Manuskript zum Vortrag zu Alban Berg: Lulu von Hartmut Haenchen Lulu (h-f= Hanna Fuchs) Oper in (drei) Akten Oper über die Scheinmoral sich in Sicherheit wiegender Bürger. Die Klingel im Orchester wird zum akustischen Alarmsignal: Sachtung, es erfolgt eine Verwandlung im Eros-Todes-Reigen Lulu: Sie ist ein Mythos. Und sie ist Wirklichkeit. Und Lulu ist stets beides in einem. Lulu ist eine erotische und mythische Urgestalt in immer neuen Kostümen und Erscheinungen, beobachtet auf Stationen, die ineinander übergehen: auf dem Weg vom Eros zum Tod. Der Prolog ist ein Schöpfungsmythos, der erste Akt eine Boulevardkomödie, der zweite Akt ein erotisches Karusell, ein makabrer Totentanz. Der dritte Akt mit Paris als Durchgangsstation bis ihr Leidensweg in einer Londoner Mansarde als Toteninsel endet. Berg hat die Verwandtschaft von Lulu mit Don Giovanni hervorgehoben. Beides sind Außenseiter, beide faszinieren ihre Umwelt, beide werden durch diese Umwelt in den Tod getrieben. Beide scheinen zunächst kein eigenes musikalisches Material zu haben. Sie spiegeln sich nur in ihrem gegenüber. Text: Alban Berg nach den Tragödien Der Erdgeist (1895) (hier wird die erotische Urgestalt Lulus zum Leben erweckt)und die Büchse der Pandora (1902) (Hier wird Lulu von ihrer Umwelt als Unheilsbringerin verfolgt, schließlich vernichtet von Frank Wedekind, Berg hat sein Opernbuch durch Streichung von fast vier Fünftel des Textes der beiden Schauspiele gewonnen. Ihm war Wedekinds Urfassung der lulu nicht bekannt, wohl aber die gleichnamige Tragödie in fünf Akten (1913) bekannt. Inhaltlich hat er die Textkürzungen so vorgenommen, daß die Interpretation von Kraus, die Berg sehr hoch schätzte, als einzig mögliche erscheint: Lulu, das Weib, erscheint als „Allzerstörerin“ (siehe Homokis Interpretation), weil es von allen zerstört ward.“ Auch die Idee der Symmetrie, die Berg im Aufbau realisiert, ist wohl von Kraus inspiriert durch die Formulierung, daß im zweiten Teil des Werkes „die Männer an Lulu durch Gemeinheit vergelten, was sie (im ersten Teil) durch Torheit an ihr gesündigt haben: „ So entstand auch die Idee, die ehemaligen Gatten der sozial aufsteigenden Lulu die ersten Kunden des verarmten und sozial deklassierten Straßenmädchens spielen zu lassen. Uraufführung;: Fassung in 2 Akten und Pantomime zur Musik der letzten beiden Sätze der Symphonischen Stücke 2. Juni 1937 Stadttheater Zürich war sehr erfolgreich, konnte aber durch den Krieg nicht weiter wirken. Bei der Uraufführung wurden die zwei Akte gespielt, danach klärte der Direktor das Publikum über den fragmentarischen Zustand au. Hierauf folgte die Schlußszene. Seit der Essener Aufführung (1953) hat sich eingebürgert nach dem 2. Akt die letzten beiden Symphonischen Stücke zu spielen. Dabei die Variationen bei geschlossenem Vorhang und das Adagio mit den Worten der Geschwitz als Pantomime szenisch. Wir haben bei unserer Produktion ohnehin ein Einheitsbild. Deswegen gibt es keinen geschlossenen Vorhang und deswegen auch keine Variationen sondern es geht direkt zum Adagio. Der Durchbruch nach mehreren versuchen des Stückes erfolgte in der das Zirkusmotiv betonenden Aufführung von Günther Rennert an der Hamburgischen Staatsoper 1957. Wichtig war später die Stuttgarter Inszenierung von Wieland Wagner mit Anja Silja in der Titelrolle 3 Akt Fassung von Friedrich Cerha 24.2.1979 Paris Der letzte Akt umfaßt 1326 Takte. Due Quersumme lautet zwölf. Aus zwölf Tönen besteht die Grundreihe der Oper, das Fundament des gesamten Materials 2 Jahre nach dem Erfolg des Wozzeck suchte Berg einen neuen Opernstoff. Er suchte die Entscheidung zwischen Gerhart Hauptmanns „Und Pippa tanzt“ (was auch bei Mahler eine Rolle spielt) da die Verhandlungen über Hauptmanns Stück zu keinem befriedigenden Ergebnis (was die Bearbeitung des Textes durch Berg anlangte) führten, entschloß sich Berg zur Komposition von Lulu, deren Text er aus den beiden WedekindStücken zusammenziehen wollte. Die Büchse der Pandora hatte Berg 1905 bei der Gelegenheit der von Karl Kraus organisierten privaten Uraufführung im Trianontheater Wien kennengelernt. (Eine öffentliche Aufführung wer in Wien an der zensur gescheitert) Die Aufführung bei der der Dichter selbst mitwirkte und die Vorträge von Karl Karus hinterließen sehr starke Eindrücke bei Berg. Berg begann bereits vor der Unterzeichnung des Vertrages mit Frau Wedekind mit der Komposition. So war er von dem Stoff fasziniert - Sinnlichkeit der Instrumentation: Berg: Sinnlichkeit ist keine Schwäche, kein zurückweichen vor dem eigenen Willen, sondern eine imense Kraft, der Kern von unserem Sein und denken. Damit verweise ich gleichzeitig auf die Wichtigkeit der Sinnlichkeit für alles Geistige. Es ging aber sehr langsam voran. Er schob die Komposition von der Konzertarie „der Wein“ ein, um sich mit der Dodekaphonie und ihrer Singbarkeit auseinanderzusetzen. Dann kam die Änderung der politischen Verhältnisse und Berg sah die Möglichkeit der UA in Berlin unter Erich Kleiber dahinschwinden. Er stellte für eine konzertante Aufführung die „Lulu-Suite“ zusammen (verschiedene Titel), die 1943 unter Kleiber erfolgreich noch uraufgeführt wurden. Dann hat Berg die Oper zur Seite gelegt, da keine UA mehr möglich war und schrieb sein letztes Werk, das Violinkonzert. 1935 nahm er die Arbeit wieder auf. Als er starb, waren nur 268 Takte und die beiden Teile aus der Suite vom dritten Akt fertig. Witwe wollte Vollendung von Schönberg, Webern, Krenek, die gleichen die Alma für die 10. fragte. Sie lehnten ab. - - Die erste abendfüllende Oper auf der Grundlage der Dodekaphonie. ( Methode der Komposition mit zwölf nur auf einander bezogenen Tönen“ Erst als er ein Verfahren ersonnen hatte, aus einer Grundreihe weitere Reihen abzuleiten, konnte das Vorhaben bewältigt werden. Jazz-Einfluß war neu der RH des Ragtime entpuppt sich als RH bestehend aus 2x5 (mythsiche Zahl) Todes oder Schicksalsmotiv genannt Eine Grundreihe aus der sich alle anderen Reihen ableiten lassen: c-e-f-d-g-a-fis-gish-ais-dis-cis erscheint erst im Lied im zweiten Akt vollständig, dort wo sie sich vollständige zu erkennen gibt.. Aufteilen der reihe in 4 Gruppen von drei entwickelt er 4 Akkorde zur Andeutung von Lulu im Pierrot-Kostüm. Aus Lulus Reihe und dann erst eine Note, dann zwei, dann drei wegzunehmen, so entwarf er die Reihe die zu Dr. Schön gehört.. Die gleiche Reihe zu wiederholen und jede siebente Note wegzulassen ergibt Alwas Reihe. Die Gräfin wird eine pentatonische Reihe auf der Quinte basiert. Eine chromatische Reihe mit vielen Halbtönen stellt Schigolch schleichend dar, suspekter Charakter Lulu ist in allen Personen des Stückes anwesend. (Streicher) Violine und Violinsolo und Piccolo erste vollständige Reihe I, T. 100 „Ich würde für ihr Stück kaum gut genug tanzen (d-e-fis-as-c-b-cis-a-h-dis-f-g) -Maler Blechbläser Dr. Schön: Dur-Charakter, (als Charakteristik der Bürgerlichkeit) gesamtes Orchester Prinz: Solocello Schigolch Chromatik (der schleichende Charakter) Kontrafagott und tiefe Holzbläser, er kommt aus der Gosse (oder mythisch gesagt aus dem Urschlamm) Berg komponiert in dieser Figur sein eigenes Asthma aus (immer Pausen und das auskomponierte Röcheln) (Umkehrung von Schigolch ist „logisch“ Logisch wird die Definition von Eros und Tod aus dem Mythos hergeleitet. Schigolch und Lulu sind „unsterbliche“ mythische Figuren (siehe Produktion) - Geschlechtslose Pentatonik der lesbischen Gräfin Geschwitz Vorname wird im dritten Akt einmal gesprochen Martha) - - Alwa (Alban)der Komponist Alter ego von Berg) Die Zwöftontechnik ist also im eigentliche Sinne keine formbildende Struktur sondern dient direkt dem dramatischen Ausdruck. Das ist auch das Geheimnisse des Erfolges der Oper, die zwar streng konstruiert ist, bei der aber der dramatische und charakterisierende Ausdruck im Vordergrund steht. Kavatine (S. 346) „Erdgeist“ Quarten eröffnen das Stück: T.1 (ist auch Klingelzeichen) I, 20 /625 in Sonate Schön/ bürgerliche Konvention Verzerrung des Themas bei „ich werde heiraten (I, 647“ und Umkehrung bei 938 nach Tod Maler „Jetzt kann ich mich von der Welt zurückziehen“ I, 35 Posaune Reptilien, Chromatik von Schigolch I, 43 Lulus Liebe zu Schön, siehe auch 666 „Wenn ich einem Mann auf dieser Welt angehöre, so gehöre ich Ihnen“ 1356 „Jetzt kommt die Hinrichtung“ Lulu-Lied II, 491 c-e-f-d-g-a-fis-gis-h-ais-dis-cis vgl. mit Schigolch „Ich habe Sie ursprümglich auch heiraten wollen II, 175 1. Ton in Bratsche ansonsten komplette Reihe bei Schigolch I, 43 erstmals Teil der Lulu-Reihe d-g-a-fis-gis-h-ais nach „bring mir doch die Schlange her) 12Tonreihe II, 498 Sax. Umkehrung: II, 190 II, 399 m.A. II, 593 beim Sterben Schöns H 132 Bläser der Maler 156 Canon-Thema „Sie bekommen mich noch lange nicht“ Tanzthema 517 Verteilung der Hauptstimme auf verschiedene Instrumente 523 Schön II, 473 Ich mich scheiden lassen? Geschwitz Lulu mein Engel Adagio 101 Teile des Krebses von Lulu Adagio 45 durch Weglassung c-e-f-(d-g-a-)fis- (gis-h-ais-)dis-(cis) d(g-a-fis) gis a-cis d b Formen Unbegleiteter Dialog (I,2) Dialog mit Bühnenmusik ((I,3) Melodram (I,1) (S. 196) Geschlossene Musikstücke Lulus „Canzonetta“ (I;1) Lulus Lied II,1 (Lied des Mädchenhändlers“ III, 1) Rezitativ (I;1) Formen: Duett (I,1) Sextett (I,2) Quartett (III, 2) weißen auf die Anzahl der Singenden Kammermusik (Nonett für Holzbläser I,2) Choralvariantionen (III, 1) auf Satztechniken Formenandeutungen, die aber ungewöhnlich (durch Unterbrechungen gebraucht sind) Canon I, (S. 170) daraus Canon Zwischenspiel I, 368 Arioso I, (S. 329) Interludium I (351) Sonate (klassisches zweithematisch: Mann und Frau und es siegt die Frau, die mit ihrer Aufforderung zum Tanz die Form sprengt, Sieg der moderne über die Klassik) mit eigenem Hauptthema welches sich aus sich aus drei Teilen zusammensetzt (1.Violinen: Dr.Schön (Tiger des Prologs), Oboe (Lulu-Schlange des Prologs) und Klavier= Maler zusammensetzt. Das Seitenthema (87) existiert ebenfalls schon länger (Gavotta 562) Rondo, der immer wiederkehrende Lobgesang des Alwa, wenn Alwa im dritten Akt wie beiläufig umgebracht wird, hören wir den letzten Gedanken Alwas, das Rondo in der Flöte : lulu, Lulu Gavotta 562 Musetta (595) Filmmusik = Handlungsumschlag: Spiegelung Zentrum des Werkes Zwölftonklang beim Tod Lulus Adagio Neuartiges. Beibehaltung eines Rhythmus bei Beschleunigung oder Verlangsamung des Tempos „Monoritmica“ 18 Tempi stufenweise aufwärts und mi rit abwärts Ein ständig wiederholtes Modell bei sich entwickelnder Melodik. Kraus: Die tiefe Erkenntnis, die die tragische Kluft zwischen blühenden Lippen und bürgerlichen Stellungen begreift.“ Symmetrie spielt eine besondere Rolle. Oben schon über die symmetrische Anlage des Stückes an sich gesprochen. Streng spiegelbildliche Gestaltung des Zwischenspiels zwischen II,1 und II,2, der Achse der Oper, geht soweit, daß die zweite Hälfte der Rücklauf der ersten ist. Auch die Monoritmica - 2. Akt beginnt wie 1. Akt endet weitere RH I, 42 Schlagzeug/ 108 Clar/ 284/833/