terminus steckt also
eineMehrdeutigkeit:
1. Lexem → Was kann das »Wort« im Satz leisten? → lexikalische Wortart = Lexem‐
klasse
2. SyntaktischesWort→Wasleistetdas»Wort«imvorliegendenSatz?→syntaktische
Wortart=syntaktischeKategorie
DiemeistenneuerenKlassifikationensindmehrstufig,dasheißt,siegehensowohlauf
dieerstealsauchaufdiezweiteFrageein(→A4.3).Ausgangspunktistdabeigewöhn‐
lichdiezweiteFrage,alsodieFragenachderLexemklasse.
A4.1
Lexemklassen(lexikalischeWortarten)
BeiderKlassifikationderLexemespielenzweiZugängeeineRolle:
– dieBestimmungnachdemtypischensyntaktischenKontext
– die Bestimmung nach den typischen grammatischen Merkmalen, die seine Formen
tragenkönnen
A4.1.1
DieKlassifikationnachdemtypischensyntaktischenKontext
DieFrage,waseinLexemimSatzleistenkann,wirdgewöhnlichverstandenalsdieFra‐
genachdensyntaktischdefiniertenKontexten,indenendasLexem(bzw.genauerseine
Flexionsformen)auftretenkönnen.WennmankonsequentnachdiesemGesichtspunkt
klassifiziert, kommt man allerdings auf sehr viele Klassen (Burkhard Schaeder kam
einmalbeieinemVersuchaufmehrals50).ManbeschränktsichdaherauftypischeKon‐
texte.DieseArtKlassifikationliegtetwaderGrammatikvonHelbig/Buschazugrunde.
 SoistfürdieLexemklassederNomen(Substantive)besonderstypisch,dassderen
Formen…
– mitArtikelunddekliniertenAdjektivenkombiniertwerdenkönnen,
– alsSubjektundObjekte(bzw.derenKerne)auftreten,
– beiPräpositionenstehenkönnen.
 FürdieLexemklassederVerbenisttypisch,dassderenFormen…
– densemantischenKerndesSatzes,dasPrädikat,bildenkönnen,derdieübrigenBe‐
standteiledesSatzesbestimmt(→SkriptszudenSatzgliedern).
 FürdieLexemklassederAdjektiveisttypisch,dassderenFormen…
– zwischenArtikelundNomenstehenkönnen.
A WortbegriffundWortarten
5
 FürdieLexemklassederArtikelwörterundPronomenisttypisch,dasssie…
– nichtmitdemdefinitenArtikel(der,die,das)kombinierbarsind.
A4.1.2
DieKlassifikationnachdentypischenFlexionsmerkmalen
DerNachteilderKlassifikationnachdemtypischensyntaktischenKontextist,dasssie
relativabstraktist.DiemeistenGrammatikennutzendeshalbeineformaleErscheinung
aus,diemitdemsyntaktischenKontextteilweisezusammenhängt.BeivielenLexemen
istfestzustellen,dasssiejenachKontextunterschiedlichegrammatischeMerkmalewie
KasusoderPersonerhaltenunddiesedurchbesondereFormen–ebendieFlexionsfor‐
men–mehroderwenigerdeutlichanzeigen(vondaherauchdieBezeichnungderbe‐
treffenden Merkmale als »morphosyntaktisch«). Dies führt zur Klassifikation der Le‐
xemenachihrerFlektierbarkeit.BeiZweifelsfällenmachtmaneineentsprechendePro‐
be(=Flexionsprobe;Dudengrammatik2016,Randnummer202).
(9)
Tabelle:Wortarten(Lexemklassen)nachdemKriteriumderFlektierbarkeit
Wortart
(Lexemklasse)
Flexion(Veränderbarkeit)
Verb
Flexion(Konjugation)nachPerson,Numerus,Tempus,Modus
Nomen
(Substantiv)
Flexion(Deklination)nachNumerusundKasus
(Lexikalischfestgelegt:Genus)
Adjektiv
Komparation(sofernsemantischmöglich),Flexion
(Deklination)nachKasus,Numerus,Genus
Artikelwort/
Pronomen
Flexion(Deklination)nachPerson(teilweise),Kasus,Numerus,
Genus
Nichtflektierbare
KeineFlexionsformen(unveränderbar)
Wennmannurdiebesonderstypischen,indervorangehendenTabellefettgedruckten
morphosyntaktischenMerkmaleberücksichtigt,ergibtsichdiefolgendeSystematik:
(10) Wortart
flektierbar nicht
flektierbar
nachTempus nachKasus
flektierbar flektierbar
(konjugierbar)
(deklinierbar)
mitfestem mitveränderbarem
Genus
Genus
nichtkom‐ kom‐
parierbar parierbar
Verb
Nomen Artikelwort Adjektiv Nichtflektierbare
Pronomen
A WortbegriffundWortarten
A4.1.3
6
VergleichderbeidenKlassifkationen
Das Resultat der beiden Klassifikationen deckt sich zwar nicht vollständig, aber doch
weitestgehend. Das ist, wie schon vorangehend angedeutet, nicht völlig überraschend:
Die Flexion hängt ja mit dem Gebrauch im Satz zusammen. Es ist daher keine verwir‐
rendeWillkür,wenninbeidenKlassifikationenfürdieeinzelnenLexemklassendiesel‐
benTermini(Nomen,Verb,Adjektiv…)auftreten.DiefolgendeTabelleführtdiebeiden
Klassifikationenzusammen:
(11) Tabelle:Wortarten(Lexemklassen)
TypischesyntaktischeKontexte
Lexemklasse
(Gebrauchsweisen)
TypischeFlexionsmerkmale
Verb
 Prädikatsteil
 Tempus
 Modus
Nomen
(Substantiv)
 TeileinerWortgruppemit
 Kasus
Artikelund/oder
 Numerus(mit
vorangestelltemflektiertem
Einschränkungen)
Adjektiv
 festesGenus
 Subjekt,Objekt,Komplement
einerPräposition,posses‐
sivesAttribut
Adjektiv
 zwischenArtikelundNomen  Komparation(mit
(=attributiverGebrauch)
Einschränkungen)
 PrädikativbeimVerbsein
 Kasus
(mitEinschränkungen)
 Numerus
 Genus
 stark/schwach
Artikelwort
Pronomen
 keineKombinationmit
definitemArtikel(mit
Einschränkungen)
 Kasus
 Numerus
 Genus
Nichtflektierbar
( keinfürallemöglicher
Kontext)
( keine)
DasKriteriumderFlektierbarkeitistnurinSprachenanwendbar,diehinreichenddeut‐
licheFlexionsformenhaben,dasistetwaimLatein,imRussischen,imUngarischenoder
im Türkischen der Fall, nicht aber beispielsweise in vielen ostasiatischen Sprachen.
Auch im Deutschen stößt man mit dem Kriterium zuweilen an Grenzen: Welches sind
beispielsweisedieFlexionsformenvonArmutodervonprima?WiesicheristdasKrite‐
riumderKomparierbarkeit?AuchGrammatiken,dieLexemeprimärnachderFlektier‐
barkeit klassifizieren, ziehen daher gelegentlich das Kriterium des typischen syntakti‐
schen Kontextes hinzu. Als besondere hilfreich hat sich dieserwiesen bei derAbgren‐
zung der Adjektive von den Nichtflektierbaren einerseits, von den Artikelwörtern und
Pronomenandererseits.Wieobenangesprochen,kannmanhierausnutzen,dassAdjek‐
tive zwischen Artikel und Nomen stehen können. Genauer formuliert: Jedes adjektivi‐
sche Lexem verfügt über Flexionsformen, die zwischen definitem Artikel und Nomen
stehenkönnen.
A WortbegriffundWortarten
7
In Zweifelsfällen macht man eine entsprechende Einsetzprobe (→ Dudengrammatik
2016:Randnummern201,458):
(12) AllgemeinesMuster:das____Ding
Beispiele:
(13) a. billig→dasbilligeDing→möglich,alsoistbilligeinAdjektiv.
b. umsonst→das*umsonsteDing→unmöglich,alsoistumsonstkeinAdjek‐
tiv (sondern in diesem Fall: ein nicht flektierbares Wort; syntaktische
Wortart:Adverb)
(14) a. viel,viele→dievielenDinge→möglich,alsoistvieleinAdjektiv
b. manche→die*manchenDinge→unmöglich,alsoistmanchekeinAdjek‐
tiv(sondernindiesemFall:einLexemderKlasseArtikelwort/Pronomen)
Fazit:BeidergrammatischenKlassifikationvonLexemensindzweiKonzepteverbreitet:
– dieKlassifikationnachdentypischensyntaktischenKontexten
– dieKlassifikationnachdentypischenFlexionsmerkmalen(Flektierbarkeit)
Die daraus resultierenden Klassifikationen decken sich zwar nicht hundertprozentig,
aberineinemsohohenAusmaß,dasssieinZweifelsfällenwechselseitigfruchtbarge‐
machtwerdenkönnen.
A4.2
DiesyntaktischeKategorie(odersyntaktischeWortart)
DieBezeichnungsyntaktischeKategoriefindetsichsehroftinwissenschaftlicherFach‐
literatur, ist aber nicht gerade glücklich gewählt – es gibt außer der syntaktischen
WortartnochanderesyntaktischeBegriffebzw.syntaktischeKategorien.Wenninwis‐
senschaftlichen Darstellungen von den syntaktischen Kategorien die Rede ist, ist aber
fastimmerdiesyntaktischeWortartgemeint.
Wenn ein syntaktisches Wort in einem Kontext auftritt, der für das zugrundeliegende
Lexem typisch ist, schließt man gewöhnlich von der Lexemklasse auf die syntaktische
WortartodersyntaktischeKategorie.ManverwendetdabeisogardieselbenTermini.Im
folgendenBeispielerscheinteineFlexionsformdesverbalenLexemsbellenineinemty‐
pischen Kontext – sie fungiert als Prädikat und weist auch die morphosyntaktischen
Merkmale(=Flexionsmerkmale)auf,diehierzuerwartensind,nämlich(unteranderem)
TempussowiePersonundNumerus:
(15) DerHundbellte.
→ LexikalischeWortart(Lexemklasse):bellte→bellen→Verb
→ SyntaktischeWortart(syntaktischeKategorie):Verb
EsgibtaberauchSonderfällewieetwadiePartizipien,vgl.Beispiel(16):
(16) DerbellendeHundvertriebdenDieb.
→ LexikalischeWortart(Lexemklasse):bellende→bellen→Verb
→ SyntaktischeWortart(syntaktischeKategorie):Adjektiv
DieFlexionsformbellendeverhältsichso,wiemanessonstvondenFlexionsformenvon
Adjektiven erwartet – sie steht hier zwischen Artikelwort und Nomen. Sie weist auch
entsprechendeFlexionsmerkmaleauf,hierNominativ,Singular,Maskulinum.Mankann
A WortbegriffundWortarten
8
diesenSachverhaltsoumschreiben:DasPartizipbellendeisthiereinadjektivischessyn‐
taktisches Wort, das zu einem verbalen Lexem gehört. Oder kürzer: eine adjektivisch
gebrauchteVerbform.
EinInfinitivgiltalsnominalisiert(substantiviert),wennerineinemdersyntaktischen
Kontexteauftritt,diefürNomen(Substantive)typischsind(→A4.1):
(17) DieseMischungmussmanganzlangsamumrühren.
→ LexikalischeWortart:Verb
→ SyntaktischeWortart:Verb
(18) LangsamesUmrührenführtzudenbestenErgebnissen.
→ LexikalischeWortart:Verb
→ SyntaktischeWortart:Nomen(=nominalisiert)
Ähnlichsindnominalisierte(substantivierte)AdjektiveimVergleichzuattributivenAd‐
jektiven(Normalfall)zubestimmen:
(19) DieKollegenbegrüßtendenneuenKollegen.
→ LexikalischeWortart:Adjektiv
→ SyntaktischeWortart:Adjektiv
(20) DieKollegenbegrüßtendenNeuen.
→ LexikalischeWortart:Adjektiv
→ SyntaktischeWortart:Nomen(=nominalisiert)
VonsolchenNominalisierungensindWortbildungsproduktezuunterscheiden,indenen
mitunterschiedlichenVerfahrenauseinembestehendenLexemeinneuesLexemabge‐
leitetwird.Beispiele:
(21) a.
b.
c.
d.
e.
neu→derNeuling
neu→dieNeuheit
begrüßen→dieBegrü ßung
gebrauchen→derGebrauch
stechen→derStich
Die in der Satzlehre vorgenommene Einteilung in Nominalphrasen, Adjektivphrasen,
Adverbphrasen usw. (→ Skripts zu den Satzgliedern) beruht auf der syntaktischen
Wortart (syntaktischen Kategorie). Die mit der Wortform bellende gebildete Phrase
wird in der Satzlehre daher als Adjektivphrase (oder als Partizipphrase – jedenfalls
nichtalsVerbalphrase)bestimmt.
(22) der[APbellende]Hund
EntsprechendesgiltauchfürNominalisierungen,siebildendenKernvonNominalphra‐
sen:
(23) a. DieKollegenbegrüßten[NPdenNeuen].
b. Annasuchte[NPetwasNeues].
c. [NPLangsamesUmrühren]führtzudenbestenErgebnissen.
Syntaktische Gesichtspunkte spielen auch bei der Untereinteilung der Artikelwörter
und Pronomen sowie der Nichtflektierbaren eine Rolle. Siehe dazu den folgenden Ab‐
schnitt.
A WortbegriffundWortarten
A4.3
9
MehrstufigeKlassifikationen
In vielen Grammatiken werden lexikalische und syntaktische Wortartklassifikationen
miteinanderkombiniert.DieDudengrammatik(2016)gehthierinzweiSchrittenvor:
1. IneinemerstenSchrittwerdendieWörtereinerderfünfLexemklassenzugeordnet.
Hilfsfragen: Wie heißt die Nennform des Lexems, wie kann es gebraucht werden,
undwiezeigtsichdasanseinenFormen?Diesergibtdievorangehendentwickelten
fünfKlassen:Verb,Nomen,Artikelwort/Pronomen,Adjektiv,Nichtflektierbare.
2. IneinemzweitenSchrittwirdderrealesyntaktischeGebraucheinbezogen.Hilfsfra‐
ge: Wie wird das Wort im Satz tatsächlich gebraucht? Dies führt zu den folgenden
Unterscheidungen:
– bei den Artikelwörtern/Pronomen: die Zuordnung zu einer der neun Unterarten
(zumBeispieldefiniterArtikel,Relativum,Demonstrativum);
– bei den Unflektierbaren: die Unterscheidung von Präpositionen, Konjunktionen,
Subjunktionen,Interjektionen,AdverbienundPartikeln.
(24) Wortart
flektierbar nicht
flektierbar
nachTempus nachKasus
festesGenus veränderbaresGenus
nichtkom‐ kom‐
parierbar parierbar
Verb
Nomen Artikelwort Adjektiv Nichtflektierbare
Pronomen
Personalpronomen Präposition
Reflexivpronomen Konjunktion.
Possessivum Subjunktion
Demonstrativum
Interjektion
definiterArtikel
Adverb
Relativum Partikel
Interrogativum
Indefinitum
indefiniterArtikel
DersyntaktischeKontextspieltaußerdembeiadjektivischenLexemeneineRolle,näm‐
lichbeiderUnterscheidungvonattributivem,prädikativem,adverbialemundnominali‐
siertem(nominalem)Gebrauch.ZudenEinzelheitensiehe→SkriptB.
Überhaupt könnten alle syntaktischen Nominalisierungen in den unteren Teil von
Schema(24)integriertwerden.Dassdiestraditionellerweisenichtgemachtwird,kann
man als einen Mangelansehen (mit negativen Auswirkungenauf den Rechtschreibun‐
terricht).
A WortbegriffundWortarten
A5
WeitereWortbegriffe
A5.1
DasphonologischeunddasgraphematischeWort
10
DassyntaktischeWortstimmtnichtimmerübereinmitdemphonologischenWort.So
könnenzweisyntaktischeWörterzusammeneineinzigesphonologischesWortbilden.
IngeschriebenerSpracheerscheintdannentsprechendeineinzelnesgraphematisches
Wort:
(25) a. DerHundsprangins(=indas)Wasser.
b. Wiegehts/geht’s(=gehtes)?
c. (Umgangssprachlich:)Washaste(=hastdu)gemacht?
A5.2
DasmentaleWortoderListem
ZurSprachfähigkeitgehörtes,dasswirüberWörterverfügen,einenWortschatzbesit‐
zen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom mentalen Lexikon. Wenn man
WörterindiesemSinnmeint,wirdinderWissenschaftderFachausdruckdesmentalen
Wortes oder Listems verwendet. Man nimmt an, dass von den einzelnen Wortformen
einesLexemsimmentalenLexikonnurbestimmte»Schlüsselformen«gespeichertwer‐
den (minimal: eine Schlüsselform); die anderen Flexionsformen werden bei Bedarf ad
hoc generiert. Es wird noch diskutiert, wie die Schlüsselformen gespeichert werden:
isoliertodervernetztalseineArtMinimalparadigma;jenachdemhandeltessichbeim
mentalenWortumeinÄquivalentzumsyntaktischenWortoderzumLexem.
A WortbegriffundWortarten
A6
11
Illustrationen
Lexem(lexikalischesWort)mitseinenFlexionsformen(→Formenreihe,Paradigma)
(der) Turm
(die) Türme
Nennform
(den) Turm
(die) Türme
(dem) Turm
(den)Türmen
(des) Turmes (der) Türme
DieMauerndes Turmes bestandenausdickenQuadern.
Flexionsform(syntaktischesWort)mitzugehörigemLexem:
(der) Turm
(die) Türme
Nennform
(den) Turm
(die) Türme
(dem) Turm
(den)Türmen
(des) Turmes (der) Türme
DieMauerndes Turmes bestandenausdickenQuadern.
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