Neues Mikroskop entziffert Schaltkreise des Auges

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Neues Mikroskop entziffert Schaltkreise des Auges
Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für medizinische Forschung, Heidelberg, haben ein
neues Elektronenmikroskopie-Verfahren, die serielle Oberflächenabbildung, entwickelt.
Damit konnten sie zeigen, dass die Ganglionzellen in der Netzhaut des Auges mit
hemmenden Interneuronen, so genannten Amakrinzellen, so verschaltet sind, dass sie
Richtungen erkennen können.
Serielle elektronenmikroskopische Oberflächenabbildung: Eine Amakrinzelle (gelb, mit synaptischen Verdickungen)
knüpft ausschließlich Verbindungen (magenta) zu einer von zwei richtungsemfindlichen Ganglienzellen (grün). ©
Kevin Briggman, MPIMF
Damit das Auge die Eigenschaften optischer Reize effizient an das Gehirn weiterleiten kann,
werden diese Informationen bereits im Auge vorverarbeitet. Manche der so genannten
Ganglionzellen, die die Sehinformation über den Sehnerv ins Gehirn leiten, reagieren
beispielsweise nur auf Lichtreize, die sich in eine bestimmte Richtung bewegen. Diese
Richtungsselektivität wird durch hemmende Interneurone erzeugt, die mit ihren Synapsen die
Aktivität der Ganglionzellen beeinflussen. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für
medizinische Forschung in Heidelberg haben nun mittels einer neuen, dort entwickelten
Mikroskopiemethode herausgefunden, dass die Synapsen zwischen Ganglionzellen und
Interneuronen nach ganz speziellen Regeln verteilt sind. Mit einer Ganglienzelle verbinden sich
nur solche Dendriten-Fortsätze, die entgegengesetzt der bevorzugten Richtung der
Ganglionzelle vom Zellkörper der Amakrinzelle ausgehen.
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Die Sinneszellen in der Netzhaut des Wirbeltier-Auges wandeln Lichtreize in elektrische Signale
um und leiten sie über nachgeschaltete so genannte Interneurone zu den Ganglionzellen und
von dort ins Gehirn. Die Interneurone sind so miteinander verschaltet, dass die einzelnen
Ganglionzellen Sehinformation von einem kreisförmigen Ausschnitt des Sehfeldes erhalten dem so genannten rezeptiven Feld. Manche Ganglionzellen werden beispielsweise nur aktiviert,
wenn Licht auf das Zentrum ihres rezeptiven Feldes fällt, die Peripherie dagegen dunkel bleibt
(ON-Zellen). Bei anderen ist es genau umgekehrt (OFF-Zellen). Darüber hinaus gibt es
Ganglionzellen, die von Licht aktiviert werden, das in einer bestimmten Richtung über ihr
rezeptives Feld streicht. Im Gegensatz zu dieser Vorzugsrichtung hemmt eine Bewegung in
entgegen gesetzter Richtung (Nullrichtung).
Eine wichtige Rolle für diese Richtungsselektivität spielen „Starburst“-Amakrinzellen, die die
Aktivität der Ganglionzellen über hemmende synaptische Verbindungen modulieren. Vor
einigen Jahren hatte dieselbe Arbeitsgruppe am Heidelberger Max-Planck-Institut gezeigt, dass
Starburst-Amakrinzellen von bewegten Reizen aktiviert werden. Dabei reagiert jeder Ast des
runden Dendritenbaums auf solche Reize bevorzugt, die sich vom Zellkörper entlang nach
außen bewegen. Bewegungen von außen nach innen wiederum hemmen ihre Aktivität. Ihre
Dendriten fungieren dabei im Zentralbereich rund um den Zellkörper klassisch als Empfänger
von elektrischen Signalen, im Randbereich dagegen auch als Sender – sie entsprechen dort
also dem Axon einer Nervenzelle. Ob sie den Ganglionzellen ihre Richtungsselektivität verleihen
oder ob die Ganglionzellen ihre Vorzugsrichtung aus anderen Faktoren „errechnen“, war
bislang unklar.
Die Max-Planck-Forscher Kevin Briggman, Moritz Helmstaedter und Winfried Denk haben nun
entdeckt, dass die Synapsen zwischen Ganglionzellen und Starburst-Amakrinzellen
asymmetrisch verteilt sind – obwohl die Zellen selbst symmetrisch sind. Und zwar so, dass von
der Ganglionzelle aus gesehen die mit ihr verbundenen Starburstzell-Dendriten entgegen der
bevorzugten Bewegungsrichtung eines Lichtreizes laufen. „Ganglionzellen bevorzugen
Amakrinzellen, deren Dendriten entlang der Nullrichtung verlaufen“, sagt Winfried Denk vom
Heidelberger Max-Planck-Institut.
Früheren Studien von Winfried Denk und seiner Arbeitsgruppe zufolge sind dafür die
elektrischen Eigenschaften der sternförmig vom Zellkörper abzweigenden Dendriten der
Amakrinzellen entscheidend. Sie werden demnach vom Zentral- zum Randbereich hin immer
leichter erregbar, so dass Reize in dieser Richtung bevorzugt weiter geleitet werden.
Hemmende Einflüsse zwischen benachbarten Amakrinzellen, die so genannte laterale
Hemmung, sind für diesen Mechanismus nicht notwendig. „Eine Ganglionzelle kann also
zwischen Bewegungen unterschiedlicher Richtung unterscheiden, indem sie ausschließlich mit
bestimmten Starburst-Amakrinzell-Dendriten Verbindungen eingeht – nämlich denen, die mit
ihren hemmenden Synapsen verhindern, dass die Ganglionzelle in Nullrichtung aktiviert wird.
Das sind genau die Amakrinzellen, deren Dendriten in dieser Orientierung verlaufen“, erklärt
Winfried Denk.
Analyse von Funktion und Struktur
Möglich wurden dieser Befund durch eine Kombination zweier unterschiedlicher MikroskopieMethoden: Mit einem Zwei-Photonen- Fluoreszenz-Mikroskop bestimmten die Wissenschaftler
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zunächst die bevorzugte Bewegungsrichtung der Ganglionzellen. Ein Kalzium-sensitiver
Fluoreszenz-Farbstoff zeigte an, bei welchen Lichtreizen Kalzium in die Zellen einströmt, was
die elektrische Aktivität der Zellen signalisiert.
Als nächstes maßen sie den exakten Verlauf aller Dendriten dieser Ganglionzellen sowie die der
Amakrinzellen mit Hilfe eines neuen Elektronenmikroskopie-Verfahrens, der seriellen
Oberflächenabbildung. Bei diesem Verfahren wird eine Volumenabbildung erstellt, indem
wiederholt die Oberfläche eines Gewebepräparats mit dem Elektronenstrahl eines RasterElektronenmikroskops abgetastet wird, wobei zwischen den Abtastvorgängen jeweils ein
dünnes Scheibchen der Oberfläche mit einem sehr scharfen Diamantmesser „abgehobelt“
wird. Diese Scheibchen sind dünner als ein 25 Nanometer, gerade mal ein tausendstel der
Dicke eine menschlichen Haares.
Die hohe dreidimensionale Auflösung dieses Verfahrens erlaubt die gerade der Netzhaut des
Auges dicht gepackten verästelten Fortsätzen der Nervenzellen zu verfolgen und die Synapsen
zwischen ihnen eindeutig zu identifizieren. Die vollständige Automatisierung der Bildaufnahme
macht es möglich über Wochen hinweg Datensätze mit tausenden oder gar zehntausenden
von Schnitten aufzunehmen, „während man selbst z.B. im Urlaub oder auf Dienstreise ist“ sagt
Winfried Denk. „Daher ist nun erstmals möglich, winzige Zellstrukturen mit hoher Auflösung in
einem größeren Gewebestück zu beobachten. Dieses Verfahren wird deshalb künftig
unverzichtbar sein, um Verschaltungsmuster auch in anderen Regionen des Nervensystems zu
aufzuklären.“
Originalveröffentlichung:
Kevin L Briggman, Moritz Helmstaedter, Winfried Denk; "Wiring specificity in the directionselectivity circuit of the retina"; Nature, 10. März 2011
Pressemitteilung
17.03.2011
Quelle: Max-Planck-Institut für medizinische Forschung vom 14.03.2011
Weitere Informationen
Max-Planck-Institut für medizinische Forschung
Heidelberg
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