Umsetzung nachhaltiger Konzepte in der Außer-Haus-Verpflegung Ausgewählte Aspekte und praxisbezogene Überlegungen am Beispiel einer Hochschulmensa Anja Kroke, Stephanie Hagspihl, Fulda Zusammenfassung Die Umsetzung von Nachhaltigkeitsaspekten in Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung stellt eine komplexe und vielschichtige Aufgabe dar. So müssen für die unterschiedlichen Handlungsebenen (z. B. Organisation, Personal, Einkauf, Speisenplanung, Vor- und Zubereitung, Kommunikation mit Kunden) Handlungspotentiale identifiziert, Ziele definiert, Maßnahmen festgelegt und dann im Tagesgeschäft umgesetzt werden. Am Beispiel der Hochschule Fulda, die sich in ihrem Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung verschrieben hat, sollen die Bestrebungen zur Umsetzung eines nachhaltigen Mensakonzepts dargestellt und ausgewählte Aspekte vertieft erörtert werden. Dazu werden die bei der Planung und Umsetzung zu nehmenden Hürden, praktische Lösungsansätze und die Ergebnisse einer Befragung von Studierenden und Mitarbeitenden an der Hochschule Fulda zur Akzeptanz eines nachhaltigen Mensakonzepts vorgestellt. Abschließend werden Empfehlungen für eine nachhaltige Entwicklung in der Gemeinschaftsverpflegung gegeben. Hintergrund Durch die zu erwartenden demografischen und gesellschaftlichen Entwicklungen wird die Gemeinschaftsverpflegung in Deutschland eine größere Bedeutung für die Versorgung aller Altersgruppen bekommen. Die Nestlé-Studien [3, 4] zeigen, dass gutes Essen und Trinken für die Verbraucher immer wichtiger wird. Die wachsende Genuss- und Gesundheitsorientierung geht dabei einher mit einer Sensibilisierung für Umwelt- und Tierschutz und für Nachhaltigkeit. Eine aktuelle Befragung von Profis in der Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung zeigt darüber hinaus, dass saisonale Produkte und die Transparenz von der Erzeugung der Lebensmittel bis hin zur Verarbeitung in der Küche einen besonders hohen Stellenwert haben. Regionale Produkte und die deutsche/ regionale Küche gewinnen, während Bio-Produkte an Bedeutung verlieren [2]. Auch an der Hochschule Fulda besteht ein großes Interesse an ausgewogenen und gesunden, an Nachhaltigkeit orientierten Verpflegungsangeboten, denn im Studium und Arbeitsalltag stellen die Mensen und Cafeterien der Studentenwerke häufig mindestens eine der Tagesmahlzeiten. Ein Mensaneubau soll ab dem Wintersemester 2013 die Hochschulangehörigen in Fulda ganztägig mit Getränken und Zwischenverpflegung versorgen sowie bis zu 1 800 warme Mittagessen am Tag produzieren und ausgeben. Da im Leitbild der Hochschule die Verpflichtung zu einer nachhaltigen Entwicklung festgehalten wurde, stellen sich in Anbetracht eines Mensaneubaus u. a. folgende Fragen: Besteht von Seiten der Hochschulangehörigen ein Interesse an einem an nachhaltigen Prinzipien orientierten Mensaangebot, sowie eine Akzeptanz höherer Preise oder anderer Angebotsveränderungen? Was macht eine „nachhaltige Mensa“ aus? Welche Ebenen sind betroffen, welche Aspekte zu berücksichtigen, welche Maßnahmen umzusetzen? Interesse an und Akzeptanz von einem an Nachhaltigkeitsaspekten orientierten Verpflegungsangebots Im Rahmen des Forschungsprojekts „Gesundheitsfördernde Hochschule Fulda“ soll neben anderen Aspekten die Partizipation der Hochschulmitglieder an Prozessen und Entscheidungen gefördert werden. Um die Wünsche und Bedürfnisse der Mensagäste bezüglich des Mensaneubaus berücksichtigen zu können, wurde daher zunächst eine diesbezügliche Online-Umfrage durchgeführt. Dazu wurden alle Hochschulangehörigen eingeladen, Fragen zur Gestaltung des Verpflegungsangebots, einschließlich der Mehrpreisakzeptanz für ein nachhaltiges Angebot, zu beantworten [1]. Insgesamt haben 1 055 Hochschulmitglieder (44 % der Mitarbeiter, 23 % der Studierenden) den Fragebogen vollständig ausgefüllt. Auf die Frage, wie häufig eine gesundheitsförderliche und nachhaltige Verpflegungslinie mit biologischen, fair gehandelten, regionalen und saisonalen Speisen wahrgenommen würde, gaben 51 % an, dieses häufig tun zu wollen, weitere 34 % gelegentlich. Hinsichtlich eventueller erhöhter Kosten gaben 28 % der Befragten ihre Bereitschaft an, bis zu 50 Cent mehr für eine solches Angebot zu zahlen, 16 % waren bereit bis zu 80 Cent mehr zu bezahlen, 26 % würden bis zu 1 € mehr bezahlen und weitere 13 % erklärten, dass sie sogar mehr als 1 € dafür bezahlen würden. Des Weiteren wurde gefragt, welche Variante bevorzugt würde, wenn das nachhaltige Angebot ohne erhöhte Kosten angeboten würde. Die Variante, innerhalb einer Woche seltener Fleisch, dafür aber teureres (weil z. B. „bio“) Fleisch anzubieten, wurde von den meisten Befragten favorisiert. Die Optionen „insgesamt kleinere Portionen“ und „kleinere Portionen des teureren Lebensmittels (Fleisch/Fisch)“ fanden geringere Zustimmung. Schließlich wurde nach der Relevanz nachhaltiger Essensangebotsoptionen in der neuen Mensa gefragt. Frisch zubereitete Speisen waren hier der am häufigsten genannte Aspekt mit 76 % der Befragten, die dies als sehr wichtig und 20 %, die das als wichtig ansahen. Als sehr wichtig wurden weiterhin „schonende Zubereitung der Speisen“ (49 %), saisonale Lebensmittel (48 %), „geschnittenes, verzehrfertiges Frischobst und Gemüse“ (43 %), und regionale Lebensmittel (42 %) eingestuft. Biolebensmittel fanden lediglich 27 % Proc. Germ. Nutr. Soc., Vol. 16 (2011) 39 Umsetzung nachhaltiger Konzepte in der Außer-Haus-Verpflegung der Befragten als sehr wichtig, fair gehandelte Lebensmittel wurden von 27 % als sehr wichtig angesehen. Insgesamt zeigen diese Daten, dass es an der Hochschule Fulda ein großes Interesse an einem nachhaltigen Verpflegungsangebot gibt, für das auch eine überraschend hohe Akzeptanz von Mehrkosten, auch unter den Studierenden, festgestellt werden konnte. Diese Daten stützen auch die Bemühungen der Hochschulleitung, entsprechende Angebote in Verhandlungen mit dem die Mensa betreibenden Studentenwerk zu erreichen. Welche Maßnahmen für die Umsetzung von Nachhaltigkeitsaspekten im Zusammenhang mit dem Mensaneubau berücksichtigt werden sollten, wird im Folgenden dargestellt. „Nachhaltige Mensa“ am Beispiel des Mensaneubaus in Fulda Eine nachhaltige Entwicklung setzt immer voraus, die ökonomische Basis so zu gestalten, dass der Fortbestand der Einrichtung langfristig gesichert ist. Die wirtschaftliche Seite der für den Mensaneubau geplanten Maßnahmen muss daher immer im Auge gehalten werden. Aus der großen Zahl an Entwicklungsmöglichkeiten wurden folgende Maßnahmen ausgewählt: Ökologie: Minimierung des Energieeinsatzes im Bau und in der Haus technik durch Unterschreitung der Vorgaben der ENEV 2009 um 30 % Einsatz modernster Ressourcen-sparender Küchen- und Soziales: Einbindung regionaler Anbieter von Lebensmitteln und Dienstleistungen Lebensmitteln aus fairem Handel und artgerechter Tier haltung Mitarbeiterschulung und -entwicklung Sicherung der Arbeitsplätze Die Mensa soll somit eine zeitgemäße, insbesondere dem studentischen Leben angemessene, gesunde, ökologisch einwandfreie Speisen- und Getränkeversorgung anbieten. In der als Frischküche ausgelegten Produktionsküche sollen frische, möglichst gering vorverarbeitete Lebensmittel vorrangig regionaler Herkunft oder Biolebensmittel eingesetzt werden. Die Speisenproduktion und -ausgabe soll mehrheitlich nach dem Cook & Serve-Verfahren erfolgen. Die chargenweise Produktion der Speisen unter Einsatz nährstoffschonender und fettarmer Garverfahren sowie die Vermeidung unnötiger Warmhaltezeiten soll eine überdurchschnittliche Speisenqualität ermöglichen. Das gesundheitsfördernde Angebot soll dabei fleischund fettarm, vitamin- und ballaststoffreich sein. Durch die Einführung einer nährstoffoptimierten „Mensa-Fit-Linie“ nach den Vorgaben der DGE-Qualitätsstandards für die Betriebsverpflegung und flankierende Maßnahmen zur Ernährungskommunikation und Ernährungsbildung soll der Absatz gesunder Speisekomponenten in der Mensa gefördert werden. Spültechnik Bevorzugung regionaler Anbieter von Lebensmitteln und Dienstleistungen Einsatz von saisonalen Lebensmitteln und Bioprodukten Bevorzugung von Fisch aus nachhaltiger Fischerei oder Aquakultur Gesundheit: Optimierung des Speisen- und Getränkeangebots Einsatz gering verarbeiteter Lebensmittel Einsatz schonender Garverfahren Speisenproduktion im Cook & Serve-Verfahren Gesundheitsförderliche Arbeitsplätze Gastbereiche mit einer hohen Aufenthaltsqualität 40 Proc. Germ. Nutr. Soc., Vol. 16 (2011) Probleme und Lösungsansätze Damit das geplante Mensakonzept später auch in die Praxis umgesetzt werden kann, sind zunächst die baulichen und technischen Voraussetzungen zu schaffen. Um das Ziel einer ressourcensparenden Bauweise und Energieversorgung zu realisieren, hat sich die Hochschule das Ziel gesetzt, die in der Energie-Einspar-Verordnung 2009 festgelegten Richtwerte um 30 % zu unterschreiten. Die Gestaltung des Baukörpers, die Wahl der Baumaterialien und Energieversorgungssysteme mussten bei der Bauplanung entsprechend der Vorgaben geplant werden. Die Lebensmittel sollen überwiegend aus regionaler Produktion und in einem küchenfertigen Zustand in die Küche geliefert und dort weiterverarbeitet werden. Die Küche benötigt hierfür Vorbereitungsbereiche für Fleisch, Gemüse und Salat, in dem die Lebensmittel zerkleinert, gewürzt, gemischt, gegebenenfalls geformt und portioniert werden können. Es werden Flächen für die Kühllagerung und Vorbereitung mit einer entsprechenden gerätetechnischen Ausstattung benötigt. Das Cook & Serve-System und das geplante FrontCooking-Angebot haben ebenfalls einen hohen Platzbedarf und benötigen eine umfassende Ausstattung an modernen, multifunktionalen Gar- und Ausgabegeräten. Umsetzung nachhaltiger Konzepte in der Außer-Haus-Verpflegung Die bei der Planung der Mensa zugrunde gelegten Kostenrichtwerte bilden weder die Aufwendungen für die geplante energiesparende Bauweise noch die Umsetzung eines Cook & Serve-Systems mit einer hohen Fertigungstiefe hinsichtlich der benötigten Flächen und Geräteausstattung ab. Eine Umstellung auf eine höhere Fertigungstiefe bringt in der Zukunft eine Verschiebung der Kostenblöcke mit sich. Während die Wareneinsatzkosten durch die Verwendung gering vorverarbeiteter Lebensmittel sinken, ist von einem erhöhten Aufwand bei den Personal- und Betriebskosten auszugehen. Der Einsatz von Biolebensmitteln führt dagegen zu einer Erhöhung der Wareneinsatzkosten, die aber durch eine Anpassung der Speisenplanung und Reduzierung der teuren Komponenten (z. B. Fleisch) häufig kompensiert werden können. Die Beschaffung von regionalen Produkten und Biolebensmitteln stellt den Einkauf häufig vor Probleme. Durch die Vielzahl kleiner (regionaler) Lieferanten ist von einem höheren Arbeitsaufwand im Einkauf und auch bei der Warenannahme auszugehen. Dieser kann ggf. durch eine überdurchschnittliche Lebensmittel- und/oder Servicequalität (z. B. Flexibilität hinsichtlich Menge und Liefertermin) kompensiert werden. Auch wenn sich viele dieser Einzelmaßnahmen unter ökonomischen Gesichtspunkten rechnen, stellen die hohen Investitionskosten und die Änderungen in der Organisation und im Betriebsablauf ein Problem dar. Um die geplanten Maßnahmen umsetzen zu können und die Finanzierung des geplanten Mensakonzepts zu sichern, mussten Fakten und Argumente gesammelt, die Kosten der Maßnahmen ermittelt und die Einsparpotentiale sowie der Zusatznutzen gegenübergestellt werden. Um die Akzeptanz der Gäste für das Angebot in der neuen Mensa zu erhöhen, können sich Vertreter der Gästegruppen bereits in der Planungsphase mit einbringen. Umfragen und Maßnahmen zur Ernährungskommunikation sollen die Gäste für eine nachhaltige Ernährung sensibilisieren. Empfehlungen für eine nachhaltige Entwicklung in der GV und Spülmaschinen oder der Einsatz von Dosiersystemen und die Minimierung des Wasserverbrauchs bei der Fußbodenreinigung können solche Maßnahmen sein. Oft haben die eigenen Mitarbeiter gute Ideen und können Ansatzpunkte für eine nachhaltige Entwicklung aufzeigen. Die Einbindung der Mitarbeitenden in den Gestaltungsprozess und die Sensibilisierung für das eigene Handeln ist dabei genauso wichtig, wie die Ermittlung und Berücksichtigung der Gästewünsche. Häufig rechnen sich Investitionen in die Haus- und Küchentechnik allein aufgrund der Ressourceneinsparungen. Eine Ressourcen schonende Betriebsweise kann aber ebenso wie ein gesundheitsorientiertes Angebot oder eine verbesserte Transparenz der Prozesse zu einer größeren Zufriedenheit der Gäste und damit zu einer Verbesserung der Akzeptanz und Kundenbindung beitragen. Die Ziele und Maßnahmen richten sich nach den gegebenen Rahmenbedingungen und den gesetzten Prioritäten. Daher gibt es viele unterschiedliche Wege hin zu einer „nachhaltigeren“ Gemeinschaftsverpflegung. Das Angebot eines Bioessens oder der Einsatz von Kartoffeln aus der Region sind wichtige Maßnahmen, sollten aber nur als kleine Einzelbausteine in der Entwicklung gesehen werden. Literatur [1] Adler C: Einstellung und Akzeptanz der Hochschulangehörigen gegenüber einer nachhaltigen Mensaverpflegung in Fulda. Masterthesis, Fulda (2011) [2] Fomitschow O: Regional ist das neue Bio. In: gv-praxis Heft 7-8 (2011) 16–23 [3] Nestlè (Hrsg.): Nestlé Studie 2009 – So is(s)t Deutschland – Ein Spiegel der Gesellschaft (Zusammenfassung) (2009) www.nestle.de/Unternehmen/Nestle-Studie/NestleStudie-2009/Documents/Ergebnisse_Nestle_Studie_ Kurzfassung.pdf (eingesehen am 31.08.2011) [4] Nestlè (Hrsg.): Nestlé Studie 2011 – So is(s)t Deutschland – Ein Spiegel der Gesellschaft (Zusammenfassung) (2011) www.nestle.de/Unternehmen/Nestle-Studie/NestleStudie-2011/Documents/Nestle%20Studie%202011_ Zusammenfassung.pdf (eingesehen am 31.08.2011) In allen Bereichen der Gemeinschaftsverpflegung muss der Spagat zwischen Kostenreduzierung/Effizienzsteigerung und steigenden Ansprüchen der Gäste Rechnung getragen werden. Da gilt es zunächst, im eigenen Betrieb eine Bestandsaufnahme zu machen. Es sollten erreichbare Ziele gesteckt und operationalisiert werden, die im Küchenalltag auch umgesetzt werden können. Eine nachhaltige Entwicklung kann im Kleinen beginnen und sollte als ein andauernder Prozess verstanden werden. Geeignet sind für den Einstieg Maßnahmen, die keine Investitionen erforderlich machen. Die Führungskräfte und das Küchenpersonal sollten über die Ziele informiert und z. B. hinsichtlich des rationellen Energie-, Wasser und Reinigungsmitteleinsatzes sensibilisiert und geschult werden. Einfache Verhaltensänderungen wie z. B. das zügige Schließen der Kühlhaustüren, die optimale Auslastung der Gargeräte Proc. Germ. Nutr. Soc., Vol. 16 (2011) 41