SB_39_2008 24.09.2008 7:53 Uhr Seite 37 Ehemaligen-Reise nach Kanada vom 15. bis 30. August Gross, grösser, am grössten Kanada, das Land der grossen Flächen, der unbeschränkten Möglichkeiten, der richtigen Farmer und der Rocky Mountains. Das ist es, was fasziniert. Darum waren die 52 Reiseteilnehmer voller Erwartung, als sie am15. August in Calgary, Provinz Alberta, von Reiseleiter Thomas Ackermann empfangen wurden. Text: Ueli Haltiner Bild: U. Haltiner; Reiseteilnehmer Am Samstag ging es los mit Besuchen von Auslandschweizern. Bei Adrian Hänni sahen wir eine schöne Jersey-Herde. Hänni ist erfolgreicher Züchter, und seine 100 Kühe erbringen eine durchschnittliche Milchleistung von 7500 Kilo mit 5,2 Prozent Eiweiss und 4 Prozent Fett. Er besamt die Tiere mit gesextem Samen, damit er möglichst nur weibliche Käl- ber erhält. Nach kanadischen Verhältnissen ist das eine eher kleine Farm mit «nur» 320 Hektaren Land. Ganz anders der Betrieb von Kurt Wachter. Er kam mit seinen drei Söhnen hierher und hat eine Pferdezucht aufgebaut. Wachter besitzt 15 kostbare Hengste, mit denen jährlich über 150 Stuten gedeckt werden.Alle Stuten werden künstlich besamt. Rund 30 seiner Stuten tragen wertvolle Embryos aus. Ganz andere Strukturen weist die Farm von Max Scherrer auf. Der Toggenburger kam vor 12 Jahren nach Kanada und produziert heute u.a. Heu für den Export nach Japan. Das Heu darf nur aus Timothe-Gras bestehen. Es wird einmal jährlich geschnitten und darf einen Feuchtigkeitsgrad von max. 10 Prozent aufweisen. Die Heuballen werden in einer Spezialpresse verdichtet und in Containern verladen. Unendliche Strassen Während der Fahrt durch die Provinz Alberta faszinierten die geraden Strassen und grossen Ackerflächen, die scheinbar bis zum Horizont reichen. Bevor der «weisse Mann» nach Kanada kam, grasten auf der Prärie Büffelherden. Sie waren die Lebensgrundlage der Indianer. Um die Urbevölkerung zu vertreiben, wurden diese Tiere zu Tausenden abgeschlachtet. Heute werden Büffel wieder gezüchtet, denn sie sind genügsam, ihr Fleisch fettarm und der Cholesteringehalt tief. So hält zum Beispiel Armin Müller auf 800 Hektaren 2500 Büffel. Die Jungtiere werden nach 30 Monaten geschlachtet. Das Fleisch ist teurer als Rindfleisch und wird auch exportiert. Mit dem Besuch von Heini Hehli und seiner Holsteinzucht wurden die Auslandschweizerbesuche vorläufig abgeschlossen. Die 80 Kühe von Hehli erbringen im 37 SB_39_2008 24.09.2008 7:53 Uhr Seite 38 st.galler bauer 39 - 2008 reportage Mastbetrieb mit 15 000 Bullen des Holländers Cor van Raay. Durchschnitt eine Jahresleistung von 11 500 Litern. Er züchtet auch Zuchtstiere für die KB. Getreidesammelstelle Auf dem Betrieb des Holländers Albert Meyer wird Kartoffelsaatgut produziert. Auf 130 Hektaren wachsen rund 5000 Tonnen Kartoffeln, wovon ein namhafter Teil in die USA geht.Die Betriebsfläche beträgt 1100 Hektaren mit einer Fruchtfolge bestehend aus Weizen, Raps, Erbsen, Kartoffeln. Mit einer selbst fahrenden Spritze spritzt Meyer zudem jährlich rund 7000 Hektaren in Lohnarbeiten. In der Nähe von Lacombe besichtigten wir eine nationale Getreidesammelstelle. Sie weist eine Lagerkapazität von 31 000 Tonnen auf und schlägt jährlich 320 000 Tonnen Getreide um. Der grösste Silo fasst 7000 Tonnen. Die Anlieferung erledigen Lastwagen, die mindestens 40 Tonnen Getreide laden können. Der Abtransport erfolgt meist mit der Bahn. Oft kann man Eisenbahnzüge aus 120 Wagen sehen. Melken in drei Schichten Die Milchfarm von Morris und Sandra Thalen zeigte nochmals andere Dimensionen. Thalen startete mit 20 Kühen. Heute umfasst seine Farm 1400 Hektaren, davon 300 Hektaren Ackerland. 700 bis 950 Kühe werden in drei Schichten à sieben Stunden im 32er-Side-byside-Melkstand dreimal täglich gemolken. Die durchschnittliche Milchleistung liegt bei 12 800 Liter. Die Kühe werden nur etwa fünf Jahre alt. Auf dem Betrieb sind 20 Angestellte beschäftigt.Thalens berühmteste Kuh hat 95 Punkte und dreimal den Champion an der Doppelstöckiger Viehtransporter mit 65 Stück Grossvieh. 38 Royalschau gewonnen. Thalen ist ein richtiger Händlertyp. Jährlich handelt er zwischen 11 000 und 16 000 Rinder, also rund 700 Tiere pro Woche. Etwas ruhiger geht es bei Daniel und Anni Schwizer zu. Daniel absolvierte die landwirtschaftliche Schule in Salez und wanderte 1994 aus. 1996 kaufte er eine Farm mit 64 Hektaren und 60 Kühen. Es zeigt sich, dass hier nur mit viel Einsatz und Glück Erfolg zu erzielen war. Bei Schwizers stimmte alles: Heute besitzt er 240 Hektaren (120 Hektaren Futterbau, 120 Hektaren Ackerbau) sowie eine Milchquote von 700 000 Liter Jahresmilch. Ölvorkommen Nun waren wir vorübergehend mit Farmbesuchen eingedeckt. Also unternahmen wir einen Ausflug ins Ölmuseum in Leduc. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts wird in Alberta nach Öl gesucht, aber erst 1947 hatten sie grossen Erfolg. Heute sind die Kanadier Öl-Selbstversorger und versorgen die USA noch mit 18 Prozent ihres Bedarfs. Die Ölförderung beträgt vier Millionen Barrel pro Tag.Trotzdem kostet der Liter Benzin an der Tankstelle umgerechnet Fr. 1.25. In Edmonton machten wir einen Zwischenhalt für die Besichtigung des grössten Einkaufszentrums der Welt. Es umfasst 64 Hektaren und beinhaltet über 800 Läden samt Eisfeld, Schwimmbad und Vergnügungspark. Die vorgegebene Zeit von 21/2 Stunden reichte gerade für einen Rundgang. Thomas Ackermann lud die Reisenden auf seine kleine Farm ein. Alle waren gespannt, wie der SB_39_2008 24.09.2008 7:53 Uhr Seite 39 st.galler bauer 39 - 2008 reportage ehemalige Direktor der landwirtschaftlichen Schule in Kanada lebt. Thomas erklärte auch, dass das Land in lauter Quadrate eingeteilt wurde. Entsprechend sind die Strassen eingeteilt und nummeriert. Verbrannter Wald Schliesslich begaben wir uns zum Banff Nationalpark. Eindrücklich die riesigen Waldflächen und die unberührte Naturlandschaft, auffällig die gewaltigen Flächen von verbranntem Wald. Auf vielen Quadratkilometern waren nur noch Baumleichen zu sehen. Die Brände entstehen durch Blitzschlag und von unvorsichtigen Campern. In der Regel werden sie nicht gelöscht, es sei denn, sie bedrohen Dörfer. Weiter ging es Richtung Fernie. In Sparwood steht der grösste LKW, der je gebaut wurde. Es ist eine Art Kipper mit Mulde, in der Platz für zwei Cars ist. Einige Daten: Eigengewicht 236 Tonnen, Ladegewicht 312 Tonnen, 16 Zylinder, Reiseleiter Thomas Ackermann (ehemaliger Rheinhof-Direktor) mit seiner Familie. 3300 PS, Brennstofftank 3600 Liter, Motorenöl 1262 Liter, Hydrauliköl 1588 Liter. Danach überquerten wir wieder die Grenze und bewegten uns in der Provinz Alberta. Eindrücklich die grossen Felder und vielen Windräder, die unermüdlich Strom produzieren. Rinder, Rinder, Rinder Jetzt war wieder Landwirtschaft angesagt.Auf der Farm von Harry Welsch bekamen wir einen Eindruck, wie in Kanada Rindermastbetriebe aussehen. Auf 3000 Hektaren, davon 1500 Ackerland, hält Welsch 500 Mutterkühe und 6000 Mastrinder. Ein Teil des Ausmast-Futters wird zugekauft, rund 14 000 Tonnen Gerste und Maisabfallprodukte von der Ethanolproduktion. Der Mais enthält immer noch viel Eiweiss, zudem ist er recht billig und lohnend für die Mast. So erzielt er Tageszunahmen von rund 1,5 Kilos. Wenn möglich kauft Welsch Red Angus. Deren Pferche umfassen 27 Hektaren. Jeden Morgen werden die Abteile kontrolliert und kranke Tiere entfernt. Die abgeernteten Getreidefelder werden mit «Roundup» abgespritzt, die neue Saat mit einer 10 Meter breiten Säkombination in den Boden gebracht. Als Zugmaschine dient ein John Deere Schlepper mit 450 PS und Die Reisegruppe in Kanada. 39 SB_39_2008 24.09.2008 7:53 Uhr Seite 40 st.galler bauer 39 - 2008 reportage vier Doppelrädern. Wie überall in Kanada stehen Maschinen im Freien und sind oft fast eingewachsen, bis sie wieder zum Einsatz kommen. Der Grizzly existiert Samstag,23.August.Nun sind wir schon über eine Woche unterwegs. Heute fahren wir durch die Prärie, wo früher Büffel weideten. Beim Buffalo Jump trieben die Indianer Büffelherden in den Abgrund. Dabei starben einige Tiere oder wurden verletzt und konnten so erlegt werden. Noch heute findet man hier Büffelknochen. Eine Fahrt durch den Waterton Nationalpark an der Grenze zur USA tönte vielversprechend. Hier sollte es nämlich Grizzlys geben. Und tatsächlich; nebst Rehen, Wolf und Hirschen sahen wir einen Grizzly mit zwei Jungen in nur 25 Meter Entfernung. Auf der Weiterfahrt konnten wir uns an den riesigen Getreidefeldern und Mastviehfarmen kaum satt sehen. Einer dieser Betriebe war unser nächstes Ziel. Cor van Raay, der 1964 mit 50 Stück Vieh angefangen hat, besitzt heute vier Mastbetriebe. Der kleinste umfasst 15 000 Tiere, die andern drei je 25 000 Stück. Betriebszahlen: Fläche 7600 Hektaren, davon 1500 Hektaren Getreide; 80 Mitarbeiter, Fläche für Tiere (im Freien) ein Quadratkilometer, Länge einer Futterkrippe 800 Meter. Die Tiere werden oft via Satellitenauktionen gekauft und brauchen 120 bis 150 Tage für die Ausmast. Jedes Tier bekommt einen Knopf ins Ohr, damit es jederzeit auffindbar ist, und einen Hormonchip, der die Gewichtszunahme fördert. Mit Pneulader 40 Endlose Strassen und weite Ebenen. und drei Futtermischwagen wird praktisch den ganzen Tag Futter in die Krippen gebracht. Fleischfabrik? In Brooks, unserem nächsten Ziel, befindet sich die grösste Mastfarm:95 000 Tiere auf einer Fläche von vier Quadratkilometern. Neben dem Mastbetrieb steht gleich der Schlachthof. Hier werden täglich in zwei Schichten 5000 Tiere geschlachtet.Wir waren froh, diese Gegend bald verlassen zu können. Der Gestank der «Fleischfabrik» ist fast unerträglich. 1930 baute die Canadian Pacific Railway die Bahnlinie praktisch durch die ganze Prärie. Dafür erhielt sie vom Staat riesige Landflächen auf beiden Seiten der Bahnlinie. Bald wurde klar, dass das Land nur Ertrag bringt, wenn es genug Wasser bekommt. Also wurde ein gigantisches Bewässerungssystem realisiert. Von Stauseen wurde Wasser in grossen Betonkanälen in die Prärie geleitet. Doch die Menge reichte nicht aus und die Betonkanäle zerfielen. Also wurden Erddämme aufgeschüttet und das Wasser so in die Ebene geleitet. Dieses System funktioniert noch heute und man kann gut sehen, welche Farmer ein Wasserrecht besitzen und welche nicht. Das Wasser wird heute meistens mit riesigen Beregnungsmaschinen auf die Kulturen verteilt. Wenn sich eine solche Maschine einmal im Kreis dreht, sind 64 Hektaren bewässert. Viehauktion Wieder in Calgary konnten wir an einer Viehauktion sehen, wie wenig Farmer für ihre Tiere erhalten. Mit den doppelstöckigen Viehwagen werden die Tiere angefahren, meistens über 60 Stück pro Fahrzeug. Die Auktion verläuft so schnell und für uns ungewohnt, dass wir nur dank Anzeigetafel sehen konnten, wie viel, oder besser wie wenig geboten wurde. Der letzte Besuch galt einem Hirsch- und Bisonfarmer. WapitiHirsche werden für die Fleischproduktion gehalten. Heute bringt aber der Verkauf der Geweihe fast mehr Ertrag. Das Büffelfleisch wird ausschliesslich in Gourmetrestaurants geliefert. Nach einem guten Essen in einem solchen Restaurant war es Zeit, den Flugplatz anzufahren. Nach langem Flug konnten wir wohlbehalten Schweizerboden betreten.