Klug modernisieren Die Musik spielt im Bestand Vergleich zum alten Unilever-Hochhaus um 61 Prozent zu reduzieren. Der Wasserverbrauch wird den Berechnungen zufolge 58 Prozent niedriger sein, der Stromverbrauch 28 Prozent, und der Kohlendioxid-Ausstoß wird voraussichtlich um 1.700 Tonnen pro Jahr sinken. Von den Maßnahmen sollen nicht nur Umwelt und Klima profitieren, sondern auch die neuen Mieter: Die Betriebskosten dürften laut Billand rund zwei Drittel geringer sein als vor der Sanierung. Wer im Immobiliensektor Nachhaltigkeit anstrebt, muss im Bestand ansetzen. Die Energieeffizienz bestehender Gebäude lässt sich oft schon mit einfachen Maßnahmen verbessern, hat Christian Hunziker erfahren zu einem gemischt genutzten Ensemble aus Büros, Wohnungen und einem Hotel erweitert und unter dem Namen Emporio neu positioniert. „Wir legen beim Emporio besonderen Wert auf Nachhaltigkeit und Energieeffizienz“, sagt Frank Billand, Mitglied der Geschäftsführung der Union Investment Real Estate GmbH. Die Immobilienfondsgesellschaft strebt an, den Energieverbrauch für Heizung und Kühlung im Fotos: TU Darmstadt/Hegger; Union Investment Ob Spiegel-Neubau in Hamburg oder das ­Bürogebäude Atmos in München – bei den bekannten Green-Building-Vorzeigeprojekten handelt es sich in der Regel um Neubauten. Wer sich aber auf sie beschränkt, dem wird es nicht gelingen, die Ziele des Klimaschutzes im Immobiliensektor zu erreichen. Denn Neubauten machen nur einen geringen Anteil am Gebäudebestand aus: An Büroflächen etwa wurden 2007 in Deutschland nicht mehr als 2,3 Millionen Quadratmeter fertiggestellt – ­­das entspricht lediglich 0,7 Prozent der beste­ henden Flächen. Bei der Diskussion um Nachhaltigkeit sollte d­ er Schwerpunkt nach Ansicht von Fachleuten deshalb auf dem Bestand liegen. „Grundsätzlich ist es bei Neubauten leichter, heutige Nachhaltigkeitsstandards zu erfüllen“, räumt Manfred Hegger, Architekturprofessor an der Technischen Universität Darmstadt und einer der führenden deutschen Nachhaltigkeitsexperten, ein. „Doch der Erhalt und die Weiterentwicklung der Gebäudebestände sind de facto nachhaltiger – im Bestand spielt die Musik, denn hier können wir schneller viel erreichen.“ Neue Fassade senkt Energieverbrauch Erreicht wird dies unter anderem durch den Austausch der Gebäudehülle: Die alte Fassade wird ersetzt durch eine neue, energieeffiziente Außenhaut, die aus Doppelfenstern bestehen und zwischen den Scheiben einen Sonnenschutz haben wird. Das äußere Erscheinungsbild des denkmalgeschützten Hochhauses verändert sich dadurch nicht. „Im Winter sind die Wärmeverluste gering, man muss weniger heizen als früher“, schildert Georgios Kordelas, Projektleiter für den Emporio-Tower, die P­ luspunkte der neuen Fassade. „Im Sommer dagegen sind die Energieerträge durch die Sonne niedrig, entsprechend weniger muss g­ ekühlt werden.“ Eine wichtige Rolle spielt laut Kordelas auch die Wärmerückgewinnung. Dabei kommt ein sogenanntes Kreislaufverbundsystem zum Einsatz. Es macht sich das Prinzip zunutze, dass Energie sowohl zum Kühlen als auch zum Heizen dienen kann. Im Sommer kühlt das System die Außenluft mithilfe der Abluft der Büros vor; im Winter dagegen heizt es die Außenluft nach derselben Methode auf. Sowohl die Beheizung als auch die Kühlung erfolgen künftig über die Decken der Räume. Während die alte Lüftungsanlage auch zum Heizen genutzt wurde und deshalb rund um die Uhr laufen musste, lässt sich die neue Lüftungsanlage außerhalb der Betriebszeiten abschalten. Sparsame Armaturen und energieeffiziente Leuchtmittel verringern ebenfalls den Energieverbrauch. Im Gebäude wird sogar Energie produziert – das Brems­ system der Aufzüge erzeugt Strom. Das ehemalige Unilever-Hochhaus in Hamburg lässt Eigentümerin Union Investment derzeit nach Kriterien des nachhaltigen Bauens umgestalten. Ein Drittel weniger Betriebskosten „Das größte Potenzial liegt im Bestand, denn hier lässt sich viel schneller und deutlich mehr Energie einsparen als im Neubau.“ Manfred Hegger, TU Darmstadt 18 EntrÉe Das Themenmagazin für Mietpartner Welches Potenzial in der Modernisierung d­ es Gebäudebestands liegt, verdeutlicht eine ­Untersuchung des international tätigen Immobilienberatungsunternehmens King Sturge. ­Am Beispiel des britischen Markts errechneten die Fachleute ein Energiesparpotenzial von beeindruckenden 40 Prozent. „Durch eine bessere Nutzung der Bestandsbauten in Form von intelligenter Raumplanung und innovativem Design ließen sich mehr als 20 Prozent des gegenwärtigen Energieverbrauchs sparen“, sagt Sascha Hettrich, Managing Partner von King Sturge Deutschland. „Eine energieeffiziente Gestaltung würde den Energieverbrauch um weitere 20 Prozent senken.“ Noch höhere Ziele setzt sich Union Investment bei der Modernisierung des ehemaligen Unilever-Hochhauses in Hamburg, das sie derzeit EntrÉe Das Themenmagazin für Mietpartner 19 Klug modernisieren 20 EntrÉe Das Themenmagazin für Mietpartner Auch bei anderen Bestandsobjekten kann sich die energetische Sanierung schnell bezahlt ­machen. „Die einfachsten Mittel sollten am ­Anfang stehen“, empfiehlt Hegger. „Zunächst sollten Steuerung und Regelung der Gebäudetechnik verbessert und dann die Gebäudehülle ertüchtigt werden.“ Neubaukomfort auch im Bestand Peter Bieker, auf die Modernisierung von Bestandsgebäuden spezialisierter Architekt in Frankfurt am Main, erkennt gerade auch bei Bürogebäuden aus den 1970er- und 1980erJahren „eine Vielzahl von Möglichkeiten, die Energieeffizienz mit einfachen Eingriffen zu verbessern“. An erster Stelle sieht er die Erfordernis, Luft, Heizungswasser und Kaltwasser gemäß dem tatsächlichen Bedarf zur Verfügung zu stellen, was am besten mittels frequenzgeregelter Antriebe erfolgt. Bei einer klugen Kombination geeigneter Maßnahmen lässt sich nach Einschätzung Biekers „fast immer der ­energetische Stand eines Neubaus erreichen“. Dämmung ist dabei laut Bieker in Bürogebäuden nicht die wichtigste Aufgabe: „Anders als in Wohngebäuden geht es hier oft weniger um die Reduktion von Wärmeverlusten, da ohnehin zu viel Wärme erzeugt wird.“ Zu erklären ist das durch die Wärmeabstrahlung von Computern und Servern. Vielmehr sei darauf zu achten, im Sommer eine Überhitzung zu vermeiden. Hierfür sorgt beim Emporio der Sonnenschutz zwischen den Doppelscheiben. Grundsätzlich spricht sich der Frankfurter ­ rchitekt dafür aus, die Energieeffizienz eines A Gebäudes nicht isoliert zu betrachten, sondern als Teil eines Gesamtkonzepts. „Wenn ich ein Refurbishment anpacke“, sagt er, „wäre es fahrlässig, die Energieeffizienz unberücksichtigt zu lassen. Genauso falsch wäre es aber, sie zum einzigen Kriterium zu machen.“ So geht für Bieker eine höhere energetische Qualität bei guter Planung Hand in Hand mit einer besseren Flächennutzung und einem höheren Nutzerkomfort. „Die Umstellung von einem zentralen auf ein dezentrales Heiz-/Kühlungssystem etwa bietet die Chance, große Kanalquerschnitte rückzubauen und damit bisherigen Installa­ tionsraum dem genutzten Raum zuzuschlagen. So gewinnt man größere lichte Höhen und damit mehr Raumqualität.“ Flächen effizienter nutzen Wie vorteilhaft ein solches Vorgehen ist, weiß auch die Deutsche Bank: Bei der Modernisierung ihrer jetzt Greentowers genannten Doppeltürme in Frankfurt am Main gelang es dem Kreditinstitut, 850 Quadratmeter zusätzliche Bürofläche zu schaffen – allein dadurch, dass die technischen Anlagen weniger Platz als ­zuvor benötigen. Union Investment nutzt die Modernisierung des Emporio ebenfalls, um die Flächeneffizienz zu steigern: Jedes Stockwerk lässt sich künftig dritteln, sodass von­einander unabhängige Mietbereiche entste­hen – auch das ist ein Beitrag zur (ökonomischen) Nachhaltigkeit. Das Potenzial einer nachhaltigen Modernisierung versucht die Hamburger Fotos: bildfolio/B. Bostelmann; fabpics/akg-images Nicht in jedem Fall macht ein Refurbishment Sinn: Egon Eiermanns Büroturm an der Bockenheimer Landstraße (links) in Frankfurt am Main entstand i­n den 1960erJahren. 40 Jahre später musste das Gebäude dem Neubau des Westend Duo weichen. Die energetische Sanierung des Hochhauses erwies sich als unwirtschaftlich. Die neue, aus zwei Türmen bestehende HightechImmobilie mit Doppelfassade,­ geothermischer Heizanlage­ und grundwassergekühlten Zwischendecken wurde für ihre nachhaltige Bauweise­ mit dem Prime Property Award 2008 von Union Investment ausgezeichnet. I­mmobilienfondsgesellschaft derzeit auch bei anderen Bestands­objekten auszuschöpfen: Beim 6.000 Quadratmeter großen Bürohaus ­Le Levant in Boulogne-Billancourt bei Paris nutzt Union Investment zum Beispiel die ener­ getische Optimierung der Gebäudesubstanz dazu, die Immobilie insgesamt für die Mieter attraktiver zu machen. So erneuert die Gesellschaft die haustechnischen Installationen, baut ein zusätzliches Treppenhaus ein und modernisiert den Innenausbau nach neuesten energetischen Standards. Union Investment durchgeführten Umfrage ­erklärten 52 Prozent von 205 befragten Büronutzern, die hohe Energieeffizienz eines Gebäudes habe einen großen beziehungsweise sehr großen Einfluss auf die Wahl ihrer Mietfläche. Immerhin 31 Prozent machen künftig die Entscheidung, in welchem Objekt sie sich einmieten, davon abhängig, ob im Gebäude erneuerbare Energien eingesetzt werden. Und bereits ein Viertel der Befragten achtet darauf, ob die Nachhaltigkeit des Gebäudes durch ein Zertifikat nachgewiesen ist. Auch Handel saniert nachhaltig Wirtschaftlichkeit setzt Grenzen Großes Potenzial zum Energiesparen besteht auch bei Bestandsimmobilien im Einzelhandel. Michael Cesarz von Metro Group Asset Management sieht dabei die vordringlichste Aufgabe darin, in den Centern „den hohen Stromverbrauch zu drosseln“. Denn: „Fast die Hälfte der elektrischen Energie im Lebensmittelhandel fließt in Beleuchtung und Kühlung.“ Ein wichtiges Thema für den Einzelhandel sind deshalb effiziente Beleuchtungssysteme. So testen Betreibergesellschaften wie Metro derzeit den Einsatz von LED-Leuchtmitteln in ihren Centern. Diese verbrauchen nicht nur weniger Strom, sondern bieten auch den Vorteil, weniger Wärme abzusondern und damit die präsentierten Waren einer geringeren Wärmebelastung auszusetzen. Der Nachteil: „Farbtransparenz und Lichtstreuung der LED-Leuchtmittel entsprechen­bisher noch nicht optimal den Anforderungen des Handels an die Warenpräsentation“, heißt es bei Metro. Welche Möglichkeiten es darüber hinaus bei der nachhaltigen Sanierung von Einzelhandelsimmobilien gibt, machte Metro in ihrem 28.000 Quadratmeter großen Einkaufszentrum Walzmühle in Ludwigshafen deutlich. Dort optimierte das Asset Management die technischen Anlagen zur Beheizung, Belüftung und Klima­tisierung so erfolgreich, dass die jährlichen Energiekosten um 198.000 Euro sanken. Die Investition von 227.000 Euro hatte sich damit bereits nach gut einem Jahr amortisiert. Erfolgreich sind derlei Maßnahmen jedoch nur, wenn die Mieter mitmachen. Union Investment plant deshalb, den Mietern des Emporio beim Einzug eine Anleitung zu überreichen, aus der hervorgeht, welche Verhaltensweisen sich positiv auf den Energieverbrauch der Mietfläche und damit des Gebäudes auswirken. „Das könnte zum Beispiel das Abschalten der Lüftung in der Übergangszeit sein oder das Geschlossenhalten von Fenstern bei Extremwetterlagen“, sagt ­Georgios Kordelas von Union Investment. Bei vielen Mietern besteht durchaus Interesse­ an Nachhaltigkeit: In einer im Juli 2009 von Allerdings können bei Bestandsgebäuden einer­nachhaltigen Gestaltung auch Hindernisse im Weg stehen. „Wirtschaftliche Grenzen gibt es etwa dort, wo der Aufwand für eine neu gedämmte Gebäudehülle zu groß wird“, sagt ­Architekt Bieker. „Dies kann der Fall sein, wenn eine Fassade zerklüftet oder verwinkelt ist.“ Auch erneuerbare Energien lassen sich bei ­Neubauten in der Regel besser einsetzen als bei Bestandsgebäuden – was nicht heißt, dass diese Möglichkeit bei Letzteren komplett verbaut wäre. So nutzte Polis Immobilien bei der Sanierung eines in den 1950er-Jahren errichteten Bürohauses in Köln die günstige Lage am Rhein­ufer, um mittels Geothermie Wärme zu gewinnen. Und die Greentowers der Deutschen Bank decken­mehr als die Hälfte ihres Warmwasser­ bedarfs durch eine solarthermische Anlage. Doch selbst wenn sich im Bestand nicht alle Idealforderungen nachhaltigen Bauens erfüllen lassen: „Die Sanierung eines Bestands­ gebäudes“, gibt Bieker zu bedenken, „ist grundsätzlich nachhaltiger als ein Neubau auf der grünen Wiese, da die Errichtung eines ­Gebäudes immer viel Energie benötigt.“ www.bieker-architekten.de www.emporio-hamburg.de www.kingsturge.de Klare Verhältnisse Wie viel mehr es dem Klima­ nützt, Bestandsgebäude ­ener­getisch zu sanieren, als ­effi­ziente neue Gebäude zu errich­ten, zeigt ein Blick in die Statistik: Der Flächenbestand ­ in deutschen Bürogebäuden­ entspricht dem 70-Fachen­ ­dessen, was jährlich an modernen Flächen hinzukommt. Viel zu tun im Bestand Flächenbestand in Deutschland nach Nutzungsart in Mio. m2 Büroflächen 2007 311 Verkaufsflächen 2008 120 100 50 0 150 200 250 300 350 Modernisierung durch Neubau dauert zwei Generationen So viele Jahre braucht es, bis alte durch neue, energieeffiziente Flächen ersetzt oder ergänzt sind Büroflächen* 70 Verkaufsflächen** 80 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 * Basis: 4,4 Mio. m2/Jahr (durchschnittliche Fertigstellungen von Büroflächen 1998 bis 2007) ** Basis: 1,5 Mio. m2/Jahr (durchschnittliche Fertigstellungen von Verkaufsflächen 2000 bis 2008) Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Lehrstuhl für Wirtschaftsgeographie Universität Mannheim, Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, Stand: 2009 EntrÉe Das Themenmagazin für Mietpartner 21