Einführung in die Kern- und Teilchenphysik I Vorlesung 17 14.01.2014 Teilchenphysik: fundamentale Teilchen und Wechselwirkungen Theoretische Grundlagen der Teilchenphysik Die Teilchenphysik war wegführend in der Entwicklung des sogenannten Standard-Modells, welches das Ziel hat, die Welt auf fundamentalstem Niveau zu beschreiben. Theoretische Grundlagen der Teilchenphysik Quantenmechanik (Heisenberg, Schrödinger, Dirac, …, 1920er Jahre) Spezielle Relativitätstheorie (Einstein, 1905) Moderne Theorien in der Teilchenphysik: Quantenfeldtheorie (QFT) Erwin Schrödinger Werner Heisenberg Lorentzinvarianz Quantisierte Felder (also: Felder = quantenmechanische Operatoren) Physikalische Teilchen = Anregungen (Quanten) der Felder Paul A. M. Dirac Albert Einstein [nobelprize.org] Theoretische Grundlagen der Teilchenphysik Dirac: Teilchen und Antiteilchen If we accept the view of complete symmetry between positive and negative electric charge so far as concerns the fundamental laws of Nature, we must regard it rather as an accident that the Earth (and probably the whole solar system) contains a preponderance of negative electrons and positive protons. It is quite possible that for some of the stars it is the other way about, those stars being built up mainly of positrons and negative protons. In fact, there may be half the stars of each kind. The two kinds of stars would both show exactly the same spectrum, and there would be no way to distinguishing them by present astronomical methods. - May 1931 C symmetry should be accepted as a first principle Dirac Nobel lecture, 1933 Teilchen und Antiteilchen Jedes Teilchen besitzt ein Antiteilchen Einige Eigenschaften sind entgegengesetzt (z.B. Ladung). Manchmal ist das Teilchen sein eigenes Antiteilchen (z.B. π0). (→ Quarkzusammensetzung) Einige Antiteilchen haben ihren eigenen Namen (z.B. Positron: e +). Andere Antiteilchen werden mit einem Strich markiert (e.g. p ). Wie beobachtet man Antiteilchen? E = mc2 Albert Einstein Umwandlung von Masse in Energie m E Kernfusion Die Teilchen verschwinden nicht, sondern werden nur leichter. Der umgekehrte Prozess: m E Umwandlung von Energie in Materie. Eine Energieform ist Bewegungsenergie. Beschleunigung von Teilchen führt zu Bewegungsenergie. Ekin + 9 eV (Bewegungs-)Energie erzeugt (Teilchen-)Masse E = mc2 Antimaterie Produktion Wenn hochenergetische Teilchen kollidieren, geht 50% aller neu erzeugten Masse in Antimaterie Ich kann ein Teilchen nur mit seinem “Negativ” dem Antiteilchen - erzeugen oder vernichten. (Anti)-Materie ist die effektivste Form von Energiespeicherung, denn sie vernichtet sich zusammen mit Materie zu reiner Energie. Experimentelle Entdeckungen 1960er Jahre: Ein ganzer Teilchen-Zoo Entdeckung vieler weiterer „Elementarteilchen”, Klassifizierung der Teilchen Klassifikationsschema benötigt (analog zu Mendeleevs Periodensystem der Elemente): Bausteine der “Elementarteilchen”: Quarks (Gell-Mann, 1964) Fundamentaldarstellung der Flavor-SU(3): 3 Quarks (u = up, d = down, s = strange) Multipletts von Mesonen und Baryonen: Darstellungen der Flavor-SU(3) Mesonen sind Kombinationen aus Quarks und Antiquarks Baryonen bestehen aus 3 Quarks (Beispiel: Nukleonen) → für Baryonen gilt eine Erhaltungszahl Substruktur nicht-elementarer Teilchen Quark-Hypothesen-Bestätigung durch tief-inelastische Streuexperimente von Leptonen an Protonen: Substruktur nicht-elementarer Teilchen Theoretische Interpretation: •Substruktur = „Partonen” Richard Feynman d.h. punktförmige Spin-1/2-Teilchen (Feynman, 1969) Partonen = Quarks (Bjorken, Paschos, 1969) James Bjorken Emmanuel Paschos Eigenschaften von Quarks Zusammengesetzte Teilchen (z.B. p,n,π) bestehen aus Quarks. Quarks sind die fundamentalen Teilchen. Quarks existieren in 3 Generationen mit 6 “flavors”: Flavors: u,d,c,s,t,b 1. Generation 2. Generation 3. Generation Bildquelle: Wikipedia Eigenschaften von Quarks mu ~ 5 MeV/c2 md ~ 8 MeV/c2 ms ~ 150 MeV/c2 mc ~ 1300 MeV/c2 mb ~ 4200 MeV/c2 mt ~ 174000 MeV/c2 Quarks sind Fermionen (Spin 1/2). Quarks besitzen sehr unterschiedliche Massen: Quarks besitzen Drittelladung: +2/3 and -1/3. Antiquarks haben den gleichen Spin aber entgegengesetzte Ladung. Freie Quarks wurden noch nie beobachtet. Materie: Kombinationen von qq Meson qqq Baryon Eigenschaften von Quarks mu ~ 2 MeV/c2 md ~ 5 MeV/c2 ms ~ 95 MeV/c2 mc ~ 1300 MeV/c2 mb ~ 4200 MeV/c2 mt ~ 174000 MeV/c2 Masse der Top-Quarks entspricht ≈ Kernasse 197Au Proton (grau) und Elektron (rot) Proton (uud) (2 + 2 + 5) MeV/c2 → 938 MeV/c2 mehr dazu später Eigenschaften von Leptonen Leptonen sind strukturlose punktförmige Teilchen. Leptonen existieren in 3 Generationen mit 6 “Flavors”: 1. Generation 2. Generation 3. Generation geladen ungeladen Bildquelle: Wikipedia Eigenschaften von Leptonen Die Leptonenfamilien werden durch die Leptonenzahl unterschieden. e- und νe: Le = +1 ; Lµ, Lτ = 0 µ- und νµ: Lµ = +1 ; Le, Lτ = 0 τ - und ντ: Lτ = +1 ; Le, Lµ = 0 e+ und νe: Le = -1 ; Lµ, Lτ = 0 µ+ und νµ: Lµ = -1 ; Le, Lτ = 0 τ + und ντ: Lτ = -1 ; Le, Lµ = 0 Die Leptonenzahl ist immer erhalten (experimentelle Tatsache). µ– → e – ν e νµ τ – → µ– νµ ντ Die Suche nach der Verletzung der Leptonenzahl: µ– → e – e + e – µ– → e – γ Keine Verletzung auf einem Niveau von 10-11 - 10-12. Weitere Erhaltungsgrößen Die fundamentalen Teilchen (Quarks, Leptonen) haben Spin 1/2 Fermionen: Spin 1/2 Teilchen, folgen der Fermistatistik Bosonen: Ganzzahlige Spinteilchen, folgen Bosestatistik Einzelne Fermionen können weder erzeugt noch zerstört werden. (Erhaltungsssatz) Fermionen werden zusammen mit Antifermionen erzeugt oder zerstört. Fermionzahl +1 Fermionzahl -1 Die Baryonenzahl ist erhalten. Mesonenzahl nicht, da Mesonen immer Fermion-Antifermion-Paar Die fundamentalen Teilchen im Standardmodell Bildquelle: Wikipedia Die fundamentalen Kräfte im Standardmodell γ Elektromagnetische Kraft Schwache Kraft p + p → d + e+ + ν e Starke Kraft Gravitation Die fundamentalen Kräfte im Standardmodell Die Naturgesetze lassen sich durch nur 4 Wechselwirkungen beschreiben. Gravitation Wirkt auf alle Teilchen mit Masse ~ Masse der Teilchen sehr schwach für m ~ 10-30 kg Findet keine Berücksichtigung in der Kern- und Teilchenphysik. Makroskopisch dominant: unendliche Reichweite nicht abschirmbar (keine “Antimasse”) Die fundamentalen Kräfte im Standardmodell Die Wechselwirkung zwischen Teilchen Welle Teilchen Kraftfelder Teilchen (Eichbosonen) = elektromagnetisches Feld γ Die fundementalen Kräfte im Standardmodell Beispiel: elektromagnetische Wechselwirkung durch Austausch von Photonen Eichboson: Photon. Wechselwirkung zwischen geladenen Teilchen. Auf die starke und schwache Wechselrikung wird im Folgenden näher eingegangen. Starke Wechselwirkung Die fundamentalen Teilchen der starken Wechselwirkung sind Quarks und Gluonen. Starke Wechselwirkung Wenn man beobachtete Teilchen nach ihrem Quarkinhalt im Rahmen des Quarkmodells klassifiziert, so gibt es Teilchen, die 3 gleiche Quarks enthalten: z. B. Δ- Baryon: Quarkinhalt |ddd> Ω– Baryon: Quarkinhalt |sss> Die Quarks (als Fermionen) müssen sich jedoch in mindestens einem Freiheitsgrad unterscheiden ( es sind aber nur 2 Spineinstellungen möglich). ➥ eine neue weitere Quantenzahl wird benötigt Starke Wechselwirkung Fritzsch, Gell-Mann, Leutwyler (1973): Farb-SU(3) Starke Wechselwirkung als SU(3)-Eichtheorie fur̈ Quarks Austauschteilchen: 8 Gluonen Quarks und Gluonen tragen „Farbladung” → Quantenchromodynamik (QCD) Bei niedrigen Energien: „Confinement”→ keine freien Quarks Starke Wechselwirkung Wechselwirkung zwischen Farbladungen. Hält die Quarks zusammen und ist Quelle der Kernkraft. Ist deutlich stärker als die elektromagnetische WW: Eichbosonen: 8 Gluons mit Farbe und Antifarbe als Ladungen Starke Wechselwirkung Bildquelle: Wikipedia Trennung von Quarks Feldenergie ~ ∫ |Feld|2 dV V~d Aufbrechen der Feldlinien und Erzeugung eines neuen qq Paars Confinement: freie Quarks werden nicht beobachtet.