Geologische Wanderung im Berner Oberland – von der Birg nach Gimmelwald Eine Gruppe von 22 Studierenden des Instituts für Geo- und Umweltnaturwissenschaften der Universität Freiburg führte im Sommersemester 2015 unter der Leitung von Professor Thomas Kenkmann eine neuntägige Alpenexkursion durch. Bis auf den An- und Abfahrtstag waren die Wetterbedingungen und die Fernsicht ausgezeichnet. A ls Vorbereitung zu der Exkursion hatten die Studierenden Referate zu verschiedenen Themen erarbeitet, die dann im Verlauf der Exkursion gehalten wurden. Außerdem verfasste jeder Exkursionsteilnehmer hinterher nach seinen eigenen Aufzeichnungen noch einen Bericht. Hier wird über den Exkursionstag am 28. August 2015 berichtet. Das Lauterbrunnental Das Lauterbrunnental ist ein in etwa Nord-Süd-Richtung verlaufendes, deutlich glazial überprägtes Tal – man spricht hier von einem U-Tal oder Trogtal – südlich von Zweilütschinen. Es liegt etwa 10 km südlich von Interlaken und wird von der Weißen Lütschine durchflossen (1). Hier vereinigten sich während der letzten Eiszeit die Talgletscher aus dem Sefinental, dem Lauterbrunnental und von der Kleinen Scheidegg zu einer bis zu 800 m mächtigen Eiszunge, die in Richtung Interlaken abfloss. Der heutige, auffallend ebene Talboden rührt von der Auffüllung mit jungen Lockersedimenten her. 1: Ortsende von Lauterbrunnen. Blick nach Süden in das glazial überprägte Lauterbrunnental. Goethe war auch schon da Die imposante Gebirgskulisse mit den hochaufragenden Felswänden auf beiden Talflanken hat schon früh Naturwissenschaftler, Landschaftsmaler und Reisende angezogen. Dazu kommen noch zahlreiche Wasserfälle wie die Staubbachfälle, die im Oktober 1779 auch von Goethe besucht wurden (Geyer 2010). Deren Anblick versetzte den reisenden Dichter in große Begeisterung. Daneben sind noch die Trümmelbachfälle und der Schmadribachfall sowie der Mürrenbachfall erwähnenswert. Letzterer gilt mit einer Fallhöhe von 417 m als höchster Wasserfall der Schweiz. Die Felswände des Lauterbrunnentals bestehen aus meist kalkigen Gesteinsschichten, deren Alter vom Paläogen bis in die Trias zurückreicht und damit eine Zeitspanne von etwa 160 Millionen Jahren umfasst (4). Die einzige Fahrstraße im Lauterbrunnental endet in Stechelberg. Hier mündet das Sefinental von Westen her in das Lauterbrunnental ein. Hinteres Lauterbrunnental Das Hintere Lautenbrunnental ist das drittgrößte Naturschutzgebiet der Schweiz. Dadurch konnte eine touristische Erschließung weitgehend vermieden werden. Knapp eine Gehstunde südlich von Stechelberg können am Wanderweg südlich Trachsellauenen (1202 m) in Richtung Obersteinberg die Reste eines Erzbergbaus aufgesucht werden (46°31‘39“N 7°54‘11“E). An der Weggabelung Trachsellauenen ist ein entsprechender Hinweis angebracht (Bergwerk 15 min.). Ab dem Mittelalter fand hier die Gewinnung von Silber-, Blei- und Eisenerzen statt. Dabei war speziell der Bleiglanz (PbS) wegen seines Silbergehalts besonders begehrt. Außerdem waren in Trachsellauenen ein Kalkofen und eine Köhlerei angelegt worden. In der Folge hatte in dem heute zum UNESCO-Weltnaturerbe „Schweizer Alpen Jungfrau– Aletsch“ gehörenden Tal ein großflächiger Kahlschlag der Wälder stattgefunden (2). Im Gegensatz zu anderen Bergbaurevieren wurde der Bergbau während des Dreißigjährigen Krieges sogar noch verstärkt, wobei der Schwerpunkt des Abbaus auf den Blei-, Zink- und Schwerspatvorkommen im Kristallin lag. Wegen der abgeschiedenen Lage des Gebiets war der Ertrag allerdings stets sehr gering. Hingegen wurde das Bergwerk zum Ziel des einsetzenden Tourismus; Goethe wanderte im Oktober 1779 in Trachsellauenen vorbei. Im Jahr 1805 fand im Auftrag der Berner Regierung eine Begutachtung durch den berühmten Zürcher Geologen und Bauingenieur Hans Conrad Escher von der Linth (1767–1823) statt. Der in dessen Bericht 2: Trachsellauenen um 1790. Das Landschaftsaquarell von Johann Niklaus Schiel zeigt deutlich die damals abgeholzten, kahlen Hänge um den Verhüttungsplatz (Quelle: Bernisches Historisches Museum, Bern). beschiedenen mangelnden Rentabilität des Bergbaus wurde noch im selben Jahr mit der Schließung der Anlagen Rechnung getragen. Der Abbau wurde jedoch von der lokalen Bevölkerung in kleinem Umfang noch bis etwa 1860 weiter betrieben. Im Jahr 1931 wurde der bis dahin noch erhaltene Schmelzofen durch eine Lawine zerstört. Einige Mauerreste wurden konserviert und Schautafeln über den Bergbau aufgestellt. Eine archäologische Aufarbeitung fand 1990–1992 durch den Archäologischen Dienst des Kantons Bern statt (Boschetti & Gutscher 2004). Mit Hilfe öffentlicher und privater Gelder wurden in den darauffolgenden Jahren Teile der freigelegten Grundmauern konserviert. Aktuelle Gletscherschmelze Im Hinteren Lauterbrunnental ist der gegenwärtige Rückgang der Gletscher sehr gut zu beobachten (3). Im Bereich südlich des Berghotels Obersteinberg (1800 m) und des Oberhornsees (46°30‘12“N 7°52‘23“E) haben die Gletscher eine eindrucksvolle Landschaft mit zahlreichen Rundhöckern geschaffen. In wannenförmigen Vertiefungen entstanden Feuchtgebiete, die einen Vegetationskontrast zu den trockenen Standorten auf den Rundhöckern zeigen. Unter den zahlreichen Moränenwällen zwischen Oberhornalp und Oberhornsee ist auch der Höchststand von 1850 erkennbar. Dies lässt sich durch Bilder bekannter Schweizer Landschaftsmaler wie Caspar Wolf, Joseph Anton Koch, Samuel Biermann oder Gottlieb Studer belegen, die sich für die damals noch ungezähmte Natur des Hinteren Lauterbrunnentals begeisterten. Eine detaillierte Zusammenstellung der Gletscherschwankungen findet sich bei Wipf (2001) sowie Käsermann & Wipf (2011). Fossilien · 4 · 2016 · 21 3: Hinteres Lauterbrunnental. Eindrucksvolle postglaziale Moränenlandschaft in der Nähe des Oberhornsees (Foto: www.andreaswipf.ch). Geologische Situation des Exkursionsgebiets Das Lauterbrunnental befindet sich am Nordrand des Aarmassivs. Dieses wird aus massigen, metamorphen Gesteinen, meistens Gneisen, aufgebaut. Schon mit bloßem Auge kann man darin Mineralien erkennen, die eine bevorzugte Orientierung zeigen und dadurch dem Gestein ein charakteristisch blättriges Aussehen verleihen. Im Aarmassiv sind ältere geologische Einheiten in geologischen Fenstern aufgeschlossen, die so einen Einblick in den Gebirgsbau ermöglichen: Ältere Kristallin-Einheiten wurden durch die Alpenfaltung auf jüngere Sedimentgesteine überschoben. Charakteristisch sind die gelblich verwitternden Dolomitserien der Trias, die eine gute Orientierungshilfe bieten. Die dem Aarmassiv auflagernden Helvetischen Decken bestehen fast ausschließlich aus Sedimentgesteinen des Mesozoikums und des Paläogens, nur lokal ist auch noch das jüngere Paläozoikum vertreten. Die Ablagerungen sind mit gleichaltrigen Sedimenten des Schweizer Juras vergleichbar. In beiden Fällen handelt es sich um Schelfablagerungen am Nordrand der Tethys. Bei der alpinen Gebirgsbildung sind die Helvetischen Decken erst relativ spät von ihrem kristallinen Sockel abgeschert und einige Zehnerkilometer weit nach Nordwesten transportiert worden. Am Nordrand des Aarmassivs finden sich noch Reste von autochthonem Helvetikum sowie die Doldenhorn-Decke, die als „parautochthon“ bezeichnet wird, weil sie zwar vom kristallinen Untergrund abgeschert, aber nur geringfügig weitertransportiert worden ist. Die Exkursion Das geologische Alter der Gesteine an den aufgesuchten Haltepunkten ist der Zeittabelle (4) zu entnehmen. Der Exkursionsverlauf ist in einer Routenskizze 22 · Fossilien · 4 · 2016 4: Geologische Zeittabelle mit den Haltepunkten der Exkursion. Die Ziffern entsprechen dem Routenverlauf der Abb. 5 und den Angaben im Text. dargestellt (5). Die Nummerierung der Haltepunkte im Text entspricht den Angaben in den beiden Abbildungen. Die Exkursion startete vom Campingplatz Ruetti in Stechelberg. Die Bergfahrt mit der Schilthornbahn ab Stechelberg mit Umsteigen in Gimmelwald über Mürren zur Birg eröffnete bei bestem Spätsommerwetter schon erste Ausblicke auf die Schweizer Bergwelt. 5, oben: Routenverlauf der Exkursion (erstellt mit https://map.geo.admin.ch). Die Zahlenangaben entsprechen der geologischen Zeittabelle in Abb. 4 und den Angaben im Text. 6: Bergstation Berg (2677 m). Blick nach WSW auf das Schilthorn (2970 m). Links daneben das Chlys Schilthoren (2830 m). In der Bildmitte gut erkennbar die Einmuldung der Sefinafurgga-Passhöhe (2612 m) und zum linken Bildrand hin das Gspaltenhorn (3437 m). 7: Bergstation Birg (2677 m). Blick nach Osten auf Eiger (3970 m), Mönch (4107 m) und Jungfrau (4158 m). Am linken Bildrand erkennt man die vegetationslose Seitenmoräne von 1850 mit dem schattigen Nordhang. 1. Halt: Bergstation Birg 2677 m (46°33‘41“N 7°51‘28“E) Die Gondelstation Birg liegt etwa 2 km östlich des Schilthorns. Geologisch befinden wir uns hier in den Quintner-Kalken der helvetischen Wildhorn-Decke (Oberjura bis tiefe Unterkreide). Die Aussichtsplattform mit einem verglasten Boden („Skyline Walk“) und Infotafeln bietet einen guten Panoramablick, der in südwestlicher Richtung vom Schilthorn (2970 m) über die Sefinafurgga (2612 m) bis zum Gspaltenhorn (3437 m) reicht (6). Nach Osten reicht der Blick auf Eiger (3970 m), Mönch (4107 m) und Jungfrau (4158 m); tief unten liegt das Lauterbrunnental (7). Mit dem Fernglas ist unterhalb der Station Eigergletscher (2320 m) die Seitenmoräne des Eigergletschers aus den 1850er Jahren als vegetationsloser Grat erkennbar. Mönch und Jungfrau bestehen im Gipfelbereich aus parautochthonem Kristallin (bräunliche Gneise) des Aarmassivs. Die vom Aarmassiv überschuppte und eingekeilte Doldenhorn-Decke ist durch hellgraue und kantig-plattige mesozoische Sedimente („Hochgebirgskalk“) charakterisiert und hebt sich farblich vom Kristallin ab. Die nordöstlich von Jungfrau und Mönch gelegenen Gipfel von Eiger und Wetterhorn (3692 m) bestehen aus meist hellen, kalkigen mesozoischen Sedimenten des Helvetikums, die von ihrer kristallinen Basis abgeschürft und nach Nordwesten verschoben wurden. Von der Bergstation führt ein markierter Wanderweg hinunter zum Grauseeli (2517 m). Im Nordwesten liegt jenseits des Engitals der aus meist quarzitischen Eisensandsteinen des Mitteljuras aufgebauten Schwarzgrat-Bergrücken, dessen Fossilien · 4 · 2016 · 23 8: Unterhalb Bergstation Birg (2677 m). Blick nach Westen mit Schilthorn (2970 m) und dem zum nach dem Engital aufragenden Schwarzgrat mit der Schwarzbirg (2780 m). Im unteren Bildbereich ist der Wanderweg zur Schilthornhütte (außerhalb des rechten Bildrands) zu erkennen. höchste Erhebung die Schwarzbirg (2725 m) ist (8). Entlang dieses Wegs liegen die ersten Haltepunkte. 2. Halt: Weganschnitt unterhalb der Bergstation Birg 2648 m (46°33‘43“N 7°51‘20“E) Hier steht ein teilweise kompetenter, teilweise auch plattig absondernder, mikritischer Kalkstein an; es handelt sich um den zur Quinten-Formation gehörenden Quintner-Kalk (Oberjura bis tiefe Unterkreide). Er weist eine starke tektonische Beanspruchung auf und ist daher eng zerklüftet. In den entstandenen Klüften ist aus karbonatreichen Wässern Kalzit ausgefällt worden und hat diese wieder verfüllt. Dünn- und dickbankige Lagen treten im Wechsel auf. Sie weisen zahlreiche Harnische (Faserharnische, Spiegelharnische) und Stylolithen auf. Die häufigen Pyrit-Einschlüsse weisen auf einen höheren Anteil von organischem Material und reduzierende Ablagerungsbedingungen hin. Entlang der Wegstrecke zur Abzweigung Seewlifura des Hauptwanderwegs in Richtung Schilthorn lässt sich eine zunehmende tektonische Beanspruchung der hier anstehenden, z. T. sandigen mitteljurassischen Kalksteine und Tonschiefer der Hochstollen-Formation erkennen. 3. Halt: Blick nach Westen in Richtung Schilthorn an der Seewlifura 2605 m (46°33‘41“N 7°50‘59“E) Die im Westen sichtbare Muldenstruktur des Schilthorns wird ebenfalls teilweise von der HochstollenFormation gebildet. Das jüngste Gestein, der bereits dem Oberjura zugerechnete Quintner-Kalk, bildet den Kern dieser Mulde. Der Wanderweg ab dieser Abzweigung führt in Richtung Grauseeli hinab. 4. Halt: Oberhalb Grauseeli 2590 m (46°33‘39“N 7°50‘53“E) Das Einsetzen einer Serizitisierung zeigt den Über24 · Fossilien · 4 · 2016 gang in die Schilt-Formation (tiefer Oberjura) an. Hinweise auf zunehmende tektonische Beanspruchung werden bergab immer stärker. Sie reichen von anund abschwellenden Strukturen (Pinch-and-SwellStructures) bis zur Stängelung und Ausbildung von Griffelschiefer oder Bleistiftstrukturen (Pencil Structures) in den hier anstehenden hellgrauen, bisweilen knollig-flasrig ausgebildeten, oft gelb gefleckten Kalksteinen und grauen, mattglänzenden, dünnblättrigen Mergeln (9). Der Weg führt an der Ostseite des Grauseeli vorbei in Serpentinen abwärts. 9: Oberhalb Grauseeli. Gesteinsdeformation mit Stängelung, Griffelschiefer und Bleistift-Strukturen (Pencil Structures). 5. Halt: Am Grauseeli 2511 m (46°33‘31“N 7° 50‘ 51“E) Beim Blick nach Nordosten auf die Birg ist unterhalb der Bergstation eine gut exponierte Biegescherfalte in den dortigen mitteljurassischen Sedimenten erkennbar (10). Durch den Kompetenzkontrast zwischen 10: Grauseeli. Blick auf die Birg (2677 m) mit Faltenstrukturen unterhalb der Bergstation. Im Hintergrund Eiger, Mönch und Jungfrau. 11: Blick auf den Wasenegg-Grat (2288 m). Der Grat trennt das Schilttal mit der Schiltalp (1946 m) im Norden vom Sefinental im Süden (rechts). Auf der östlichen Talseite des Lauterbrunnentals erkennt man den Stuefebach, der zwischen Trachsellauenen und Stechelberg in die Tschingel Lütschine mündet. Im Vordergrund die Exkursionsgruppe der Universität Freiburg. den unterschiedlichen häufig dunklen, tonigen, kalkigen und sandig-mergeligen Lagen konnten einzelne Lagen als Schmiermittel wirken. In Richtung Süden ist der Wasenegg-Grat als grüner Kamm zu erblicken (11). 6. Halt: Wasenegg-Grat 2288 m (46°32‘58“N 7°50‘59“E) Am Wasenegg-Grat steht ein glimmerreiches Gestein aus gelblichen Silt- und Sandsteinlagen der Ta- Fossilien · 4 · 2016 · 25 veyannaz-Formation (35 Millionen Jahre, Paläogen) an. Unter dem Mikroskop sind auch Komponenten von vulkanischen Gesteinen erkennbar. Stratigraphisch passt dies gar nicht zu der vorherigen Mitteljura-Abfolge. Die Taveyannaz-Formation bildet nämlich eine eigene tektonische Deckeneinheit und wird als eine Flyschablagerung des Walliser Ozeans interpretiert. Der Panoramablick vom Wasenegg-Grat reicht von den Decken des Helvetikums bis zum Lauterbrunnen-Innertkirchen-Kristallin auf der Ostseite des Lauterbrunnentals (12). Der Abstieg erfolgt über den Wasenegg-Grat bis Höhe 2155 m (Weggabelung in Richtung Oberberg). Beim Abstieg blickt man im Norden auf das Schilttal und das Sefinental im Süden. Hier sind der Einschnitt der Sefinafurgga mit der Hauptüberschiebungsbahn der Helvetischen De- 12: Wasenegg-Grat, Blick (von links nach rechts) auf Wetterhorn (3692 m), Eiger, Mönch und Jungfrau; darunter Ausschnitt aus der Geländeskizze von Nils Gies. 13: Abzweigung (2155 m) am Wasenegg-Grat. Eindrucksvoller Blick auf die Sefinafurgga (2612 m). cken und das unmittelbar südlich davon aufragende, der Doldenhorn-Decke zugerechnete Gspaltenhorn (3437 m) gut erkennbar (13). Nach Osten bietet sich ein spektakulärer Ausblick auf die Jungfrau. 7. Halt: Oberhalb von Oberberg 2049 m (46°32‘41“N 7°51‘26“E) Auf dem Weg nach Oberberg (1930 m), oberhalb des Sefinentals, steht ein hellgrauer mikritischer, stark geklüfteter Kalkstein an. Vermutlich handelt es sich hier um Schrattenkalk (Obere Unterkreide), der mit dem etwa 30 Millionen Jahre älteren Quintner-Kalk aus dem Oberjura leicht verwechselbar ist. Der Schrattenkalk ist aufgrund seiner Kompetenz einer der Hauptgipfelbildner des Helvetikums und schon aus der Ferne durch seine helle Farbe zu erkennen. Ebenfalls noch oberhalb von Oberberg ist an der Grenze zwischen dem lockerem Hangschutt und dem darunter liegenden, weniger durchlässigen Moränenmaterial ein Quellhorizont ausgebildet. Durch die Oxidation des im Wasser enthaltenen Eisens erhält das austretende Wasser eine charakteristisch bräunlich-rote Färbung. Von Oberberg führt der markierte Wanderweg teilweise steil, aber nicht ausgesetzt, bis zur Sefiner Lütschine im Talgrund des Sefinentals hinunter. 8. Halt: Wasserfall oberhalb Sefiner Lütschine 1422 m (46°32‘10“N 7°51‘30“E) Oberhalb einer aus Helvetischem Kieselkalk (Unterkreide, Hauterivium) bestehenden Gesteinswand hat sich ein kleiner Wasserfall entwickelt (14). Der Weg folgt nun dem Lauf der Sefiner Lütschine. Bei der Wegkreuzung Tal besteht eine direkte Abstiegsmöglichkeit nach Stechelberg. Allerdings ist dieser 14: Abstieg ins Sefinental. Wasserfall über harter Kieselkalkbank. 15: Talfahrt mit der Bergbahn von Gimmelwald nach Stechelberg. Ausblick auf das Lauterbrunnental. Weg vor allem im unteren Abschnitt recht steil und bietet keine geologisch interessanten Aufschlüsse. 10. Halt: Bergstation Gimmelwald 1365 m (46°32‘49“N 7°53‘36“E). Nach 8 Stunden eindrucksvollen Ausblicken auf die Schweizer Bergwelt, vielen interessanten geologischen Aufschlüssen und etwa 1500 zurückgelegten Höhenmetern konnte als Abschluss die Aussicht auf das glazial überformte Lauterbrunnental aus der Bergbahn von Gimmelwald nach Stechelberg im Abendlicht genossen werden (15). Für viele Exkursionsteilnehmer war klar, dass dies sicherlich nicht der letzte Ausflug in die Bergwelt des Berner Oberlandes gewesen ist – vor allem, wenn der Abend mit einem stimmungsvollen Alpenglühen endet (16). 9. Halt: Kreuzung Tal Abzweigung Eschenweg 1253 m (46°32‘25“N 7°52‘23“E) Von dieser Kreuzung aus führt die Exkursionsroute mit einem letzten Anstieg von etwa 30 Minuten über den einfach begehbaren Eschenweg zur Bergstation Gimmelwald. Entlang dieser Strecke quert man mehrfach klammartig eingeschnittene Bachläufe, welche die Dynamik aktueller geologischer Prozesse deutlich vor Augen führen. Entlang des Weges steht QuintnerKalk an. Dieser grauschwarze, hell verwitternde mikritische Kalkstein kann gelegentlich Kieselknollen enthalten. 16: Stechelberg im Lauterbrunnental. Alpenglühen mit den aus Altkristallin aufgebauten Gipfeln von Grosshorn (3754 m), Breithorn (3780 m) und Tschingelhorn (3562 m). Dank: Wir danken dem Bernischen Historischen Museum in Bern für die Erlaubnis zur Verwendung der Abb. 2 sowie Herrn Andreas Wipf für die Bereitstellung von Abb. 3. Herrn Prof. Dr. Thomas Kenkmann (Universität Freiburg) sei an dieser Stelle für die begeisternde Exkursionsleitung gedankt. Glossar »Autochthon: Noch am Entstehungsort befindliche Gesteinsablagerungen. »Biegescherfalte: In Gesteinsabfolgen unterschiedlicher Mächtigkeit und Kompetenz auftretender Faltentyp, bei dem Gleit- und Scherbewegungen kombiniert auftreten. » Geologisches Fenster: Bezeichnung für eine lokal begrenzte Abtragung von Deckschichten, wodurch tiefer liegende Schichten sichtbar werden. »Flysch: Während einer Gebirgsbildung vor deren Front entstehende marine Sedimentabfolge mit rhythmischen Wechsellagerungen von tonigen und sandigen oder kalkigen Sedimenten. » Harnisch: Bei Gesteinsbewegungen entstehende geglättete Gesteinsfläche, die meist Striemungen aufweist. Spiegelglatte Harnische werden Spiegelharnische genannt. » Helvetikum: Bezeichnung für den nördlichsten Ablagerungsraum, aus dem die Alpen hervorgingen; entspricht dem nördlichen Schelfrand der Tethys. Die Ablagerungen weisen Ähnlichkeiten mit gleichaltrigen Schichten auf dem Europäischen Kontinent auf. »Helvetische Decken: Sammelbezeichnung für die vom Grundgebirge gelösten, weiter transportierten und später verfalteten Gesteinseinheiten des Helvetikums. » Kompetenz: Art und Weise der Reaktion von Gestein auf Deformationsvorgänge: Kompetente Gesteine verhalten sich starr und neigen zu Bruchbildung (z. B. Kalksteine), weniger kompetente Schichten hingegen plastisch (z. B. Tonsteine). »Kristallin: Grundgebirge, Bezeichnung für erdgeschichtlich alte metamorphe und/oder magmatische Gesteine (Marmor, Glimmerschiefer, Granit, Gneis). » Mikrit: Kalkstein mit sehr feinkörniger Grundmasse. » Moräne: Durch Eis transportiertes und abgelagertes Material, das aus einem weitgehend unsortierten und ungeschichteten Gemisch verschiedener Korngrößen besteht. »Pinch-and-Swell-Structures: Diese Formen entstehen durch den Kompetenzkontrast zwischen härteren (kompetenteren) Lagen, die in duktile, weichere (inkompetentere) Schichten eingebettet sind. »Rundhöcker: Längliche, durch glaziale Erosion von Gletschern oder Eisschilden entstandene längliche, rückenartige Erhebungen auf Festgestein. Die dem Eisfließen zugewandte Seite ist flach, die eisabgewandte Seite steil. »Serizitisierung: Ein hydrothermaler oder metamorpher Umwandlungsprozess, bei dem aus Feldspäten und anderen Silikaten durch Wechselwirkung mit 28 · Fossilien · 4 · 2016 kaliumhaltigen wässrigen Lösungen feinkörniger Muskovit (Serizit) entsteht. » Stylolithen: Durch Drucklösung meist in Karbonaten entstehende Fläche mit Vertiefungen und säulenförmigen Erhöhungen, die in Einengungsrichtung orientiert sind. Die Kontaktfläche ist oft mit unlöslichen Rückständen (Tonmineralien, Eisenoxide) belegt und erscheint dann dunkel. » Das Glossar wurde unter maßgeblicher Verwendung von www.geodz.com und http://www.spektrum. de/lexikon/geowissenschaften erstellt. Nils Gies & Matthias Geyer Literatur zum Thema: Boschetti, A. & D. Gutscher (2004): Die Ausgrabungen in den Verhüttungsanlagen bei Trachsellauenen 1992. Archäologie im Kanton Bern 5: 543–576. Geyer, M. (2010): Goethe in der Schweiz – von Basel durch den Jura ins Berner Oberland (Teil 3). Schweizer Strahler 2010 (2): 33–37. Gnägi, C. & T. P. Labhart (2015): Geologie der Schweiz (9. Aufl.). Ott-Verlag, Thun. Käsermann, C. & A. Wipf (2011): Gletscher der Schweiz. 52 faszinierende Bergwanderungen zu Eisströmen in den Kantonen Bern, Wallis und Waadt. Ott-Verlag. Pfiffner, O. A (2015): Geologie der Alpen. UTB, Stuttgart. Weissert, H. & I. Stössel, I. (2009): Der Ozean im Gebirge. Eine geologische Zeitreise durch die Schweiz. vide Hochschulverlag, Zürich. Wipf, A. (2001): Gletschergeschichtliche Untersuchungen im spät- und postglazialen Bereich des Hinteren Lauterbrunnentals (Berner Oberland, Schweiz). Geogr. Helvet. 56 (2): 133–144. Internet-Adressen: http://www.andreaswipf.ch (Fotografien aus den Alpen) https://map.geo. admin.ch (Mapserver der Schweizer Landestopographie für topographische und geologische Karten) http://www.schilthorn.ch (Schilthorn und Schilthornbahnen) http://www.stechelberg.ch (Gemeinde Stechelberg) http://www.strati.ch (Lithostratigraphisches Lexikon der Schweiz) http://www.swisstopo.ch (Schweizer Bundesamt für Landestopographie) Nils Gies, Jg. 1994, studiert als passionierter Geländegeologe Geowissenschaften an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg i. Br. und ist in seiner Freizeit begeisterter Segelflieger, Motorradfahrer und schnürt auch gerne die Wanderschuhe. Dr. Matthias Geyer, Jg. 1959, ist als selbständiger Fachübersetzer und Geologe im Bereich Geotourismus tätig. Seit mehreren Jahren ist er Lehrbeauftragter an der Universität Freiburg und an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg.