MATERIALMAPPE LULU OPER VON ALBAN BERG SPIELZEIT 2016/17 Materialmappe Lulu SH -Landestheater SZ 2016/2017 1 Inhaltsverzeichnis Die Besetzung am SHLT S. 3 Inhalt, Entstehung und Inszenierung S. 4/5 Alban Berg S. 6 Freie Tonalität, Zwölftonmusik und Zweite Wiener Schule S. 7 Sehr geehrte Pädagog*innen, in dieser Materialmappe haben wir einige Basisinformationen zur Oper Lulu zusammengetragen. Sollten Sie Interesse an spielpraktischen Übungen haben, wenden Sie sich bitte an uns. Wir wünschen Ihnen und den Schüler*innen einen spannenden Theaterbesuch. Herzliche Grüße, Janina Wolf & Konrad Schulze Theaterpädagogen 04331 / 14 00 334 (Janina Wolf) 04331 / 14 00 335 (Konrad Schulze) [email protected] [email protected] „Ich habe nie in der Welt etwas anderes scheinen wollen, als wofür man mich genommen hat. Und man hat mich nie in der Welt für etwas anderes genommen, als was ich bin.“ - Lulu im 2. Akt - Materialmappe Lulu SH -Landestheater SZ 2016/2017 2 Die Besetzung am SHLT Lulu Eun-Joo Park Tierbändiger Daniel Dropulja Maler Christopher Hutchinson Dr. Schön Kai-Moritz von Blanckenburg Alwa Junghwan Choi Medizinalrat Rouben Sevostianov Schigolch Markus Wessiack Theatergarderobiere Paulina Schulenburg Theaterdirektor Daniel Dropulja Prinz Samuel Smith Gräfin Geschwitz Eva Schneidereit Athlet (Akrobat) Daniel Dropulja Gymnasiast Paulina Schulenburg Kammerdiener Samuel Smith Neger Christopher Hutchinson Professor Rouben Sevostianov Jack the Ripper Kai-Moritz von Blanckenburg Schleswig-Holsteinisches Sinfonieorchester Musikalische Leitung Peter Sommerer Inszenierung Peter Grisebach Ausstattung Martin Fischer Dramaturgie Anne Sprenger Dauer: ca. 2 Stunden 45 Minuten, eine Pause Premiere am 13.05.2017, 19:30 Uhr, Stadttheater Flensburg Materialmappe Lulu SH -Landestheater SZ 2016/2017 3 Inhalt, Entstehung und Inszenierung Alban Berg bediente sich für seine Oper an zwei Tragödien von Frank Wedekind: Erdgeist von 1895 und Die Büchse der Pandora von 1902. 1. Bild - Prolog Der Prolog spielt in einem Zirkuszelt. Dort begrüßt ein Tierbändiger das Publikum und verspricht eine außergewöhnliche Show mit wilden Tieren; Lulu tritt in Figur einer Schlange auf. 2.-4. Bild - 1. Akt (2. Bild) Lulu ist mit dem Medizinalrat verheiratet, führt aber eine Affäre mit Dr. Schön, der ihr dabei zuschaut, wie sie sich malen lässt. Kurz nachdem Dr. Schön das Atelier des Malers verlässt, kommt der Medizinalrat dazu. Als er realisiert, dass seine Frau ihn betrügt, stirbt er an einer Herzattacke. Lulu wittert die Chance, nun Dr. Schön zu ehelichen, der will aber stattdessen die Affäre fortsetzen und sowieso eine andere Frau heiraten. So profitiert der Maler: er und Lulu heiraten. (3. Bild) Es dauert nicht lange und der Maler begeht Selbstmord, da er erkennt, wie wenig Liebe Lulu für ihn empfindet. (4. Bild) Einige Zeit später kommt es in der Garderobe eines Theaters zu einer erneuten, spannungsgeladenen Zusammenkunft von Lulu und Dr. Schön, in der sie ihn dazu bringt, einen Abschiedsbrief an seine Verlobte zu schreiben. - Pause 5./6. Bild - 2. Akt (5. Bild) Lulu und Dr. Schön sind verheiratet. Lulu empfängt diverse Gäste in ihrem Salon, u.a. die lesbische Gräfin Geschwitz, der Akrobat Rodrigo, der Gauner Schigolch, ein naiver Gymnasiast und Dr. Schöns Sohn Alwa. Als dieser um Lulus Gunst buhlt und ihr seine Liebe gesteht, überreicht Dr. Schön Lulu einen Revolver mit der Aufforderung, sie solle sich umbringen. Lulu indessen tötet ihn. Im Folgenden kommt es zu ihrer Verurteilung. Als sie an Cholera erkrankt, erweist ihr die Gräfin Geschwitz einen großen Gefallen, besucht sie und tauscht mit ihr die Rollen. (6. Bild) So kehrt Lulu zurück in Dr. Schöns Haus, wo sie bereits von Alwa und Rodrigo erwartet wird. Letzterer hat den Plan, Lulu für sich zu gewinnen. Als diese ihm aber vorgaukelt, krank und gebrechlich zu sein, kann er damit nichts anfangen und räumt das Feld. So kommt Alwa am Ende noch auf seine Kosten und Lulu und er werden ein Paar. → Hier endet Alban Bergs ursprüngliche Partitur, er konnte sein Werk nicht vollenden. Erst viele Jahre später, im Jahr 1974, vervollständigt der österreichische Komponist Friedrich Cerha die Oper und fügt im Stil Bergs einen 3. Akt hinzu. Jedes künstlerische Team, das die Oper aufführen möchte, steht vor der Entscheidung, ob man nur die von Berg selbst komponierten ersten zwei Akte aufführt oder die Fassung mit dem 3. Akt. Das Schleswig-Holsteinische Landestheater hat sich zu letzterem entschieden. 7. Bild - 3. Akt Lulu, Alwa, Schigolsch und die Geschwitz leben vollkommen mittellos in London, Lulu prostituiert sich. Einer ihrer Kunden erschlägt Alwa; Jack the Ripper, ebenfalls ein Kunde, tötet Lulu. Die seit Urzeiten in Lulu verliebte Gräfin Geschwitz wirft sich noch dazwischen, kann damit aber weder Lulus noch ihren eigenen Tod verhindern. Materialmappe Lulu SH -Landestheater SZ 2016/2017 4 Zur Entstehung Die beiden Lulu-Dramen von Wedekind zusammenzufügen war durchaus in dessen Sinne. Berg war nach einer Aufführung der Büchse der Pandora so von diesem Stoff fasziniert, dass er sich diesem annahm und mit der Arbeit an der Oper begann. Nachdem er seine ersten Ideen dazu in einem Particell (notierter Entwurf eines Musikstücks) zusammengefasst hat, schrieb er zunächst fünf sinfonische Stücke. Ende November 1934 wurde dieses Werk für Orchester in Berlin uraufgeführt. Auf Druck der Nationalsozialisten entließ man Erich Kleiber, den damaligen Generalmusikdirektor der Staatsoper Berlin, woraufhin die Uraufführung der Lulu nicht mehr stattfinden konnte. Berg widmete sich deshalb zunächst einem anderen Auftrag und starb bevor er die Oper vollenden konnte. Alban Berg war Zeitgenosse Sigmund Freuds, sein Interesse an den in Lulu verarbeiteten Themen der sexuellen Anziehung, Lust, Gewalt und Besessenheit kann durchaus mit den von Freud aufgestellten Theorien in Zusammenhang stehen. Zur Inszenierung am SHLT Das Produktionsteam um Regisseur Peter Grisebach, der gleichzeitig auch Generalintendant des Schleswig-Holsteinischen Landestheaters ist, hat sich dazu entschlossen, das Stück in der Jetztzeit anzusiedeln. Bühnenbildner Martin Fischer hat eine Szenerie geschaffen, die immer wieder neue Räume eröffnet, obwohl es dafür keiner großen Umbauten bedarf. Anknüpfend an zwei Gedanken zum Inhalt des Stückes macht sich Martin Fischer auf die Suche nach einer Umsetzung dieser Gedanken in ein Bühnenbild. Fündig wird er bereits im Prolog, der in einem Zirkus, also einer Arena, spielt. Als solche ist sie jedoch erst später erkennbar, denn zuerst sehen wir eine eindimensionale Schräge. Erst durch das Drehen der inneren, kreisförmigen Fläche wird diese zu einer Arena. Durch die unterschiedlichen Höhen (aufgrund der Schräge) lassen sich je nach Grad der Drehung unterschiedliche Räume schaffen. Im Hintergrund wird die Bühne durch halb gerundete, hohe Wände, die unterschiedlichst beleuchtet werden können, begrenzt. Die zwei Gedanken, um die die Ideen des Bühnenbildners kreisten sind folgende: 1. Alles dreht sich um Lulu. 2. Ist man ihr einmal verfallen, verliert man möglicherweise leicht den Boden unter den Füßen. Versatzstücke der Requisite zeigen dem Publikum jeweils, wo wir uns gerade befinden. So steht beispielsweise eine Staffelei für das Atelier des Malers etc. Die Kostüme sind heutig und für einige Figuren, wie den Tierbändiger, den Akrobat oder die Garderobiere plakativ. Quellen: Riding, Allen und Dunton-Downer, Leslie. Oper. London. 2006 Harenberg Kulturführer Oper. Mannheim. 2007 Materialmappe Lulu SH -Landestheater SZ 2016/2017 5 Alban Berg Alban Berg wird am 09.02.1885 in Wien geboren. Sein Vater Conrad Berg unterhält dort einen Buch- und Kunsthandel, stammt aber ursprünglich aus Nürnberg. Schon früh verliert Alban Berg seinen Vater, der im Jahr 1900 verstirbt, was die Familie in finanzielle Nöte bringt. Dank der Hilfe einer vermögenden Tante kann er auch weiterhin die Schule besuchen. Sein Abitur besteht er erst im zweiten Anlauf, was umso beachtlicher ist, da er nach dem ersten gescheiterten Versuch und einer unglücklichen Liebe einen Selbstmordversuch begeht. Eine Beamtenlaufbahn, die er direkt an das Abitur anschließt, erfüllt ihn nicht und so wird der, an den schönen Künsten interessierte, Alban Berg Schüler von Arnold Schönberg. Anfangs komponiert Berg noch im Stil Robert Schumanns und Gustav Mahlers, schon bald nimmt er die von seinem Lehrer neu entwickelte Musiktheorie zur Grundlage des eigenen Schaffens und trägt maßgeblich zu deren Weiterentwicklung bei. Nachdem er durch eine Erbschaft zu Geld kommt, widmet er sich ganz der Musik und gibt die Beamtenlaufbahn auf. 1911 heiratet Alban Berg Helene Nahowski. Jede kleinste Komposition erfordert akribisches Arbeiten, die freie Tonalität findet aber zunächst kaum Anklang beim Publikum. Büchners Fragment Woyzeck animiert Berg zu einer Adaption des Stoffes für die Oper. Er macht sich an die Arbeit, muss diese aber während des Ersten Weltkriegs unterbrechen. Schlussendlich findet die Uraufführung von Wozzeck am 14.12.1925 an der Staatsoper Berlin statt und ruft ebenso heftige Kritik wie Bewunderung hervor. Bevor er sich Ende der 1920er Jahre seiner zweiten Oper Lulu widmet, komponiert Berg weiterhin Lieder und Kammermusik und unterbricht die Arbeit an seiner zweiten Oper für ein Violinkonzert. In der Nacht vom 24. auf den 25.12.1935 stirbt Alban Berg im Spital an den Folgen einer Blutvergiftung und wird wenige Tage später beigesetzt. Lulu bleibt unvollendet. Bildquelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Alban_Berg#/media/File:WP_Alban_Berg.jpg Alban Berg porträtiert von Emil Stumpp, 1927 Quellen: http://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_B/Berg_Alban.xml http://www.klassikakzente.de/alban-berg/biografie Materialmappe Lulu SH -Landestheater SZ 2016/2017 6 Freie Tonalität – Zwölftonmusik Zweite Wiener Schule Der Begriff der Zweiten Wiener Schule wird in der Musikgeschichte Arnold Schönberg und dessen Schülerkreis zugeordnet. Deren Auseinandersetzung mit freier Tonalität (oft auch als Atonalität betitelt) legt den Grundstein zur Neuen Musik. Zur Jahrhundertwende 19./20. Jahrhundert ist man aufgrund der vielfältigen künstlerischen Strömungen in dieser Zeit bereit, vollständig mit der bisherigen musikalischen Tradition zu brechen und sieht beispielsweise die Möglichkeiten der Harmonik als erschöpft an. Vordenker dieser Musiktradition sind u.a. Richard Wagner, Richard Strauss und Gustav Mahler. Mitteleuropäische Musikhörer*innen sind es bis heute gewohnt, dass „einem Akkord auf der Dominante ein Tonika-Akkord oder einer seiner Stellvertreterklänge zu folgen habe“ (Rademacher, S. 143). Diese Erwartung wird von den Akteuren der Zweiten Wiener Schule durchbrochen. Damit wird ein vollkommen neues Klangerlebnis erzeugt. Schlussendlich löst Schönberg dann im System der Zwölftonmusik die Hierarchie der zwölf Halbtöne einer chromatischen Tonleiter auf und stellt sie gleichberechtigt nebeneinander. Innerhalb einer Tonfolge werden die Töne in möglichst großen Intervallabständen aneinander gereiht. Diese Tonfolge bildet die Grundform einer Komposition und kann nur nach genauen Techniken verändert werden: in der so genannten Krebs-Variante wird die Tonfolge von hinten nach vorn gelesen, In der Umkehrung wird die Grundform, die nach oben gerichtet ist nach unten gerichtet. Eine dritte Variation ist der Krebs der Umkehrung. Zusätzlich ist die Transposition aller Reihengestalten auf jede chromatische Stufe denkbar. Nach diesem Muster ergeben sich 48 verschiedene Möglichkeiten. Es sind vor allem seine Schüler Alban Berg und Anton Webern, die sich an dem von Schönberg geschaffenen Denksystem innerhalb der Musiktheorie probieren und dieses weiterentwickeln. Um sich eine Komposition nach diesem Muster besser vorstellen zu können, gibt es hier ein kleines Hörbeispiel: https://www.youtube.com/watch?v=39x0Ypi4gTc „Die Zwölftontheorie und die aus ihr hergeleiteten Konzepte sind der Schlüssel zu einem Neubeginn, der sich ebenso heftig gegen die gemäßigte Moderne stellt wie gegen die abgenutzten Traditionen der Spätromantik.“ (Jansen, S. 156) Quellen: Rademacher, Johannes. Schnellkurs Musik. Köln. 1997 Jansen, Johannes. Schnellkurs Oper. Köln. 2002 Materialmappe Lulu SH -Landestheater SZ 2016/2017 7