Gastroenterologie Künstliche Ernährung über eine Magensonde Notwendige Therapie oder sinnlose Qual ?? Tillman Deist Facharzt Innere Medizin Gastroenterologie, Proktologie, Onkologie und Nephrologie, internist. Röntgendiagnostik MVZ Ebern - Gastroenterologie Coburger Str. 17 Begriffsklärung Gastroenterologie Unbestrittener Grundsatz: Eine enterale (über den Magen- Darmtrakt) Ernährung ist immer besser als eine intravenöse Ernährung (Komplikationen) Bezeichnung Abkürzung Beschreibung Vorteile / Nachteile Normale Magensonde MS Plastikschlauch durch die Nase gelegt bis in den Magen Schnelle einfach Anlage, zum Ablauf von Magensekret und zur Ernährung geeignet, schwere Verletzungen der Speiseröhre bei langer Liegedauer Perkutane endoskopische Gastrostomie PEG Magensonde durch die Bauchdecke gelegt im Rahmen einer Magenspiegelung Magenspiegelung notwendig (Schlafspritze – keine Narkose), kleiner Hautstich in die Bauchhaut. Sicherste und beste Methode einer künstlichen Langzeiternährung. Ethische Schwierigkeiten Perkutane endoskopische Jejunostomie PEJ Dünndarmsonde durch die Bauchdecke gelegt im Rahmen einer Magenspiegelung Falls der Magen fehlt, erkrankt ist (Magenkrebs), oder nicht entleert werden kann, wird die Sonde in den Dünndarm eingelegt (ansonsten siehe oben) Laparaskopische Gastrostomie/ Jejunoskopie PLG/J Im Rahmen einer aus anderen Gründen notwendigen OP (am Magen) angelegt Nur noch im Rahmen großer OP´s durchgeführt, von der endoskopischen Technik weitgehend abgelöst. 15.6.2008 Zwangsernährung Sterbender - Magensonde wird schleichend zum medizinischen Standard - - 140.000 gelegte PEG Sonden/ Jahr in Deutschland - 2/3 bei Pflegeheimpatienten - Die Hälfte der Patienten sind demenzkrank Warum werden soviele PEG´s gelegt ?? • Richtige Ernährungsstrategie? • zum Erhalt eines Lebens • Verhinderung von Lungenentzzündungen durch Verschlucken beim Essen • Interesse der Krankenhaus Ärzte technische Verfahren durchzuführen? • Fehlender ambulant palliativer Betreuung durch Hausärzte (Schmerztherapie, s.c.Infusionen) ? • Interesse der Krankenkassen/Krankenhausträger an klar abrechenbarer Proceduren ? • Unfähigkeit der Ärzte den Tod zu akzeptieren/ ertragen ? • Unfähigkeit der Angehörigen den Tod Ihrer Angehörigen zu akkzeptieren ? • Folge der Verdichtung der Arbeit im Krankenhaus/Pflegeheim – keine Zeit für´s Füttern ? • Generelles Problem der Gesellschaft sich mit dem Tod bzw. den Umstände seines Eintretens zu befassen (Patientenverfügungen) Historisches Gastroenterologie - Erstbeschreibung - Gauderer MWL, Ponsky JL Izant RJ. Gastrotomy without laparotomy, a percutaneous laparoskopic technique. J Pediatric Surg 1980;15: 872-875 Indikationen Gastroenterologie • • • • Speiseröhren Krebs Speiseröhren Operation Rachen oder Kehlkopf Krebs Neurologische Systemerkrankungen vor Therapie / palliativ vor OP vor Therapie / palliativ palliativ – Schädel Hirn Trauma, Hirntumor, AML • Langwierige operative Behandlung im Bereich des Gesichtsschädels Klare Indikation !!!! • Indikation bei Schluckstörung vorübergehende Ernährung bei: DisKussionspflichtig • Apoplex • Prolongiertes Koma, Zst n Polytrauma • Entzündungen die vorübergehend den Allgemeinzustand verschlechtern Entfernung der PEG bei irreversiblem Zustand Zur Verhinderung von Verschlucken • Aspirationspneumonie (Lungenentzündung durch Verschlucken) Verhinderung wiederholter stationärer Aufnahmen versus Versterben an der Lungenentzündung Irreversible (neurologische Systemerkrankungen) • Apallisches Syndrom • Neurologische Systemerkrankungen • Demenz (Alzheimer oder Altersdemenz) Hat der Patient noch eine Lebensqualität ?? Relative Kontraindikationen • • • • • • Gerinnungsstörungen (Quick < 50 %, PTT > 50 s, Blutplättchenr< 50) Ausgeprägtes Bauchwasser oder Krebsbefall der Bauchdecken Psychosen Anorexia nervosa Frisches blutendes Ulkus Flächiger Magenkrebs Keine Kontraindikation: • • • • • • • Bauchfelldialyse Leichtes Bauchwasser oder Krebsbefall der Bauchdecken Fehlendes Lichtleuchten durch die Bauchdecke Demenz (vaskulär, toxisch, Alzheimer) Gehrirnwassershuunt in die Bauchhöhle Speiseröhrenverengung Vor- Operationen am Magen Welche Sonde für welchen Patienten ? Gefahr des Verschluckens Rezidivierende Pneumonien Erhaltene Magenfunktion Aus anderen Gründen notwendige OP Magenausgangsverengung Bei geplanter GallenAbleitung nach außen •Gallengs- Papillen Ca • Pankreas Ca Zst. n. Magenentfernung Verengung des Zwölffingerdarms • Gallengangs- Papillen Krebs • Bauchspeicheldrüsenkrebs Percutane endoskopische Jejunostomie (PEJ) Percutane endoskopische Gastrostomie (PEG) Percutane laparoskopische Gastro/Jejunosto mie (PLG/J) Feinnadelkatheter -jejunostomie Percutane transhepatische Choledochus- Drainage mit Ernährungsschenkel Selten durchgeführt: Sonde durch die Leber und den Gallengang in den Dünndarm (kann gleichzeitig die Galle ableiten) Gastroenterologie Vorbereitung • Kontraindikationen/ Gerinnung • Einverständniserklärung – Patient willigt ein – Eingesetzter Betreuer – Amtsgericht • • • • • • • Mundhygiene, Beginn am Vortag Venenverweilkanüle Nüchtern seit 24:00 des Vortages Rasur bei besonders starker Behaarung Magensäureblocker Durchführung unter sterilen (chirurgischen) KIautelen Antibiotikaprophylaxe Normalbefunde Kehlkopf Magencorpus (mittlerer Anteil) Untere Speiseröhre (Beginn der Magenschleimhaut) Eintritt der Speiseröhre in den Magen Magenantrum kurz vor dem Pförtner Mit der Stelle an der eine PEG durch die Bauchdecke in den Magen eingelegt wird) Zwölffingerdarm Bulbus (Anfang des Zwölffingerdarms Normalbefunde Licht des in den Magen eingeführten Gastroskops durchscheinend durch die desinfizierte und steril abgedeckte Bauchhaut. An dieser Stelle ist der sicherste und kürzeste Weg, um per Nadelstich in den Magen zu gelangen. Örtliche Betäubung der Bauchdecke Die Magenwand eindrückender Fingerabdruck von außen an der Stelle des durchscheinenden Lichtes. Photo durch das Gastroskop An der durch Licht und Fingerabdruck festgelegten Stelle in den Magen vorgeschobene örtliche Betäubungsnadel. Probestich mit dünner Kanüle um die korrekte Position zu überprüfen Stich mit größerer Kanüle und Planfeststellung (Die Nadel ist hier schon entfernt). Positionierung der Schlinge um den jetzt folgenden Draht zu fassen (nächste Folie) Der Draht ist mit der Schlinge gefasst Der Draht wird nun mit dem Gastroskop aus dem Patienten gezogen (das untere Drahtende guckt noch aus der Bauchhaut). Die Plastiksonde wird nun an den Draht gebunden. Durch Zug am Drahtende (an der Bauchhaut) wird die Sonde jetzt durch die Speiseröhre in den Magen und bis auf die Innere Halteplatte durch die Bauchwand wieder hinaus gezogen. Innere Halteplatte Innere Halteplatte an der Magenwand liegend, dahinter verläßt die Sonde durch die Bauchwand den Magen Äußere Halteplatte Peritonealhöhle (freie Bauchhöhle) Peritonealhöhle (freie Bauchhöhle) Innere Halteplatte Magen Über Tage entwickelt sich eine Stichkanalwand, die Magen Bauchhöhle und Bauchwand gut miteinander verbindet und dicht abgrenzt (schematisch: grüne Balken) Am Tag der Anlage gelangt häufig Luftz in die freie Bauchhöhle Verbandswechsel - Nachsorge • • • Erster Verbands Wechsel am Tag nach Neuanlage Bis 5 Tage täglich, dann maximal jeden 2. Tag Ernährungsaufbau nach Plan – Gastral: Bolus - Jejunal: kontinuierlich – Spezielle Leber- Nieren- Laktose-freie- Diabeteslösungen ?? Mittelkettige Fettsäuren ? – Intermittierende Spülung mit stillem Wasser • Mobilisation der Sonde – – – – • • • • Bauchdecken 2- 6 cm dick Immer auf die Zentimeterangaben auf der Sonde schauen Lockerung der äußeren Halteplatte auf + 50 % des voreingestellten Wertes Drehen der Sonde und kurzfristiger Einschub bis ca. 10 cm auf der Skala Abstriche bei eitriger Sekretion Bei Para- Fluß von Nährlösung wird die Sonde zwischenzeitlich wieder fester gezogen Regelmäßiges Säubern / Bürsten des Ansatzstückes Nach kompletter Abheilung ist ein Verband nicht mehr obligatorisch – Duschen Baden möglich • PEG Liegedauer ohne feste Zeitvorgabe Gastroenterologie Vermeidung von Druckläsionen • • • Stickinzision mit dem Skalpell ausreichend weit Vermeidung von lokalem Druck im Bereich der Haut Y- Kompresse (Metalline) unter die äußere Halteplatte Vermeidung einer feuchten Kammer Auch in den ersten 24 Stunden äußere Halteplatte nicht zu fest adaptieren – danach erfolgt eine Lockerung sowieso Gastroenterologie • • • • • • • • Komplikationen Lokale Wundinfektionen 15 % Luft in der freien Bauchhöhle 50 – 60 % Therapiebedürftige Komplikationen 4% OP bedürftige Komplikationen ( Blutung, Peritonitis, Perforation) 0,5 % Eingewachsene Innere Halte Platte ( buried bumper syndrome) ?? Impfmetastasen (Tochtergeschwüre im Stichkanal) 16 Fälle in der Weltliteratur Ekzem, „wildes Fleisch“ ?? Materialermüdung ?? Diarrhoe Gastroenterologie Durchfall durch die Nährlösung - oder andere Ursachen?? • • • • • Bolus vs kontinuierliche Gabe Langsamer Beginn Temperatur der Sondenlösung Volumenreduktion, Teepause Ballaststoffgehalt (↓), Laktosegehalt (-), Osmolarität (↓)? • • • • Passagerer Magendarminfekt ? Antibiotika assozierte Diarrhoe ? Kontaminiertes Applikationssystem ? Loperamidtherapie Eingewachsene durch Magenschleimhaut überwucherte Innere Halteplatte. buried bumper Syndrom Diese kann im weiteren aber auch in die freie Bauchhöhle wandern und so eine gefährliche Fistel bilden Mit einem von außen eingeführten Katheter mit Schneiddraht wird die Magenschleimhaut tortenstückartig aufgeschnitten. Jetzt kann die Innere Halteplatte wieder frei in den Magen geschoben werden. Freigelegte Innere Halteplatte Button – Flowcare Sonde Wenn der Sondenkanal in den Magen vorgeformt ist, kann später von außen ohne Magenspiegelung ein Katheter eingeschoben werden, der mit einem aufzublasenden Ballon fixiert wird Dieses Schaubild zeigt, dass Schluckprobleme bei der Nahrungsaufnahme bei dementen Heimbewohner dem Tod etwa 1 Jahr vorrausgehen. N= 323, 18 Mo Heimbewohner Großraum Boston Mittleres Alter 85,3 J 85,4 weiblich 89,5 % Weiße Demenz seit 6 Jahren 22 % stationäre Einweisung 68,2%Pneumonie 13 % Infection 9 % Herzversagen 4,5 ´% Os# 4,5 % Exsikkose • Mitchell SL et al, The clinical course of advanced dementia. NEJM 2009,361, 1529-38 Schluckprobleme, die zu Aspiration von Nahrung in die Lunge (Gefahr der Lungenentzündung) führen kommen vorallem in der Zeit vor dem Tod des Patienten vor. Ob eine PEG zu diesem Zeitpunkt Noch sinnvoll ist ist fraglich • Mitchell SL et al, The clinical course of advanced dementia. NEJM 2009,361, 1529-38 • 96 % der Angehörigen meinten das Wohlbefinden das primäre Therapieziel bei den Patienten sei • 20 % der Betreuenden glaubten, dass ihre Angehörigen weniger als 6 Monate zu leben hätten • Nur 18 % der Angehörigen waren von Ihren Ärzten über die Prognose aufgeklärt worden • 81,4 % der Angehörigen gaben an, sie wüssten über die zu erwartenden Komplikationen Bescheid • Patienten, deren Angehörige wussten dass diese weniger als 6 Monate leben würden und über die zu erwartenden Komplikationen Bescheid wussten, erlebten signifikant weniger „Eingriffe“ in den letzten 3 Monaten Ihres Lebens (OR 0,12). Hier war es unerheblich ob vorher eine Aufklärung durch einen Arzt erfolgt war Fallbeispiel 1 Gastroenterologie • 82 jähriger Patient • Hatte sich zuvor immer gegen eine Magensonde als lebensverlängernde Maßnahme bei unheilbarer Erkrankung ausgesprochen • Zuvor im Heim noch am Rollator gelaufen, allerdings desorientiert, Lebensqualität gering aber noch vorhanden • Jetzt im Rahmen eines hochfieberhaften Harnwegsinfekt im Allgemeinzustand verschlechtert, hohe Entzündungswerte • Ißt und trinkt nichts mehr • Desorientiert, bettlägrig • Hat sich im Rahmen der Flüssigkeits- und antibiotikabehandlung bereits mäßig verbessert • Tochter ist Betreuerin, meint, dass das Erreichen des Vorzustandes erstrebenswert sei. Was würden Sie vorschlagen: PEG??, weitere Behandlung? Fallbeispiel 2 Gastroenterologie • • • • • • 79 jährige Patientin Senile Altersdemenz Keine Patientenverfügung vorhanden, kein mutmaßlicher Wille Vor 2 Jahren in ein Heim umgezogen Seit 1 Jahr wird die Patientin gefüttert Seit ¼ Jahr dauerhaft bettlägrig, nimmt praktisch nicht mehr am Leben teil • Verschluckt sich in den letzten 3 Monaten häufig, bereits 2 x wegen einer Aspirationspneumonie (Lungenentzündung durch Verschlucken) im Krankenhaus gewesen, Antibiotikatherapie • Vom klinischen Eindruck stresst ein solcher Aufenthalt die Patientin sehr • Eine PEG Anlage könnte die Patientin vor erneutem Verschlucken schützen Was würden Sie vorschlagen: PEG??, weitere Behandlung? Fallbeispiel 3 Gastroenterologie • • • • • • • • • 89 jähriger Patient Senile Alzheimerdemenz Keine Patientenverfügung vorhanden, kein mutmaßlicher Wille nimmt praktisch nicht mehr am Leben teil, dies bereits seit 3 Jahren, keine verbalen Äußerungen Seit etwa derselben Zeit ist der Patient vollständig bettlägrig Patient kommt jetzt aufgrund einer Austrocknung infolge einer fehlenden Flüssigkeitsaufnahme in´s Krankenhaus Ein Infekt oder ähnliche reversible Zustände können ausgeschlossen werden Zunächst erfolgt eine Behandlung mit Infusionen, worunter der Gesamtzustand des Patienten besser wird Wiederholte Versuche den Patienten zu füttern scheitern, keine Flüssigkeitsoder Nahrungsaufnahme Was würden Sie vorschlagen: PEG??, weitere Behandlung? Fallbeispiel 4 Gastroenterologie • • • • • • • • • 87 jähriger Patientin Schlaganfall vor 3 Wochen Keine Patientenverfügung vorhanden, kein mutmaßlicher Wille Komplette Schluckstörung, komplette Halbseitenlähmung Obwohl die Paresen nicht zurückgegangen sind, ist die Patientin lebhafter, nicht mehr somnolent, reagiert ein wenig auf Ansprache und scheint auch etwas zu verstehen, da einige Reaktionen adäquat sind Die Patientin ist aber nachwievor ein Vollpflegefall Bisher war die Patientin intravenös ernährt, der Venenkatheter wurde zuletzt gezogen zur Verhinderung einer Blutvergiftung Eine Magensonde über die Speiseröhre toleriert die Patientin sehr schlecht, eine Mundpflege ist dadurch erschwert. Aus der Krankengeschichte ist eine Speiseröhrenentzündung bekannt. An eine selbstständige Nahrungsaufnahme ist bei weitem noch nicht zu denken. Was würden Sie vorschlagen: PEG??, weitere Behandlung?