189 Kurze Zusammenfassung Eine der wesentlichsten Aufgaben des Immunsystems ist die Abwehr von eindringenden Krankheitserregern wie Viren, Bakterien, Pilzen und Parasiten. Dem unspezifischen und spezifischen Immunsystem stehen eine Anzahl unterschiedlicher Zellsorten zur Verfügung: für die unspezifische Abwehr insbesondere die Makrophagen, für die spezifische Abwehr T- und B-Zellen. Makrophagen können die Krankheitserreger aufnehmen (daher auch als "Freßzellen" bezeichnet) und präsentieren anschließend Teile dieser Erreger den T-Zellen. Die T-Zellen können dann auf verschiedene Weise reagieren: Entweder zerstören sie jene Zellen, die das erkannte Antigen präsentieren (zytotoxische T-Zellen), oder sie helfen den B-Zellen Antikörper gegen die Krankheitserreger zu bilden (Helfer-T-Zellen). Bestimmte Stoffe (z.B. Medikamente) können jedoch unerwünschte Reaktionen des Immunsystems verursachen. Eine dieser unerwünschten Antworten ist die allergische Reaktion. Reagiert das Immunsystem unter dem Einfluß von chemischen Verbindungen gegen körpereigene Strukturen, spricht man von Autoimmunerkrankungen. Um besser verstehen zu können, wie chemische Verbindungen das Immunsystem beeinflussen und allergische- bzw. Autoimmunreaktionen hervorrufen, wird in Kapitel 1 beschrieben, wie das Immunsystem zwischen "Eindringlingen" (Nicht-Selbst) und körpereigenen Strukturen (Selbst) zu unterscheiden vermag. Hierbei spielen folgende Faktoren eine Rolle: Erkennung der fremden Struktur (Antigen), Erkennung von Gefahr (Co-Stimulation) und für den Fall, daß das Immunsystem bereits früher Kontakt mit dem Antigen hatte, die Erinnerung an die damalige Primärantwort (spezifisch immunologisches Gedächtnis: Zweitantwort, Toleranz). Um vorhersagen zu können, wie bestimmte Chemikalien das immunologische Gleichgewicht stören, ist die genaue Kenntnis der antigenen Struktur Voraussetzung. Diese Strukturen sind leider bis heute noch wenig bekannt. Ziel dieser Arbeit war es, diese Antigene besser zu charakterisieren und die Mechanismen, die zur Entstehung von allergischen- bzw. Autoimmunreaktionen führen, besser zu verstehen. In Kapitel 2 wird auf die verschiedenen Faktoren, die zur Entstehung von neuen, veränderten Selbstantigenen (Neo-Antigenen) führen, eingegangen. Hierbei spielen Enzyme welche die Substanzen metabolisieren eine wichtige Rolle. Neben stabilen Verbindungen entstehen hierbei auch protein-reaktive 190 Duitse Samenvatting Metabolite, die an körpereigene Eiweiße (Selbstproteine) binden können und so Neo-Antigene formen. Da nicht jeder Mensch die gleiche Enzymausstattung besitzt, sind manche Menschen eher in der Lage bestimmte Stoffe zu "entgiften" als andere. Daher reagieren manche Personen allergisch auf ein bestimmtes Medikament, wohingegen andere dasselbe Medikament jahrelang ohne Probleme einnehmen können. Die Vorhersage ob ein bestimmtes Medikament vertragen wird, ist jedoch dadurch erschwert, daß mehrere Enzymketten ineinandergreifen, wobei die Enzymkombination die zur Eliminierung eines Stoffes günstig ist, zur Eliminierung eines anderen Stoffes hingegen von Nachteil sein kann. Interessanterweise spielen bei der Bildung von immunologisch relevanten reaktiven Chemikalien nicht die Leber, sondern Zellen des Immunsystems eine entscheidende Rolle. Eine weitere Voraussetzung für die Entstehung von Immunreaktionen gegen Chemikalien sind co-stimulierende Signale (Signal 2). Diese entstehen beispielsweise durch Gewebsschäden, verursacht durch die chemischen Verbindungen selbst oder durch gleichzeitige Infektion mit Viren oder Bakterien. In den Kapiteln 3, 4 und 5 konnte gezeigt werden, daß nur chemisch reaktive d.h. chemische Verbindungen, die an Eiweiße binden, Immunreaktionen hervorrufen können. Der Nachweis erfolgte unter anderem mit dem poplitealen Lymphknotentest. Hierbei wird die zu untersuchende chemische Verbindung in eine der beiden Hinterpfoten einer Maus injiziert und die Schwellung des drainierenden Lymphknotens mit der unbehandelten Seite verglichen. Des weiteren konnte gezeigt werden, daß Zellen des Immunsystems selbst, insbesondere die sogenannten Makrophagen, unreaktive Substanzen in reaktive, d.h. an Proteine bindende Metabolite umwandeln können. In diesem Zusammenhang gelang in Makrophagen der Nachweis eines Adduktes bestehend aus einem Metabolit und einem 35 kD großen Selbstprotein. Die Frage, ob dieses Addukt tatsächlich für die unerwünschten Immunreaktionen gegen das untersuchte Medikament (Procainamid) verantwortlich ist, wird zur Zeit noch untersucht. Vor einigen Jahren wurde eine neue Art von Immunzellen entdeckt: die sogenannte natürliche Killer T-Zelle (NKT-Zelle). Diese kann relativ schnell, jedoch nicht sehr spezifisch, bestimmte Antigene erkennen und dagegen reagieren. Das Besondere an diesen Zellen ist, daß sie nicht wie klassische T-Zellen gegen Eiweißbruchstücke reagieren, sondern gegen Fette. Ferner scheinen sie eine wichtige Rolle sowohl bei der Entstehung als auch bei der 191 Verhinderung von Autoimmunerkrankungen zu spielen. Eine Autoimmunerkrankung bei der NKT-Zellen möglicherweise eine Rolle gespielt haben, ist das Toxische-Öl-Syndrom, an welchem in den 80er Jahren in Spanien Tausende nach dem Genuß von mit Anilin verunreinigtem Speiseöl erkrankten. In Kapitel 5 konnte gezeigt werden, daß Verbindungen welche in jenem Öl vorkamen im poplitealen Lymphknotentest eine Immunreaktion hervorrufen. In Kapitel 6 haben wir mit Hilfe von gentechnisch veränderten Mäusen jedoch gezeigt, daß die quantitativ größte Subgruppe von NKT-Zellen hierbei keine Rolle spielt. Weitere Untersuchungen sind nötig, um die Rolle anderer Arten von NKT-Zellen in der Entstehung des Toxischen-Öl-Syndroms zu untersuchen. Neben den bisher beschriebenen Untersuchungen, deren Ziel es war die für die Induktionsphase einer Immunantwort verantwortlichen Zellen zu identifizieren, wurde auch ein Versuch unternommen auf der Ebene von NeoAntigenerkennung durch T-Zellen ein tieferes Verständnis zu erlangen. Hierfür wurden Mäuse gegen bestimmte chemische Stoffe sensibilisiert. Die sensibilisierten T-Zellen dieser Mäuse wurden danach immortalisiert und so verdünnt, daß jede nachfolgend gewachsene Population von einer einzigen Mutterzelle abstammt (Klonierung). Anschließend wurde die Feinspezifität einzelner Klone untersucht. Die in Kapitel 7 beschriebenen Ergebnisse zeigen, daß T-Zellen nicht so spezifisch reagieren, wie bisher gedacht wurde. Ein und dieselbe T-Zelle kann verschiedene Stoffe erkennen und hiergegen reagieren. Bedenkt man die Aufgabe des Immunsystems ist dies auch nicht verwunderlich. Das Immunsystem muß nämlich eine Vielzahl unterschiedlicher Antigene erkennen. Das Immunsystem weiß zum Zeitpunkt seiner Entwicklung jedoch nicht, welche Antigene überhaupt auf der Erde bestehen (und wird den meisten auch nie begegnen). Dennoch muß es theoretisch in der Lage sein gegen all diese Antigene eine Abwehr aufzubauen. Obwohl der Mensch mehrere Milliarden T-Zellen besitzt wären diese, insofern eine T-Zelle nur jeweils ein Antigen erkennt, nicht in der Lage alle Krankheitserreger zu erkennen und rechtzeitig zu vernichten. T-Zellkreuzreaktivität ist somit nicht wie früher gedacht wurde eine Ausnahme, sondern eine Notwendigkeit. Somit spielen viele Faktoren bei der Entstehung von chemisch induzierten Allergien und Autoimmunerkrankungen eine Rolle. Die Wichtigsten hierbei sind: die Bildung reaktiver Metabolite, welche mit Selbstproteinen reagieren und so Neo-Antigene formen, Co-Stimulation und schließlich Aktivierung von 192 Duitse Samenvatting T-Zellen, die mit dem Neo-Antigen (kreuz)reagieren. Die Ergebnisse dieser Arbeit können dazu beitragen immunologische Risiken unter anderem von Medikamenten besser einzuschätzen und gegebenenfalls Dosierungen anzupassen, um die Risiken von unerwünschten Arzneimittelnebenwirkungen zu minimieren. Neue Techniken aus anderen Fachgebieten (z.B. Genomics) können hierzu durch Analyse des Enzympanels und der Gewebsantigene (Histokompatibilitätskomplexe) beitragen. Auf der Basis einer solchen Analyse und den chemischen Eigenschaften der Arzneimittel kann dann bestimmt werden, welches Arzneimittel welchem Patienten in welcher Dosierung gegeben werden kann.