Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen · Lehrgebiet Architekturdarstellung · Prof. Gottfried Müller Leitfaden zum Freihandzeichnen · Stand: WS 2015 / 16 · Nur für Lehrzwecke Leitfaden zum FREIHANDZEICHNEN Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen · Lehrgebiet Architekturdarstellung · Prof. Gottfried Müller Leitfaden zum Freihandzeichnen · Stand: WS 2015 / 16 · Nur für Lehrzwecke INHALT 1 DIE SKIZZE 2 DAS SKIZZENBUCH ALS VISUELLES NOTIZBUCH Beispiele von Skizzebüchern 3. BLATTAUFTEILUNG, BILDAUSSCHNITT UND KOMPOSITION 4. VORSKIZZE 5. DER HORIZONT 6. DIE FLUCHTPUNKTE 7. PERSPEKTIVTYPEN EXKURS: Der Stift als Konstruktionshilfe 8. ARCHITEKTURZEICHNEN VOR ORT: Motivwahl und Methode 1 9. ARCHITKETURZEICHNEN VOR ORT: Methode 2 EXKURS: Weitere Methoden 10. INNENRAUMPERSPEKTIVEN EXKURS: Distanzpunkt EXKURS: Tipps und Tricks 11. DARSTELLUNGSMÖGLICHKEITEN IN DER LINIE 12. DARSTELLUNGSMÖGLICHKEITEN IN DER FLÄCHE EXKURS: Licht und Schatten 13. MASSSTABSBILDNER EXKURS: Bäume EXKURS: Zeichnungsgröße, Maßstab und Detaillierung 14. ANALYTISCHES ZEICHNEN Beispiel analytisches Zeichnen Links und Literaturhinweise 2 Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen · Lehrgebiet Architekturdarstellung · Prof. Gottfried Müller Leitfaden zum Freihandzeichnen · Stand: WS 2015 / 16 · Nur für Lehrzwecke 1. DIE SKIZZE Vor-Ort-Zeichnung (Marzellenstraße, Köln) Zeichnen heißt: Sehen „Zeichnen, was man sieht – aber vor allen Dingen […]: sehen, was man sieht.“ Le Corbusier Zeichnen ist zum einen ein Mittel, um die eigene Wahrnehmung zu schärfen für Proportion, für Licht und Schatten, für Atmosphäre, Farben, Oberflächen, Bewegung etc.. Es lehrt, das Wichtige und Brauchbare vom Unwichtigen zu trennen. Zum anderen erarbeitet man sich durch das Zeichnen einen Erfahrungsschatz, also ein Repertoire an Strukturen, Formen, Rhythmen und räumlichen Zusammenhängen. Beispiel einer Serie von analytischen Zeichnungen Zeichnen heißt: Verstehen „Alles Zeichnen ist nützlich und Alles zeichnen auch.“ Adolph Menzel Zeichnen ist ein Werkzeug, sich selbst und anderen die Welt zu erklären. Das Gesehene wird nicht nur abgebildet, sondern darüber hinaus entschlüsselt, „auseinandergenommen“, analysiert und begreifbar gemacht. Ludwig Mies Van Der Rohe: Golfclub in Krefeld (Projekt 1929), Entwurfsskizze Zeichnen heißt: Kommunizieren „Die Sprache des Architekten ist die Skizze.“ Gustav Peichel Zeichnen ist eine Sprache, um nicht nur das Beobachtete, sondern auch das Gedachte auszudrücken. Durch das Zeichnen lassen sich Gedanken und Ideen festhalten, weiterentwickeln und verständlich machen. 3 Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen · Lehrgebiet Architekturdarstellung · Prof. Gottfried Müller Leitfaden zum Freihandzeichnen · Stand: WS 2015 / 16 · Nur für Lehrzwecke 2. DAS SKIZZENBUCH ALS VISUELLES NOTIZ­BUCH Ein Skizzenbuch dient als vi- gehen dabei eine funktionale suelles Notizbuch, Tagebuch, Verbindung ein. Sammlung, Dokumentation, ArIhr Skizzenbuch erhalten Sie zu chiv und Experimentierfeld. Beginn des 1. Semesters. Neben Im Skizzenbuch hält der Zeich- den Übungsaufgaben wird auch ner fest, was ihn interessiert und das Skizzenbuch bewertet. Bei beschäftigt und was er entdeckt der Bewertung der Leistungen hat. Das Buch ist eine Sammlung im Skizzenbuch zählen folgende von Beobachtungen, Erkennt- Kriterien gleichwertig: nissen, Ideen und Erfahrungen, die mit dem Stift wiedergegeben - Umfang / Masse wurden und später auch weiter- - Entwicklung im Laufe des Sem. - Ausdruck, Aussagefähigkeit verwendet werden können. - Engagement und Leidenschaft Die Techniken, die im Skizzen- - Wahrnemungsfähigkeit buch verwendet werden, sind - Zeichnungsdifferenzierung individuell – ob Bleistift, Tusche, Aquarell, Kohle, Buntstift, Ku- Versehen Sie den Rücken Ihres Skizzenbuchs mit Ihrem Namen gelschreiber oder Collage. und Ihrer Matrikelnummer (mit Ein Skizzenbuch ist damit natür- einem weißen Marker). Füllen lich immer etwas Persönliches. Sie immer beide Seiten Ihres Der Zeichner zeichnet in erster Skizzenbuchs. Kleben Sie die Linie für sich selbst und be- Liste der Pflichtübungen auf S. 1. schreibt seine eigene Welt. Skizzenbücher sind in den unterschiedlichsten Ausführungen erhältlich, jedoch gibt es Unterschieden in ihrer Brauchbarkeit. Ein Skizzenbuch sollte mindestens DIN A5 im Hoch- oder Querformat sein. Ringbücher sind zu vermeiden, da man darin keine Doppelseiten nutzen kann. Sie sollten einen festen Umschlag haben. Das Papier des Skizzenbuchs ist idealerweise säurefrei und hat eine Dicke von min. 150 g/m2. Schrift vervollständigt jede Skizze inhaltlich und lässt den Zeichner wichtige Informationen nicht vergessen. Text und Bild 4 Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen · Lehrgebiet Architekturdarstellung · Prof. Gottfried Müller Leitfaden zum Freihandzeichnen · Stand: WS 2015 / 16 · Nur für Lehrzwecke BEISPIELE VON SKIZZENBÜCHERN Smout Allen, aus „Architects´ Sketchbooks“ 5 Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen · Lehrgebiet Architekturdarstellung · Prof. Gottfried Müller Leitfaden zum Freihandzeichnen · Stand: WS 2015 / 16 · Nur für Lehrzwecke 3. BLATT­AUFTEILUNG, BILDAUSSCHNITT UND KOMPOSITION Eine „gewachsene“ Skizzenbuchseite, bei der freie Stellen auf dem Blatt nach und nach gefüllt werden, kann ihren Reiz haben, auch durch die Anwendung unterschiedlicher Techniken. Dabei ist vor dem Beginn der nächsten Zeichnung darauf zu achten, welchen Flächenbedarf sie auf dem Zeichenblatt ungefähr haben wird. „Gewachsene“ Blattaufteilung (Blégny / Gérard Michel und Lissabon / Florian Afflerbach) „Gewachsene“ Blattaufteilung (Kirchen im Siegerland) Geplante Blattaufteilung (Schloss Bothmer / Klütz. Arno Hartmann) Aber man kann ein Blatt zu Beginn einer Seite bzw. Doppelseite auch „planen“. Dabei bestimmen die Anzahl, Position, Größe und zeichnerische Intensität der Elemente (Schwerpunktbildung) die Komposition. Die einzelnen Zeichnungen können mit Rahmen versehen werden, wodurch sie einen comichaften oder erzählenden Charakter erhalten. Eine kleine Vorskizze der Blattaufteilung hilft hierbei. Sequenzen von Vorzeichnungen können wechselnde räumliche Begebenheiten eines Gebäudes besonders gut wiedergeben. 6 Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen · Lehrgebiet Architekturdarstellung · Prof. Gottfried Müller Leitfaden zum Freihandzeichnen · Stand: WS 2015 / 16 · Nur für Lehrzwecke 4. VORSKIZZE Zeichnung mit Vorskizze (Wohn- und Geschäftshaus in München, Florian Afflerbach) Zu Beginn einer Zeichnung sollten verschiedene Eigenschaften des Objekts in einer schnellen Vorskizze erfasst werden: der Bildausschnitt, die Dimensionen in Höhe und Breite, die generellen Proportionen, die Gliederung, sowie die Lage des Horizont und der Fluchtpunkte. Die Vorskizze ist eine Miniatur der folgenden, großen Architekturzeichnung und hat in etwa die Größe einer Kreditkarte. Die Vorskizze sollte zeitlich nicht mehr als zwei Minuten beanspruchen. Um die Vorzeichnung kann ein Rahmen gelegt werden, der dem Blattrand der späteren Architekturzeichnung entspricht. So können die o.g. Objekteigenschaften auf das große Blatt besser übertragen werden. Informationen über die Lage von Fluchtpunkten, die in der großen Architekturzeichnung nicht auf dem Blatt liegen würden, sind somit aus der Vorskizze entnehmbar. Zeichnung mit mehreren Vorskizzen (Halberstädter Dom / Arno Hartmann) und Fotografie der Situation 7 Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen · Lehrgebiet Architekturdarstellung · Prof. Gottfried Müller Leitfaden zum Freihandzeichnen · Stand: WS 2015 / 16 · Nur für Lehrzwecke 5. DER HORIZONT Der Horizont ist eine gedachte Linie, die immer auf Augenhöhe des Betrachters liegt. Alles, was sich über dieser Linie befindet wird sozusagen „von unten“ gesehen; alles was sich unter dieser Linie befindet, „von oben“. Die gedachten Verlängerungen der fallenden und steigenden Linien der betrachteten Objekte treffen sich auf dieser Linie, dem Horizont. Waagerechte Kanten von Objekten, die parallel zueinander und senkrecht zur Bildebene stehen, „fluchten“ zu einem gemeinsamen Punkt auf dem Horizont, dem Fluchtpunkt. Vertikale Linien bleiben dagegen immer vertikal (ausgenommen Dreifluchtpunktperspektiven). Die Begriffe „Horizont“ und „Fluchtpunkt“ sind beim perspektivischen Sehen die entscheidenden Bestandteile. In allen perspektivischen Zeichnung oder auch auf Fotografien, lassen sich Horizont und Fluchtpunkte ermitteln, auch wenn die Fluchtpunkte nicht immer auf dem Blatt liegen. Das Wissen um Horizontlinie und Fluchtpunkte, ermöglicht es, beim Freihandzeichnen immer kontrollieren zu können, ob man das Objekt / den Raum richtig beobachtet hat. Unerlässlich sind diese Gesetzmäßigkeiten, wenn man gedachte räumliche Situationen anschaulich in einer perspektivischen Zeichnung darstellen will. Die Augenhöhe des Betrachters ist relativ niedrig - Die Untersicht der Decke wird betont - Die Personen werden „von unten“ betrachtet Standpunkt Die Augenhöhe des Betrachters liegt bei ca. 1,6 – 1,7 m Höhe - Dies ist die gägigste Lage des Horizonts, das schnelle Skizzieren ist so am einfachsten - Der Zeichner hat die gleiche Größe wie alle anderen Personen im Raum, so dass alle Köpfe sich am Horizont befinden Die Augenhöhe des Betrachters ist relativ hoch - Die Draufsicht des Bodens wird betont - Die Personen im Raum werden von oben betrachtet 8 Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen · Lehrgebiet Architekturdarstellung · Prof. Gottfried Müller Leitfaden zum Freihandzeichnen · Stand: WS 2015 / 16 · Nur für Lehrzwecke 6. DIE FLUCHTPUNKTE Die meisten Fluchtpunkte liegen auf dem Horizont (Ausnahmen: Fluchtpunkte von Dachschrägen, Treppensteigungen und anderen schiefen Ebenen). Wie aber lassen sich konkret Fluchtpunkte feststellen? Bei der Zentralperspektive ist der Fluchtpunkt genau an der Stelle, auf die wir senkrecht auf der gegenüberliegenden Seite blicken, auf Höhe des Horizonts (vgl. S. 8 oben). Bei der Übereckperspektive ist es ähnlich. Wir schauen aber nicht senkrecht auf ein Gebäude oder Bauteil, sondern übereck in einem bestimmten Winkel, d.h. wir sehen mehrere Seiten eines Gebäudes oder Bauteils. Zunächst muss die Lage des Horizonts (HO) erfasst werden, der eine bestimmte Höhe (h) über dem Boden hat. FP Horizont h h h Vom eigenen Standpunkt aus blicken wir lotrecht auf gedachte Verlängerungen beispielsweise der Hauswände. Wo Hauswand und Blick aufeinander treffen, befindet sich - auf Höhe des Horizonts - je ein Fluchtpunkt der Übereckperspektive. Die beiden Blicke des Zeichners bilden immer einen rechten Winkel und sind zudem parallel zu Kanten des (orthogonalen) Gebäudes. Horizont FP 9 Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen · Lehrgebiet Architekturdarstellung · Prof. Gottfried Müller Leitfaden zum Freihandzeichnen · Stand: WS 2015 / 16 · Nur für Lehrzwecke 7. PERSPEKTIVTYPEN: ZENTRAL-, ZWEIFLUCHT- UND DREIFLUCHTPERSPEKTIVE Zentralperspektive und Übereckperspektive (Nymphenburger Schloss, München) Die Perspektive gibt den subjektiven Blick des Betrachters wieder - im Gegensatz zu Axonometrie oder Ansicht, wo Linien, die in Wirklichkeit parallel sind, auch parallel dargestellt werden. Eine Perspektive ist nicht maßhaltig, d.h. Abstände werden verkürzt, Flächen verzerrt. Die perspektivische Zeichnung ermöglicht es, einen dreidimensionalen Gegenstand in eine zweidimensionale Darstellung zu übertragen, wie er gesehen wurde. Die Perspektive ist damit die anschaulichste Art der Darstellung. Beim Freihandzeichnen vor Ort wendet man ganz automatisch die Gesetzmäßigkeiten einer perspektivischen Darstellung an, ohne im Sinne der darstellenden Geometrie eine Perspektive zu konstruieren. Das Bild, das entsteht, ist abhängig vom Standpunkt, von der Blickrichtung und von der Augenhöhe. Die gängisten Perspektiven sind: Zentralperspektive: Die Blickrichtung ist senkrecht zu einer Wand des Raumes bzw. Körpers, die dadurch parallel zur Bildebene (zum Standpunkt) steht. 1 Fluchtpunkt Zweiflucht-/ Übereckperspektive: Der Blick richtet sich auf eine Ecke des Raumes bzw. Körpers. 2 Fluchtpunkte Dreiflucht-/ Vogel- / Froschperspektive Der Blick ist von schräg oben bzw. unten auf eine Ecke des Raumes bzw. Körpers gerichtet. 3 Fluchtpunkte Zentralperspektive, Übereckperspektive und Vogelperspektive 10 Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen · Lehrgebiet Architekturdarstellung · Prof. Gottfried Müller Leitfaden zum Freihandzeichnen · Stand: WS 2015 / 16 · Nur für Lehrzwecke EXKURS: DER STIFT ALS KONSTRUKTIONSHILFE: MESSEN UND VERGLEICHEN: STRECKEN, PROPORTIONEN, WINKEL Der Zeichenstift dient zur Feststellung des Horizonts sowie als Messhilfe für Längen, Verhältnissen und Winkeln. Der Zeichenstift ist ein ideales Werkzeug zum Messen von Längen, Winkeln und Verhältnissen. Er kann direkt an Straßenverläufe, Gebäudekanten oder schräge Dächer angelegt werden. Wenn man den Zeichenstift mit ausgestrecktem Arm waagerecht vor seine Augen hält und sich dabei die entstehende, imaginäre Linie vorstellt, erhält man die Lage des Horizonts. Weiterhin lässt sich das gesehene Gebäude mit dem Bleistift in Höhe und Breite ausmessen. Dazu kann man den Daumen am Zeichenstift an der einer gewünschten Stelle fixieren und diese gewonnene Teillänge im Verhältnis zur Gesamtlänge des Zeichenstifts ablesen. Um vergleichbare Ergebnisse zu erhalten, sollte man immer den ausgestreckten Arm an das Zeichenobjekt halten, egal, was man messen möchte. Beim Abmessen von Winkeln kann auch das Zifferblatt eine Uhr helfen. Ein schräges Dach muss nicht immer mit einer Gradzahl benannt werden, es tut auch die Angabe „halb zehn“. 11 Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen · Lehrgebiet Architekturdarstellung · Prof. Gottfried Müller Leitfaden zum Freihandzeichnen · Stand: WS 2015 / 16 · Nur für Lehrzwecke 8. ARCHITEKTUR­ZEICHNEN VOR ORT MOTIVWAHL UND METHODE 1 Der Aufbau des Bildes ist eine wichtige Entscheidung vor jeder Zeichnung, die immer nur ein abgebildeter Ausschnitt der Umgebung ist. Zwischen Zeichner und ausgesuchtem Zeichenobjekt liegt die imaginäre Bildebene (BE). Sie schiebt sich wie eine unsichtbare Ebene (oder wie ein Blatt Papier) zwischen Zeichner und Zeichenobjekt. Zeichner, Skizzenbuch und Architektur bilden immer eine gerade Linie. sen und am Blattrand angetragen werden. Außerdem muss die Lage des Horizonts festgelegt werden. Das abgebildetete Gebäude sehen wird von einem niedrigen Standpunkt aus, d.h. der Horizont liegt auch relativ tief und im unteren Bereich des Eine hilfreiche Methode zur zeichnerischen Konstruktion des Gebäudes ist es, vom gefundenen, in diesem Fall linken Fluchtpunkt Strahlen in verschiedenen Winkeln zu zeichnen. Vom rechten Fluchtpunkt, der außerhalb des Blattes liegt, werden die Vorskizze mit dargestelltem Blattrand und gemessenen Bleistiftlängen Gebäudes. Die Positionen der Fluchtpunkte und deren Abstände zum Gebäude werden ebenfalls ermittelt. Anhand der Vorskizze lässt sich beispielsweise nun feststellen, dass der Abstand vom linken Fluchtpunkt zur linken Turmkante größer ist als die Gesamtbreite des linken Turms. Daraufhin sind wiederum Rückschlüsse zur Gebäudehöhe möglich. Nach Vor dem Start der Zeichnung und nach lässt sich das Gebäude muss man sich vergewissern, konstruieren. welchen Raum die Architektur auf dem Blatt einnehmen soll. In dem obigen Fall würden die Eine entsprechende kleine Vor- beiden Fluchtpunkte außerhalb skizze hilft dabei, die wesent- des Blattes liegen. Wenn zuminlichen Fragen zur Motivwahl zu dest ein Fluchtpunkt sich aber klären. Dabei kann das Gebäude auf dem Blatt befinden soll, dann zunächst mit Zeichenstiftlängen bedeutet dies automatisch, dass in Höhe und Breite ausgemes- die Zeichnung kleiner wird. erwarteten Strahlen ebenfalls dazu gezeichnet. Dieses entstehende Raster ist eine gute Hilfe, um die grobe Gebäudekubatur zu zeichnen. Strahlenmethode mit entstehendem Raster 12 Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen · Lehrgebiet Architekturdarstellung · Prof. Gottfried Müller Leitfaden zum Freihandzeichnen · Stand: WS 2015 / 16 · Nur für Lehrzwecke 9. ARCHITEKTUR­ZEICHNEN VOR ORT METHODE 2 Bei der Übereckperspektive ist es ratsam, zunächst die Lage der Gebäudekante als Vertikale zu zeichnen, die dem Standpunkt des Zeichners am nächsten ist. Nach der Ermittlung des Horizonts und der Fluchtpunkte kann nun vom linken, definierten Fluchtpunkt in Richtung der Gebäudekante gezeichnet werden. Dies geschieht Messen der Winkel des oberen und unteren Gebäudeabschlusses (vgl. Fotografie S. 14 oben). Durch die beiden neuen Schnittpunkte ist die Höhe der Gebäudekante nun definiert. Dies bestimmt im Wesentlichen die Größe der Zeichnung. Weiterhin lässt sich das gesehene Gebäude mit dem Bleistift in Höhe und Breite ausmessen. Dazu kann man den Daumen am Zeichenstift an der einer gewünschten Stelle fixieren und diese gewonnene Teillänge im Verhältnis zur Gesamtlänge des Zeichenstifts ablesen. Weiteres Messen vervollständigt die Kubatur des Gebäudes in alle Richtungen. Die Lage des vorspringenden Dreieckgiebels im kann durch Auskreuzen der Rechteckfläche bestimmt werden. Die wesentlichen Öffnungen des Gebäudes werden ebenfalls gezeichnet. Sekundäre Öffnungen, Ornamente und Details werden hinzugefügt. Vorder- und Hintergrund rahmen das Gebäude ein. Durch Schatten erhält die Architekturzeichnung Plastizität. Vertikale Gebäudekante, die dem Zeichner am nächsten ist Bestimmen des Horizonts, der Fluchtpunkte und der nahen Gebäudevertikalen Weitere Gebäudehöhen und -breiten werden festgelegt Folgende stufenweise Ausgestaltung 13 Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen · Lehrgebiet Architekturdarstellung · Prof. Gottfried Müller Leitfaden zum Freihandzeichnen · Stand: WS 2015 / 16 · Nur für Lehrzwecke EXKURS: WEITERE METHODEN Für den Fall, dass das Zeichnen durch Messen und Übertragen der Proportionen auf das Blatt Schwierigkeiten bereitet, gibt es noch weitere einfache Vorgehensweisen. Oft bildet der Himmel einen relativ starken Kontrast zum Haus. Die Szene ist durch teilweise kräftige Schatten geprägt. Dort, wo sich Himmel und Gebäude treffen, ist eine imaginäre Kante, die wir durch eine Linie darstellen. Wir zeichnen eine Silhouetten- oder Umrisslinie überall dort, wo Himmel und Gebäude aufeinander treffen (dicke Linie). Anschließend wird das Gebäude und die Umgebung anhand der Umrisslinie unterhalb vervollständigt. Eine weitere Methode ist das Zeichnen von Tonwerten mit weichen Bleistiften. Mit zusammengekniffenen Augen wird die Szene beobachtet und versucht, nur die Tonwerte zeichnerisch wiederzugeben. Es werden keine Linien, sondern nur Flächen (z.B. Schraffuren) von sichtbaren Schlag- und Eigenschatten gezeichnet. Dabei kann übertrieben werden; es entsteht ein erhöhter Kontrast. Sonnenbeschienene Bauteile werden weiß belassen. Auftretende Schatten sind dort am dunkelsten, wo sie auf eine hellbelichtete Stelle treffen. oben: Umrisszeichnung unten: Tonwertzeichnung 14 Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen · Lehrgebiet Architekturdarstellung · Prof. Gottfried Müller Leitfaden zum Freihandzeichnen · Stand: WS 2015 / 16 · Nur für Lehrzwecke 10. INNENRAUMPERSPEKTIVEN Beim Zeichnen von Innenräumen zeichnet man nicht die äußere Kubatur eines Gebäudes als Kontur, sondern den umgebenen Raum. Beispiel Zentralperspektive Die Blickrichtung ist senkrecht zur Rückwand des Raumes. Diese ist daher parallel zur Bildebene. Alle Flächen im Raum, die parallel zur Rückwand stehen, bleiben auch in der perspektivischen Darstellung parallel. Die Zentralperspektive ist deshalb relativ einfach zu konstruieren und eignet sich gut für die Darstellung von Innenräumen. Position der zeichnenden Person im Grundriss Beispiel Übereckperspektive Der Blick richtet sich auf eine Ecke des Raumes, die sich in der Regel nicht in der Nähe des Zeichners befindet, sondern in einiger Entfernung. Durch die Blickrichtung auf die Raumecke ist die Rückwand daher nicht parallel zur Bildebene. Deshalb fluchten alle (in Wirklichkeit waagerechten) Kanten. Verlängert man die oberen und unteren Begrenzungslinien des (rechtwinkligen) Objektes, treffen sich diese Projektionslinien in zwei sich überkreuzenden Fluchtpunkten (F1 und F2). Position der zeichnenden Person im Grundriss Für innenräumliche Skizzen ist es meist sinnvoll, menschliche Figuren einzufügen, um dem Betrachter klarzumachen, welche Größe der gezeichnete Raum hat. 15 Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen · Lehrgebiet Architekturdarstellung · Prof. Gottfried Müller Leitfaden zum Freihandzeichnen · Stand: WS 2015 / 16 · Nur für Lehrzwecke EXKURS: DISTANZPUNKT Für das Zeichnen von gedachten Räumen mit regelmäßigem Stützenraster und gleichmäßiger Boden- oder Fassadenteilung, gibt es folgende Möglichkeiten, den Raum proportional in die Tiefe zu erweitern. Auch für vor Ort gezeichnete Räume und Gebäude sind diese Hilfsmittel zur Überprüfung der Zeichnung hilfreich. Jede Diagonale einer rechteckigen Bodenfläche schneidet den Horizont in einem Punkt, dem Distanzpunkt (D). Hat man die Größe des ersten Bodenoder Deckenfeldes festgelegt, kann man durch Verlängerung der Diagonalen den Raum in gleichgroße Felder gliedern. Die vereinfachte Methode besteht darin, die Diagonalen nicht in einem gemeinsamen Punkt enden zu lassen, sondern einfach parallel zu verschieben. Diese Methode ist ungenauer, für die Anfertigung schneller Zeichnungen und Skizzen aber auch gut geeignet. Distanzpunkt Die Diagonalen der Boden-bzw. Deckenfelder treffen sich in einem Punkt. Parallelverschiebung (vereinfachte Methode) Die Diagonalen der Wandfelder werden parallel zum nächsten Feld verschoben, um perspektivisch gleiche Abstände zu bekommen In der Anwendung vor Ort hilft die Anwendung des Distanzpunkts beim Zeichnen von regelmäßigen Tragwerken oder Fassadenrastern. Hinter der Pigmentliner-Zeichnung rechts liegt eine ausradierte, konstruierte Bleistiftzeichnung. Zeichnung: Gérard Michel 16 Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen · Lehrgebiet Architekturdarstellung · Prof. Gottfried Müller Leitfaden zum Freihandzeichnen · Stand: WS 2015 / 16 · Nur für Lehrzwecke EXKURS: TIPPS UND TRICKS Den Mittelpunkt von senkrechten Linien in der Perspektive erhält man durch Abmessen der tatsächlichen Länge oder Höhe der Linie. Der Mittelpunkt (M) von rechteckigen Flächen hingegen wird durch einfaches Auskreuzen einer in der Perspektive rechteckigen Fläche erreicht. Mittig positionierte Bauteile (Fahnen, Türme, Fenster) können von Mittelpunkt aus nun leichter konstruiert werden. Kreise bewegen sich immer innerhalb Quadraten, Ellipsen bewegen sich innerhalb eines Rechtecks. Vom ausgekreuzten Quadrat bzw. Rechteck kommen wir über das Achteck als Zwischenschritt zum Kreis bzw. zur Ellipse. Leuchte 2 FP Leuchte 1 Abstand (A) Leuchte 3 Um z.B. bei Straßenleuchten oder Rasterfassaden den immer gleichen Abstand perspektivisch richtig wiederzugeben, muss man zunächst einen Abstand (A) wählen. Anschließend bestimmt man die Mittellinie der beiden Leuchten auf halber Höhe und verbindet diese großzügig mit dem Fluchtpunkt (FP). Vom Hochpunkt der ersten Leuchte zeichnet man nun eine Diagonale durch den Mittelpunkt der zweiten Leuchte, bis man den Tiefpunkt der unteren Fluchtlinie (U) erreicht. An dieser Stelle steht Leuchte 3. U Die Konstruktion von Abständen, Mittelpunkten, Kreisen und Ellipsen in der Perspektive M TFP Horizont FP Neigungen von Treppen haben ihre eigenen Fluchtpunkte, ebenso wie geneigte Ebenen, Rampen und nicht orthogonale Wände. Ist die Treppe orthogonal zum Raum (Grundriss), liegt der FP Fluchtpunkt (TFP) ihrer Neigung lotrecht über einem der Fluchtpunkte. Wenn die Neigung dadurch bestimmt wurde, kann die Treppe relativ leicht vervollständigt werden. 17 Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen · Lehrgebiet Architekturdarstellung · Prof. Gottfried Müller Leitfaden zum Freihandzeichnen · Stand: WS 2015 / 16 · Nur für Lehrzwecke 11. DARSTELLUNGSMÖGLICHKEITEN IN DER LINIE: STIFTHALTUNG, ÜBERKREUZTE ECKEN, ABGESETZTE LINIEN Den Zeichenstift kann man auf verschiedene Art und Weise halten. Idealerweise liegt der Stift locker und unverkrampft in der Hand und wird von Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger gehalten. Die Hand liegt auf dem Handballen auf. Gerade Linien sollten tatsächlich auch gerade gezeichnet sein. Häufige Fehler sind Linien, die aus dem gegebenen Radius aus Handgelenk und Arm gebogen gezeichnet werden. Eine Linie sollte tatsächlich auch nur aus einer einzigen Linie bestehen sollte. Unterbrochene Striche sollten mit einer kleinen Lücke fortgesetzt werden. Linientypen Zitterstrich (links) fortgesetzte Linie Parallelen Strich- und Punktlinie Für gerade Grundlinien kann der kleine Finger an der Kante des Tisches oder des Skizzenbuchs entlang geführt werden, gleichzeitig wird parallel zu dieser Kante ein gerader Strich gezeichnet. Sich kreuzende Linien, die beispielsweise Gebäudeecken darstellen, sollten immer aus zwei Linien bestehen und so gezeichnet werden, dass sich die beiden Stiche sichtbar kreuzen. Linien eines Körpers, die hinter einem anderen Körper liegen, sollten dessen Linien nicht schneiden und abgesetzt gezeichnet sein. abgesetzte Linien in Grundriss und Ansicht dicke Grundlinie Zeichnungen mit unterschiedlichen Strichstärken trennen Wichtiges von Unwichtigem. Die Gebäudekubatur kann mit einer dicken Umfahrungslinie hervorgehoben werden. 18 Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen · Lehrgebiet Architekturdarstellung · Prof. Gottfried Müller Leitfaden zum Freihandzeichnen · Stand: WS 2015 / 16 · Nur für Lehrzwecke 12. DARSTELLUNGSMÖGLICHKEITEN IN DER FLÄCHE: SCHRAFFUREN, STRUKTUREN UND SCHATTEN Schraffuren machen es möglich, mit Linien Flächigkeit, Schatten oder Materialbeschaffenheit darzustellen. Sie sind nicht mit den werkstoffabhängigen Schraffuren aus dem technischen Zeichnen zu verwechseln. Im Wesentlichen wird zwischen einfachen Schrägschraffuren, Kreuzschraffuren und Punktschraffuren unterschieden. Wichtig: gleiche Abstände der Einzelstriche bei Schräg- und Kreuzschraffuren. Schraffuren sollen die Flächigkeit eines Bauteils herausstellen oder andeuten, dass ein Bauteil im Schatten liegt. Werden einfache Schraffuren hingegen vertikal oder horizontal angelegt, kann dies auch auf ein zu verwendendes Material hinweisen. Es ist auch möglich, z.B. Punktschraffuren in Richtung einer Kante oder einer Ecke zu verdichten, um eine Wölbung darzustellen. Manche Situationen machen den Einsatz von Flächenwerkzeugen notwendig, z.B. bei Farbund Materialandeutungen oder für zügiges Arbeiten. Besonders hervorzuheben sind Marker für die Farb- und Materialdarstellung, Aquarellfarben für atmosphärische Eindrücke durch Transluzenz und Kreide- bzw. Kohlestifte für ausdrucksstarke und kontrastreiche Skizzen und Zeichnungen. Typen von Schraffuren Schräg-, Kreuz- und Punktschraffur Eine einseitige Schraffur zeigt die vom Licht abgewandte Seite des Körpers Die Schraffur in Richtung des Fluchtpunkts kann Materialität andeuten Typen von Flächendarstellungen Vollfläche (durch Marker), Halbfläche (durch Aquarelllasur) und strukturierte Fläche (durch Kreide) Darstellungstechniken links: Bleistift und Marker rechts: Aquarellfarben und Kohle 19 Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen · Lehrgebiet Architekturdarstellung · Prof. Gottfried Müller Leitfaden zum Freihandzeichnen · Stand: WS 2015 / 16 · Nur für Lehrzwecke EXKURS: LICHT UND SCHATTEN Licht und Schatten erzeugen Plastizität. Kontraste bewirken, dass Körper besser erkennbar und ablesbar werden. Die Wirkung und die Atmosphäre von Räumen wird zum großen Teil vom Lichteinfall bestimmt. In der Freihandzeichnung - sowohl bei der Abbildung von Beobachtetem, als auch bei der Visualisierung von räumlichen Ideen - ist das Erkennen bzw. das Darstellen von Licht und Schatten oft sehr hilfreich, um räumliche Zusammenhänge zu verstehen. Manche Objekte lassen sich in der Darstellung auch ausschließlich auf Hell-Dunkel- Kontraste reduzieren, ohne dass Linien gezeichnet werden (z.B. Schattenschrift). Ähnlich wie beim Erkennen und Abschätzen von Größenverhältnissen und Winkeln kann man das Wahrnehmen unterschiedlicher Abstufungen von Helligkeit durch das Zeichnen lernen. Auch hier ist es sinnvoll, schnelle Vorzeichnungen zu machen, um sich selbst die Verteilung von hellen und dunklen Bereichen zu verdeutlichen. Bei den Schattenarten wird im Wesentlichen zwischen Eigenschatten (ES) und Schlagschatten unterschieden. Der Eigenschatten ist in der Regel heller als der Schlagschatten. Treffen Eigenschatten und Schlagschatten aufeinander, ergibt sich der sog. Kernschatten. aus „Sketch and Srapbook“, Eberhard Holder Arneá Ferrari aus „Architects Draw“, Sue Ferguson Gussow 20 Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen · Lehrgebiet Architekturdarstellung · Prof. Gottfried Müller Leitfaden zum Freihandzeichnen · Stand: WS 2015 / 16 · Nur für Lehrzwecke 13. MASSSTABSBILDNER Für räumliche Skizzen ist es meist sinnvoll, menschliche Figuren einzufügen. Sie geben dem Betrachter einen maßstäblichen Eindruck des dargestellten Raums, sowohl in Entwurfszeichnungen als auch im Architekturzeichnen vor Ort. Zeichnungen: F. Kruse, nach E. Holder „Sketch and Scrapbook“ In der Perspektive ist darauf zu achten, dass die Menschen entsprechend ihrer Position in der räumlichen Tiefe in ihrer dargestellten Größe variieren. Steht man während des Zeichnens, dann sind (eine gerade Ebene vorausgesetzt) die Köpfe aller stehenden Erwachsenen auf dem Horizont darzustellen, so nah oder fern sie sich auch befinden. Neben Menschen vermitteln auch andere, den alltäglichen Sehgewohnheiten entsprechende Maßstabsbilder (wie z.B. Autos und Bäume) Räumen eine gewisse Maßstäblichkeit. Falls diese ebenfalls dargestellt werden, muss entschieden werden, in welcher Wichtigkeit gezeichnet werden sollen. Liegt der Fokus eher auf der Gesamtkomposition, werden Menschen, Bäume (vgl. „Exkurs Bäume“) und Autos mit der gleichen zeichnerischen Tiefe dargestellt. Steht die Architektur im Mittelpunkt (der Normalfall), sind die genannten Maßstabsbildner „nur“ maßstäbliches Beiwerk. links: Architektur und Fahrzeug in Gesamtkomposition rechts: Architektur im Fokus, Bäume und Autos als maßstabsbildendes Beiwerk 21 Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen · Lehrgebiet Architekturdarstellung · Prof. Gottfried Müller Leitfaden zum Freihandzeichnen · Stand: WS 2015 / 16 · Nur für Lehrzwecke EXKURS: BÄUME Bäume, sofern sie für die Zeichnung interessant erscheinen, lassen sich auf viele unterschiedliche Weisen darstellen. Es gibt unzählige Baumarten, die zudem ihr Aussehen saisonal verändern. Bäume verleihen Häusern eine Dimension und binden sie in ihre angestammte Umgebung ein. Sie dürfen nicht zu klein dargestellt werden, sonst erscheint der Entwurf proportional zu groß. Um einen sommerlichen Laubbaum plastisch erscheinen zu lassen, sollte zunächst die Blattmasse mit Stamm als Umrisszeichnung erfasst werden. Der Stamm und die tragenden Äste können noch hinzugefügt werden, wichtiger ist jedoch das Unterteilen in sog. Blattwolken, deren Struktur sich auf ihrer Schattenseite noch verstärkt. Dabei ist darauf zu achten, dass die Blattwolken, bei denen je eine Seite im Licht bzw. im Schatten steht (vgl. Abb. 12 und 30), plastisch erscheinen. Winterliche Bäume bestehen dagegen nur aus der Stammund Aststruktur, die in Richtung Baumkrone immer dünner wird. verschiedene Baumarten winterliche Bäume im Fokus der Zeichnung links: lineare Darstellung von Blattwolken (Schatten durch variierende Strichdichte) rechts: flächige Darstellung von Blattwolken durch Aquarellfarben oder Marker Reizvoll bei Baumdarstellungen ist die Kombination aus Linienzeichnung (Bleistift oder Fineliner) und partieller Flächigkeit (Marker oder Aquarellfarben, vgl. Abb. 40 und 44). Büsche, Gras und andere beiläufige Vegetation sollte nur in variantenreichen Strichen oder andeutenden, unregelmäßigen Texturen dargestellt werden, aber nicht zu dominant sein (vgl. Abb. 26). 22 Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen · Lehrgebiet Architekturdarstellung · Prof. Gottfried Müller Leitfaden zum Freihandzeichnen · Stand: WS 2015 / 16 · Nur für Lehrzwecke EXKURS: ZEICHNUNGSGRÖSSE, MASSSTAB UND DETAILLIERUNG: ABHÄNGIGKEITEN ZWISCHEN STRICHSTÄRKEN UND DISTANZ Die Schritte, die ein Entwurf bis zur Realisierung zu überstehen hat, sind im Prinzip mit den Leistungsphasen der Honorarordnung der Architekten vergleichbar. Immer tiefer steigt der Architekt in Planung ein und erstellt dabei immer detailliertere Zeichnungen in immer kleineren Maßstäben. Die Sprache der Zeichnung ändert sich von der ersten Kritzelei einer Idee zu baubaren Werkzeichnung. Die Freihandskizze im Entwurf spielt dabei die Rolle des Vermittlers und ist in der Lage, eine Zeichnung, die zuvor nur in einem größeren Maßstab existiert hat, in den nächst notwendigen Maßstab zu überführen. oben: aufeinanderfolgende Planungsstufen in der Architektur erfordern verschiedene Maßstäbe und Darstellungstiefen unten: auch in der Malerei und im Freihandzeichnen muss abhängig vom Standort zeichnerisch differenziert werden Ähnlich ist es beim Freihandzeichnen vor Ort. Je näher man sich an einem Gebäude befindet, desto größer wird meistens die Zeichnung, in der dann auch mehr Details dargestellt werden müssen. 23 Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen · Lehrgebiet Architekturdarstellung · Prof. Gottfried Müller Leitfaden zum Freihandzeichnen · Stand: WS 2015 / 16 · Nur für Lehrzwecke 14. ANALYTISCHES ZEICHNEN Um ein Gebäude möglichst umfänglich zu beschreiben und zu analysieren - ob für den Betrachter der Zeichnung, oder sich selbst - ist eine Kombination verschiedener Darstellungsarten sinnvoll. Eine perspektivische Zeichnung kann beispielsweise den subjektiven Blick und die Atmosphäre meist am besten wiedergeben, eine Axonometrie den räumlichen Gesamtzusammenhang und Grundriss- bzw. Schnittzeichnungen die Funktionen und Maße. Dazu kann es notwendig sein, das Gebäude für weitere Beobachtungen zu umrunden oder in es hinein zutreten. Charakteristische Punkte können als Detail in größerem Maßstab dargestellt werden, übergeordnete Ideen z.B. in Piktogrammen. Die Mittel, die zur Analyse von vorhandenen Gebäuden und Objekten angewendet werden, sind genauso für die Darstellung eigener Ideen und Entwürfe geeignet. Architekturbeispiel: Präsidentensiedlung / Kaiserblock, Dortmund Architekt: Ludwig Feldmann Zeichnungen: Prof. G. Müller 24 Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen · Lehrgebiet Architekturdarstellung · Prof. Gottfried Müller Leitfaden zum Freihandzeichnen · Stand: WS 2015 / 16 · Nur für Lehrzwecke BEISPIEL ANALYTISCHES ZEICHNEN Diese Zusammenstellung analytischer Zeichnungen vom Kloster La Tourette (Le Corbusier) zeigt das Gebäude in seiner ganzen gestalterischen Komplexität (Zeichnungen: Grit Koalick). 25 Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen · Lehrgebiet Architekturdarstellung · Prof. Gottfried Müller Leitfaden zum Freihandzeichnen · Stand: WS 2015 / 16 · Nur für Lehrzwecke LINKS UND LITERATURHINWEISE LINKS http://www.youtube.com/user/HSTeamBiGG http://web.tu-dresden.de/Darstellungslehre http://big.arch.rwth-aachen.de LITERATURHINWEISE „Mut zum Skizzenbuch“ / Felix Scheinberger / Verlag Hermann Schmidt 2009 „Basics Freihandzeichnen“ / Florian Afflerbach / Birkhäuser 2014 „Basics Technisches Zeichnen“ / Bert Bielefeld und Isabella Skiba / Birkhäuser 2010 „Architectural Visions“ / Jonathan Andrews / Braun 2010 „Architecture: Form, Space & Order“ / Francis D.K. Ching / John Wiley & Sons 2007 „Perspektives Zeichnen“ / Hans Walloschke, Andreas Kretzer, Andreas Müsseler / Das Beispiel GmbH 2000 „1D. Die ersten Dimension“ / Helmut Germer und Thomas Neeser / Birkhäuser 2010 „Sketch and Scrapbook“ / Eberhard Holder / DVA 2009 „Architects Draw“ / Sue Fuerguson Gussow / Princeton Architectural Press 2008 „Small Houses“ / Nicolas Pople / Kohlhammer 2003 „Architects` Sketchbooks“ / Will Jones / Thames and Hudson 2011 „Grundlagen der Gestaltung“ / Ulf Jonak / Springer 2012 „Entwerfen und Darstellen“ / Roland Knauer / Verlag für Architektur und technische Wissenschaften 2002 HERAUSGEBER Lehrgebiet Architekturdarstellung 2015 Prof. Gottfried Müller TU Dortmund August-Schmidt-Straße 8 44227 Dortmund www.bauwesen.tu-dortmund.de/adm Dipl. Ing. (FH) Arno Hartmann Dipl. Ing. (FH) M.A. Florian Afflerbach 26