aufsichtsrat_4-07.qxp 03.08.2007 09:16 Seite 29 Ethik in der Wirtschaft und orientieren sich auch in Baissephasen an ihrer relativen Performance zur Benchmark. Risikobegrenzende Ansätze sind in der Regel nicht vorgesehen. Ein Aufholen der dadurch verursachten Verluste kann sehr lange dauern. Mit Hilfe von Financial Planning und Money Management kann das Risiko für die Stiftung berechnet werden. Auch im Worst Case, d. h. bei Verlust des Risikokapitals, besteht die Stiftung in der Substanz weiter. Zur Absicherung des Stiftungsvermögens können verschiedene Portfolio-Insurance-Konzepte mit und ohne Einsatz derivativer Instrumente verwendet werden. Präsentation und Berichterstattung der einzelnen Vermögensverwalter hat nach Global Performance Presentation Standards zu erfolgen, wobei aber länderspezifische Unterschiede zu beachten sind. Die tägliche Überwachung der Veranlagungsvorschriften durch Depotbank und Kapitalanlagegesellschaft ist zwar möglich, kann aber bei Aufteilung auf mehrere Vermögensverwalter zu Koordinierungsproblemen führen. Überlegenswert erscheint eine „In-HouseSpiegelung“ der Daten aller Vermögensverwalter. Ein Gesamtüberblick und ein Sofortzugriff ist dadurch gewährleistet. Peter Heintel Ethik in der Wirtschaft „Der Aufsichtsrat von Siemens hat dem Vorstandsvorsitzenden nahegelegt zurückzutreten“, hören wir aus den Nachrichten aller Medien; die Bestechungsaffären fordern ihr „Opfer“. Der Imageschaden soll nicht noch größer werden. „Die Summe, zu der der Vorstandssprecher der Deutschen Bank verurteilt wurde, ist lächerlich niedrig“, liest man in Zeitungen, woraufhin die Richter und Anwälte aufklärend zur Kenntnis bringen, dass es sich rein rechtlich ohnehin um den Höchstbetrag handelt. Auf der anderen Seite entdecken immer mehr Unternehmen CSR (Corporate Social Responsibility), lassen ihre Wertregulative zertifizieren und auch Banken versichern uns, dass immer mehr Kunden als Anleger nachfragen, wie denn das Portfolio der Unternehmen aussieht, ob sie in der Rüstungsindustrie beteiligt sind, wie sie es mit Kinderarbeit und Patentierungen halten usw. Ist die Ethik in die Wirtschaft eingekehrt? Die Einschätzungen gehen hier stark auseinander und polarisieren. Die Kritiker versuchen uns zu versichern, dass das Ganze Etikettenschwindel ist. Ethische Grundsätze, Leitbildformulierungen in diese Richtung, CSR usw. dienen ausschließlich der Imageverbesserung, der PR, um vielleicht mögliche Wettbewerbsvorteile zu lukrieren. Die Befürworter sehen das anders. Sie orten ein ethisches Defizit sowohl in der Gesellschaft als auch in rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen und ziehen daraus den Schluss, dass in dieser Lage eines Vakuums eben auch die Wirtschaft und das Management ihren Teil der Verantwortung übernehmen müssen. Genau dazwischen stehen jene Positionen, die einem „Na und?“ anhängen. Wenn das Hereinnehmen ethischer Grundsätze, die Orientierung an Werten, die für die innere Logik eines Unternehmens nicht selbstverständlich sind, einen Wettbewerbsvorteil bringen, umso besser, schließlich soll Ethik an das Wirtschaftssystem anschlussfä- hig werden; und wenn Kunden das schätzen, zeigt sich auf diesem Weg, dass Wirtschaft sich dem Thema wird stellen müssen.„Klassisch“ neoliberale Positionen finden diese Debatte weitgehend überflüssig und konstruiert: Ein Unternehmen handelt ihrer Ansicht nach „ethisch“, wenn es einen möglichst hohen Gewinn macht, damit das Überleben des Unternehmens sichert, Arbeitsplätze erhält, Standorte befestigt, schließlich auch gute Produkte liefert. Allerdings geben einige von ihnen zu, dass (politische, rechtliche) Rahmenbedingungen notwendig sind, die auch für ethische „Auflagen“ zu sorgen hätten. In einer globalisierten Wirtschaft fielen allerdings die traditionellen nationalstaatlichen Instanzen und Autoritäten immer mehr aus, was eben zu den beobachtbaren „moralischen Entgleisungen“ in der Wirtschaft führen könne. Nun ist etwas aus unserer Geschichte zu lernen: Wenn Institutionen, Autoritäten für Wertsetzungen und deren Durchsetzung zu schwach 4/2007 Aufsichtsrat aktuell Univ.-Prof. Dr. Peter Heintel lehrt am Institut für Interventionsforschung und kulturelle Nachhaltigkeit der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt und ist Mitglied der Institutskonferenz des Instituts für Philosophie und Gruppendynamik. 29 aufsichtsrat_4-07.qxp 03.08.2007 09:17 Seite 30 Ethik in der Wirtschaft Soll Ethik in modernem Sinn in unserer Wirtschaft und unseren Unternehmen Einzug halten, wird es nicht genügen, das Eigene zu verteidigen und das eine oder andere „Zusätzliche“ zu erlauben, es wird „Grundsätzlicheres“ notwendig. 30 werden, entsteht zunächst ein Orientierungsvakuum, das entweder dazu führt, dass man neue Institutionen schafft (oder alte „rehabilitiert“) oder selbst die ethischen Aufgaben übernimmt. Letzteres kann man daran bemerken, dass sich nicht bloß die Wirtschaft ihrer annimmt, sondern an allen Ecken und Enden der „ethische Diskurs“ sich zu etablieren beginnt: Es gibt „Medizinethik“, Bioethik, Tierethik, Forschungsethik usw. Ethische Fragestellungen und Probleme werden von den einzelnen Systemen selbst übernommen; man nennt dies in der Folge „Selbstbestimmung“, „Autonomie“; schließlich verdanken wir das Recht auf unsere individuelle Selbstbestimmung im Sinne des Gewissens auch einer „religiösen Resignation“, dem Verlust der Macht der einen Kirche und dem plötzlichen Auftreten vieler nebeneinander. Was dem Individuum zugebilligt wurde, scheint jetzt Kollektive, Systeme zu erreichen. Auf ein Orientierungsvakuum kann verschieden reagiert werden. Man sucht erstens nach neuen (oder alten) Institutionen, die Vorgaben machen sollen, lehnt also eigene Zuständigkeiten ab. Instanzen sind heute im Wesentlichen immer noch Kirchen und Religionsgemeinschaften, häufiger aber Politik, Recht und Wissenschaft. Eigenverantwortung wird delegiert, es gibt aber eine gewisse Bereitwilligkeit, sich den erarbeiteten Vorgaben zu unterwerfen. Eine gegenteilige Reaktion ist zweitens ebenso bemerkbar. Das Fehlen von normsetzenden Autoritäten kann für eigene „Freiheiten“ ausgenützt werden. Dies wiederum führt zu einer Entgrenzung eigener Systemlogiken, d. h. zum bedingungslosen Verfolg seiner Möglichkeiten, denen gegenüber sich kaum ein wirksamer Widerstand entgegenstellt („von außen“ bekommt dieses Vorgehen die bekannten Negativprädikate wie „Raubtierkapitalismus“, „Heuschrecken“, das Unwort des Jahres „Entlassungsproduktivität“ etc. und es formiert sich weltweit organisierte Gegnerschaft, die sich bei G8-Gipfel massenhaft versammelt). Nun gehört zu den immanenten Werten unseres Wirtschaftssystems Konkurrenz, Wettbewerb, Gewinn(en), Expansion, Markteroberungen, Investitionen an jenen Plätzen, wo man sich dafür den meisten Erfolg verspricht. Das Ausnützen der „Freiheiten“ begünstigt und forciert die Durchsetzung dieser Werte. Und hier schlägt Freiheit in Zwang um: Die Wirtschaft besteht aus vielen einzelnen Unternehmen, die in diesem Sog mitschwimmen müssen, selbst wenn sie etwas anderes wollten. So hört man dann: „Ich bin ja nicht die Caritas“, oder: „Wenn ich nicht mitspiele, bin ich demnächst weg vom Markt bzw. Kaufobjekt für andere“ – Aussagen, die aus dem System heraus schwer widerlegbar sind. Sie lassen allerdings folgenden Schluss zu: Die EntAufsichtsrat aktuell 4/2007 grenzung von – immer beschränkten und einseitigen – Systemlogiken führt zu einer Selbstversklavung, heute eher unter dem Namen „Sachzwang“ bekannt. Das Fatale daran ist, dass man Steuerungsmöglichkeiten aus der Hand geben muss. Was sich also zunächst als „Freiheit“ so schön anhört, offenbart sich als „Zauberlehrlingssyndrom“ – wir bekommen „den Besen nicht mehr in seine Ecke“. Schließlich und drittens sieht man sich doch immer mehr veranlasst, sich „Selbstbegrenzungen“ seiner Freiheiten zu überlegen, d. h. aber nichts anderes, als zunächst „systemfremde“ Wertaspekte zuzulassen, zumindest sich zu fragen, ob man nicht da oder dort „Abfederungen“ der Gewaltsamkeit der Systemlogiken zulassen oder durchführen könnte. Auferlegte „Selbstbegrenzungen“ (z. B. keine Kinderarbeit, Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialstandards auch dort, wo man sie leicht umgehen kann, Fair-Trade-Prinzipien, Zulassung von gewerkschaftlichen Strukturen, wo sie nicht vorgeschrieben sind, Unterstützung von Sozialprogrammen) sind Ergebnis „kollektiver Selbstbestimmung“, die offensichtlich wahrzunehmen ist, wo die Reaktion 1 nicht hilft (Politik und Recht sind viel zu sehr nur im eingegrenzten nationalstaatlichen Bereich wirksam, während sich die Wirtschaft mit globalen Rahmenbedingungen befassen muss, und wissenschaftliche Expertise muss erst einmal einen „Boden“ für Anwendung und Umsetzung finden, zumal wenn sie etwas anderes sagt, als das, was zum jeweiligen System passt, abzulesen an der mühsamen Klima- und Nachhaltigkeitsdebatte). Im Zusammenhang mit ethischen Themen stellt sich übrigens noch eine zusätzliche Problematik ein: Kann es Experten geben, die von sich aus wissen, was für andere Menschen und ihre Systeme „gut“ ist? Dem so genannten Wertepluralismus und -relativismus, dem Wertewandel und der Einsicht in interkulturelle „Diversity“ verdanken wir neben aller Verunsicherung jedenfalls aber eines: die Skepsis gegenüber vorschreibendem Expertenwissen auf diesem Gebiet, also auch gegenüber aller „Fremdbestimmung“, der wir uns zu unterwerfen hätten. Die „Wahrheit des Guten“ kann offensichtlich in keiner Form mehr „monopolisiert“ beansprucht werden. Dies hat allerdings auch die Konsequenz, dass „Selbstbestimmung“ notwendig wird und zwar nicht nur individuell, wo die Reaktion 2 in Systemwillkür führt, die sich umso nachhaltiger auswirkt, je mächtiger das System ist; und das ist nun einmal die Wirtschaft. Ein Indiz dafür ist ihr Einfluss auf alle anderen gesellschaftlichen „Subsysteme“, ja deren „Durchdringung“. D. h. nicht, dass nicht auch in diesen ökonomisch gehandelt, „redlich“ gewirtschaftet werden soll. Durchgängige „Verbetriebswirt- aufsichtsrat_4-07.qxp 03.08.2007 09:17 Seite 31 Ethik in der Wirtschaft schaftlichungen“ des Gesundheits-, Sozial- und des Bildungssystems verfehlen aber ihren „Gegenstand“ und führen in seltsame „Hybride“. Nun gehört es zur „Ausdifferenzierung“ unserer modernen Gesellschaft, dass sie die unterschiedlichen Aufgabenfelder ebenso dafür spezialisierten unterschiedlichen Systemen und Organisationen zugewiesen hat. Gemäß ihrer Aufgaben und zugewiesenen „Gegenstände“ (z. B. Recht, Bildung, Soziales, Gesundheit) repräsentieren sie auch unterschiedliche „Wertfiguren“. Wenn diese an Schnittstellen sozusagen „in Kontakt“ kommen, werden Widersprüche relevant (der Schutz der Gesundheit ist nicht immer kompatibel mit dem verlangten Einsatz seiner Arbeitskraft, Sozialarbeit kostet eher als sie Gewinne bringt und ihre Qualität unterliegt anderen Messbarkeitskriterien, und das Einrichten von Hospizen, die einen würdigen Abschied aus unserem Leben organisieren und betreuen wollen, „rechnet“ in anderen Maßstäben). D. h. nun überhaupt nicht, dass nicht auch das Wirtschaftssystem eine bestimmte „Wertfigur“ darstellt. Schließlich verdanken wir ihrem Funktionieren Existenzsicherung, vielerlei Entlastung von äußeren Zwängen, Reichtum, Produktvielfalt, Bequemlichkeiten usw. Was übrigens in wirtschaftsethischen Debatten sehr oft zu kurz kommt, ist gerade die Akzeptanz und Analyse dieser Wertfigur und der ihr zugrunde liegenden Vorentscheidungen. In ihr wurden neuerlich und werden bestimmte Werte ausgezeichnet, andere eher vernachlässigt oder sogar ausgeschlossen. Somit ist jede systembezogene Wertfigur funktional und aufgabenorientiert eingegrenzt, einseitig, unvollständig. Wo aber an den Schnittstellen und Überlagerungen Widersprüche und Konflikte auftreten, praktizieren wir nur allzu oft traditionelle Reaktionsmuster. Eines davon ist die „Hierarchisierung“. Wir versuchen es im Wertsystem mit Über- und Unterordnungen: Was ist wichtiger, wertvoller, was muss sich wem fügen? Es ist aber sinnlos, Werte der Gewinnmaximierung gegen Werte der Lebensqualität auszuspielen und umgekehrt. Wir werden die „Gleichberechtigung“ unterschiedlicher Wertfiguren langsam zur Kenntnis neh- men und uns um Organisationsformen kümmern müssen, in denen „Widerspruchsmanagement“ für Ausgleich und Balancen sorgt; in denen unterschiedliche Wertsetzungen erst auch zu ihrem Recht kommen. Wenn aber insbesondere in ethischen Fragen „kollektive Selbstbestimmung“ notwendig wird, kann gefragt werden, was denn so etwas konkret heißt bzw. in welcher Form sie stattfinden kann. Selbstbestimmung heißt nämlich auch, die Normen und Werte des eigenen Systems auf ihre Tauglichkeit und ihre Grenzen hin zu beobachten und zu überlegen. Soll also Ethik in modernem Sinn in unserer Wirtschaft und unseren Unternehmen Einzug halten, wird es nicht genügen, das Eigene zu verteidigen und das eine oder andere „Zusätzliche“ zu erlauben, es wird „Grundsätzlicheres“ notwendig. Dieses kommt aber ohne Pathos, eher „mit leisen Sohlen“. Es geht nämlich um etwas relativ Einfaches, Einsichtiges, allerdings ebenso Konsequenzenreiches. Zunächst muss eine „ständige“ Differenz ermöglicht werden, in der ethische Fragen Platz bekommen. In der einfachsten Form heißt das „Veranstaltungen“ institutionalisieren, in denen „allerorts“ die klassische Frage „nach dem Guten“ gestellt werden kann: Sie lautet ganz schlicht: „Wollen wir alles so, wie wir uns es eingerichtet haben?“ Ethik bringt im „Sein“ („Sachzwang“) wieder unser Wollen zur Geltung. Es genügt aber nicht, dies bloß anlassbezogen, ad hoc, zu unternehmen. Es bedarf dies einer inneren Institutionalisierung gegenüber einer früher äußeren. Der Ethikdebatten hätten wir in „frei“ floatierender Weise ohnehin genug. Es fehlt aber weitgehend ihre Verankerung, so bleibt vieles an wichtigen Fragestellungen ausgelagert und damit wirkungslos; verendet in appellativem Pathos oder wirkungsloser Expertendiskussion. Ersteres meint, an die Stelle der Autorität der alten Institutionen getreten zu sein, sein „moralischer Zeigefinger“ wirkt aber eher „kontraproduktiv“. Überhaupt ist festzustellen, dass die „Aura“, die Ethik umgibt, ihr eher schadet als nützt. Allzu oft treten ihre Vertreter nämlich mit dem Gehabe auf, die „besseren“ Menschen zu sein. 4/2007 Aufsichtsrat aktuell 31