Pop und Politik polis aktuell Nr. 7 ►Pop, Jugend(sub)kulturen und Musikkonsum ►Politisches im Pop ►Populäre Musik seit 1950 und politische Aspekte ►Politainment und Starkult ►Politische Bildung und Pop 2008 polis aktuell 2008 Editorial Liebe Leserin, lieber Leser! Lehrkräfte kennen das Phänomen: Die Pausenglocke ist für die SchülerInnen das Signal, ein Musikgerät einzuschalten. Entweder tönt der kollektive Musikgenuss dann aus dem CD-Player (oder den Boxen zu einem moderneren Tonträger), wobei es auch schon einmal zu Rangeleien aufgrund unterschiedlicher Musikwünsche kommen kann, oder es werden individuell iPODs und MP3 Player ausgepackt. ren, zum Beispiel in der Ära des Vietnam-Kriegs, vielfach in eindeutige Stimmen gegen den Krieg, bleiben politische Aussagen der popmusikalischen Gegenwart oft relativ unbestimmt, manchmal auch ambivalent. Das Politische spielt jedoch auch in Liedern, die offenbar frei von politischen Intentionen sind, insofern eine Rolle, als bestimmte Konstruktionen gesellschaftlicher Wirklichkeiten vermittelt werden. POPuläre Musik war und ist ein wesentlicher Teil des Lebensalltags und der Interessen von Jugendlichen. Die Entwicklung neuer Medien- und Tonträger hat dazu in den letzten 50 Jahren maßgeblich beigetragen. Umgekehrt wirkt Pop auch in die Politik hinein – zum Beispiel über den Starkult mancher PolitikerInnen und über POPulistische Inszenierungen. Wollen neue WählerInnen gewonnen werden, ist schließlich jugendliches Image in den Medien gefragt. Im Mittelpunkt dieser Ausgabe steht der Zusammenhang von Popmusik und Politik, der Musikkonsum von jungen Menschen und auch die Frage, welche Möglichkeiten diese Themen für die politische Bildung in der Sekundarstufe I und II bieten. Pop ist mehr als „populäre Musik“ – in ihm spiegeln sich auch gesellschaftliche Entwicklungen und politische Themen. Lieder bieten eine Möglichkeit, sich zu identifizieren, Stellung zu beziehen, Wut, Ängste oder Hoffnungen auszudrücken. Politische Botschaften haben sich im Pop in erster Linie über die jeweils „tonangebenden“ Jugendkulturen verbreitet. Mündete allerdings musikalischer Protest vor 50 Jah- Neuer ungen in der Politischen Bildung ab 2008/09 Mit der Schaffung des Pflichtgegenstands „Geschichte und Politische Bildung“ wird Politische Bildung in der 8. Schulstufe im Rahmen der Schulpflicht verankert. Aufbauend auf dem bisherigen Lehrplan werden Themen der Politischen Bildung stärker betont und um aktuelle Fragestellungen politischer Mitwirkung Jugendlicher erweitert. Im Rahmen einer Arbeitsgruppe von ExpertInnen wurde ein „Kompetenzmodell Politische Bildung“ entwickelt, das vier zentrale Kompetenzfelder definiert und individuelle Lerngeschwindigkeiten berücksichtigt: ● politische Sachkompetenz, ● politische Urteilskompetenz, ● politische Methodenkompetenz, ● politische Handlungskompetenz. Die enge Kombination mit dem Geschichte- und Sozialkunde-Unterricht wird unterstrichen durch die Zielsetzung, historische Fragekompetenz, historische Methodenkompetenz und historische Sachkompetenz zu vermitteln. Angestrebt wird die politische Mündigkeit, die eine politische (und gesellschaftliche) Teilhabe ohne Anleitung durch Dritte ermöglicht (z.B. zivilcouragiert handeln, Verantwortung als WählerIn wahrnehmen etc.). Eine spannende Lektüre und viel Freude bei der praktischen Umsetzung des Themas wünscht Elisabeth Turek für das Team von Zentrum polis Inhaltsübersicht 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. Pop und populäre Musik Jugend(sub)kulturen und Pop Musikkonsum von Jugendlichen und Medien Politisches im Pop Stile populärer Musik seit 1950 und politische Aspekte Randerscheinungen? Von der Mitte bis zum politisch rechten Spektrum Politainment und Starkult Politische Bildung und Pop Hotline 0810 013 016 z u d e n N e u e r u n ge n i n d e r Po l i t i s c h e n B i l d u n g a b 2 0 0 8 / 0 9 Zentrum polis steht Lehrkräften für Fragen zum Unterricht und zum neuen Gegenstand Geschichte und Politische Bildung zur Verfügung. Antworten auf die wichtigsten Fragen finden Sie auch unter Neuerungen Schuljahr 2008/09 auf www.politik-lernen.at > Basiswissen. österreichweit zum Ortstarif www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at Pop und Politik Nr. 7 1 P op und populäre M usik POP, der; [...] aus dem engl.-amerik. pop, gekürzt aus popular (urspr. lat. popularius) zum Volk gehörig, gemeinverständlich, volksnah, beliebt, allgemein bekannt, Zustimmung findend (wohl mit gleichzeitiger Anlehnung an engl. pop: Knall, Schlag). 1. Kurzform von Popmusik. 2. zusammenfassende Kurzform für Popkunst, -musik, -literatur. 3. Wortbildungselement mit der Bedeutung: modern und auffallend, besonders Jugendliche ansprechend. 4. (ugs.) poppige Art, poppiger Einschlag. 5. wahrscheinlich auch zu pop: zentraler Sperrpflock eines amerikanischen Spielautomaten, der hohen Gewinn bringt, wenn die Kugel daran stößt. aus: Pop und Politik. Themenblätter im Unterricht. Herbst_ Winter_2001_Nr. 9. Bundeszentrale für politische Bildung Die Bedeutung des Begriffs „Pop“ reicht von populärer Massenkultur bis zur Pop Art, einer kunstphilosophischen Strömung der 50er Jahre, die sich als Gegenbewegung zur elitären Hochkultur verstand (ausgehend von England und USA). Diese Richtung wandte sich dem kulturellen Wert des Profanen, der alltäglichen Lebensabläufe und den Massenunterhaltungsbereichen zu. Die Grenzen von Kunst und Leben sollten sich in „poppigen“ Erscheinungsformen von Mode, Film, Comics, Werbung etc. auflösen. Bekannt sind die realistischen Darstellungen alltäglicher Gegenstände in knalligen Farben, z.B. von Andy Warhol. Suppendosen und ColaFlaschen waren ebenso Sujets der Pop Art wie Farbdrucke von Stars wie Marilyn Monroe. Im alltäglichen Sprachgebrauch bezeichnet Pop vielfach Attribute wie jung, sexy, fit oder schrill. In diesem Heft steht die Kurzformel „Pop“ für vielfältige musikalische Ausdrucksformen der populären Musik in den Massenmedien. Sie bezeichnet die unterschiedlichsten Stile, die in der Verschmelzung von afroamerikanischen Elementen (Soul, Blues usw.) mit neuen Musikrichtungen (Jazz, Rock, Reggae, Punk, Disco, Hip-Hop, Ska, Techno usw.) auf dem freien Markt für ein jugendliches Massenpublikum entstanden sind. Popmusik unterliegt einem ständigen Wandel und ist an die Möglichkeiten technischer Unterhaltungsmedien gekoppelt. Ein weiteres Merkmal der Popmusik: Englisch ist in den meisten Liedtexten die dominante Sprache. In der Übersetzung können sich bei KonsumentInnen, deren Muttersprache nicht Englisch ist, schon einmal ganz eigene Interpretationen ergeben. Thomas Brussig erinnert sich: „Über Jahre beschäftigte mich die Frage, warum der doch eigentlich so friedfertige Bob Dylan will, dass jeder gesteinigt werde. (Denn was bedeutet Everybody must get stoned sonst?)“ Eine der treibenden Kräfte in der populären Musik der letzten fünfzig Jahre war die Provokation, das Überschreiten der Grenzen – ob es nun der „wilde“ Rock’n’Roll-Tanzstil, die Hippiebewegung der Siebziger Jahre oder die spielerischen Konstruktionen aus den subkulturellen Reservoirs der Achtziger Jahre (verkörpert etwa durch die Sängerin Madonna) waren. Im Lauf der Jahrzehnte verschieben sich klarerweise die Grenzen für gesellschaftliche Provokation. Was unlängst noch Empörung hervorrief und zum Underground zählte, ist übermorgen landauf, landab schon populär und kommerziell vereinnahmt. Auch das Image von populären Musikstilen wandelt sich im Lauf der Zeit: Stand Rockmusik zu Beginn der Siebziger noch für Freiheit und Rebellion, hatte Rock ein Jahrzehnt später bereits den Ruf des Machohaften und Ausgrenzenden. Spätestens seit den Neunziger Jahren verschwimmen die Grenzen zwischen Subkulturen und Massenproduktion immer mehr, es kommt zu ständigen Umschichtungs- und Recodierungsprozessen. Mainstream und Underground werden allmählich zu durchlässigen, ineinander wirkenden Kategorien (Beispiel: Punk und Disco). Jede Generation wächst mit ihrer eigenen Musik auf – so heißt es zumindest. Gegenwärtig drückt jedoch nicht mehr ein einziger populärer Musikstil das Lebensgefühl von Jugendlichen aus. Oft werden mehrere Stile gerne gehört und die dazugehörigen Attribute oder Verhaltensweisen vermischt. Dreadlocks mit Che Guevara T-Shirt auf einem Hip-Hop-Event sind so gesehen gar keine Besonderheit mehr. Brussig, Thomas: Weiß nicht viel. in: Klangspuren / Songs & Soundtracks. die horen. Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik, 53. Jahrgang, 2. Quartal 2008 www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at polis aktuell 2 J ugend ( sub ) kulturen und Warum kommt ein Hit an, warum klingt er so und nicht anders? Kulturelle und subkulturelle Erwartungen, Jugendtrends und Zeitgeist spielen hier ebenso eine Rolle wie kommerzielle Verkaufsstrategien und Imagekreationen (Gesten, Auftritte usw.) der PopkünstlerInnen in den Massenmedien Radio und Fernsehen, in Jugendzeitschriften, Fanzines und Videoclips. Das Vorhandensein entsprechender Hard- und Software bei den KonsumentInnen ist dafür natürlich Voraussetzung. Ein Blick zurück in die Geschichte der Popmusik ab 1950 zeigt, dass sich die starken Trends der Jugendmusik von den USA und von England aus verbreiteten und zunächst einigermaßen verspätet im deutschsprachigen Raum eintrafen, wo sie sie in abgewandelter Form rezipiert wurden – zum Beispiel als brave Rock‘n‘Roll-Variante von Elvis Presley in Gestalt von Peter Kraus. 2008 P op ben erreicht und gleichzeitig gesellschaftliche (Be)deutungen transportiert bzw. diese auch erst kreiert. Viel stärker als über den reinen Text kann die Musik die oder den Hörer/in begeistern, mitziehen, motivieren. Musikvideo-Sequenzen liefern über Kanäle wie MTV oder goTV zum Sound auch die entsprechenden Bilder – unter anderem davon, was Jugendlichkeit ausmacht. Dabei geht es weniger um die Spiegelung authentischer Erfahrungen als um das Hervorbringen von Popularität in „Geschmacksgemeinschaften“. Max Horkheimer und Theodor W. Adorno haben bereits vor mehr als 50 Jahren die Kulturindustrie unter den Gesichtspunkten von industrieller Massenfabrikation, körperlicher Reizstimulation, Mythenproduktion und Synthetisierung von ethnischen mit trivialen Musiktraditionen beschrieben. Ihre Hauptthese: Beim Hören von Popmusik vergesse der arbeitende Mensch seine Vereinzelung und erhalte die Illusion, in ein Kollektiv eingebettet zu sein.** Adorno weist auf Gleichschaltung durch Profitinteresse und kapitalistische Warenproduktion hin; unter dem Schein der Vielfalt setze sich standardisiert das Immergleiche durch. Wie auch immer man die Theorien von Adorno und Horkheimer mehr als 60 Jahre nach ihrem Entstehen einschätzen mag, eines trifft sicherlich zu: Popmusik schafft für die Zielgruppe junger Menschen in einer Lebensphase, in der Fragen nach der eigenen Identität und dem Platz in der Gesellschaft im Vordergrund stehen, Spielräume für Unterscheidung und Orientierung, Über die Auswahl eines bestimmten Freundeskreises, über Szene-relevante Kenntnisse und Fan-Begeisterung kann Selbstdefinition, Zughörigkeit und die gesellschaftliche Positionierung ausgedrückt werden. Medien und Internet bieten zusätzlich die Möglichkeit, lokale Grenzen zu überschreiten und Zusammengehörigkeitsgefühl auch „globalisiert“ herzustellen. Popmusik entfaltet vor allem über Jugend(sub)kulturen als Massenmedium ihre Wirkung. Unter „Jugendkultur“ sind Alltagsorientierungen und Verhaltensweisen von Jugendlichen zu verstehen, die von den Strömungen des Pop inspiriert sind und sich auf populäre Freizeitwelten ausdehnen. Sie richten an Jugendliche die Aufforderung, nicht passiv zu bleiben, sondern selbst etwas zu tun, wie Beate Großegger und Bernhard Heinzelmaier im Jugendkultur-Guide schreiben. Dafür bieten sich die Netzwerke der jugendkulturellen Szenen an – Musik-Szenen wie etwa Hip-Hop, Techno oder Metal, Funsport-Szenen (Snowboard- , Skateboardund Beachvolleyballszene), digitale Jugend-Netzwerke oder eher jugendlich-subkulturelle Richtungen wie Skinhead, Punk oder Gothik. Relevant sind in jedem Fall die Codes für ein Lebensgefühl oder einen Lebensstil. Sie werden über die Begleitformen der Musik vermittelt und global verbreitet. Die langen Haare der RockmusikerInnen in den Siebzigern, die Goldketten der Rapper oder die Punkfrisuren sind Teil der Symbolkulturen des Pop und als solche Codes für Zugehörigkeit und Identifikation (gemeinsam mit den Texten und Accessoires wie etwa CD-Hüllen). Pop nimmt im Vergleich zu anderen Kulturformen deswegen einen besonderen Stellenwert ein, weil er das Individuum über das unmittelbare emotionale Erle- Musik ist aber nicht nur ein Mittel, die eigene Person zu begreifen (geschlechtlich, klassenbezogen oder ethnisch), sondern sie brachte im Lauf der Zeit auch gängige Muster und Vorstellungen durcheinander (siehe Kapitel 5). Großegger, Beate; Heinzlmaier, Bernhard: Jugendkulturguide. Teil 1: Jugendkultur und jugendkulturelle Szenen (Institut für Jugendkultur, 2. Auflage: 2004) / Gratisdownload des vergriffenen Buches unter www.jugendkultur.at/Jugendkultur%20Guide.pdf ** Adorno, Theodor W. (1932): Zur gesellschaftlichen Lage der Musik, in: Zeitschrift für Sozialforschung, I, 1/2, S. 103-124 Adorno, Theodor W. (1941): On Popular Music, in: Zeitschrift für Sozialforschung, IX, 1941/1, S. 17-49 www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at Pop und Politik Nr. 7 3 M usikkonsum von J ugendlichen Es hat nie genügt, Musik einfach nur zu hören, es gehörte immer noch etwas anderes dazu: Tanz, Bilder, Poster, Filme, Zeitschriften, Videoclips, Stars usw. Die Verfügbarkeit von Medien zum Musikhören oder Abspielen, Kopieren und Tauschen bzw. die Medienangebote in Radio und Fernsehen (von Hitparade, Ohne Maulkorb und X-Large bis zu MTV, VIVA oder goTV) prägten maßgeblich die musikalische Sozialisation von Jugendlichen. Daneben spielten für den Musikkonsum auch Jugendzeitschriften (z.B. Bravo) eine nicht zu unterschätzende Rolle. Der Bogen technischer Entwicklungen reicht vom Röhren- oder Transistorradio, der Musikbox und dem Vinylplattenspieler bis hin zu MP3-Portable, Kabel/Sat-TV, DVD-Player, PC und Internet. Veränderungen in der Mediennutzung passieren in rasantem Tempo, die primären Musikvermittler werden ständig durch neue Medien ersetzt – spielte etwa der MP3-Player 2001 offenbar noch eine relativ geringe Rolle (nur 4% der Mädchen und 10% der Burschen gaben für eine deutsche Studie 2001 an, ein derartiges Gerät zu besitzen), sind diese Musikgeräte heute bereits gang und gäbe. Die Entwicklung neuer Tonträger deckt sich mit dem Mobilitätsverhalten von Jugendlichen, obwohl der Trend zum Anhören und Downloaden von Sounddateien in den letzten Jahren wiederum eine stärkere Gebundenheit an den Wohnbereich mit sich brachte. Dennoch: den „Walkman“ (oder nunmehr wohl eher den MP3-Player) zum privaten Musikerlebnis immer bei sich zu haben und bei passender Gelegenheit die Ohren zustöpseln zu können, ist für viele eine feine Sache. Eine neue Dimension an Breitenwirkung und visuellen Trends ergab sich durch das Aufkommen spezieller Musiksender im Zug des Sat- und Kabel-Fernsehbooms in den Neunziger Jahren. Die Prophezeiung „Video Killed The Radio Star“ der britischen Pop-Band „Buggles“ (1979) zu den Umwälzungen in den Produktions- und Verbreitungsbedingungen der Popmusik hat sich zwar nicht erfüllt, aber das Fernsehen überragt in der Nutzung der 14- bis 19-Jährigen mittlerweile die Nutzung von anderen Tonträgern. Die letzten Jahre bescherten zusätzlich Formate wie Starmania oder Popstars, die mit ihren Star-Inszenierungen vor allem Jugendliche ansprechen. Ob beim 93% der 14- bis 19-Jährigen Deutschlands nutzen das Fernsehen mehrmals wöchentlich, 91% greifen täglich oder mehrmals pro Woche auf Tonträger zurück, bei der Radionutzung sind es in dieser Altersgruppe 82%. Quelle: Media Perspektiven Basisdaten 2003, 69 / Deutschland und M edien Nachsingen von Hits und einstudierten Choreografien oder bei den emotionell hoch aufgeladenen BackstageBerichten – das (überwiegend jugendliche und weibliche) Publikum ist immer live dabei. Für den „heißesten Live-Act“ winkt ein Plattenvertrag. „Auch du kannst ein Star werden, wenn du dich anstrengst“, ist die Botschaft, die offenbar ankommt. Welche Vorlieben für Musikrichtungen haben Jugendliche? Eine Untersuchung des Deutschen Jugendinstitutes (2001) nennt als beliebteste Musikstile Jugendlicher Pop, Rock, Disco, Techno und Rap/Hip-Hop. Auch Oldies wie die Beatles gelten als interessant. Jazz, Klassik und Deutschrock werden hingegen eher negativ eingeschätzt, Folklore und Volksmusik stark abgelehnt.** Musikhören wird als zweithäufigste Tätigkeit nach Ausbildungs- oder Berufstätigkeiten angegeben, in einer anderen Studie (ebenfalls 2001) rangiert es als Zweitwichtigstes nach Freundschaft (vor Liebe auf Platz 3). Interessant ist, dass hinsichtlich der Einordnung von Musik in die Reihe der persönlichen Vorlieben keine geschlechtsspezifischen Interessensunterschiede angegeben werden, was etwa bei Mode, Gesundheit und Reisen bzw. Technik, Auto, Computerspiele und Internet sehr wohl der Fall ist. Eine weitere Erkenntnis aus den Studien: Musikkonsum ist ein Gemeinschaftserlebnis und bestätigt die Einbettung in Freundschaftsbeziehungen. Die Peer-Group spielt eine so große Rolle, dass negative Äußerungen über gewisse Musikstile Angst auslösen können, die Akzeptanz der Gruppe zu verlieren. Der Wunsch, über Musik die eigene Stimmung zu beeinflussen, wird als stärkstes Motiv für die Musiknutzung genannt – es geht über das Bedürfnis, Individualität über einen speziellen Musikgeschmack zum Ausdruck zu bringen, hinaus. Dass Musik für die Bewältigung von Problemen, mit denen sich Jugendliche plagen, eine Rolle spielt, ist den LeserInnen sicher nichts Neues. ** J. Barthelmes/E. Sander. Erst die Freunde, dann die Medien. Medien als Begleiter in Pubertät und Adoleszenz. München 2001 S. Feierabend/W. Klinger. Medien- und Themeninteressen Jugendlicher. Ergebnisse der JIM-Studie 2001 zum Medienumgang Zwölf- bis 19-jähriger. In: Media Perspektiven 1/2002, 9-21 www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at polis aktuell 4 P olitisches und 2008 P op Lieder mit politischen Inhalten sind wichtige Quellen und Zeitdokumente. Sie geben Auskunft über kollektive Stimmungen, über gesellschaftliche Themen und über die Konfliktfelder zu einer bestimmten Zeit. Lieder können auch als eigenständige Informationsquellen in der politischen Bildung herangezogen werden – über Textanalyse, visuelle Interpretationen des Materials und die Reflexion über ihre Entstehungsgeschichte in einem bestimmten politischen Umfeld. Linktipp Schwerpunkte und Herangehensweisen in der Arbeit mit Liedern (Funktionen, aktuelle Themen usw.) www.sowi-online.de/methoden/lexikon/lieder-undmusik.htm Sind politische Botschaften von Arbeiterliedern, Agitationsliedern, Nationalhymnen oder „klassischen“ politischen Liedern bzw. Protestsongs klar umrissen, sind diese in der Popmusik generell weniger deutlich erkennbar. Nur ein Teil der InterpretInnen positioniert sich über Texte, Visuals, Sounds und Performances explizit politisch. KonsumentInnen können jedoch auch indirekt zur Reflexion über Politik und politischen Interpretation angeregt werden – zum Beispiel beim Durchstöbern der Webseiten einer Lieblingssängerin, die ihre Fans zu politischem Engagement auffordert und dazu Linkhinweise zu entsprechenden Initiativen und Organisationen anbietet. Linktipp Musik, die politische Themen aufgreift, ist keine Errungenschaft des 20. Jahrhunderts. Das populäre Volkslied „Die Gedanken sind frei“ ist zum Beispiel bereits in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts entstanden (Vorgänger des Textes bereits im 13. Jahrhundert) und wurde im deutschen Vormärz des 19. Jahrhunderts schließlich für einige Jahre verboten. Der Internet-Provider GMX benutzte das Lied für eine Kampagne übrigens mit dem Hinweis, dass das Internet das „freieste Medium ist, das es gibt“ (der Provider als „Freiheitsvermittler“). Wie der Begriff der Freiheit in Liedtexten aufgrund politischer Entwicklungen auch ganz anders besetzt werden konnte, zeigte sich in den USA nach dem Einsturz der Zwillingstürme am 11. September 2001. Einige Protagonisten der Country Music riefen damals zum „Gegenangriff auf den Terrorismus“ auf, „Let‘s roll for freedom, goin’ after Satan” (Neil Young) war nun die Devise. Einige US-Radiostationen gingen so weit, Lieder kritischer MusikerInnen oder MusikerInnen muslimischen Glaubens aus ihren Programmen zu verbannten (lyrically questionable songs). Literaturtipp Helms, Dietrich: Pop Star Wars. in: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 11/2005), Bundeszentrale für politische Bildung Der Artikel beschäftigt sich u.a. mit der Frage, wie Kriege und Katastrophen wie der 11. September 2001 in Pop und Rock verarbeitet wurden und geht der Bedeutung von „Frieden“ in der populären Musik nach. www.bpb.de > Publikationen > Aus Politik und Zeitgeschichte > Jahrgang 2005 > Musik und Gesellschaft > Pop Star Wars (Dietrich Helms) Mayer, Christine: Pop, Politik und das Internet: MusikerInnenhomepages als Foren politischer Bildung. in: Informationen der Gesellschaft für politische Aufklärung. Nr. 76, November 2005 (Seite 30 bis 38), enthält viele Linktipps www.uibk.ac.at/gfpa/index1.html > Magazin > 21.11.2005 > Informationen 76, November 2005 (Download pdf) TIPP für SchülerInnen der 8. bis 11. Schulstufen SchülerInnen-Wettbewerb Politische Bildung 2008. Thema: Ein Hit für die Gemeinschaft / Kritik durch Musik Auch 2008 können sich österreichische Schulen wieder am SchülerInnen-Wettbewerb Politische Bildung (Veranstalter: Bundeszentrale Politische Bildung) beteiligen. Eines der fünf vorgegebenen Themen ist „Ein Hit für die Gemeinschaft / Kritik durch Musik“. Die Aufgaben: ● Lieder bzw. Songs, die gesellschaftskritische Botschaften enthalten, sammeln und sie Themenbereichen zuordnen. ● Ein Thema samt entsprechenden Liedern auswählen und die Musikstücke genauer untersuchten. ● In einem letzten Schritt werden die gewonnenen Informationen zu einem Radiofeature zusammengefügt. Detaillierte Informationen auf Seite 14 im Wettbewerbsheft www.politik-lernen.at/goto/polis/ details/wettbewerb08/ Die Preise: 1. Preis: eine einwöchige Klassenfahrt / 2. Preis: € 1500 / 3. Preis: € 1000 www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at Nr. 7 Pop und Politik Letztlich ist Popmusik, auch wenn sie unpolitisch wirkt, insofern immer politisch, als sie Werte und Bilder von Jugend, von Lebensgenuss, Individualismus, Fun, Lifestyle oder anderen Dingen transportiert. Es ist dann weniger die rein verbale Botschaft, als der Sound mit seinen emotionalen Welten und Gesten, der Wirkung zeigt. Für politische Inhalte stellt Pop ein reichhaltiges Reservoir an Phantasien und Artikulationen bereit – ob es sich nun um die Sehnsucht nach Freiheit, um Technikbegeisterung oder Technikkritik, um Armut, Krieg oder um Gewalt handelt. Als Mittel des Protests, des Non-Konformismus und der Kritik von Jugendlichen spielte Pop in seinen Anfängen (vor ca. fünfzig Jahren) zweifellos eine andere Rolle als in der Gegenwart. Die politische Bedeutung und Wirkung von Liedern ist sowohl an den historischen und sozialen Kontext ihrer Entstehungsgeschichte gekoppelt, als auch daran, wie diese zu einem gewissen Zeitpunkt rezipiert werden (z.B. progressiv oder radikal usw.). Erst mit der sozialen und symbolischen Konstruktion von Bedeutung (beeinflusst durch Vermarktungsindustrie und Massenmedien) wird ein Song zu einem Protestsong. Entzieht sich Pop der Gegenwart, wie manche meinen, immer mehr kritischen politischen Inhalten? Hat er sich vom Soundtrack für jugendlichen Protest und Kritik zum Synonym für neoliberalen und postmodernen Zeitgeist gewandelt? Wird Musik, wie etwa der Musikkritiker Martin Büsser schreibt, dadurch harmlos und bedeutungslos? Tatsache ist jedenfalls, dass gerade das inhaltlich Unbestimmte des Pop und die Zugriffe von allen Seiten es ermöglicht haben, dass mit Pop mittlerweile auch ganz unterschiedliche politische Gesinnungen ästhetisch geschmückt werden können. Bedeutung wird in manchen Fällen dadurch so beliebig, dass ein Song das eine, aber auch sein Gegenteil meinen kann. Der „Trend“ steht im folgenden Lied für das Style-Phänomen im Pop, für die Vereinnahmung von stilistischen Ausdrucksmitteln politischer Statements. Gib mir ein T-Shirt mit Andreas Baader drauf Und einen Catwalk für den Tagtraumdauerlauf komm hol auch du dir preisgünstig Revolution Mit ein zwei Freibier und Che-Guevara-Kondom. Wir sagen Vorsicht ein Trend geht um Du brauchst Veränderung Das müssen sie haben die ganze Kraft einer Kultur Nach Feierabend Betäubungsmittelkur Weil sie es sich Wert sind heute im Hunger-Look Und schreiben Ich-Anarchie heimlich auf jedes Produkt Wir sagen Vorsicht ein Trend geht um du brauchst Veränderung Entscheiden Sie sich noch heute für die Leichtigkeit des Scheins Im Pace-Outfit auch mal pro Amerika sein Komm tag doch Punkrock auf den Bankauszug Für ruhige Momente polyphones Fingerfood Vorsicht ein Trend geht um – du brauchst Veränderung“ Mediengruppe Telekommander, Trend, Maxi, CD, VÖ. 17.5.2004 (Soundtrack zum Film „Die fetten Jahre sind vorbei“) Methodentipp Windischbauer, Elfriede. Das Lied im politischen Unterricht. Ein Beispiel: Werte- und Generationenkonflikt im Song „Junge“ der Gruppe „Ärzte“. Das Lied handelt von Wertekonflikten in einer Familie. Geeignet für die 7. und 8. Schulstufe (Förderung der Sachkompetenz sowie der Handlungs- und Urteilskompetenz). Siehe dazu das Unterrichtsbeispiel auf Seite 8 dieses Hefts. erschienen in: Kompetenzorientierte Politische Bildung. Informationen zur Politischen Bildung Nr. 29, 2008 Onlineversion als Download: www.politischebildung.com/pdfs/29_lied.pdf Kostenlose gedruckte Exemplare (gegen Übernahme der Portospesen) im polis OnlineShop: www.politik-lernen.at > Online-Shop www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at polis aktuell 2008 Arbeitsaufgaben für SchülerInnen: Die „Ärzte“: Songtext von „Junge“ (2007) Quelle: Windischbauer, Elfriede: Das Lied im politischen Unterricht. in: Informationen zur Politischen Bildung Nr. 29 / Kompetenzorientierte Politische Bildung, 2008 Junge, warum hast du nichts gelernt? Guck dir den Dieter an, der hat sogar ein Auto Warum gehst du nicht zu Onkel Werner in die Werkstatt? Der gibt dir ne Festanstellung – wenn du ihn darum bittest Junge … Und wie du wieder aussiehst – Löcher in der Hose, und ständig dieser Lärm (Was sollen die Nachbarn sagen?) Und dann noch deine Haare, da fehlen mir die Worte – musst du die denn färben? (Was sollen die Nachbarn sagen?) Nie kommst du nach Hause, wir wissen nicht mehr weiter … Junge, brich deiner Mutter nicht das Herz Es ist noch nicht zu spät, dich an der Uni einzuschreiben Du hast dich doch früher so für Tiere interessiert, wäre das nichts für dich Eine eigene Praxis? Junge … Und wie du wieder aussiehst – Löcher in der Nase, und ständig dieser Lärm (Was sollen die Nachbarn sagen?) Elektrische Gitarren, und immer diese Texte – das will doch keiner hörn (Was sollen die Nachbarn sagen?) Nie kommst du nach Hause, so viel schlechter Umgang – wir werden dich enterben (Was soll das Finanzamt sagen?) Wo soll das alles enden? Wir machen uns doch Sorgen … Und du warst so ein süßes Kind Du warst so süß Und immer deine Freunde, ihr nehmt doch alle Drogen – und ständig dieser Lärm (Was sollen die Nachbarn sagen?) Denk an deine Zukunft, denk an deine Eltern – willst du, dass wir sterben? © „Junge“. M/T: FARIN URLAUB. PMS Musikverlag GmbH Arbeitsaufträge für Partnerarbeit 1. Listet auf, welche Werte der Vater als erstrebenswert erachtet. 2. Aus den Klagen des Vaters könnt ihr auch entnehmen, welche Werte der Sohn als erstrebenswert erachtet. Listet auch diese auf. 3. Versucht nun, die beiden Wertvorstellungen, die hier aufeinanderprallen, in jeweils einem oder zwei Überbegriffen zusammenzufassen. Schreibt die Begriffe auf. 4. Für welche dieser Werte könnt ihr persönlich Verständnis aufbringen, für welche nicht? Einen genauen Ablauf der Unterrichtssequenz (Einstieg / Persönliche Wertekonflikte am Beispiel des Songs “Junge“ / Aus persönlichen Konflikten werden politische / Anregungen zur Weiterführung der Thematik) finden Sie unter www.politischebildung.com/?Sel=461 Ebenfalls in der Onlineversion der Informationen zur Politischen Bildung: Ergänzende Materialien Arbeitsblatt: Generationenkonflikt – Versuche einer Begriffsklärung Arbeitsblatt: „taz“-Artikel zum Generationenkonflikt www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at Pop und Politik Nr. 7 5 D ie wichtigsten S tile populärer M usik seit 1950 und politische A spekte Literatur- und Methodentipps 3/2004: Rock‘n‘Roll - Soul - HipHop. Jugend und Musikkonsum Historische Sozialkunde. Geschichte – Fachdidaktik – Politische Bildung (hg. Verein für Geschichte und Sozialkunde). Nähere Informationen unter: http://vgs.univie.ac.at/TCgi/TCgi. cgi?target=home&P_KatSub=13&B=53 In dem Heft finden Sie neben spannenden Artikeln zum Thema auch eine kommentierte Übung zum Musikkonsum von Jugendlichen (Berthold Christian und Girardi Christian) mit Textauszügen zu Hörbeispielen quer durch die Jahrzehnte. Inhalte der Übung: Geschichtlicher Überblick zu Musik, Jugend und Konsum; 7 Hörbeispiele; Videoanalyse; Rollenspiel zur Musikindustrie. Dauer: 3 UE / geeignet für die 8. Schulstufe Die Ursprünge populärer Musik des Westens gehen bis in die Zeiten der Aufklärung und der Entwicklung des Mittelstands zurück, Ihre Verbreitung zieht sich durch das Zeitalter der Industrialisierung im 19. Jahrhundert, jedoch wird populäre Musik erst im 20. Jahrhundert zur eigentlich repräsentativen und dominanten Musikkultur der westlichen Welt. Die Erzählung über Popgeschichte und auch über Politik und Pop nimmt deswegen ihren Ausgangspunkt fast immer von den USA und dem europäischen Raum – ungeachtet unzähliger populärer, teilweise sogar stark politisch motivierter Musikrichtungen weltweit (erinnert sei zum Beispiel an die Nueva Canción in Lateinamerika, entstanden aus der Verbindung von Volksmusik mit sozialkritischen Texten). Meist findet man in den Plattengeschäften entsprechende CDs dann in den hinteren Reihen unter der Rubrik „World Music“. Der folgende Streifzug durch unterschiedliche Genres der Popmusik im Lauf der Jahrzehnte ist für ein österreichisches Lesepublikum zusammengestellt und erhebt natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die zeitliche Distanz ermöglicht für SchülerInnen vielleicht einen leichteren (weil von aktuellen Vorlieben und Abneigungen unbelasteteren) Einstieg in Fragen rund um populäre Musik und entsprechende Werte, Lebensstile und Kommerzialisierungsformen. 5.1 Schlager, Krieg und Frieden In der populären Musik des beginnenden 20. Jahrhunderts wurde sowohl gegen den Krieg als auch dafür Position bezogen. Marschgesänge und Schlagermusik ließen zum Beispiel im deutschsprachigen Raum den treuen Husaren und feschen Soldaten hochleben, der Krieg erschien in diesen Liedern implizit als politische Notwendigkeit. Ein ganz anderes Beispiel als die Inhalte der Schlager und Schlagermusikfilme kommt aus dem US-amerikanischen Raum von dem Sänger, Liedermacher, Wanderarbeiter und Gewerkschaftsaktivist Joe Hill (1879 – 1915). Er machte sich mit seiner Musik schon im zu Beginn des 20. Jahrhunderts für eine Gewerkschaftsbewegung und für soziale Gerechtigkeit stark. Nach dem zweiten Weltkrieg war es bis in die zweite Hälfte der Sechziger Jahre hinein in der Populärmusik Deutschlands und Österreichs tendenziell eher der Frieden, der besungen wurde – meist nach dem Motto „Frieden ist, wenn man vergisst“ oder im Sinn eines „wohlverdienten“ Feierabendfriedens. 5.2 „The times they are a-changin“ und „We shall overcome“: Rock’n‘Roll, das Thema Freiheit und Flower Power In den Fünfziger und Sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts kam neuer Schwung in der populären Musik auf. Jugendliche definierten sich als eigene soziale Gruppe und grenzten sich durch Musik, Kleidung und Freizeitbetätigung von der Elterngeneration ab. In Österreich und Deutschland traten Jugendliche zunächst als harmlose und fröhlich-naiv wirkende ProtagonistInnen in diversen Musikkomödien in Erscheinung. Teen-Teen-Teenager Melody, nehmt euch für die Party heute frei Teen-Teen-Teenager Melody, Conny und auch Peter sind dabei Zieht euch nur die flachen Schuhe an, weil man damit besser tanzen kann. Die Pullis blau und gelb und rot, dazu den neuen Petticoat, Kinder, das wird heute wieder schick .[…] Conny Frobess / Peter Kraus: Teenager Melody (1957) Über ihn sangen zum Beispiel die Sängerin Joan Baez sowie die Gruppen Dubliners und Chumbawamba. www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at polis aktuell Mit dem Rock’n’Roll und dem Beat setzte sich die erste Unterhaltungsmusik durch, die Aufmerksamkeit erreichte, provozierte und mit dem Massenhit auf Singleschallplatte und Musikbox auch neue Märkte erschloss (Stichwort Teenage Consumer). Freizeit entwickelte sich allmählich zu einem Politikum. Die Provokation lag nicht im Text, sondern in den ungewohnten Rhythmen, im Ausdruck des Körpers und im Tanzstil. In Österreich verbreitete sich dieser Trend zunächst über die sogenannten „Halbstarken“, Jugendliche aus den ArbeiterInnenschichten. In den folgenden Jahren betraten bisher wenig wahrgenommene Teile der Gesellschaft die musikalischen Bühnen. Jugendliche solidarisierten sich mit marginalisierten sozialen Gruppen über das Hören von Musik (Folk, Blues, Jazz, Gospel usw.) und setzten damit gleichzeitig ein politisches Statement. Ein wichtiger Vorläufer späterer bekannter Folk-ProtagonistInnen ist Woody Guthrie. Er thematisierte in seinen Liedern u.a. den gewerkschaftlichen Kampf der Dreißiger und Vierziger Jahre für bessere Lebensbedingungen, später griff er auch den Faschismus als Thema auf. Die Popkultur propagierte 1968 und danach, in den Zeiten von „Flower Power“, sowohl den Wert der Freiheit des Individuums als auch von benachteiligten Teilen der Bevölkerung. Politische Ereignisse der Sechziger und frühen Siebziger Jahre, die auch auf die Musik einwirkten, waren die Bürgerrechtsbewegung und der Marsch auf Washington (Martin Luther King) sowie der Kampf gegen die Apartheid („Free Nelson Mandela“) und für Menschenrechte. Well Jo‘anna she runs a country She runs in Durban and the Transvaal She makes a few of her people happy, oh She don‘t care about the rest at all She‘s got a system they call apartheid It keeps a brother in a subjection But maybe pressure can make Jo‘anna see How everybody could a live as one Gimme hope, Jo‘anna Hope, Jo‘anna Gimme hope, Jo‘anna ‘Fore the morning come Gimme hope, Jo‘anna Hope, Jo‘anna Hope before the morning come […] Textauszug Eddy Grant: Gimme Hope Jo´anna Das Lied, das mit „Jo‘anna“ die südafrikanische Stadt Johannesburg besingt, gibt der Hoffnung nach dem baldigen Ende der Apartheid Ausdruck. 10 2008 Weiters hinterließ die Frauenbewegung mit ihrem Kampf um Gleichberechtigung ihre Spuren in der Musik. Ein Meilenstein des politischen und auch erfolgreichen Musikaktionismus war der Protest gegen den VietnamKrieg (ProtagonistInnen waren u.a. die Gruppe „The Doors“, Joan Baez, John Lennon, Bob Dylan, Billy Joel u.v.a.). […] I am woman, hear me roar In numbers too big to ignore And I know too much to go back an‘ pretend ‘cause I‘ve heard it all before And I‘ve been down there on the floor No one‘s ever gonna keep me down again Oh yes I am wise But it‘s wisdom born of pain Yes, I‘ve paid the price But look how much I gained If I have to, I can do anything I am strong I am invincible I am woman […] Textauszug Helen Reddy: I am Woman Methodentipp Unterrichtsideen (Sekundarstufe I) zur populären Musik zwischen 1950 und den Siebziger Jahren bietet der Landesbildungsserver Baden-Würtemberg unter www.schule-bw.de > Fächer > Musik in der Sekundarstufe I > Populäre Musik Die Webseite bietet Tipps zum exemplarischen Arbeiten mit Zeit- und Stilvergleichen anhand von Musikbeispielen (kombiniert mit Hinweisen zu Videoaufnahmen, die meist auf DVD erhältlich sind). Im Hinblick auf häufig zitierte Musiktexte des deutschsprachigen Raumes zu politischen Themen in den Siebziger Jahren ist etwa die Gruppe „Ton, Steine Scherben“ (mit dem Lied „Keine Macht für Niemand“) zu nennen, ein Beispiel aus den Achtziger Jahren ist „Kristallnacht“ (BAP, 1982) Tracy Chapman gelang 1988 mit „Talkin‘bout revolution“ der Weg in die Charts (Themen: Arbeitslosigkeit und soziale Chancenlosigkeit). Ein weiteres Beispiel: „Sunday Bloody Sunday“ (U2, 1983), das den Nordirlandkonflikt und den blutigen Übergriff englischer Fallschirmjäger auf DemonstrantInnen im Jahr 1972 aufgreift. Dass kritische Stimmen in der Musik auch selbst Gefahr liefen, Menschenrechtsverletzungen am eigenen Leib zu erfahren, zeigt die Geschichte von Gilberto Gil und Caetano Veloso. Beide Musiker wurden von den Milizen der brasilianischen Militärdiktatur verhaftet. www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at Pop und Politik Nr. 7 Link- und Literaturtipps Streidl, Barbara: Keine Macht für niemand. in: Alles ist möglich. Das Freiheits-Heft. Fluter (Bundeszentrale für politische Bildung), Nr. 15, Juni 2005 www.fluter.de/de/freiheit/editor/?tpl=83 www.fluter.de > Fluter.de-Archiv > Alles ist möglich (Juli/August 2005) > Keine Macht für niemand Die Service- und Informationsplattform Lehrer-online bietet eine Reihe von Anregungen (Übungen, Arbeitsblätter usw.), wie Lehrkäfte im Unterricht das Thema der Popularmusik einbringen können. www.lehrer-online.de > Sekundarstufen > Musik > Unterrichtseinheiten > Theorie > Amerikanische Popularmusik des 20. Jahrhunderts www.lehrer-online.de > Unterricht > Sekundarstufen > Musik > Unterrichtseinheiten > Theorie > Amerikanische Popularmusik des 20. Jahrhunderts 5.3. Punk Punk war die letzte Poprebellion, heißt es vielfach in der Literatur über Popmusik. Protest gegen das verkrustete Establishment und das Gefühl der Desillusionierung – auch im Hinblick auf die Generation der „alten“ Rocker (wie das Beispiel des „I hate Pink Floyd“T-Shirt zeigt) – wurde über das Äußere, über Piercings, schrille Haarfarben u.ä. sowie musikalisch über Punkrock ausgedrückt. Provokation und Schockelemente erfolgten auch über rechte Symbolik und Ästhetik (z.B. das Hakenkreuz). In Österreich beeinflussten allerdings in den Achtziger Jahren Nachfolgetrends wie New Wave und Neue Deutsche Welle stärker die Musikszene. 5.4. Die Achtziger und ihre Popstargrößen Neben New Wave und Underground-Bands samt ihrem Image von der Lust am Zerfall und dem Zusammenbruch der modernen Welt brachte diese Dekade den Disco-Stil und auch Stars wie Michael Jackson, Prince und Madonna hervor. Madonna ist insofern herausragend, als sie das Image des Pop-Chamäleons perfektionierte und mit stets neuen Frauenrollen und Trends jonglierte (z.B. Vamp, Marilyn Monroe, burschikos, Genre „Sadomaso“ etc.). Ob Madonna allerdings damit für Frauen wirklich „ein Stück moderner Emanzipationsgeschichte geschrieben“ hat, wie etwa der DJ Hans Nieswandt behauptet, ist wohl in Frage zu stellen. 5.5. Hip-Hop Entstanden in den 70er Jahren unter schwarzen Jugendlichen im New Yorker Armenviertel der Bronx, hat sich Hip-Hop global zu einem der populärsten Musikstile der Gegenwart entwickelt. Die Hip-Hop-Szene ist mittlerweile in viele unterschiedliche Richtungen gesplittet, auch im Hinblick auf das politische Selbstverständnis der ProtagonistInnen. Coolness und die eigene Härte im Gegensatz zur Schwäche der Gegner, das Ansehen in der Szene, der Wettkampf mit dem „großen Bruder“ sind ebenso Themen wie soziale Ausgrenzung und Unterdrückung. Es geht um die Botschaft an die „Außenwelt“ und um Flexibilität, die sich auch im Sampling, in den Verbindung unterschiedlicher Musikrichtungen (Rock, Soul, Soundtracks, Radiomitschnitte usw.) zeigt. Wie vielfältig die Hip-Hop-Szenen auch sein mögen, ein Punkt eint sie: Die Szene ist vorwiegend männlich besetzt und der Blick auf Frauen ist stark sexualisiert. Hip-Hop hat mit der Suche nach Identität zu tun, mit der Entfaltung in einer wie auch immer gearteten feindlichen Umgebung. Abgesehen von derzeit „hippen“, vor allem von Mädchen quer durch alle Bevölkerungsschichten gut besuchten Tanzkursen, hat dieser Stil gerade dort einen besonderen Stellenwert, wo sich gesellschaftliche Gruppen wie MigrantInnen an den Rand gedrängt fühlen. 5.6. „Rave-O-lution“ und Techno-Sound Dröhnende Bässe, wummernder Techno-Sound – PolitParty-Events im öffentlichen Raum finden in einigen Jugendszenen beachtliche positive Resonanz. Die politischen Botschaften dieses Sounds, der ohne Text auskommt, reichen vom Motto Transform the Norm – Do it yourself („free parade“ gegen Neoliberalismus, 2008) bis zum Motto „Friede, Freude, Eierkuchen“ der ersten Love Parade, die 1989 in Berlin startete und mittlerweile zum politisch umstrittenen Kommerzspektakal geworden ist. 5.7. World Music und Latin Ska mit globalisierungskritischer Stimme Der bekannteste kosmopolitische Musiker dieses Genres, dessen Liedtexte zu politischen Themen auch im Spanischunterricht gerne von Lehrkräften zitiert werden, ist Manu Chao. Seine Lieder handeln vom Leben als Flüchtling im Verborgenen, von den Elendsgebieten der Welt oder von der Politik. Typisch sind die speziellen Mischungen – verschiedene Musikstile, Sprachen und Arrangements –, die ins Ohr und in die Beine gehen. Die „malegría“ – die Lebensfreude, die aus der Verbindung von Traurigkeit und politischem Trotz hervorgeht – kommt abseits der Charts bei vielen Jugendlichen gut an. Musiktexte, Forum u.v.m.: www.manuchao.net www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at 11 polis aktuell 2008 Es is no finsta, do hea i eam scho Er redt nix und huast vü, waamt sein Kaffee am Rescho I lieg no in da Hapfn, wann de Tia draußt geht Weu in de Arbeit, de Arbeit kummt ma ned z‘spät Vuabei an hochgwachsene Häusa volla zsammgstauchte Leit Zerscht min Radl, dann min Rolla, aufs Auto spart a bis heit Er is bald derrisch von da Hockn und er is blind fias Lebm Weu in da Arbeit, in da Arbeit, do muaß ma ollas gebm Wann a hamkummt is finsta, da Tog is vuabei Er hod tan wos zum tuan is, weu des muaß so sei Er redt nix und huast vü Wü sei Ruah und sein Tee mit Rum Weu des Lebm is Arbeit und de bringt eam um Des Lebm is Arbeit, sogta, und de bringt eam um Text: Ostbahn-Kurti: Arbeit (M&T: Bruce Springsteen, dt. Text: Ostbahn-Kurti) 5.8. Protest-Songs, politisches Lied, LiedermacherInnen Die ProtagonistInnen dieses Genres sind kaum in einer Gruppe zusammenzufassen, reicht doch ihre Bandbreite von Brecht und Eisler bis zu LiedermacherInnen der Gegenwart. Sie spielen für den breiten Musikgeschmack von Jugendlichen derzeit eine eher untergeordnete Rolle. Eine Blütezeit des politischen Liedes waren die Siebziger und Achtziger Jahre. Bereits zum 5. Mal findet 2008 in Österreich der Protest-Song-Contest statt. www.protestsongcontest.at 5.9. Austro-Pop mit gesellschaftskritischen Texten Den meisten LeserInnen sind wohl die in Wiener Mundart gesungenen Lieder von Interpreten wie Wolfgang 6 5.10. Pop und wie geht es weiter? Die populäre Musik hat sich allmählich in eine Unzahl von Stilen und definierten Fangruppen aufgespalten. Pop gilt schon lange nicht mehr als Abgrenzung zum Mainstream oder als nach außen getragene Vision eines besseren Lebens. Er ist – vom Rapper bis zum girlie – zur kulturellen Lebenseinstellung geworden, die sich für unterschiedliche (Sub)Kulturen jeweils anders in Styles und Verhalten ausdrückt. Überspitzt könnte man sagen: Jede Band verkörpert bald ihr eigenes Genre, im Vordergrund stehen der autonome Lebensentwurf und der Hinweis auf die eigene Individualität. R anderscheinungen ? V on der M itte bis zum politisch rechten S pektrum Rechte und fundamentalistische Tendenzen im Pop Abgesehen von Musik mit klar rechtsextremistischen Inhalten, die spezielle Fangruppen am politisch rechten Rand bedient (Rechtsrock, Black Metal, Oi!-Skin-Bewegung usw.), tönt es in einigen Texten bekannter Protagonisten der Musikszene erstaunlich widerlich nach Frauenfeindlichkeit, Gewaltbereitschaft und Männlichkeitsverherrlichung – letzteres manchmal kombiniert mit der Metapher des potenten (eventuell auch islamistischen) Kämpfers. Man könnte dieses Gehabe als provokanten Beitrag zur Popularitässteigerung und als Randphänomen abtun, die Grenzen zur popkulturellen Mitte sind jedoch durch- 12 Ambros (z.B. De Kinetten, 1975), Georg Danzer oder Willy Resitarits (alias Dr. Kurt Ostbahn / Ostbahn-Kurti) ein Begriff. Eine neue Erkenntnis ab den Siebziger Jahren: Gesellschaftskritik muss nicht immer auf Englisch ins Ohr gehen… lässig. Interpreten, die nicht vor stark homophoben und frauenfeindlichen Äußerungen zurückscheuen, schmücken bekanntlich das Cover so mancher Jugendzeitschrift. Text zum Track „11. September“: www.songtexte.tv/bushido/songtext/479794_11- september.htm Rock gegen rechts und Rechtsrock Anfang der Neunziger Jahre zogen die rassistischen Übergriffe in Deutschland (z.B. Hoyerswerda, Rostock und Solingen) auch Debatten rund um Musik, Macht www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at Pop und Politik Nr. 7 und Politik nach sich. Die Meinung, mit Musik könnte bessere Politik besser unter die Leute gebracht werden, erhielt neuen Aufwind. „Rock gegen rechts“ hat mittlerweile auch in Österreich einen jährlichen Auftritt. Rockbands mit rechtsgerichteten Texten (z.B. Störkraft) ließen sich jedoch dadurch nicht von der Bühne bringen. In der gegenwärtigen „Rechtsrock“-Szene Deutschland mit etwa 80 bis 100 rechtsextremistischen Bands kommt Rassismus unverblümt zum Ausdruck, zum Beispiel in dem Lied „Hurra, Hurra, ein Nigger brennt“ von der Band „Die Härte“. Link- und Methodentipp Feldmann-Woitachnia (Hg.), Eva: Praxishandbuch. Aktiv eintreten gegen Fremdenfeinlichkeit. Seminarbausteine zur bewussten Auseinandersetzung mit Identität und Toleranz. Schwalbach/Ts: Wochenschau Verlag,. 2008 Methodentipp auf S. 65: Seminarmodul zu rechtsextremer Musik Brunner, Georg: Gegenwelten. Begegnung mit Sprachgewalt in Songs. In: Musik & Bildung 3/2008, Seite 28. Artikel und Arbeitsmaterialen für den Unterricht zum Umgang mit rechter Musik sowie Gewalt in Fußballliedern und Hip-Hop. www.musikpaedagogik-online.de/journal/mub/ showarticle,26657.html#downloads Musik und Politik: Rechtsrock „Musik von Rechts“ spielt beim Einstieg in die rechte Gewaltszene eine nicht unbedeutende Rolle. Die Service und Informationsplattform Lehrer-online widmet sich in einer Übungsaktivität (inklusive Arbeitsmaterialien, Texte, Linktipps u.v.m.) für die Sekundarstufe I ausführlich dem Phänomen „Rechtsrock“. www.lehrer-online.de/rechtsrock.php 7 P olitainment und Nationale Töne in der Mitte? Kontroversen zu politischen Inhalten betreffen auch den Mainstream des Pop. Das Lied „Was es ist“ (in Anlehnung an das Gedicht „Es ist, was es ist“ von Erich Fried) mit seinem Text zu den Farben Schwarz, Rot und Gelb brachte etwa der deutschen Gruppe „Mia“ unlängst den Vorwurf des nationalistischen Gedankenguts und dazu noch unerwünschtes Lob von rechts ein (in der NPD-Zeitschrift „Deutsche Stimme“). Der Hinweis aus der Gruppe, damit die „schwere Bedeutung der deutschen Farben neu zu belegen“ überzeugte die KritikerInnen nicht. Eine Textpassage: […] „es ist was es ist sagt die liebe / was es ist fragt der verstand / wohin es geht das woll‘n wir wissen / und betreten neues deutsches land“ es ist was es ist sagt die liebe / was es ist fragt der verstand / ich freu mich auf mein leben / mache frische spuren in den weißen strand […] Die Botschaft des Liedes weist darauf hin, dass das, was im Text „mein Land“ ausmacht, sich nicht durch den Verstand erklären ließe, sondern eine Gefühlssache wäre. Trendige Geschichtsaufarbeitung? Literatur- und Methodentipp Das Lied eignet sich als Ausgangspunkt für eine Diskussion in der politischen Bildung der Sekundarstufe 2 zum Thema „Politik in der populären Musik“. Download des Textes unter www.magistrix.de/lyrics/Mia/Was-Es-Ist-47311.html Büsser, Martin: Wie klingt die Neue Mitte? Rechte und reaktionäre Tendenzen in der Popmusik. Mainz: Ventil, 2001 S tarkult Medien spielen für öffentliche Meinungsbildungsprozesse und das Themen-Setting eine eminent wichtige Rolle. Es sind die einfachen und bilderreichen Geschichten, die in diesem Format gefragt sind. Politik macht sich dieses Phänomen zunutze und bietet Politisches zusehends über medienwirksame Personen nach den Mustern der Unterhaltungsindustrie an. PolitikerInnen aller Couleurs borgen sich daher vor allem in Wahlkampfzeiten gerne von Pop und Jugendkultur das Image von Jugendlichkeit, manchmal auch von Rebellentum, aus, um neue WählerInnen zu gewinnen. Barack Obama zieht etwa mit dem Song The Rising (Bruce Springsteen), der gleichzeitig für Change, für gesellschaftlichen Wandel in den USA steht, in den Wahlkampf. Bill Clinton versuchte 1992 gezielt die Generation des Rock’n’Roll mit dem musikalischen Leitmotiv Don‘t stop thinking about tomorrow (der Gruppe Fleetwood Mac) als WählerInnengruppe für sich zu gewinnen. Das Politische ist das Material, das in den Kontext der Unterhaltung eingebaut wird und zur politischen Unterhaltung wird. Umgekehrt dienen Inszenierungen der Unterhaltungsindustrie als Strategien des Machterwerbs oder -erhalts von PolitikerInnen. Beide Phänomene können unter dem Begriff Politainment zusammengefasst werden. www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at 13 polis aktuell 2008 Unterrichtsbeispiel Österreich hat gewählt, die Medienauftritte der PolitikerInnen im kurzen und medial intensiven Wahlkampf sind zwar schon Geschichte, aber den SchülerInnen in der einen oder anderen Form wahrscheinlich noch präsent. Vielleicht gar kein schlechter Zeitpunkt, um sich mit medialen Inszenierungen von Politik in den Medien auseinanderzusetzen … Diskussionsanregungen zur Diskussion mit SchülerInnen von Sekundarstufe I und II: ● Wie haben sich PolitikerInnen im Wahlkampf zur Nationalratswahl 2008 in den Medien präsentiert bzw. wie wurden sie gezeigt? Welche Symbole, Bilder und Wortwendungen oder auch Stehsätze sind in den Vordergrund gerückt (auf den Plakaten und Parteiwebseiten, in Zeitungen, Dokumentationen, TV-Sendungen wie „Konfrontationen“, Interviews etc.)? ● Wurden in den Medien auch die ganz „unpolitischen“ Seiten der PolitikerInnen gezeigt, d.h. Geschichten, die mehr auf einen Unterhaltungswert abzielen? Welche sind in Erinnerung geblieben? ● Kannst du dir eine Person vorstellen, von der du dir wünschen würdest, dass sie oder er in die Politik einsteigt? Welche Erwartungen und Hoffnungen knüpfst du an diese Kandidatur? Würdest du sie oder ihn wählen, gleichgültig, für welche Partei er/sie antritt? ● Was muss ein Politiker/eine Politikerin eigentlich können? Was muss ein Politiker/eine Politikerin eigentlich können, wenn er oder sie gewählt werden will? ● Gibt es einen Unterschied zwischen den beiden letzten Fragen? Übung in der Kleingruppe (Sekundarstufe II) Angenommen, ihr würdet als Jurymitglied eines Medienkonzerns gemeinsam mit Wahlkampf-ManagerInnen einer erfolgreichen PolitkerIn einen Polit-Star entwerfen: Welches Profil würdet ihr für sie oder ihn zusammenstellen (Name und offizielle Biografie, Vorlieben, die drei wichtigsten Fragen dieser Person zur Gegenwart, was sagt er/sie immer, wenn es eng wird, usw.)? Der fiktive Rahmen eines Wettbewerbs ermöglicht einen spielerischen Umgang mit der Thematik und erfordert gleichzeitig eine kritische Reflexion von Politik und Medien. Nach einer Aufwärm-Phase wird sozusagen ein Star aus der Retorte geschaffen – nach dem Prinzip des Bravo-Starschnitts. Das Zusammensetzen von Personen aus beliebig kombinierbaren Bausteinen („ Wir basteln uns einen Politstar“) ironisiert die Medienindustrie. Ein detailliertes Arbeitsblatt zu dieser Übung zu Pop und Politik finden Sie als Download unter www.bpb.de > Publikationen > Themenblätter im Unterricht > Jahrgang 2002 Nr. 9 Pop und Politik, Themenblätter im Unterricht / Herbst_Winter 2001_Nr. 9 Ein weiteres Beispiel für das mediale Zusammenwirken von Pop und Politik: Popgrößen wie Bob Geldof oder Bono nutzen in einem Schulterschluss mit PolitikerInnen ihre Popularität für Kampagnen wie Live-8. Die Tour 2005 mit einem weltweiten Konzertmarathon 8 P olitische B ildung und AkteurInnen der politischen Bildung haben erkannt, dass es effizient ist, politisches Lernen mit Pop- und Jugendkultur zu verknüpfen, um Jugendliche zu erreichen. „Aktiv werden, vernetzen & feiern“ war daher die Devise der Bundeszentrale für politische Bildung für das Projekt P, das Festival für junge Politik im Berlin des Jahres 2005. Auch 2008 stand Berlin im Juni mit namhaften Popgruppen wieder unter dem Zeichen „Pop trifft Politik“. Populäre Musik bietet auch in der Schule eine Reihe von Chancen für die politische Bildung von Jugendlichen: Musik kann direkt an ihrem Alltag ansetzen und politisches Interesse dort wecken, wo politische Bil- 14 promotete in Verbindung mit dem G8-Gipfel Maßnahmen gegen Armut in Afrika, Schuldenerlass und eine bessere Klimapolitik. Ob ein Einsatz dieser Art letztlich wirklich zu nachhaltigen Veränderungen führt, sei dahingestellt. P op dung sonst vielleicht von ihnen als zu fern ihrer persönlichen Lebenswelt gesehen wird. Neue Zugänge in der politischen Bildung – z.B. Webseiten von MusikerInnen mit der nötigen Quellenkritik auch als Foren politischer Bildung zu nutzen – könnten hier viele Möglichkeiten eröffnen. Ein weiteres Potenzial liegt im Lernen des kritischen Umgangs mit Informationen und Medien, wie auch in der Reflexion von politischen Inhalten und sozialen bzw. historischen Kontexten der Musik (Förderung der Sachkompetenz, Methodenkompetenz, Urteilskompetenz und Handlungskompetenz). Musik alleine – und sei sie noch so politisch engagiert und explizit – kann dieses Lernen nicht leisten. www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at Pop und Politik Nr. 7 www . politik - lernen . at Zentrum polis – Politik Lernen in der Schule bietet unter www.politik-lernen.at die umfangreichste österreichische Informationsplattform zur Politischen Bildung, Menschenrechtsbildung, Bildung für nachhaltige Entwicklung und VerbraucherInnenbildung im Netz. Basiswisssen Hier finden Lehrkräfte und alle anderen Homepage-NutzerInnen Wissenswertes zu den Neuerungen in der Politischen Bildung ab dem Schuljahr 2008/09, das neue Kompetenz-Strukturmodell zur Politischen Bildung, Informationen zum UN-Weltprogramm für Menschenrechtsbildung, zur UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung, zu Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten für Lehrkräfte, außerdem aktuelle Erlässe und vieles mehr. Praxisbörse Die Online-Datenbank bietet Unterrichtsbeispiele, Stundenbilder und im Unterrichtsalltag umsetzbare Projektideen, die nach Themen wie von A wie Arbeit über D wie Demokratie bis zu V wie VerbraucherInnenbildung und nach Schulstufen gefiltert werden können. Darüber hinaus steht eine Stichwortsuche zur Verfügung. Gerne werden auch Unterrichtsbeispiele unter [email protected] entgegen genommen und in die Datenbank eingetragen. polis Shop Hier haben Sie die Möglichkeit, Materialien zu Themen der Politischen Bildung, Menschenrechtsbildung, Bildung für nachhaltige Entwicklung und VerbraucherInnenbildung größtenteils kostenlos (exklusive Porto) direkt online zu bestellen. Stöbern Sie im Online-Shop auch in unserer Wühlkiste, die mit Restexemplaren aus dem Shop, doppelten Exemplare aus unserer Bibliothek, Schmankerl etc. gefüllt ist. ReferentInnen- Die Datenbank hat den Zweck, LehrerInnen auf ExpertInnen in Österreich aufmerksam zu Datenbank machen, die zu den unterschiedlichsten Themen der Menschenrechtsbildung und Politischen Bildung Angebote für Schulen bereitstellen. Dossiers Dossiers zu Themen wie A wie Arbeit über F wie Friedenspädagogik bis zu Z wie Zweiter Weltkrieg bieten neben zahlreichen Informationen zu den jeweiligen Schwerpunkten auch didaktische Hilfestellungen für die Umsetzung des jeweiligen Themas im Unterricht. Sie ersparen sich dadurch langwierige Recherchen im Internet. Weiters können Sie auf unserer Homepage rasch und schnell Informationen zu aktuellen Wettbewerben, zu den Aktionstagen Politische Bildung, zu Unterrichtsideen, zu aktuellen Veranstaltungen, Workshopangeboten und vieles, vieles mehr abrufen. Besuchen Sie uns auf www . politik - lernen . at www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at 15 Zentrum polis – Politik Lernen in der Schule polis aktuell erscheint seit Jänner 2006 als kostenlose digitale Monatsschrift. Aufgrund steigender Druckkosten ist es uns nicht mehr möglich, gedruckte Exem­ plare gratis zu versenden. Die digitale Version kann weiterhin kostenlos über www.politik-lernen.at als pdf heruntergeladen werden. Hier finden Sie auch Informationen zu den Möglichkeiten, die Printausgabe zu bestellen. polis aktuell Nr. 7 2008 polis aktuell: Pop und Politik, Nr. 7, 2008 Herausgeber: Zentrum polis – Politik Lernen in der Schule, Helferstorferstraße 5, 1010 Wien T 01/42 77-274 44, [email protected], www.politik-lernen.at Redaktion: Elisabeth Turek, Ingrid Ausserer, Patricia Hladschik Titelbild und Fotos: fotolia.de, tonaufzeichnung.de Herstellung: Eigenvervielfältigung des BMUKK Zentrum polis arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur, Abteilung Politische Bildung, Umweltbildung und VerbraucherInnenbildung. Projektträger: Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte-Forschungsverein P.b.b. Verlagspostamt 1010 Wien, GZ 03Z035275M