Pop und Politik

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Pop und Politik
polis aktuell
Nr. 7
►Pop, Jugend(sub)kulturen und Musikkonsum
►Politisches im Pop
►Populäre Musik seit 1950 und politische Aspekte
►Politainment und Starkult
►Politische Bildung und Pop
2008
polis aktuell
2008
Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser!
Lehrkräfte kennen das Phänomen: Die Pausenglocke
ist für die SchülerInnen das Signal, ein Musikgerät
einzuschalten. Entweder tönt der kollektive Musikgenuss dann aus dem CD-Player (oder den Boxen zu
einem moderneren Tonträger), wobei es auch schon
einmal zu Rangeleien aufgrund unterschiedlicher
Musikwünsche kommen kann, oder es werden individuell iPODs und MP3 Player ausgepackt.
ren, zum Beispiel in der Ära des Vietnam-Kriegs, vielfach in eindeutige Stimmen gegen den Krieg, bleiben
politische Aussagen der popmusikalischen Gegenwart oft relativ unbestimmt, manchmal auch ambivalent. Das Politische spielt jedoch auch in Liedern, die
offenbar frei von politischen Intentionen sind, insofern eine Rolle, als bestimmte Konstruktionen gesellschaftlicher Wirklichkeiten vermittelt werden.
POPuläre Musik war und ist ein wesentlicher Teil
des Lebensalltags und der Interessen von Jugendlichen. Die Entwicklung neuer Medien- und Tonträger hat dazu in den letzten 50 Jahren maßgeblich
beigetragen.
Umgekehrt wirkt Pop auch in die Politik hinein – zum
Beispiel über den Starkult mancher PolitikerInnen
und über POPulistische Inszenierungen. Wollen
neue WählerInnen gewonnen werden, ist schließlich
jugendliches Image in den Medien gefragt.
Im Mittelpunkt dieser Ausgabe steht der Zusammenhang von Popmusik und Politik, der Musikkonsum von
jungen Menschen und auch die Frage, welche Möglichkeiten diese Themen für die politische Bildung in
der Sekundarstufe I und II bieten.
Pop ist mehr als „populäre Musik“ – in ihm spiegeln
sich auch gesellschaftliche Entwicklungen und politische Themen. Lieder bieten eine Möglichkeit, sich
zu identifizieren, Stellung zu beziehen, Wut, Ängste oder Hoffnungen auszudrücken. Politische Botschaften haben sich im Pop in erster Linie über die
jeweils „tonangebenden“ Jugendkulturen verbreitet.
Mündete allerdings musikalischer Protest vor 50 Jah-
Neuer ungen in der
Politischen Bildung ab 2008/09
Mit der Schaffung des Pflichtgegenstands „Geschichte
und Politische Bildung“ wird Politische Bildung in der
8. Schulstufe im Rahmen der Schulpflicht verankert.
Aufbauend auf dem bisherigen Lehrplan werden
Themen der Politischen Bildung stärker betont und
um aktuelle Fragestellungen politischer Mitwirkung
Jugendlicher erweitert.
Im Rahmen einer Arbeitsgruppe von ExpertInnen
wurde ein „Kompetenzmodell Politische Bildung“
entwickelt, das vier zentrale Kompetenzfelder definiert und individuelle Lerngeschwindigkeiten
berücksichtigt:
● politische Sachkompetenz,
● politische Urteilskompetenz,
● politische Methodenkompetenz,
● politische Handlungskompetenz.
Die enge Kombination mit dem Geschichte- und
Sozialkunde-Unterricht wird unterstrichen durch die
Zielsetzung, historische Fragekompetenz, historische
Methodenkompetenz und historische Sachkompetenz
zu vermitteln.
Angestrebt wird die politische Mündigkeit, die eine
politische (und gesellschaftliche) Teilhabe ohne Anleitung durch Dritte ermöglicht (z.B. zivilcouragiert handeln, Verantwortung als WählerIn wahrnehmen etc.).
Eine spannende Lektüre und viel Freude bei der
praktischen Umsetzung des Themas wünscht
Elisabeth Turek für das Team von Zentrum polis
Inhaltsübersicht
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Pop und populäre Musik
Jugend(sub)kulturen und Pop
Musikkonsum von Jugendlichen und Medien
Politisches im Pop
Stile populärer Musik seit 1950 und politische
Aspekte
Randerscheinungen? Von der Mitte bis zum
politisch rechten Spektrum
Politainment und Starkult
Politische Bildung und Pop
Hotline 0810 013 016
z u d e n N e u e r u n ge n i n d e r
Po l i t i s c h e n B i l d u n g a b 2 0 0 8 / 0 9
Zentrum polis steht Lehrkräften für Fragen zum
Unterricht und zum neuen Gegenstand Geschichte
und Politische Bildung zur Verfügung. Antworten
auf die wichtigsten Fragen finden Sie auch unter
Neuerungen Schuljahr 2008/09 auf
www.politik-lernen.at > Basiswissen.

österreichweit zum Ortstarif
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Pop und Politik
Nr. 7
1
P op
und populäre
M usik
POP, der; [...] aus dem engl.-amerik. pop, gekürzt
aus popular (urspr. lat. popularius) zum Volk gehörig,
gemeinverständlich, volksnah, beliebt, allgemein
bekannt, Zustimmung findend (wohl mit gleichzeitiger Anlehnung an engl. pop: Knall, Schlag).
1. Kurzform von Popmusik.
2. zusammenfassende Kurzform für Popkunst, -musik, -literatur.
3. Wortbildungselement mit der Bedeutung:
modern und auffallend, besonders Jugendliche
ansprechend.
4. (ugs.) poppige Art, poppiger Einschlag.
5. wahrscheinlich auch zu pop: zentraler Sperrpflock eines amerikanischen Spielautomaten,
der hohen Gewinn bringt, wenn die Kugel
daran stößt.
aus: Pop und Politik. Themenblätter im Unterricht. Herbst_
Winter_2001_Nr. 9. Bundeszentrale für politische Bildung
Die Bedeutung des Begriffs „Pop“ reicht von populärer Massenkultur bis zur Pop Art, einer kunstphilosophischen Strömung der 50er Jahre, die sich als Gegenbewegung zur elitären Hochkultur verstand (ausgehend
von England und USA). Diese Richtung wandte sich dem
kulturellen Wert des Profanen, der alltäglichen Lebensabläufe und den Massenunterhaltungsbereichen zu.
Die Grenzen von Kunst und Leben sollten sich in „poppigen“ Erscheinungsformen von Mode, Film, Comics,
Werbung etc. auflösen. Bekannt sind die realistischen
Darstellungen alltäglicher Gegenstände in knalligen
Farben, z.B. von Andy Warhol. Suppendosen und ColaFlaschen waren ebenso Sujets der Pop Art wie Farbdrucke von Stars wie Marilyn Monroe.
Im alltäglichen Sprachgebrauch bezeichnet Pop vielfach Attribute wie jung, sexy, fit oder schrill.
In diesem Heft steht die Kurzformel „Pop“ für vielfältige
musikalische Ausdrucksformen der populären Musik in
den Massenmedien. Sie bezeichnet die unterschiedlichsten Stile, die in der Verschmelzung von afroamerikanischen Elementen (Soul, Blues usw.) mit neuen
Musikrichtungen (Jazz, Rock, Reggae, Punk, Disco,
Hip-Hop, Ska, Techno usw.) auf dem freien Markt für
ein jugendliches Massenpublikum entstanden sind.
Popmusik unterliegt einem ständigen Wandel und ist
an die Möglichkeiten technischer Unterhaltungsmedien
gekoppelt.
Ein weiteres Merkmal der Popmusik: Englisch ist in den
meisten Liedtexten die dominante Sprache. In der Übersetzung können sich bei KonsumentInnen, deren Muttersprache nicht Englisch ist, schon einmal ganz eigene
Interpretationen ergeben. Thomas Brussig erinnert
sich: „Über Jahre beschäftigte mich die Frage, warum
der doch eigentlich so friedfertige Bob Dylan will, dass
jeder gesteinigt werde. (Denn was bedeutet Everybody
must get stoned sonst?)“
Eine der treibenden Kräfte in der populären Musik
der letzten fünfzig Jahre war die Provokation, das
Überschreiten der Grenzen – ob es nun der „wilde“
Rock’n’Roll-Tanzstil, die Hippiebewegung der Siebziger
Jahre oder die spielerischen Konstruktionen aus den
subkulturellen Reservoirs der Achtziger Jahre (verkörpert etwa durch die Sängerin Madonna) waren. Im Lauf
der Jahrzehnte verschieben sich klarerweise die Grenzen für gesellschaftliche Provokation. Was unlängst
noch Empörung hervorrief und zum Underground
zählte, ist übermorgen landauf, landab schon populär
und kommerziell vereinnahmt.
Auch das Image von populären Musikstilen wandelt
sich im Lauf der Zeit: Stand Rockmusik zu Beginn der
Siebziger noch für Freiheit und Rebellion, hatte Rock
ein Jahrzehnt später bereits den Ruf des Machohaften
und Ausgrenzenden.
Spätestens seit den Neunziger Jahren verschwimmen
die Grenzen zwischen Subkulturen und Massenproduktion immer mehr, es kommt zu ständigen Umschichtungs- und Recodierungsprozessen. Mainstream und
Underground werden allmählich zu durchlässigen,
ineinander wirkenden Kategorien (Beispiel: Punk und
Disco).
Jede Generation wächst mit ihrer eigenen Musik auf
– so heißt es zumindest. Gegenwärtig drückt jedoch
nicht mehr ein einziger populärer Musikstil das Lebensgefühl von Jugendlichen aus. Oft werden mehrere Stile
gerne gehört und die dazugehörigen Attribute oder Verhaltensweisen vermischt. Dreadlocks mit Che Guevara
T-Shirt auf einem Hip-Hop-Event sind so gesehen gar
keine Besonderheit mehr.
Brussig, Thomas: Weiß nicht viel. in: Klangspuren / Songs &
Soundtracks. die horen. Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik,
53. Jahrgang, 2. Quartal 2008
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polis aktuell
2
J ugend ( sub ) kulturen
und
Warum kommt ein Hit an, warum klingt er
so und nicht anders? Kulturelle und subkulturelle Erwartungen, Jugendtrends und
Zeitgeist spielen hier ebenso eine Rolle
wie kommerzielle Verkaufsstrategien und
Imagekreationen (Gesten, Auftritte usw.)
der PopkünstlerInnen in den Massenmedien Radio und Fernsehen, in Jugendzeitschriften, Fanzines und Videoclips. Das
Vorhandensein entsprechender Hard- und
Software bei den KonsumentInnen ist dafür natürlich
Voraussetzung. Ein Blick zurück in die Geschichte der
Popmusik ab 1950 zeigt, dass sich die starken Trends
der Jugendmusik von den USA und von England aus
verbreiteten und zunächst einigermaßen verspätet im
deutschsprachigen Raum eintrafen, wo sie sie in abgewandelter Form rezipiert wurden – zum Beispiel als
brave Rock‘n‘Roll-Variante von Elvis Presley in Gestalt
von Peter Kraus.
2008
P op
ben erreicht und gleichzeitig gesellschaftliche (Be)deutungen transportiert bzw.
diese auch erst kreiert. Viel stärker als
über den reinen Text kann die Musik die
oder den Hörer/in begeistern, mitziehen,
motivieren.
Musikvideo-Sequenzen liefern über Kanäle
wie MTV oder goTV zum Sound auch die
entsprechenden Bilder – unter anderem
davon, was Jugendlichkeit ausmacht.
Dabei geht es weniger um die Spiegelung authentischer
Erfahrungen als um das Hervorbringen von Popularität
in „Geschmacksgemeinschaften“.
Max Horkheimer und Theodor W. Adorno haben bereits
vor mehr als 50 Jahren die Kulturindustrie unter den
Gesichtspunkten von industrieller Massenfabrikation,
körperlicher Reizstimulation, Mythenproduktion und
Synthetisierung von ethnischen mit trivialen Musiktraditionen beschrieben. Ihre Hauptthese: Beim Hören
von Popmusik vergesse der arbeitende Mensch seine
Vereinzelung und erhalte die Illusion, in ein Kollektiv
eingebettet zu sein.** Adorno weist auf Gleichschaltung
durch Profitinteresse und kapitalistische Warenproduktion hin; unter dem Schein der Vielfalt setze sich standardisiert das Immergleiche durch.
Wie auch immer man die Theorien von Adorno und
Horkheimer mehr als 60 Jahre nach ihrem Entstehen
einschätzen mag, eines trifft sicherlich zu: Popmusik
schafft für die Zielgruppe junger Menschen in einer
Lebensphase, in der Fragen nach der eigenen Identität
und dem Platz in der Gesellschaft im Vordergrund stehen, Spielräume für Unterscheidung und Orientierung,
Über die Auswahl eines bestimmten Freundeskreises,
über Szene-relevante Kenntnisse und Fan-Begeisterung kann Selbstdefinition, Zughörigkeit und die gesellschaftliche Positionierung ausgedrückt werden. Medien
und Internet bieten zusätzlich die Möglichkeit, lokale
Grenzen zu überschreiten und Zusammengehörigkeitsgefühl auch „globalisiert“ herzustellen.
Popmusik entfaltet vor allem über Jugend(sub)kulturen
als Massenmedium ihre Wirkung. Unter „Jugendkultur“
sind Alltagsorientierungen und Verhaltensweisen von
Jugendlichen zu verstehen, die von den Strömungen
des Pop inspiriert sind und sich auf populäre Freizeitwelten ausdehnen. Sie richten an Jugendliche die
Aufforderung, nicht passiv zu bleiben, sondern selbst
etwas zu tun, wie Beate Großegger und Bernhard Heinzelmaier im Jugendkultur-Guide schreiben.
Dafür bieten sich die Netzwerke der jugendkulturellen
Szenen an – Musik-Szenen wie etwa Hip-Hop, Techno
oder Metal, Funsport-Szenen (Snowboard- , Skateboardund Beachvolleyballszene), digitale Jugend-Netzwerke
oder eher jugendlich-subkulturelle Richtungen wie
Skinhead, Punk oder Gothik.
Relevant sind in jedem Fall die Codes für ein Lebensgefühl oder einen Lebensstil. Sie werden über die Begleitformen der Musik vermittelt und global verbreitet. Die
langen Haare der RockmusikerInnen in den Siebzigern,
die Goldketten der Rapper oder die Punkfrisuren sind
Teil der Symbolkulturen des Pop und als solche Codes
für Zugehörigkeit und Identifikation (gemeinsam mit
den Texten und Accessoires wie etwa CD-Hüllen).
Pop nimmt im Vergleich zu anderen Kulturformen deswegen einen besonderen Stellenwert ein, weil er das
Individuum über das unmittelbare emotionale Erle-
Musik ist aber nicht nur ein Mittel, die eigene Person
zu begreifen (geschlechtlich, klassenbezogen oder
ethnisch), sondern sie brachte im Lauf der Zeit auch
gängige Muster und Vorstellungen durcheinander (siehe Kapitel 5).
Großegger, Beate; Heinzlmaier, Bernhard: Jugendkulturguide.
Teil 1: Jugendkultur und jugendkulturelle Szenen (Institut für
Jugendkultur, 2. Auflage: 2004) / Gratisdownload des vergriffenen
Buches unter www.jugendkultur.at/Jugendkultur%20Guide.pdf
** Adorno, Theodor W. (1932): Zur gesellschaftlichen Lage der
Musik, in: Zeitschrift für Sozialforschung, I, 1/2, S. 103-124
Adorno, Theodor W. (1941): On Popular Music, in: Zeitschrift für
Sozialforschung, IX, 1941/1, S. 17-49
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Pop und Politik
Nr. 7
3
M usikkonsum
von
J ugendlichen
Es hat nie genügt, Musik einfach nur zu hören, es
gehörte immer noch etwas anderes dazu: Tanz, Bilder, Poster, Filme, Zeitschriften, Videoclips, Stars usw.
Die Verfügbarkeit von Medien zum Musikhören oder
Abspielen, Kopieren und Tauschen bzw. die Medienangebote in Radio und Fernsehen (von Hitparade, Ohne
Maulkorb und X-Large bis zu MTV, VIVA oder goTV)
prägten maßgeblich die musikalische Sozialisation von
Jugendlichen. Daneben spielten für den Musikkonsum
auch Jugendzeitschriften (z.B. Bravo) eine nicht zu
unterschätzende Rolle.
Der Bogen technischer Entwicklungen reicht vom Röhren- oder Transistorradio, der Musikbox und dem Vinylplattenspieler bis hin zu MP3-Portable, Kabel/Sat-TV,
DVD-Player, PC und Internet. Veränderungen in der
Mediennutzung passieren in rasantem Tempo, die
primären Musikvermittler werden ständig durch neue
Medien ersetzt – spielte etwa der MP3-Player 2001
offenbar noch eine relativ geringe Rolle (nur 4% der
Mädchen und 10% der Burschen gaben für eine deutsche Studie 2001 an, ein derartiges Gerät zu besitzen),
sind diese Musikgeräte heute bereits gang und gäbe.
Die Entwicklung neuer Tonträger deckt sich mit dem
Mobilitätsverhalten von Jugendlichen, obwohl der Trend
zum Anhören und Downloaden von Sounddateien in den
letzten Jahren wiederum eine stärkere Gebundenheit
an den Wohnbereich mit sich brachte. Dennoch: den
„Walkman“ (oder nunmehr wohl eher den MP3-Player)
zum privaten Musikerlebnis immer bei sich zu haben
und bei passender Gelegenheit die Ohren zustöpseln
zu können, ist für viele eine feine Sache.
Eine neue Dimension an Breitenwirkung und visuellen
Trends ergab sich durch das Aufkommen spezieller
Musiksender im Zug des Sat- und Kabel-Fernsehbooms
in den Neunziger Jahren. Die Prophezeiung „Video Killed The Radio Star“ der britischen Pop-Band „Buggles“
(1979) zu den Umwälzungen in den Produktions- und
Verbreitungsbedingungen der Popmusik hat sich zwar
nicht erfüllt, aber das Fernsehen überragt in der Nutzung der 14- bis 19-Jährigen mittlerweile die Nutzung
von anderen Tonträgern.
Die letzten Jahre bescherten zusätzlich Formate wie
Starmania oder Popstars, die mit ihren Star-Inszenierungen vor allem Jugendliche ansprechen. Ob beim
93% der 14- bis 19-Jährigen Deutschlands nutzen das
Fernsehen mehrmals wöchentlich, 91% greifen täglich oder
mehrmals pro Woche auf Tonträger zurück, bei der Radionutzung
sind es in dieser Altersgruppe 82%. Quelle: Media Perspektiven
Basisdaten 2003, 69 / Deutschland
und
M edien
Nachsingen von Hits und einstudierten Choreografien
oder bei den emotionell hoch aufgeladenen BackstageBerichten – das (überwiegend jugendliche und weibliche) Publikum ist immer live dabei. Für den „heißesten
Live-Act“ winkt ein Plattenvertrag. „Auch du kannst ein
Star werden, wenn du dich anstrengst“, ist die Botschaft, die offenbar ankommt.
Welche Vorlieben für Musikrichtungen haben Jugendliche? Eine Untersuchung des Deutschen Jugendinstitutes (2001) nennt als beliebteste Musikstile Jugendlicher Pop, Rock, Disco, Techno und Rap/Hip-Hop. Auch
Oldies wie die Beatles gelten als interessant. Jazz, Klassik und Deutschrock werden hingegen eher negativ eingeschätzt, Folklore und Volksmusik stark abgelehnt.**
Musikhören wird als zweithäufigste Tätigkeit nach Ausbildungs- oder Berufstätigkeiten angegeben, in einer
anderen Studie (ebenfalls 2001) rangiert es als Zweitwichtigstes nach Freundschaft (vor Liebe auf Platz 3).
Interessant ist, dass hinsichtlich der Einordnung von
Musik in die Reihe der persönlichen Vorlieben keine
geschlechtsspezifischen Interessensunterschiede angegeben werden, was etwa bei Mode, Gesundheit und
Reisen bzw. Technik, Auto, Computerspiele und Internet
sehr wohl der Fall ist.
Eine weitere Erkenntnis aus den Studien: Musikkonsum
ist ein Gemeinschaftserlebnis und bestätigt die Einbettung in Freundschaftsbeziehungen. Die Peer-Group
spielt eine so große Rolle, dass negative Äußerungen
über gewisse Musikstile Angst auslösen können, die
Akzeptanz der Gruppe zu verlieren.
Der Wunsch, über Musik die eigene Stimmung zu beeinflussen, wird als stärkstes Motiv für die Musiknutzung
genannt – es geht über das Bedürfnis, Individualität
über einen speziellen Musikgeschmack zum Ausdruck
zu bringen, hinaus. Dass Musik für die Bewältigung von
Problemen, mit denen sich Jugendliche plagen, eine
Rolle spielt, ist den LeserInnen sicher nichts Neues.
** J. Barthelmes/E. Sander. Erst die Freunde, dann die Medien.
Medien als Begleiter in Pubertät und Adoleszenz. München 2001
S. Feierabend/W. Klinger. Medien- und Themeninteressen
Jugendlicher. Ergebnisse der JIM-Studie 2001 zum
Medienumgang Zwölf- bis 19-jähriger. In: Media Perspektiven
1/2002, 9-21
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polis aktuell
4
P olitisches
und
2008
P op
Lieder mit politischen Inhalten sind wichtige Quellen
und Zeitdokumente. Sie geben Auskunft über kollektive
Stimmungen, über gesellschaftliche Themen und über
die Konfliktfelder zu einer bestimmten Zeit. Lieder können auch als eigenständige Informationsquellen in der
politischen Bildung herangezogen werden – über Textanalyse, visuelle Interpretationen des Materials und die
Reflexion über ihre Entstehungsgeschichte in einem
bestimmten politischen Umfeld.
Linktipp
Schwerpunkte und Herangehensweisen in der Arbeit
mit Liedern (Funktionen, aktuelle Themen usw.)
www.sowi-online.de/methoden/lexikon/lieder-undmusik.htm
Sind politische Botschaften von Arbeiterliedern, Agitationsliedern, Nationalhymnen oder „klassischen“
politischen Liedern bzw. Protestsongs klar umrissen,
sind diese in der Popmusik generell weniger deutlich
erkennbar.
Nur ein Teil der InterpretInnen positioniert sich über
Texte, Visuals, Sounds und Performances explizit politisch. KonsumentInnen können jedoch auch indirekt
zur Reflexion über Politik und politischen Interpretation
angeregt werden – zum Beispiel beim Durchstöbern
der Webseiten einer Lieblingssängerin, die ihre Fans
zu politischem Engagement auffordert und dazu Linkhinweise zu entsprechenden Initiativen und Organisationen anbietet.
Linktipp
Musik, die politische Themen aufgreift, ist keine Errungenschaft des 20. Jahrhunderts. Das populäre Volkslied
„Die Gedanken sind frei“ ist zum Beispiel bereits in der
2. Hälfte des 18. Jahrhunderts entstanden (Vorgänger
des Textes bereits im 13. Jahrhundert) und wurde im
deutschen Vormärz des 19. Jahrhunderts schließlich
für einige Jahre verboten. Der Internet-Provider GMX
benutzte das Lied für eine Kampagne übrigens mit dem
Hinweis, dass das Internet das „freieste Medium ist,
das es gibt“ (der Provider als „Freiheitsvermittler“).
Wie der Begriff der Freiheit in Liedtexten aufgrund politischer Entwicklungen auch ganz anders besetzt werden
konnte, zeigte sich in den USA nach dem Einsturz der
Zwillingstürme am 11. September 2001. Einige Protagonisten der Country Music riefen damals zum „Gegenangriff auf den Terrorismus“ auf, „Let‘s roll for freedom,
goin’ after Satan” (Neil Young) war nun die Devise.
Einige US-Radiostationen gingen so weit, Lieder kritischer MusikerInnen oder MusikerInnen muslimischen
Glaubens aus ihren Programmen zu verbannten (lyrically questionable songs).
Literaturtipp
Helms, Dietrich: Pop Star Wars. in: Aus Politik und
Zeitgeschichte (APuZ 11/2005), Bundeszentrale für
politische Bildung
Der Artikel beschäftigt sich u.a. mit der Frage, wie
Kriege und Katastrophen wie der 11. September 2001
in Pop und Rock verarbeitet wurden und geht der
Bedeutung von „Frieden“ in der populären Musik
nach.
www.bpb.de > Publikationen > Aus Politik und Zeitgeschichte > Jahrgang 2005 > Musik und Gesellschaft
> Pop Star Wars (Dietrich Helms)
Mayer, Christine: Pop, Politik und das Internet:
MusikerInnenhomepages als Foren politischer
Bildung.
in: Informationen der Gesellschaft für politische Aufklärung. Nr. 76, November 2005 (Seite 30 bis 38), enthält viele Linktipps
www.uibk.ac.at/gfpa/index1.html > Magazin >
21.11.2005 > Informationen 76, November 2005
(Download pdf)
TIPP für SchülerInnen der 8. bis 11. Schulstufen
SchülerInnen-Wettbewerb Politische Bildung 2008.
Thema: Ein Hit für die Gemeinschaft / Kritik durch
Musik
Auch 2008 können sich österreichische Schulen
wieder am SchülerInnen-Wettbewerb Politische
Bildung (Veranstalter: Bundeszentrale Politische
Bildung) beteiligen. Eines der fünf vorgegebenen
Themen ist „Ein Hit für die Gemeinschaft / Kritik
durch Musik“.
Die Aufgaben:
● Lieder bzw. Songs, die gesellschaftskritische
Botschaften enthalten, sammeln und sie Themenbereichen zuordnen.
● Ein Thema samt entsprechenden Liedern
auswählen und die Musikstücke genauer
untersuchten.
● In einem letzten Schritt werden die gewonnenen Informationen zu einem Radiofeature
zusammengefügt.
Detaillierte Informationen auf Seite 14 im
Wettbewerbsheft
www.politik-lernen.at/goto/polis/
details/wettbewerb08/
Die Preise: 1. Preis: eine einwöchige Klassenfahrt /
2. Preis: € 1500 / 3. Preis: € 1000
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Nr. 7
Pop und Politik
Letztlich ist Popmusik, auch wenn sie unpolitisch wirkt,
insofern immer politisch, als sie Werte und Bilder von
Jugend, von Lebensgenuss, Individualismus, Fun, Lifestyle oder anderen Dingen transportiert. Es ist dann
weniger die rein verbale Botschaft, als der Sound mit
seinen emotionalen Welten und Gesten, der Wirkung
zeigt.
Für politische Inhalte stellt Pop ein reichhaltiges Reservoir an Phantasien und Artikulationen bereit – ob es
sich nun um die Sehnsucht nach Freiheit, um Technikbegeisterung oder Technikkritik, um Armut, Krieg oder
um Gewalt handelt.
Als Mittel des Protests, des Non-Konformismus und der
Kritik von Jugendlichen spielte Pop in seinen Anfängen
(vor ca. fünfzig Jahren) zweifellos eine andere Rolle als
in der Gegenwart. Die politische Bedeutung und Wirkung von Liedern ist sowohl an den historischen und
sozialen Kontext ihrer Entstehungsgeschichte gekoppelt, als auch daran, wie diese zu einem gewissen
Zeitpunkt rezipiert werden (z.B. progressiv oder radikal
usw.). Erst mit der sozialen und symbolischen Konstruktion von Bedeutung (beeinflusst durch Vermarktungsindustrie und Massenmedien) wird ein Song zu einem
Protestsong.
Entzieht sich Pop der Gegenwart, wie manche meinen,
immer mehr kritischen politischen Inhalten? Hat er
sich vom Soundtrack für jugendlichen Protest und Kritik zum Synonym für neoliberalen und postmodernen
Zeitgeist gewandelt? Wird Musik, wie etwa der Musikkritiker Martin Büsser schreibt, dadurch harmlos und
bedeutungslos?
Tatsache ist jedenfalls, dass gerade das inhaltlich
Unbestimmte des Pop und die Zugriffe von allen Seiten
es ermöglicht haben, dass mit Pop mittlerweile auch
ganz unterschiedliche politische Gesinnungen ästhetisch geschmückt werden können. Bedeutung wird in
manchen Fällen dadurch so beliebig, dass ein Song das
eine, aber auch sein Gegenteil meinen kann.
Der „Trend“ steht im folgenden Lied für das Style-Phänomen im Pop, für die Vereinnahmung von stilistischen
Ausdrucksmitteln politischer Statements.
Gib mir ein T-Shirt mit Andreas Baader drauf
Und einen Catwalk für den Tagtraumdauerlauf
komm hol auch du dir preisgünstig Revolution
Mit ein zwei Freibier und Che-Guevara-Kondom.
Wir sagen Vorsicht ein Trend geht um
Du brauchst Veränderung
Das müssen sie haben die ganze Kraft einer Kultur
Nach Feierabend Betäubungsmittelkur
Weil sie es sich Wert sind heute im Hunger-Look
Und schreiben Ich-Anarchie heimlich auf jedes
Produkt
Wir sagen Vorsicht ein Trend geht um
du brauchst Veränderung
Entscheiden Sie sich noch heute
für die Leichtigkeit des Scheins
Im Pace-Outfit auch mal pro Amerika sein
Komm tag doch Punkrock auf den Bankauszug
Für ruhige Momente polyphones Fingerfood
Vorsicht ein Trend geht um – du brauchst
Veränderung“
Mediengruppe Telekommander, Trend, Maxi, CD,
VÖ. 17.5.2004
(Soundtrack zum Film „Die fetten Jahre sind vorbei“)
Methodentipp
Windischbauer, Elfriede. Das Lied im politischen Unterricht. Ein Beispiel: Werte- und
Generationenkonflikt im Song „Junge“ der Gruppe „Ärzte“.
Das Lied handelt von Wertekonflikten in einer Familie. Geeignet für die 7. und 8. Schulstufe
(Förderung der Sachkompetenz sowie der Handlungs- und Urteilskompetenz).
Siehe dazu das Unterrichtsbeispiel auf Seite 8 dieses Hefts.
erschienen in: Kompetenzorientierte Politische Bildung. Informationen zur Politischen Bildung Nr. 29, 2008
Onlineversion als Download: www.politischebildung.com/pdfs/29_lied.pdf
Kostenlose gedruckte Exemplare (gegen Übernahme der Portospesen) im polis OnlineShop: www.politik-lernen.at > Online-Shop
www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at
polis aktuell
2008
Arbeitsaufgaben für SchülerInnen:
Die „Ärzte“: Songtext von „Junge“ (2007)
Quelle: Windischbauer, Elfriede: Das Lied im politischen Unterricht. in: Informationen zur Politischen Bildung
Nr. 29 / Kompetenzorientierte Politische Bildung, 2008
Junge, warum hast du nichts gelernt?
Guck dir den Dieter an, der hat sogar ein Auto
Warum gehst du nicht zu Onkel Werner in die
Werkstatt?
Der gibt dir ne Festanstellung – wenn du ihn darum
bittest
Junge …
Und wie du wieder aussiehst – Löcher in der Hose,
und ständig dieser Lärm
(Was sollen die Nachbarn sagen?)
Und dann noch deine Haare, da fehlen mir die
Worte – musst du die denn färben?
(Was sollen die Nachbarn sagen?)
Nie kommst du nach Hause, wir wissen nicht mehr
weiter …
Junge, brich deiner Mutter nicht das Herz
Es ist noch nicht zu spät, dich an der Uni einzuschreiben
Du hast dich doch früher so für Tiere interessiert,
wäre das nichts für dich
Eine eigene Praxis?
Junge …
Und wie du wieder aussiehst – Löcher in der Nase,
und ständig dieser Lärm
(Was sollen die Nachbarn sagen?)
Elektrische Gitarren, und immer diese Texte – das
will doch keiner hörn
(Was sollen die Nachbarn sagen?)
Nie kommst du nach Hause, so viel schlechter
Umgang – wir werden dich enterben
(Was soll das Finanzamt sagen?)
Wo soll das alles enden? Wir machen uns doch
Sorgen …
Und du warst so ein süßes Kind
Du warst so süß
Und immer deine Freunde, ihr nehmt doch alle
Drogen – und ständig dieser Lärm
(Was sollen die Nachbarn sagen?)
Denk an deine Zukunft, denk an deine Eltern –
willst du, dass wir sterben?
© „Junge“. M/T: FARIN URLAUB. PMS Musikverlag GmbH
Arbeitsaufträge für Partnerarbeit
1. Listet auf, welche Werte der Vater als erstrebenswert erachtet.
2. Aus den Klagen des Vaters könnt ihr auch entnehmen, welche Werte der Sohn als erstrebenswert erachtet.
Listet auch diese auf.
3. Versucht nun, die beiden Wertvorstellungen, die hier aufeinanderprallen, in jeweils einem oder zwei Überbegriffen zusammenzufassen. Schreibt die Begriffe auf.
4. Für welche dieser Werte könnt ihr persönlich Verständnis aufbringen, für welche nicht?
Einen genauen Ablauf der Unterrichtssequenz (Einstieg / Persönliche Wertekonflikte am Beispiel des Songs
“Junge“ / Aus persönlichen Konflikten werden politische / Anregungen zur Weiterführung der Thematik) finden
Sie unter www.politischebildung.com/?Sel=461
Ebenfalls in der Onlineversion der Informationen zur Politischen Bildung: Ergänzende Materialien
Arbeitsblatt: Generationenkonflikt – Versuche einer Begriffsklärung
Arbeitsblatt: „taz“-Artikel zum Generationenkonflikt
www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at
Pop und Politik
Nr. 7
5
D ie wichtigsten S tile populärer M usik
seit 1950 und politische A spekte
Literatur-
und
Methodentipps
3/2004: Rock‘n‘Roll - Soul - HipHop. Jugend und Musikkonsum
Historische Sozialkunde. Geschichte – Fachdidaktik
– Politische Bildung (hg. Verein für Geschichte und
Sozialkunde). Nähere Informationen unter:
http://vgs.univie.ac.at/TCgi/TCgi.
cgi?target=home&P_KatSub=13&B=53
In dem Heft finden Sie neben
spannenden
Artikeln
zum
Thema auch eine kommentierte
Übung zum Musikkonsum von
Jugendlichen (Berthold Christian und Girardi Christian) mit
Textauszügen zu Hörbeispielen quer durch die Jahrzehnte.
Inhalte der Übung: Geschichtlicher Überblick zu Musik,
Jugend und Konsum; 7 Hörbeispiele; Videoanalyse; Rollenspiel zur Musikindustrie.
Dauer: 3 UE / geeignet für die 8. Schulstufe
Die Ursprünge populärer Musik des Westens gehen bis
in die Zeiten der Aufklärung und der Entwicklung des
Mittelstands zurück, Ihre Verbreitung zieht sich durch
das Zeitalter der Industrialisierung im 19. Jahrhundert,
jedoch wird populäre Musik erst im 20. Jahrhundert zur
eigentlich repräsentativen und dominanten Musikkultur
der westlichen Welt. Die Erzählung über Popgeschichte
und auch über Politik und Pop nimmt deswegen ihren
Ausgangspunkt fast immer von den USA und dem europäischen Raum – ungeachtet unzähliger populärer, teilweise sogar stark politisch motivierter Musikrichtungen
weltweit (erinnert sei zum Beispiel an die Nueva Canción in Lateinamerika, entstanden aus der Verbindung
von Volksmusik mit sozialkritischen Texten). Meist findet man in den Plattengeschäften entsprechende CDs
dann in den hinteren Reihen unter der Rubrik „World
Music“.
Der folgende Streifzug durch unterschiedliche Genres
der Popmusik im Lauf der Jahrzehnte ist für ein österreichisches Lesepublikum zusammengestellt und erhebt
natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Die zeitliche Distanz ermöglicht für SchülerInnen vielleicht einen leichteren (weil von aktuellen Vorlieben
und Abneigungen unbelasteteren) Einstieg in Fragen
rund um populäre Musik und entsprechende Werte,
Lebensstile und Kommerzialisierungsformen.
5.1 Schlager, Krieg und Frieden
In der populären Musik des beginnenden 20. Jahrhunderts wurde sowohl gegen den Krieg als auch dafür
Position bezogen. Marschgesänge und Schlagermusik
ließen zum Beispiel im deutschsprachigen Raum den
treuen Husaren und feschen Soldaten hochleben, der
Krieg erschien in diesen Liedern implizit als politische
Notwendigkeit.
Ein ganz anderes Beispiel als die Inhalte der Schlager
und Schlagermusikfilme kommt aus dem US-amerikanischen Raum von dem Sänger, Liedermacher, Wanderarbeiter und Gewerkschaftsaktivist Joe Hill (1879
– 1915). Er machte sich mit seiner Musik schon im zu
Beginn des 20. Jahrhunderts für eine Gewerkschaftsbewegung und für soziale Gerechtigkeit stark.
Nach dem zweiten Weltkrieg war es bis in die zweite
Hälfte der Sechziger Jahre hinein in der Populärmusik
Deutschlands und Österreichs tendenziell eher der
Frieden, der besungen wurde – meist nach dem Motto
„Frieden ist, wenn man vergisst“ oder im Sinn eines
„wohlverdienten“ Feierabendfriedens.
5.2 „The times they are a-changin“ und
„We shall overcome“: Rock’n‘Roll, das
Thema Freiheit und Flower Power
In den Fünfziger und Sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts kam neuer Schwung in der populären Musik auf.
Jugendliche definierten sich als eigene soziale Gruppe
und grenzten sich durch Musik, Kleidung und Freizeitbetätigung von der Elterngeneration ab. In Österreich
und Deutschland traten Jugendliche zunächst als
harmlose und fröhlich-naiv wirkende ProtagonistInnen
in diversen Musikkomödien in Erscheinung.
Teen-Teen-Teenager Melody, nehmt euch für die
Party heute frei
Teen-Teen-Teenager Melody, Conny und auch
Peter sind dabei
Zieht euch nur die flachen Schuhe an, weil man
damit besser tanzen kann.
Die Pullis blau und gelb und rot, dazu den neuen
Petticoat,
Kinder, das wird heute wieder schick .[…]
Conny Frobess / Peter Kraus: Teenager Melody
(1957)
Über ihn sangen zum Beispiel die Sängerin Joan Baez sowie die
Gruppen Dubliners und Chumbawamba.
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polis aktuell
Mit dem Rock’n’Roll und dem Beat setzte sich die
erste Unterhaltungsmusik durch, die Aufmerksamkeit erreichte, provozierte und mit dem Massenhit auf
Singleschallplatte und Musikbox auch neue Märkte
erschloss (Stichwort Teenage Consumer). Freizeit entwickelte sich allmählich zu einem Politikum.
Die Provokation lag nicht im Text, sondern in den ungewohnten Rhythmen, im Ausdruck des Körpers und im
Tanzstil. In Österreich verbreitete sich dieser Trend
zunächst über die sogenannten „Halbstarken“, Jugendliche aus den ArbeiterInnenschichten.
In den folgenden Jahren betraten bisher wenig wahrgenommene Teile der Gesellschaft die musikalischen
Bühnen. Jugendliche solidarisierten sich mit marginalisierten sozialen Gruppen über das Hören von Musik
(Folk, Blues, Jazz, Gospel usw.) und setzten damit
gleichzeitig ein politisches Statement. Ein wichtiger
Vorläufer späterer bekannter Folk-ProtagonistInnen
ist Woody Guthrie. Er thematisierte in seinen Liedern
u.a. den gewerkschaftlichen Kampf der Dreißiger und
Vierziger Jahre für bessere Lebensbedingungen, später
griff er auch den Faschismus als Thema auf.
Die Popkultur propagierte 1968 und danach, in den
Zeiten von „Flower Power“, sowohl den Wert der Freiheit des Individuums als auch von benachteiligten Teilen der Bevölkerung.
Politische Ereignisse der Sechziger und frühen Siebziger Jahre, die auch auf die Musik einwirkten, waren
die Bürgerrechtsbewegung und der Marsch auf
Washington (Martin Luther King) sowie der Kampf
gegen die Apartheid („Free Nelson Mandela“) und für
Menschenrechte.
Well Jo‘anna she runs a country
She runs in Durban and the Transvaal
She makes a few of her people happy, oh
She don‘t care about the rest at all
She‘s got a system they call apartheid
It keeps a brother in a subjection
But maybe pressure can make Jo‘anna see
How everybody could a live as one
Gimme hope, Jo‘anna
Hope, Jo‘anna
Gimme hope, Jo‘anna
‘Fore the morning come
Gimme hope, Jo‘anna
Hope, Jo‘anna
Hope before the morning come […]
Textauszug Eddy Grant: Gimme Hope Jo´anna
Das Lied, das mit „Jo‘anna“ die südafrikanische Stadt
Johannesburg besingt, gibt der Hoffnung nach dem baldigen Ende der Apartheid Ausdruck.
10
2008
Weiters hinterließ die Frauenbewegung mit ihrem Kampf
um Gleichberechtigung ihre Spuren in der Musik.
Ein Meilenstein des politischen und auch erfolgreichen
Musikaktionismus war der Protest gegen den VietnamKrieg (ProtagonistInnen waren u.a. die Gruppe „The
Doors“, Joan Baez, John Lennon, Bob Dylan, Billy Joel
u.v.a.).
[…] I am woman, hear me roar
In numbers too big to ignore
And I know too much to go back an‘ pretend
‘cause I‘ve heard it all before
And I‘ve been down there on the floor
No one‘s ever gonna keep me down again
Oh yes I am wise
But it‘s wisdom born of pain
Yes, I‘ve paid the price
But look how much I gained
If I have to, I can do anything
I am strong
I am invincible
I am woman […]
Textauszug Helen Reddy: I am Woman
Methodentipp
Unterrichtsideen (Sekundarstufe I) zur populären
Musik zwischen 1950 und den Siebziger Jahren bietet der Landesbildungsserver Baden-Würtemberg
unter
www.schule-bw.de > Fächer > Musik in der Sekundarstufe I > Populäre Musik
Die Webseite bietet Tipps zum exemplarischen
Arbeiten mit Zeit- und Stilvergleichen anhand von
Musikbeispielen (kombiniert mit Hinweisen zu Videoaufnahmen, die meist auf DVD erhältlich sind).
Im Hinblick auf häufig zitierte Musiktexte des deutschsprachigen Raumes zu politischen Themen in den Siebziger Jahren ist etwa die Gruppe „Ton, Steine Scherben“
(mit dem Lied „Keine Macht für Niemand“) zu nennen,
ein Beispiel aus den Achtziger Jahren ist „Kristallnacht“
(BAP, 1982)
Tracy Chapman gelang 1988 mit „Talkin‘bout revolution“ der Weg in die Charts (Themen: Arbeitslosigkeit
und soziale Chancenlosigkeit). Ein weiteres Beispiel:
„Sunday Bloody Sunday“ (U2, 1983), das den Nordirlandkonflikt und den blutigen Übergriff englischer
Fallschirmjäger auf DemonstrantInnen im Jahr 1972
aufgreift.
Dass kritische Stimmen in der Musik auch selbst Gefahr
liefen, Menschenrechtsverletzungen am eigenen Leib
zu erfahren, zeigt die Geschichte von Gilberto Gil und
Caetano Veloso. Beide Musiker wurden von den Milizen
der brasilianischen Militärdiktatur verhaftet.
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Pop und Politik
Nr. 7
Link-
und
Literaturtipps
Streidl, Barbara: Keine Macht für niemand. in: Alles
ist möglich. Das Freiheits-Heft. Fluter (Bundeszentrale für politische Bildung), Nr. 15, Juni 2005
www.fluter.de/de/freiheit/editor/?tpl=83
www.fluter.de > Fluter.de-Archiv > Alles ist möglich
(Juli/August 2005) > Keine Macht für niemand
Die Service- und Informationsplattform Lehrer-online bietet eine Reihe von Anregungen (Übungen,
Arbeitsblätter usw.), wie Lehrkäfte im Unterricht das
Thema der Popularmusik einbringen können.
www.lehrer-online.de > Sekundarstufen > Musik >
Unterrichtseinheiten > Theorie > Amerikanische Popularmusik des 20. Jahrhunderts
www.lehrer-online.de > Unterricht > Sekundarstufen
> Musik > Unterrichtseinheiten > Theorie > Amerikanische Popularmusik des 20. Jahrhunderts
5.3. Punk
Punk war die letzte Poprebellion, heißt es vielfach in
der Literatur über Popmusik. Protest gegen das verkrustete Establishment und das Gefühl der Desillusionierung – auch im Hinblick auf die Generation der
„alten“ Rocker (wie das Beispiel des „I hate Pink Floyd“T-Shirt zeigt) – wurde über das Äußere, über Piercings,
schrille Haarfarben u.ä. sowie musikalisch über Punkrock ausgedrückt. Provokation und Schockelemente
erfolgten auch über rechte Symbolik und Ästhetik (z.B.
das Hakenkreuz). In Österreich beeinflussten allerdings
in den Achtziger Jahren Nachfolgetrends wie New Wave
und Neue Deutsche Welle stärker die Musikszene.
5.4. Die Achtziger und ihre Popstargrößen
Neben New Wave und Underground-Bands samt ihrem
Image von der Lust am Zerfall und dem Zusammenbruch der modernen Welt brachte diese Dekade den
Disco-Stil und auch Stars wie Michael Jackson, Prince
und Madonna hervor.
Madonna ist insofern herausragend, als sie das Image
des Pop-Chamäleons perfektionierte und mit stets
neuen Frauenrollen und Trends jonglierte (z.B. Vamp,
Marilyn Monroe, burschikos, Genre „Sadomaso“ etc.).
Ob Madonna allerdings damit für Frauen wirklich „ein
Stück moderner Emanzipationsgeschichte geschrieben“ hat, wie etwa der DJ Hans Nieswandt behauptet,
ist wohl in Frage zu stellen.
5.5. Hip-Hop
Entstanden in den 70er Jahren unter schwarzen Jugendlichen im New Yorker Armenviertel der Bronx, hat sich
Hip-Hop global zu einem der populärsten Musikstile
der Gegenwart entwickelt. Die Hip-Hop-Szene ist mittlerweile in viele unterschiedliche Richtungen gesplittet,
auch im Hinblick auf das politische Selbstverständnis
der ProtagonistInnen. Coolness und die eigene Härte
im Gegensatz zur Schwäche der Gegner, das Ansehen
in der Szene, der Wettkampf mit dem „großen Bruder“ sind ebenso Themen wie soziale Ausgrenzung
und Unterdrückung. Es geht um die Botschaft an die
„Außenwelt“ und um Flexibilität, die sich auch im Sampling, in den Verbindung unterschiedlicher Musikrichtungen (Rock, Soul, Soundtracks, Radiomitschnitte
usw.) zeigt.
Wie vielfältig die Hip-Hop-Szenen auch sein mögen,
ein Punkt eint sie: Die Szene ist vorwiegend männlich
besetzt und der Blick auf Frauen ist stark sexualisiert.
Hip-Hop hat mit der Suche nach Identität zu tun, mit
der Entfaltung in einer wie auch immer gearteten feindlichen Umgebung. Abgesehen von derzeit „hippen“,
vor allem von Mädchen quer durch alle Bevölkerungsschichten gut besuchten Tanzkursen, hat dieser Stil
gerade dort einen besonderen Stellenwert, wo sich
gesellschaftliche Gruppen wie MigrantInnen an den
Rand gedrängt fühlen.
5.6. „Rave-O-lution“ und Techno-Sound
Dröhnende Bässe, wummernder Techno-Sound – PolitParty-Events im öffentlichen Raum finden in einigen
Jugendszenen beachtliche positive Resonanz. Die politischen Botschaften dieses Sounds, der ohne Text auskommt, reichen vom Motto Transform the Norm – Do it
yourself („free parade“ gegen Neoliberalismus, 2008)
bis zum Motto „Friede, Freude, Eierkuchen“ der ersten
Love Parade, die 1989 in Berlin startete und mittlerweile zum politisch umstrittenen Kommerzspektakal
geworden ist.
5.7. World Music und Latin Ska mit
globalisierungskritischer Stimme
Der bekannteste kosmopolitische Musiker dieses Genres, dessen Liedtexte zu politischen Themen auch im
Spanischunterricht gerne von Lehrkräften zitiert werden, ist Manu Chao. Seine Lieder handeln vom Leben
als Flüchtling im Verborgenen, von den Elendsgebieten
der Welt oder von der Politik. Typisch sind die speziellen
Mischungen – verschiedene Musikstile, Sprachen und
Arrangements –, die ins Ohr und in die Beine gehen.
Die „malegría“ – die Lebensfreude, die aus der Verbindung von Traurigkeit und politischem Trotz hervorgeht
– kommt abseits der Charts bei vielen Jugendlichen gut
an.
Musiktexte, Forum u.v.m.:
www.manuchao.net
www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at
11
polis aktuell
2008
Es is no finsta, do hea i eam scho
Er redt nix und huast vü, waamt sein Kaffee am Rescho
I lieg no in da Hapfn, wann de Tia draußt geht
Weu in de Arbeit, de Arbeit kummt ma ned z‘spät
Vuabei an hochgwachsene Häusa volla zsammgstauchte Leit
Zerscht min Radl, dann min Rolla, aufs Auto spart a bis heit
Er is bald derrisch von da Hockn und er is blind fias Lebm
Weu in da Arbeit, in da Arbeit, do muaß ma ollas gebm
Wann a hamkummt is finsta, da Tog is vuabei
Er hod tan wos zum tuan is, weu des muaß so sei
Er redt nix und huast vü
Wü sei Ruah und sein Tee mit Rum
Weu des Lebm is Arbeit und de bringt eam um
Des Lebm is Arbeit, sogta, und de bringt eam um
Text: Ostbahn-Kurti: Arbeit (M&T: Bruce Springsteen, dt. Text: Ostbahn-Kurti)
5.8. Protest-Songs, politisches
Lied, LiedermacherInnen
Die ProtagonistInnen dieses Genres sind kaum in einer
Gruppe zusammenzufassen, reicht doch ihre Bandbreite von Brecht und Eisler bis zu LiedermacherInnen
der Gegenwart. Sie spielen für den breiten Musikgeschmack von Jugendlichen derzeit eine eher untergeordnete Rolle.
Eine Blütezeit des politischen Liedes waren die Siebziger und Achtziger Jahre.
Bereits zum 5. Mal findet 2008 in Österreich der Protest-Song-Contest statt.
www.protestsongcontest.at
5.9. Austro-Pop mit
gesellschaftskritischen Texten
Den meisten LeserInnen sind wohl die in Wiener Mundart gesungenen Lieder von Interpreten wie Wolfgang
6
5.10. Pop und wie geht es weiter?
Die populäre Musik hat sich allmählich in eine Unzahl
von Stilen und definierten Fangruppen aufgespalten.
Pop gilt schon lange nicht mehr als Abgrenzung zum
Mainstream oder als nach außen getragene Vision
eines besseren Lebens. Er ist – vom Rapper bis zum
girlie – zur kulturellen Lebenseinstellung geworden, die
sich für unterschiedliche (Sub)Kulturen jeweils anders
in Styles und Verhalten ausdrückt. Überspitzt könnte
man sagen: Jede Band verkörpert bald ihr eigenes
Genre, im Vordergrund stehen der autonome Lebensentwurf und der Hinweis auf die eigene Individualität.
R anderscheinungen ? V on der M itte
bis zum politisch rechten S pektrum
Rechte und fundamentalistische Tendenzen im Pop
Abgesehen von Musik mit klar rechtsextremistischen
Inhalten, die spezielle Fangruppen am politisch rechten
Rand bedient (Rechtsrock, Black Metal, Oi!-Skin-Bewegung usw.), tönt es in einigen Texten bekannter Protagonisten der Musikszene erstaunlich widerlich nach
Frauenfeindlichkeit, Gewaltbereitschaft und Männlichkeitsverherrlichung – letzteres manchmal kombiniert
mit der Metapher des potenten (eventuell auch islamistischen) Kämpfers.
Man könnte dieses Gehabe als provokanten Beitrag zur
Popularitässteigerung und als Randphänomen abtun,
die Grenzen zur popkulturellen Mitte sind jedoch durch-
12
Ambros (z.B. De Kinetten, 1975), Georg Danzer oder
Willy Resitarits (alias Dr. Kurt Ostbahn / Ostbahn-Kurti)
ein Begriff. Eine neue Erkenntnis ab den Siebziger Jahren: Gesellschaftskritik muss nicht immer auf Englisch
ins Ohr gehen…
lässig. Interpreten, die nicht vor stark homophoben
und frauenfeindlichen Äußerungen zurückscheuen,
schmücken bekanntlich das Cover so mancher
Jugendzeitschrift.
Text zum Track „11. September“:
www.songtexte.tv/bushido/songtext/479794_11- september.htm
Rock gegen rechts und Rechtsrock
Anfang der Neunziger Jahre zogen die rassistischen
Übergriffe in Deutschland (z.B. Hoyerswerda, Rostock
und Solingen) auch Debatten rund um Musik, Macht
www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at www.politik-lernen.at
Pop und Politik
Nr. 7
und Politik nach sich. Die Meinung, mit Musik könnte
bessere Politik besser unter die Leute gebracht werden,
erhielt neuen Aufwind. „Rock gegen rechts“ hat mittlerweile auch in Österreich einen jährlichen Auftritt.
Rockbands mit rechtsgerichteten Texten (z.B. Störkraft)
ließen sich jedoch dadurch nicht von der Bühne bringen. In der gegenwärtigen „Rechtsrock“-Szene Deutschland mit etwa 80 bis 100 rechtsextremistischen Bands
kommt Rassismus unverblümt zum Ausdruck, zum Beispiel in dem Lied „Hurra, Hurra, ein Nigger brennt“ von
der Band „Die Härte“.
Link-
und
Methodentipp
Feldmann-Woitachnia (Hg.), Eva: Praxishandbuch.
Aktiv eintreten gegen Fremdenfeinlichkeit. Seminarbausteine zur bewussten Auseinandersetzung mit
Identität und Toleranz. Schwalbach/Ts: Wochenschau
Verlag,. 2008
Methodentipp auf S. 65: Seminarmodul zu rechtsextremer Musik
Brunner, Georg: Gegenwelten.
Begegnung mit Sprachgewalt in Songs.
In: Musik & Bildung 3/2008, Seite 28. Artikel und Arbeitsmaterialen für den Unterricht zum Umgang mit
rechter Musik sowie Gewalt in Fußballliedern und
Hip-Hop.
www.musikpaedagogik-online.de/journal/mub/
showarticle,26657.html#downloads
Musik und Politik: Rechtsrock
„Musik von Rechts“ spielt beim Einstieg in die rechte
Gewaltszene eine nicht unbedeutende Rolle. Die Service und Informationsplattform Lehrer-online widmet
sich in einer Übungsaktivität (inklusive Arbeitsmaterialien, Texte, Linktipps u.v.m.) für die Sekundarstufe
I ausführlich dem Phänomen „Rechtsrock“.
www.lehrer-online.de/rechtsrock.php
7
P olitainment
und
Nationale Töne in der Mitte?
Kontroversen zu politischen Inhalten betreffen auch
den Mainstream des Pop. Das Lied „Was es ist“ (in
Anlehnung an das Gedicht „Es ist, was es ist“ von Erich
Fried) mit seinem Text zu den Farben Schwarz, Rot
und Gelb brachte etwa der deutschen Gruppe „Mia“
unlängst den Vorwurf des nationalistischen Gedankenguts und dazu noch unerwünschtes Lob von rechts ein
(in der NPD-Zeitschrift „Deutsche Stimme“). Der Hinweis aus der Gruppe, damit die „schwere Bedeutung
der deutschen Farben neu zu belegen“ überzeugte die
KritikerInnen nicht.
Eine Textpassage: […] „es ist was es ist sagt die liebe /
was es ist fragt der verstand / wohin es geht das woll‘n
wir wissen / und betreten neues deutsches land“
es ist was es ist sagt die liebe / was es ist fragt der verstand / ich freu mich auf mein leben / mache frische
spuren in den weißen strand […]
Die Botschaft des Liedes weist darauf hin, dass das,
was im Text „mein Land“ ausmacht, sich nicht durch
den Verstand erklären ließe, sondern eine Gefühlssache wäre. Trendige Geschichtsaufarbeitung?
Literatur-
und
Methodentipp
Das Lied eignet sich als Ausgangspunkt für eine Diskussion in der politischen Bildung der Sekundarstufe
2 zum Thema „Politik in der populären Musik“.
Download des Textes unter
www.magistrix.de/lyrics/Mia/Was-Es-Ist-47311.html
Büsser, Martin: Wie klingt die Neue Mitte? Rechte
und reaktionäre Tendenzen in der Popmusik. Mainz:
Ventil, 2001
S tarkult
Medien spielen für öffentliche Meinungsbildungsprozesse und das Themen-Setting eine eminent wichtige Rolle. Es sind die einfachen und bilderreichen
Geschichten, die in diesem Format gefragt sind. Politik
macht sich dieses Phänomen zunutze und bietet Politisches zusehends über medienwirksame Personen
nach den Mustern der Unterhaltungsindustrie an. PolitikerInnen aller Couleurs borgen sich daher vor allem
in Wahlkampfzeiten gerne von Pop und Jugendkultur
das Image von Jugendlichkeit, manchmal auch von
Rebellentum, aus, um neue WählerInnen zu gewinnen.
Barack Obama zieht etwa mit dem Song The Rising
(Bruce Springsteen), der gleichzeitig für Change, für
gesellschaftlichen Wandel in den USA steht, in den
Wahlkampf. Bill Clinton versuchte 1992 gezielt die
Generation des Rock’n’Roll mit dem musikalischen
Leitmotiv Don‘t stop thinking about tomorrow (der
Gruppe Fleetwood Mac) als WählerInnengruppe für
sich zu gewinnen.
Das Politische ist das Material, das in den Kontext der
Unterhaltung eingebaut wird und zur politischen Unterhaltung wird. Umgekehrt dienen Inszenierungen der
Unterhaltungsindustrie als Strategien des Machterwerbs oder -erhalts von PolitikerInnen. Beide Phänomene können unter dem Begriff Politainment zusammengefasst werden.
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13
polis aktuell
2008
Unterrichtsbeispiel
Österreich hat gewählt, die Medienauftritte der PolitikerInnen im kurzen und medial intensiven Wahlkampf sind
zwar schon Geschichte, aber den SchülerInnen in der einen oder anderen Form wahrscheinlich noch präsent.
Vielleicht gar kein schlechter Zeitpunkt, um sich mit medialen Inszenierungen von Politik in den Medien auseinanderzusetzen …
Diskussionsanregungen zur Diskussion mit SchülerInnen von Sekundarstufe I und II:
● Wie haben sich PolitikerInnen im Wahlkampf zur Nationalratswahl 2008 in den Medien präsentiert bzw. wie
wurden sie gezeigt? Welche Symbole, Bilder und Wortwendungen oder auch Stehsätze sind in den Vordergrund gerückt (auf den Plakaten und Parteiwebseiten, in Zeitungen, Dokumentationen, TV-Sendungen wie
„Konfrontationen“, Interviews etc.)?
● Wurden in den Medien auch die ganz „unpolitischen“ Seiten der PolitikerInnen gezeigt, d.h. Geschichten,
die mehr auf einen Unterhaltungswert abzielen? Welche sind in Erinnerung geblieben?
● Kannst du dir eine Person vorstellen, von der du dir wünschen würdest, dass sie oder er in die Politik einsteigt? Welche Erwartungen und Hoffnungen knüpfst du an diese Kandidatur? Würdest du sie oder ihn wählen, gleichgültig, für welche Partei er/sie antritt?
● Was muss ein Politiker/eine Politikerin eigentlich können? Was muss ein Politiker/eine Politikerin eigentlich
können, wenn er oder sie gewählt werden will?
● Gibt es einen Unterschied zwischen den beiden letzten Fragen?
Übung in der Kleingruppe (Sekundarstufe II)
Angenommen, ihr würdet als Jurymitglied eines Medienkonzerns gemeinsam mit Wahlkampf-ManagerInnen einer
erfolgreichen PolitkerIn einen Polit-Star entwerfen:
Welches Profil würdet ihr für sie oder ihn zusammenstellen (Name und offizielle Biografie, Vorlieben, die drei wichtigsten Fragen dieser Person zur Gegenwart, was sagt er/sie immer, wenn es eng wird, usw.)?
Der fiktive Rahmen eines Wettbewerbs ermöglicht einen spielerischen Umgang mit der Thematik und erfordert
gleichzeitig eine kritische Reflexion von Politik und Medien. Nach einer Aufwärm-Phase wird sozusagen ein Star
aus der Retorte geschaffen – nach dem Prinzip des Bravo-Starschnitts. Das Zusammensetzen von Personen aus
beliebig kombinierbaren Bausteinen („ Wir basteln uns einen Politstar“) ironisiert die Medienindustrie.
Ein detailliertes Arbeitsblatt zu dieser Übung zu Pop und Politik finden Sie als Download unter www.bpb.de > Publikationen > Themenblätter im Unterricht > Jahrgang 2002 Nr. 9
Pop und Politik, Themenblätter im Unterricht / Herbst_Winter 2001_Nr. 9
Ein weiteres Beispiel für das mediale Zusammenwirken von Pop und Politik: Popgrößen wie Bob Geldof
oder Bono nutzen in einem Schulterschluss mit PolitikerInnen ihre Popularität für Kampagnen wie Live-8.
Die Tour 2005 mit einem weltweiten Konzertmarathon
8
P olitische B ildung
und
AkteurInnen der politischen Bildung haben erkannt,
dass es effizient ist, politisches Lernen mit Pop- und
Jugendkultur zu verknüpfen, um Jugendliche zu erreichen. „Aktiv werden, vernetzen & feiern“ war daher
die Devise der Bundeszentrale für politische Bildung
für das Projekt P, das Festival für junge Politik im Berlin des Jahres 2005. Auch 2008 stand Berlin im Juni
mit namhaften Popgruppen wieder unter dem Zeichen
„Pop trifft Politik“.
Populäre Musik bietet auch in der Schule eine Reihe
von Chancen für die politische Bildung von Jugendlichen: Musik kann direkt an ihrem Alltag ansetzen und
politisches Interesse dort wecken, wo politische Bil-
14
promotete in Verbindung mit dem G8-Gipfel Maßnahmen gegen Armut in Afrika, Schuldenerlass und eine
bessere Klimapolitik. Ob ein Einsatz dieser Art letztlich wirklich zu nachhaltigen Veränderungen führt, sei
dahingestellt.
P op
dung sonst vielleicht von ihnen als zu fern ihrer persönlichen Lebenswelt gesehen wird. Neue Zugänge in der
politischen Bildung – z.B. Webseiten von MusikerInnen
mit der nötigen Quellenkritik auch als Foren politischer
Bildung zu nutzen – könnten hier viele Möglichkeiten
eröffnen. Ein weiteres Potenzial liegt im Lernen des kritischen Umgangs mit Informationen und Medien, wie
auch in der Reflexion von politischen Inhalten und sozialen bzw. historischen Kontexten der Musik (Förderung
der Sachkompetenz, Methodenkompetenz, Urteilskompetenz und Handlungskompetenz). Musik alleine – und
sei sie noch so politisch engagiert und explizit – kann
dieses Lernen nicht leisten.
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Pop und Politik
Nr. 7
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steht eine Stichwortsuche zur Verfügung. Gerne werden auch Unterrichtsbeispiele unter [email protected] entgegen genommen und in die Datenbank eingetragen.
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polis aktuell
Nr. 7
2008
polis aktuell: Pop und Politik, Nr. 7, 2008
Herausgeber: Zentrum polis – Politik Lernen in der Schule, Helferstorferstraße 5, 1010 Wien
T 01/42 77-274 44, [email protected], www.politik-lernen.at
Redaktion: Elisabeth Turek, Ingrid Ausserer, Patricia Hladschik
Titelbild und Fotos: fotolia.de, tonaufzeichnung.de
Herstellung: Eigenvervielfältigung des BMUKK
Zentrum polis arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur,
Abteilung Politische Bildung, Umweltbildung und VerbraucherInnenbildung.
Projektträger: Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte-Forschungsverein
P.b.b. Verlagspostamt 1010 Wien, GZ 03Z035275M
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