Gross, grösser, am grössten

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Ehemaligen-Reise nach Kanada vom 15. bis 30. August
Gross, grösser, am grössten
Kanada, das Land der grossen Flächen, der unbeschränkten Möglichkeiten,
der richtigen Farmer und der
Rocky Mountains. Das ist es,
was fasziniert. Darum waren
die 52 Reiseteilnehmer voller
Erwartung, als sie am15. August in Calgary, Provinz Alberta, von Reiseleiter Thomas Ackermann empfangen
wurden.
Text: Ueli Haltiner
Bild: U. Haltiner; Reiseteilnehmer
Am Samstag ging es los mit Besuchen von Auslandschweizern.
Bei Adrian Hänni sahen wir eine
schöne Jersey-Herde. Hänni ist
erfolgreicher Züchter, und seine
100 Kühe erbringen eine durchschnittliche Milchleistung von
7500 Kilo mit 5,2 Prozent Eiweiss
und 4 Prozent Fett. Er besamt die
Tiere mit gesextem Samen, damit
er möglichst nur weibliche Käl-
ber erhält. Nach kanadischen
Verhältnissen ist das eine eher
kleine Farm mit «nur» 320 Hektaren Land.
Ganz anders der Betrieb von Kurt
Wachter. Er kam mit seinen drei
Söhnen hierher und hat eine
Pferdezucht aufgebaut. Wachter
besitzt 15 kostbare Hengste, mit
denen jährlich über 150 Stuten
gedeckt werden.Alle Stuten werden künstlich besamt. Rund 30
seiner Stuten tragen wertvolle
Embryos aus.
Ganz andere Strukturen weist
die Farm von Max Scherrer auf.
Der Toggenburger kam vor 12
Jahren nach Kanada und produziert heute u.a. Heu für den Export nach Japan. Das Heu darf
nur aus Timothe-Gras bestehen.
Es wird einmal jährlich geschnitten und darf einen Feuchtigkeitsgrad von max. 10 Prozent aufweisen. Die Heuballen werden in
einer Spezialpresse verdichtet
und in Containern verladen.
Unendliche Strassen
Während der Fahrt durch die Provinz Alberta faszinierten die geraden Strassen und grossen Ackerflächen, die scheinbar bis zum
Horizont reichen. Bevor der
«weisse Mann» nach Kanada
kam, grasten auf der Prärie Büffelherden. Sie waren die Lebensgrundlage der Indianer. Um die
Urbevölkerung zu vertreiben,
wurden diese Tiere zu Tausenden
abgeschlachtet. Heute werden
Büffel wieder gezüchtet, denn sie
sind genügsam, ihr Fleisch fettarm und der Cholesteringehalt
tief. So hält zum Beispiel Armin
Müller auf 800 Hektaren 2500
Büffel. Die Jungtiere werden nach
30 Monaten geschlachtet. Das
Fleisch ist teurer als Rindfleisch
und wird auch exportiert.
Mit dem Besuch von Heini Hehli
und seiner Holsteinzucht wurden
die Auslandschweizerbesuche
vorläufig abgeschlossen. Die 80
Kühe von Hehli erbringen im
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Mastbetrieb mit 15 000 Bullen des Holländers Cor van Raay.
Durchschnitt eine Jahresleistung
von 11 500 Litern. Er züchtet
auch Zuchtstiere für die KB.
Getreidesammelstelle
Auf dem Betrieb des Holländers
Albert Meyer wird Kartoffelsaatgut produziert. Auf 130 Hektaren
wachsen rund 5000 Tonnen Kartoffeln, wovon ein namhafter Teil
in die USA geht.Die Betriebsfläche
beträgt 1100 Hektaren mit einer
Fruchtfolge bestehend aus Weizen, Raps, Erbsen, Kartoffeln. Mit
einer selbst fahrenden Spritze
spritzt Meyer zudem jährlich rund
7000 Hektaren in Lohnarbeiten.
In der Nähe von Lacombe besichtigten wir eine nationale Getreidesammelstelle. Sie weist eine
Lagerkapazität von 31 000 Tonnen auf und schlägt jährlich
320 000 Tonnen Getreide um. Der
grösste Silo fasst 7000 Tonnen.
Die Anlieferung erledigen Lastwagen, die mindestens 40 Tonnen Getreide laden können. Der
Abtransport erfolgt meist mit der
Bahn. Oft kann man Eisenbahnzüge aus 120 Wagen sehen.
Melken in drei Schichten
Die Milchfarm von Morris und Sandra Thalen zeigte nochmals andere Dimensionen. Thalen startete
mit 20 Kühen. Heute umfasst seine Farm 1400 Hektaren, davon
300 Hektaren Ackerland. 700 bis
950 Kühe werden in drei Schichten
à sieben Stunden im 32er-Side-byside-Melkstand dreimal täglich
gemolken. Die durchschnittliche
Milchleistung liegt bei 12 800 Liter.
Die Kühe werden nur etwa fünf
Jahre alt. Auf dem Betrieb sind
20 Angestellte beschäftigt.Thalens
berühmteste Kuh hat 95 Punkte
und dreimal den Champion an der
Doppelstöckiger Viehtransporter mit 65 Stück Grossvieh.
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Royalschau gewonnen. Thalen ist
ein richtiger Händlertyp. Jährlich
handelt er zwischen 11 000 und
16 000 Rinder, also rund 700 Tiere
pro Woche.
Etwas ruhiger geht es bei Daniel
und Anni Schwizer zu. Daniel absolvierte die landwirtschaftliche
Schule in Salez und wanderte
1994 aus. 1996 kaufte er eine
Farm mit 64 Hektaren und 60 Kühen. Es zeigt sich, dass hier nur
mit viel Einsatz und Glück Erfolg
zu erzielen war. Bei Schwizers
stimmte alles: Heute besitzt er
240 Hektaren (120 Hektaren Futterbau, 120 Hektaren Ackerbau)
sowie eine Milchquote von
700 000 Liter Jahresmilch.
Ölvorkommen
Nun waren wir vorübergehend mit
Farmbesuchen eingedeckt. Also
unternahmen wir einen Ausflug ins
Ölmuseum in Leduc. Seit Anfang
des 20. Jahrhunderts wird in Alberta nach Öl gesucht, aber erst 1947
hatten sie grossen Erfolg. Heute
sind die Kanadier Öl-Selbstversorger und versorgen die USA noch
mit 18 Prozent ihres Bedarfs. Die
Ölförderung beträgt vier Millionen
Barrel pro Tag.Trotzdem kostet der
Liter Benzin an der Tankstelle umgerechnet Fr. 1.25.
In Edmonton machten wir einen
Zwischenhalt für die Besichtigung des grössten Einkaufszentrums der Welt. Es umfasst 64
Hektaren und beinhaltet über
800 Läden samt Eisfeld,
Schwimmbad und Vergnügungspark. Die vorgegebene Zeit von
21/2 Stunden reichte gerade für
einen Rundgang.
Thomas Ackermann lud die Reisenden auf seine kleine Farm ein.
Alle waren gespannt, wie der
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ehemalige Direktor der landwirtschaftlichen Schule in Kanada
lebt. Thomas erklärte auch, dass
das Land in lauter Quadrate eingeteilt wurde. Entsprechend sind
die Strassen eingeteilt und nummeriert.
Verbrannter Wald
Schliesslich begaben wir uns zum
Banff Nationalpark. Eindrücklich
die riesigen Waldflächen und die
unberührte Naturlandschaft, auffällig die gewaltigen Flächen von
verbranntem Wald. Auf vielen
Quadratkilometern waren nur
noch Baumleichen zu sehen. Die
Brände entstehen durch Blitzschlag und von unvorsichtigen
Campern. In der Regel werden sie
nicht gelöscht, es sei denn, sie bedrohen Dörfer.
Weiter ging es Richtung Fernie. In
Sparwood steht der grösste LKW,
der je gebaut wurde. Es ist eine
Art Kipper mit Mulde, in der Platz
für zwei Cars ist. Einige Daten: Eigengewicht 236 Tonnen, Ladegewicht 312 Tonnen, 16 Zylinder,
Reiseleiter Thomas Ackermann
(ehemaliger Rheinhof-Direktor)
mit seiner Familie.
3300 PS, Brennstofftank 3600 Liter, Motorenöl 1262 Liter, Hydrauliköl 1588 Liter.
Danach überquerten wir wieder
die Grenze und bewegten uns in
der Provinz Alberta. Eindrücklich
die grossen Felder und vielen
Windräder, die unermüdlich
Strom produzieren.
Rinder, Rinder, Rinder
Jetzt war wieder Landwirtschaft
angesagt.Auf der Farm von Harry
Welsch bekamen wir einen Eindruck, wie in Kanada Rindermastbetriebe aussehen. Auf 3000
Hektaren, davon 1500 Ackerland,
hält Welsch 500 Mutterkühe und
6000 Mastrinder. Ein Teil des Ausmast-Futters wird zugekauft,
rund 14 000 Tonnen Gerste und
Maisabfallprodukte von der Ethanolproduktion. Der Mais enthält
immer noch viel Eiweiss, zudem
ist er recht billig und lohnend für
die Mast. So erzielt er Tageszunahmen von rund 1,5 Kilos.
Wenn möglich kauft Welsch Red
Angus. Deren Pferche umfassen
27 Hektaren. Jeden Morgen
werden die Abteile kontrolliert
und kranke Tiere entfernt. Die
abgeernteten
Getreidefelder
werden mit «Roundup» abgespritzt, die neue Saat mit einer
10 Meter breiten Säkombination in den Boden gebracht. Als
Zugmaschine dient ein John
Deere Schlepper mit 450 PS und
Die Reisegruppe in Kanada.
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vier Doppelrädern. Wie überall
in Kanada stehen Maschinen im
Freien und sind oft fast eingewachsen, bis sie wieder zum
Einsatz kommen.
Der Grizzly existiert
Samstag,23.August.Nun sind wir
schon über eine Woche unterwegs. Heute fahren wir durch die
Prärie, wo früher Büffel weideten.
Beim Buffalo Jump trieben die Indianer Büffelherden in den Abgrund. Dabei starben einige Tiere
oder wurden verletzt und konnten
so erlegt werden. Noch heute findet man hier Büffelknochen.
Eine Fahrt durch den Waterton
Nationalpark an der Grenze zur
USA tönte vielversprechend. Hier
sollte es nämlich Grizzlys geben.
Und tatsächlich; nebst Rehen,
Wolf und Hirschen sahen wir einen Grizzly mit zwei Jungen in
nur 25 Meter Entfernung.
Auf der Weiterfahrt konnten wir
uns an den riesigen Getreidefeldern und Mastviehfarmen kaum
satt sehen. Einer dieser Betriebe
war unser nächstes Ziel. Cor van
Raay, der 1964 mit 50 Stück Vieh
angefangen hat, besitzt heute
vier Mastbetriebe. Der kleinste
umfasst 15 000 Tiere, die andern
drei je 25 000 Stück. Betriebszahlen: Fläche 7600 Hektaren, davon 1500 Hektaren Getreide; 80
Mitarbeiter, Fläche für Tiere (im
Freien) ein Quadratkilometer,
Länge einer Futterkrippe 800
Meter. Die Tiere werden oft via
Satellitenauktionen gekauft und
brauchen 120 bis 150 Tage für
die Ausmast. Jedes Tier bekommt
einen Knopf ins Ohr, damit es jederzeit auffindbar ist, und einen
Hormonchip, der die Gewichtszunahme fördert. Mit Pneulader
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Endlose Strassen und weite Ebenen.
und drei Futtermischwagen wird
praktisch den ganzen Tag Futter
in die Krippen gebracht.
Fleischfabrik?
In Brooks, unserem nächsten Ziel,
befindet sich die grösste Mastfarm:95 000 Tiere auf einer Fläche
von vier Quadratkilometern. Neben dem Mastbetrieb steht gleich
der Schlachthof. Hier werden täglich in zwei Schichten 5000 Tiere
geschlachtet.Wir waren froh, diese Gegend bald verlassen zu können. Der Gestank der «Fleischfabrik» ist fast unerträglich.
1930 baute die Canadian Pacific
Railway die Bahnlinie praktisch
durch die ganze Prärie. Dafür erhielt sie vom Staat riesige Landflächen auf beiden Seiten der
Bahnlinie. Bald wurde klar, dass
das Land nur Ertrag bringt, wenn
es genug Wasser bekommt. Also
wurde ein gigantisches Bewässerungssystem realisiert. Von
Stauseen wurde Wasser in grossen Betonkanälen in die Prärie
geleitet. Doch die Menge reichte
nicht aus und die Betonkanäle
zerfielen. Also wurden Erddämme aufgeschüttet und das Wasser so in die Ebene geleitet. Dieses System funktioniert noch
heute und man kann gut sehen,
welche Farmer ein Wasserrecht
besitzen und welche nicht. Das
Wasser wird heute meistens mit
riesigen Beregnungsmaschinen
auf die Kulturen verteilt. Wenn
sich eine solche Maschine einmal
im Kreis dreht, sind 64 Hektaren
bewässert.
Viehauktion
Wieder in Calgary konnten wir an
einer Viehauktion sehen, wie wenig Farmer für ihre Tiere erhalten.
Mit den doppelstöckigen Viehwagen werden die Tiere angefahren,
meistens über 60 Stück pro Fahrzeug. Die Auktion verläuft so
schnell und für uns ungewohnt,
dass wir nur dank Anzeigetafel sehen konnten, wie viel, oder besser
wie wenig geboten wurde.
Der letzte Besuch galt einem
Hirsch- und Bisonfarmer. WapitiHirsche werden für die Fleischproduktion gehalten. Heute
bringt aber der Verkauf der Geweihe fast mehr Ertrag. Das Büffelfleisch wird ausschliesslich in
Gourmetrestaurants geliefert.
Nach einem guten Essen in einem solchen Restaurant war es
Zeit, den Flugplatz anzufahren.
Nach langem Flug konnten wir
wohlbehalten Schweizerboden
betreten.
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