Leibniz Universität Hannover Fakultät für Mathematik und Physik Prof. Dr. M. Erné, apl. Prof. Dr. T. Holm 13. April 2010 Übungen zu Diskrete Strukturen Sommersemester 2010 Blatt 1 - Lösungshinweise 1. Entscheiden Sie, welche der Abbildungen F : Z → Z injektiv und welche surjektiv sind: (i) F (n) = 2n + 1, (ii) F (n) = 1 + n2 , (iii) F (n) = n + (−1)n , (iv) F (n) = b n2 c, wobei bxc := max{m ∈ Z|m ≤ x} für alle reellen Zahlen x. Lösung: (i) F ist injektiv: Sei F (n) = F (m), d.h. 2n + 1 = 2m + 1. Addition mit −1 und Division durch 2 ergibt n = m. F ist nicht surjektiv: Alle Bilder F (n) = 2n + 1 sind ungerade Zahlen, die geraden Zahlen liegen also nicht im Bild. (ii) F ist nicht injektiv: z.B. ist F (1) = 2 = F (−1). F ist nicht surjektiv: Die Bilder F (n) = 1 + n2 sind alle positiv, die negativen ganzen Zahlen liegen nicht im Bild. (iii) Wir betrachten die Abbildung F zunächst genauer. Für gerade Zahlen gilt F (2m) = 2m + (−1)2m = 2m + 1; für ungerade Zahlen gilt F (2m + 1) = 2m + 1 + (−1)2m−1 = 2m + 1 − 1 = 2m. D.h. die Abbildung F bewirkt das Vertauschen von 2m und 2m + 1 für alle m ∈ Z. F ist injektiv: Sei F (n) = F (m), d.h. n+(−1)n = m+(−1)m . Nach der Vorbemerkung müssen n und m entweder beide gerade oder beide ungerade sein. In beiden Fällen ist dann aber n − m = (−1)m − (−1)n = 0, d.h. n = m. F ist surjektiv: Jede gerade Zahl ist im Bild von F , da F (2m+1) = 2m, jede ungerade Zahl ist im Bild von F , da F (2m) = 2m + 1 für alle m ∈ Z. (iv) F ist nicht injektiv: z.B. ist F (1) = b 12 c = 0 = b 02 c = F (0). F ist surjektiv: Sei m ∈ Z beliebig. Dann ist m = b 2m 2 c = F (2m) im Bild von F . 2. Wieviele gibt es? (a) 0-1-Folgen der Länge 7 mit einer geraden Anzahl von Einsen. (b) 0-1-Folgen der Länge 8 mit genau 3 Einsen. (c) Wörter mit 9 Buchstaben aus dem Alphabet {a, b, c} mit genau 3 a’s und 2 b’s. (d) Finden Sie eine möglichst allgemeine Formel zu (c): beliebige Wortlänge, Alphabetgröße, sowie Anzahl der a’s und b’s. Lösung: (a) 26 . Begründung: Insgesamt gibt es 27 0-1-Folgen der Länge 7. Jede Folge hat entweder gerade viele oder ungerade viele Einsen. Sei G (bzw. U ) die Menge der 0-1-Folgen mit gerade (bzw. ungerade) vielen Einsen. Beide Mengen sind gleichmächtig; eine Bijektion ist z.B. gegeben durch die Abbildung G → U , die in jeder Folge das erste 7 Bit umdreht. Also |G| = 22 = 26 . 8 3 . Begründung: wähle die drei Positionen der Einsen aus; der Rest ist dann festgelegt. (c) Für die Positionen der a’s hat man 93 = 84 Möglichkeiten; auf den verbleibenden 6 Positionen hat man 62 = 15 Möglichkeiten für die b’s; die restlichen vier Positionen müssen mit c’s belegt sein. Insgesamt erhält man 93 62 = 1260 Wörter. (b) (d) Betrachte Wörter der Länge n über einem Alphabet der Größe m ≥ 2. Seien k und l die Anzahlen der a’s bzw. b’s. Mit der Zählstrategie aus (c) gibt es dann n n−k (m − 2)n−k−l k l Wörter mit den gewünschten Eigenschaften. (Man beachte, dass die Formel auch richtig ist in ausgearteten Fällen wie k > n oder k + l > n, es ergibt sich als korrekte Anzahl 0.) 3. Beweisen Sie mit vollständiger Induktion für alle n ∈ N die Gleichung n X k! · k = (n + 1)! − 1. k=1 Lösung: Induktionsanfang n = 1: Auf beiden Seiten ergibt sich 1. Sei n > 1 und als Induktionsvoraussetzung die Formel für n bereits bewiesen. Wir müssen zeigen, dass die Formel dann auch für n + 1 gilt. Es ist n+1 X k=1 k! · k = n X k! · k + (n + 1)! · (n + 1) k=1 = (n + 1)! − 1 + (n + 1)! · (n + 1) (Induktionsvoraussetzung) = (n + 1)!(1 + n + 1) − 1 = (n + 2)! − 1. Dies ist genau die Formel für n + 1 und damit der Induktionsbeweis vollständig. 4. Für eine endliche Menge X bezeichnet |X| die Anzahl ihrer Elemente. Zeigen Sie durch Angabe geeigneter Bijektionen: (a) |X (Y+Z) | = |X||Y | · |X||Z| . (b) |X (Y×Z) | = (|X||Y | )|Z| . Lösung: Die angegebenen Gleichungen kann man unter Benutzung der Potenzregeln für Zahlen und Satz 1.1 aus dem Skript (für endliche Mengen A, B ist |AB | = |A||B| ) direkt verifizieren: |X (Y+Z) | = |X||Y +Z| = |X||Y |+|Z| = |X||Y | · |X||Z| |X (Y×Z) | = |X||Y ×Z| = |X||Y |·|Z| = (|X||Y | )|Z| . In dieser Aufgabe sollen aber die Gleichheiten ohne Benutzung der Potenzregeln für Zahlen direkt durch die Angabe von Bijektionen bewiesen werden (damit beweist man die Potenzregeln für Zahlen als Spezialfall nebenher mit). (a) In der Vorlesung wurde definiert Y + Z := {(0, y)|y ∈ Y } ∪ {(1, z)|z ∈ Z}. Wir definieren eine Bijektion Ψ : X Y +Z → X Y × X Z wie folgt: f 7→ (f1 , f2 ), wobei f1 (y) := f (0, y) und f2 (z) := f (1, z). Dies ist sicher wohldefiniert, und es ist in der Tat eine Bijektion, wie man durch die Angabe einer Umkehrfunktion sieht. Diese ist gegeben durch die Abbildung Φ : X Y × X Z → X Y +Z , (g1 , g2 ) 7→ g, wobei g(0, y) := g1 (y) und g(1, z) = g2 (z). (Man prüft leicht direkt aus den Definitionen nach, dass Ψ ◦ Φ = Id und Φ ◦ Ψ = Id, d.h. wir haben wirklich Umkehrfunktionen.) Mit Satz 1.1 aus dem Skript folgt dann aus obiger Bijektion direkt, dass |X (Y+Z) | = |X||Y | · |X||Z| (ohne, dass wir die Potenzregeln für Zahlen benutzt haben). (b) Wir betrachten die Abbildung Ψ : X Y ×Z → (X Y )Z , f 7→ Ψ(f ), wobei Ψ(f ) : Z → X Y , Ψ(f )(z)(y) := f (y, z) für alle y ∈ Y , z ∈ Z. Dies ist eine Bijektion, die Umkehrabbildung ist gegeben durch Φ : (X Y )Z → X Y ×Z , Φ(g)((y, z)) := (g(z))(y) ∈ X. Wiederum lässt sich direkt aus den Definitionen der Abbildungen verifizieren, dass Ψ ◦ Φ = Id und Φ ◦ Ψ = Id, d.h. wir haben in der Tat Bijektionen. Für die Mächtigkeiten ergibt sich dann mit Satz 1.1 des Skripts |X (Y×Z) | = |(X Y )Z | = |X Y ||Z| = (|X||Y | )|Z| (wiederum ohne die Potenzgesetze für Zahlen benutzt zu haben). Knacky 1: Falsche Induktion. Wir ’beweisen’ die folgende Aussage mit vollständiger Induktion: Seien l1 , l2 , . . . , ln (n ≥ 2) verschiedene Geraden in der Ebene, von denen keine zwei parallel sind. Dann haben alle diese Geraden einen Punkt gemeinsam. Für n = 2 ist die Aussage wahr, denn zwei nichtparallele Geraden schneiden sich. Angenommen, die Aussage gilt für n, und gegeben seien n + 1 paarweise nicht parallele Geraden l1 , l2 , . . . , ln+1 . Nach Induktionsvoraussetzung haben die Geraden l1 , . . . , ln einen Punkt x gemeinsam; ebenso haben die n Geraden l2 , . . . , ln+1 einen Punkt y gemeinsam. Die Geraden l2 und ln enthalten also sowohl x als auch y, sind aber nicht parallel und schneiden sich daher in genau einem Punkt x = y. Damit haben alle n + 1 Geraden diesen Punkt gemeinsam. Was ist hier falsch? Lösung: Der Induktionsanfang n = 2 ist korrekt. Ebenso ist der Induktionsschritt n ⇒ n + 1 ok für alle n ≥ 3. Aber das Argument funktioniert nicht, um von n = 2 auf n = 3 zu schließen, und damit bricht die gesamte Induktion zusammen (d.h. es nützt einem auch gar nichts, dass der Induktionsschritt ab n = 3 wieder funktionieren würde, denn dort hat man keinen Induktionsanfang)! Im Fall n = 2 nimmt man drei paarweise nichtparallele Geraden l1 , l2 , l3 . Nach Induktionsvoraussetzung haben l1 , l2 einen gemeinsamen Punkt x, und l2 und l3 einen gemeinsamen Punkt y. Dann aber geht das Argument schief, da die Geraden l2 und ln für n = 2 gleich sind.