Jens Homonn wörtliche Jungfrau zum Kinde, nämlich völlig Haken

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Jens Homonn
Dem Tanganjikabeulenkopf sind ja schon diverse
Artikel, speziell innerhalb unserer DCG-Informationen gewidmet worden, doch heute möchte ich
einmal von den Begebenheiten berichten, die sich
im Laufe eines längeren Zeitraumes n)getrager.
haben. In zahlreichen Gesprächen mit Gleichgesinnten, musste ich immer wieder feststellen, dass
in unserer schnelllebigen Zeit, der Austausch eines
Teiles der Beckenbesatzung immer kirzeren Zyklen unterliegt. Die ,,kalten Fische" können einem ja
nicht so ztHerzet gehen wie etwa ein Hund, oder
etwa doch?
Obwohl ich auch diverse andere (Malawisee-)
Cichlidenarten schon seit vielen Jahren pflege, so
ist die Geschichte mit den Cyphotilapia frontosa
doch eine gar.z andere. Dieses wiederum hat in
erster Linie mit der Lebenserwartung zu tun, denn
wie in der DCG-Juniausgabe von Tino Schol beschrieben, und von Dr. Andreas Spreinat bestätigt,
ist auch nach meinen langjährigen Erfahrungen das
durchschnittliche, eher hektisch geprägte Leben
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eines Malawisee-Cichliden mit fünf bis sieben
Jahren am Ende. Da wird zwar der Stamm fortlaufend von mir weitergepflegt, wobei hier mal ein
Weibchen ausgetauscht und dort ein Männchen
ersetzt wird, sodass eine wirkliche Beziehung zum
Tier eher wenig besteht. Wenn es jedoch um einen
deutlich längeren Zeitraum und immer nur um drei
Tiere geht, sieht die Sache jedoch schon deutlich
anders aus.
Gekommen bin ich zu den Fischen wie die sprich-
wörtliche Jungfrau zum Kinde, nämlich völlig
ungeplant und von einem auf den anderen Tag. Es
begann im vergangenen Jahrtausend, genauer gesagt im Jafu 1992, als mir und seinen Beckenmit-
bewohnern ein ausgewachsenes Nimbochromisy
enus tus-Paar
aufgrund dessen permanenter Rauf-
lust großen Kummer bereitete. Nach dem Motto
,,wer Arger macht, fliegt raus", bot ich also die beiden zum Verkauf an. Nach wenigen Tagen erschien
ein mir unbekannter junger Mann, der den N. yenu-
s/us unbedingt ein neues Zuhause geben wollte.
Die Sache hatte damals jedoch noch einen kleinen
Haken: Abnehmen könnte er mir die Tiere nur,
sofem ich einem Tauschgeschäft zustimmen würde.
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Er habe nämlich ein
Cy p h o ti I ap i a -fro nt o s a -P aar,
das so gar nicht zu seinem Malawibesatz im Allge-
meinem und zu den zukünftigen N. yenustus im
Speziellen passen würde. Um das Unternehmen
Auszug der N. venustus nicht weiter zu gefährden,
schlug ich nach kurzem Zögern ein und schon am
nächsten Tag wurde der Tausch vollzogen.
Da ich ja nun ebenfalls Malawisee-Aquarianer war,
(und auch heute noch bin) sollten die Neulinge
natürlich nur übergangsweise eine Unterkunft in
meinem damaligen 500-Liter-Becken (150 x 60 x
60 Zentrmeter) beziehen. Den festen Entschluss,
die beiden Tanganjikaseebewohner so schnell wie
möglich in eine geeignetere Umgebung weiter zu
reichen, warf ich dann aber genauso schnell, wie
gefasst wieder über den Haufen.
Der Ernährungszustand der Beiden erschien mir
doch extrem ausbauf2ihig, denn ein erneuter Umzug hätte für diese ,,Hungerhaken" schon zu einem
ernsthaften Problem werden können. Also beschloss ich sie erst einmal etwas aufzupäppeln, um
später wohlgenährte und somit robustere Tiere weitergeben zu können.
ln Gesellschofl der Molowisee-Cichliden gestoltele sich
die Fütterung meiner Cyphotilopio frontoso schwierig
DCG-I nformolio nen 37
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Um an dieser Stelle schon eins vorweg zu nehmen,
und wie es der geneigte Leser sicherlich schon vermutet hat: Diese Fische habe ich bis heute nie wieder irgendjemandem angeboten.
Zu diesem Zeitpunkt maß das Männchen etwa 16
bis 18 Zentimeter und die markante Stirnwulst begann sich deutlich sichtbar hervorzuheben, während das Weibchen mit zwölf Zentimeter etwa ein
Drittel kleiner war. Da der Vorbesitzer zum Alter
der Tiere keine Angaben machen konnte, muss ich
nach heutigem Kenntnisstand, was Wachstum von
Stirnbuckel, Flossen- und Körperlänge der Art betreffend, davon ausgehen, dass die Tiere mindestens drei Jahre. alt gewesen sein müssen.
Bei den nun weiter von mir berichteten Beobachtungen über Verhaltensweisen und Begebenheiten,
die sich im Laufe der Jahre
haben,
^tgetragel
möchte ich noch darauf hinweisen,
mir von Anfang
an bewusst gewesen zu sein, dass diese paarweise
Vergesellschaftung von C. frontosa in einem ansonsten reinen Malawisee-Aquarium, mit ein paar
algenputzenden Antennenwelsen, sicherlich nicht
zu den optimalen Haltungsbedingungen dieser Art
gehört.
/til
Das Becken war mit den typischen barschharten
Pflanzen wie Anubias und Javafam relativ gut bewachsen, wäihrend diverse Steinaufbauten bisher
genug Versteckmöglichkeiten für Groß und Klein
geboten hatten. Der Maßstab für ,,Groß" musste
jedoch neu dehniert werden. War bisher der um
zwei bis drei Zentimeter kleinere N. venustus das
Maß der Dinge, der sich zu dem überwiegend in
der Freiwasserzone bzw. über den Steinen auftiielt,
mussten nun ausreichend große Höhlenverstecke
am Bodengrund gestaltet werden. Denn der C.
frontosa, so stellte ich fest, möchte immer tief runter, so tief wie möglich. Dieses Verhalten sollte
sich im Laufe der Jahre nur dann ändern, wenn es
Futter gab, oder das Männchen in der Paarungszeit
das Weibchen vor sich her trieb.
Die Futteraufnahme gestaltete sich zunächst eher
problematisch. Egal welche Leckerbissen auch
gereicht wurden, zwischen die wuseligen Mitbewohner mochten sich die ruhigen C. frontosa nicht
begeben. Sie lauerten zwar sehr interessiert in
sicherer Distanz, ob vielleicht mal hier oder dort für
sie ein Bröckchen abfallen könnte, doch so wurde
das mit dem,,Aufpäppeln" irgendwie nichts. Dabei
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handelte es sich bei ihren Mitbewohnern nicht etwa
um wilde Mbunas oder ähnliche Fressmaschinen,
sondem mit Aulonocara- und Utaka-Arten pflegte
ich eher die friedlichen Vertreter des Malawisees.
Auch den Trick mit den wechselnden bzw. mehreren Futterstellen hatten außer den Zweien alle
anderen Fische ruckzuck durchschaut, so dass
außer wachsenden Futterkosten wenig Effektives
dabei herum kam. Als Lösung entpuppte sich dann
ein PVC-Rohr mit drei Zerrtimeter Durchmesser.
Diverses Frostfutter, vorgewässerte Sticks und
Futtertabletten konnten oben eingefüllt werden,
sanken dann im Rohr hinab und landeten direkt vor
den Höhlen bzw. den hungrigen Mäulern der
Cichliden.
Auf diese Art und Weise gelang
es nicht nur das Ernährungsdefizit auszugleichen, sondern Beide gediehen prächtig, da sie sich sehr schnell an das
Rohr gewöhnten.
Erschien das Rohrende vor den Höhlen, begannen
sie sofort mit weit aufgerissenen Mäulern daran
herum zu beißen um möglichst schnell an das begehrte Futter zu gelangen. Ich brauchte jetzt nur
noch den Futteraustritt immer weiter in Richtung
Wasseroberfläche zn verlegen, denn mit zuneh-
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mendem Körperumfang stieg auch das Selbstbewusstsein der Fische. Schließlich hatten sie sich
an eine ganz normale Fütterung in Mitten der
Meute aus dem Malawisee gewöhnt.
Eigentlich waren somit auch Sinn und Zweck der
,,vorübergehenden Haltung" erfüllt, denn die Beiden
waren nun topfit und wohlgenährt. Inzwischen
hatte ich jedoch Gefallen gefunden an diesen urigen Fischen, die so völlig anders waren als der
übrige Beckenbesatz. So hatte ich denn vor mir
selbst entschieden, den Zeitpunkt bis zur möglichen Abgabe der Fische noch einmal großzügig zu
verlängern, denn in ein ,,echtes" Malawiseebecken
gehörten doch schließlich keine C. frontosa. Das
sahenjedoch besagte Fische ganz anders. Mit stoischer Ruhe ließen sie das mehr oder weniger hektische Leben der anderen Mitbewohner an sich
vorüber ziehen, ohne selber an irgendwelchen
Streitigkeiten oder Revierkämpfen teilnehmen zu
müssen. Selbst der neue Boss im Becken, ein kapitaler Copadichromis borleyi,,Kadango Red Fin",
akzeptierte die gesonderte Position der ruhebedürfSeite 42 und 44: Der onfönglich schlechte Ernöhrungszustond der Fische wor bold behoben und sie entwickelten sich pröchlig. Dos Mönnchen bildete mit der
Zeit einen imposonlen Stirnbuckel ous
Unten: Weibchen von Cyphotilopio frontoso
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tigen Fremdlinge, die selbst wenig Anteilnahme
am allgemeinen Geschehen zeigten, und somit
auch ihrerseits wenig Beachtung fanden.
Sollte es doch einmal zu Unstimmigkeiten kommen,
so beschränkten sich diese in der Regel auf Scheinattacken mit weit aufgerissenen Mäulern ohne
Feindberührung. Eine Disziplin bei der die C. fron-
tosa mit ihren riesigen Mäulern doch deutliche
Vorteile besaßen. Die Auslöser einer solchen Szenerie waren jedoch ausschließlich die ,,frechen
Malawis". Andererseits konnte ich immer wieder
beobachten, wer in friedlicher Absicht kam, konnte in einer frontosa-Höhle unbedrängt verweilen.
Diese entwickelten sich so zu sagen zu einer Art
,,UNO-Friedenszone" für Verfolgte und Unter-
drückte. Im Speziellen bedeutete dies, je geringer
die Rangfolge in der Gesamtgemeinschaft war,
desto häuhger machte ein Tier von dieser Annehmlichkeit Gebrauch, wie beispielsweise Halbwüchsige oder rangniedrige Weibchen. Besonders maulbrütende Weibchen, die sich in dieser Zeit ohnehin
der Dynamik der Gruppe zu entziehen versuchen,
nutzen oft und gerne diese Orte, um nicht von ihren
Männchen oder konkurrierenden Weibchen belästigt zu werden, und somit Kraft und Energie für
das anstrengende Brutgeschdft zu sparen.
In dem inzwischen vergangenen 3/+ Jabr hat es, was
das Verhalten untereinander betrifft, immer ruhigere und unruhigere Phasen gegeben, wobei letztere
eher die Ausnahme waren. In dieser, so etwa drei
bis fünf Tage andauernden Zeit,war das Männchen
deutlich unruhiger und versuchte immer wieder das
Weibchen in dessen Verstecken aufzuspüren, um es
anschließend durch das gesamte Becken zl jagen.
Diesen Attacken konnte sich das Weibchen jedoch
immer wieder entziehen, da ich Steinaufbauten und
Durchschlüpfe so konstruiert hatte, dass sie vom
Männchen nicht passierbar waren. Die übrigen
Mitbewohner wurden in dieser Zeit ebenso wenig
beachtet wie sonst auch. Etwas das einem Balzverhalten nahe kam, so wie ich es von den ,,Malawis"
und anderen Vertretern der Barschfamilie kannte.
hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht beobachten
können. Insofern war ich umso erstaunter, als das
Weibchen nach einer solchen,,Unruhephase" schon
seit Tagen nicht mehr zur Fütterung erschienen war.
Als ich dann auch den typisch gewölbte Kehlsack
sah, gab es keinen Zuteifel: Es trug zum ersten Mal
Eier im Maul. Die Details wie es zu diesem Ereignis gekommen war, waren mir bis dahin völlig ver-
borgen geblieben. Sollte etwa hier wieder die
bereits von mir am Anfang zitierte Phrase mit der
Jungfrau und dem Kind... Aber nein, das ist ja nun
wirklich eine ganz andere Geschichte. Jedenfalls
lag für mich die Vermutung nahe, es müsse sich
doch wohl leider um unbefruchtete Eier handeln.
Als die Tage vergingen und der Kehlsack auch weiterhin gut gefüllt blieb, wurde ich eines Besseren
belehrt. Also wartete ich gut drei Wochen ab, so
wie ich es von den Malawisee-Cichliden kannte,
um das Weibchen aus dem Becken zu entfernen.
Beim Herausfangen konnte ich aber schon im Netz
in dem riesigen Maul erkennen: Das Larvenstadium war noch nicht abgeschlossen und die Jungfrschchen bestanden noch zum größten Teil aus
Dottersack. Ich entschloss mich, das Weibchen
zurück zlusetzen, da es sehr einfach zu fangen war
und noch einmal eine Woche abzuwarten. Nach
etwa 32 Tägen konnte ich es dann mit etwas sanftem Nachdruck dazu bewegen, die Brut aus dem
Maul zu entlassen. Da es aber in dem kleinen
Separierbecken keine Nahrung aufnehmen wollte,
setzte ich es umgehend ins große Aquarium zurück,
um kein Risiko für Mutter und Nachwuchs einzugehen.
Fortsetzung
folgt
Moulbrütendes Weibchen von Cyphotilopio frontoso
Fotos: Jens Homonn
DCG-lnformotionen 37 l2l,: 42-46
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