Die deutsche Fassung der fünften Ausgabe des diagnostisch

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DSM-5
Die deutsche Fassung der fünften Ausgabe des diagnostisch-statistischen
Manuals psychischer Störungen (DSM-5) der amerikanischen psychiatrischen
Gesellschaft ist ein gewichtiges Buch. Es wiegt 2,3 Kilo. Wenn man danach
greift, fällt es einem leicht aus der Hand. Man benötigt beide Hände, um es zu
halten. Man muss sich an den Schreibtisch setzen, um es zu öffnen. Kurz, es
ist keine Lektüre für den Ohrensessel. Das ist es allerdings auch vom Inhalt
her nicht.
Dabei ist das Layout sehr viel augenfreundlicher als das der Originalausgabe.
Die Übersetzung ist nach meiner Einschätzung gelungen. Wortungetüme wie
»disruptive Affektregulationsstörung« sind den Machern des DSM-5
anzulasten, nicht den Übersetzern.
Es macht keinen Sinn, einen Diagnostik- und Klassifikationskatalog mit
einem Umfang von 1300 Seiten detailliert zu besprechen. Deshalb nur einige Hinweise: Wer sich mit der
deutschen Version des DSM-5 vertraut machen will, richte seine Aufmerksamkeit zunächst auf das
Inhaltsverzeichnis, auf die dem Buch vorangestellte 35 Seiten umfassende Benennung und Codierung der
Diagnosen, das Vorwort der deutschsprachigen (sieben Seiten) sowie der amerikanischen Ausgabe (fünf
Seiten) und – ganz wichtig – auf den Anhang, der die wesentlichen Änderungen des DSM-5 gegenüber dem
DSM-IV zusammenfassend darstellt (elf Seiten).
Wenn man alles dies getan hat, kann es nicht mehr ums Lesen gehen, sondern ums Nachschlagen. Wenn
man das tut, wird der Wälzer zu einer wahren Fundgrube. Dabei fällt auf, dass die deutschen Herausgeber
auf die klassische Codierung der amerikanischen Originalausgabe ganz verzichtet haben. Sie verwenden
ausschließlich die Codierung der fortentwickelten Version der ICD der WHO, die im Original in Klammern
beigefügt ist. Man muss also auf das Original zurückgreifen, wenn man die amerikanische Codierung
benötigt.
Die herbe Vorauskritik in den deutschen Medien im Jahre 2013 hat recht deutlich gemacht, dass nicht jedem
gefallen wird, was er dort findet. Gewiss ist nicht alle Kritik berechtigt gewesen. Das gilt besonders für die
unsinnige Behauptung, das Manual verkürze die Zeit der »normalen« Trauer auf zwei Wochen! Allerdings
fragt man sich mit einigem Recht, welchen Sinn ein solches Konglomerat von Hunderten von Diagnosen
macht, und wie diese im Alltag handhabbar sein sollen. Das zentrale Problem des diagnostischen Ansatzes
besteht allerdings darin, dass bereits die Vorgängerversionen von 1980 den radikalen Wandel von der
dimensionalen zur kategorialen Diagnostik vollzogen hatten.
Seither werden die Symptome, die der Diagnostiker wahrnimmt, nicht mehr gesichtet, gewichtet und zu
einem Gesamtbild zusammengefügt, sie werden vielmehr gleichrangig in einem Kriterienkatalog aufgelistet
und abgehakt. So kann das Vorhandensein von fünf von zehn aufgelisteten Symptomen bedeuten, dass »die
Kriterien für das Vorhandensein einer Störung erfüllt« sind. Das lässt wenig Spielraum für den Kliniker, der
allerdings auch nach Auffassung der Macher des DSM-5 das letzte Wort haben soll. Das ist wohl eher ein
frommer Wunsch – ebenso wie die Mahnung, das Handbuch dürfe nicht wie ein Kochbuch verwendet
werden und es gehöre nicht in die Hände von Anfängern.
An dieser Stelle nur noch drei Anmerkungen: Die psychotischen Störungen, die mich besonders
interessieren, sind unter dem Oberbegriff der Schizophrenie-Spektrum-Störungen zusammengefasst. Die
Schizophrenie erscheint auf diese Weise unter »ferner liefen«. Der Begriff der Demenz kommt nicht mehr
An dieser Stelle nur noch drei Anmerkungen: Die psychotischen Störungen, die mich besonders
interessieren, sind unter dem Oberbegriff der Schizophrenie-Spektrum-Störungen zusammengefasst. Die
Schizophrenie erscheint auf diese Weise unter »ferner liefen«. Der Begriff der Demenz kommt nicht mehr
vor: Er ist durch die Bezeichnung »Neurokognitive Störung« ersetzt worden. Unter dem Aspekt der
Stigmatisierung ist das sicher sinnvoll.
Bemerkenswert ist auch der umfangreiche Katalog der zusätzlich codierten sogenannten »Anderen klinisch
relevanten Probleme«. Dazu gehören zwischenmenschliche Probleme, Missbrauch, Misshandlung und
Vernachlässigung, psychische und körperliche Misshandlung, sexuelle Gewalt durch Partner, Probleme im
Zusammenhang mit Ausbildung und Beruf, Probleme im Zusammenhang mit Wohnbedingungen oder
wirtschaftlichen Verhältnissen und viele andere mehr (S. 985 –1003).
Wer das DSM-5 für seine Arbeit benötigt, sollte die Investition – auch zusätzlich zur amerikanischen
Originalausgabe – trotz des stolzen Preises nicht scheuen. Wenn man nur darin blättern will – schmökern
wäre wohl der falsche Ausdruck –, begebe man sich in eine Fachbibliothek oder wende sich an einen guten
Freund.
PS: Der Rezensent legt Wert auf die Feststellung, dass er das besprochene Buch selbst ausgesucht, gekauft
und bezahlt hat.
Asmus Finzen in Psychosoziale Umschau 4/2014
American Psychiatric Association: Diagnostisches und Statistisches Manual psychischer Störungen DSM-5.
Deutsche Ausgabe herausgegeben von Peter Falkai und Ulrich Wittchen. Hogrefe, Göttingen 2014, ISBN
978-3-8017-2599-0, 1298 Seiten, 149 Euro bis zum 31.01.2015, dann 169 Euro.
©Psychiatrienetz
Letzte Aktualisierung:05.01.2015
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